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Tun, wozu man Lust hat... ?von Pastor Eckhard EtzoldEs war immer dasselbe Theater: Bernd kam aus der Schule, knallte seine
Sachen auf das Sofa und saß vor dem Computer. Sowie das kleine
Horrorkabinett unter Pfeifen und Knarren auf dem Bildschirm erschien, hatte
er alles vergessen: Hausaufgaben, Zimmer aufräumen, Schuheputzen und so
weiter. Nach anderthalb Stunden stand regelmäßig seine Mutter in
der Tür und stöhnte: Offenbar gibt es in jeden Menschen Kräfte, die ihn wegziehen wollen aus dem Schutzbereich der Familie, des Elternhauses. Jeder Jugendliche muss, wenn er sein Leben selbstverantwortlich gestalten will, einmal diesen Schritt tun, diesen Schritt weg aus dem Vertrauten, diesen Bruch mit den Verhaltensregeln und Ansichten der Eltern. Und jeder Christ wird, wenn er in seinem Glauben wachsen will, einmal die gewohnten Bahnen verlassen müssen. Jesus selbst ist dafür ein gutes Beispiel. Als er von zu Hause fortging, um das Evangelium in Wort und Tat zu
verkündigen, wollten ihn seine Familienangehörigen
zurückholen. Die sagten wörtlich von ihm: Jesus selbst hat nicht immer das Maß an Geduld und Friedfertigkeit aufgebracht, das wir ihm gewöhnlich unterstellen. Er war Mensch wie wir, das heißt, auch er hatte seinen Streit mit den Eltern, fiel aus der Rolle und konnte Ärger nicht vermeiden. Er war keineswegs von Anfang an vollkommen in dem Sinne, wie wir Vollkommenheit gern verstehen würden: dass er mit allen gut auskam und sein Verhalten keinen Anstoß erregte. Er musste seinen eigenen Weg finden, und das ging nicht ohne Reibung ab. Das gilt nicht nur für ihn, sondern für jeden Menschen, der erwachsen werden will. Und das fordert von beiden Seiten Entgegenkommen: Auf Seiten der Eltern die Geduld, die Anläufe ihrer Kinder zur Selbständigkeit nicht als persönlichen Angriff zu verstehen, und auf Seiten der Kinder und Jugendlichen die Einsicht, den Freiheitsdrang nicht auf Kosten anderer hemmungslos auszuleben. Offenbar ist es auch bei Jesus nicht beim Streit geblieben. Mit seiner Mutter hat er wieder gesprochen, und sie hat Jesus bis ans Kreuz begleitet. Und sein Bruder Jakobus hat nach der Auferstehung Jesu die christliche Gemeinde angeführt, nachdem Petrus von seiner Führungsrolle zurückgetreten war. Ein Streit kann Menschen entzweien. Aber wenn es mit Gottes Hilfe gelingt, ihn beizulegen, kann er Menschen auch sehr innig verbinden. Das können wir von Jesus und seinen Verwandten lernen. |