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Tun, wozu man Lust hat... ?

von Pastor Eckhard Etzold

Es war immer dasselbe Theater: Bernd kam aus der Schule, knallte seine Sachen auf das Sofa und saß vor dem Computer. Sowie das kleine Horrorkabinett unter Pfeifen und Knarren auf dem Bildschirm erschien, hatte er alles vergessen: Hausaufgaben, Zimmer aufräumen, Schuheputzen und so weiter. Nach anderthalb Stunden stand regelmäßig seine Mutter in der Tür und stöhnte: Bernd, was machst du denn? Du solltest doch das Zimmer aufräumen. Du hast es mir doch versprochen! Bernd dachte an die bevorstehenden Ferien und wünschte sich, fortzulaufen, einmal richtig spüren, diesmal führen keine Wege mehr zurück, einmal frei zu sein für einen Augenblick...

Offenbar gibt es in jeden Menschen Kräfte, die ihn wegziehen wollen aus dem Schutzbereich der Familie, des Elternhauses. Jeder Jugendliche muss, wenn er sein Leben selbstverantwortlich gestalten will, einmal diesen Schritt tun, diesen Schritt weg aus dem Vertrauten, diesen Bruch mit den Verhaltensregeln und Ansichten der Eltern. Und jeder Christ wird, wenn er in seinem Glauben wachsen will, einmal die gewohnten Bahnen verlassen müssen. Jesus selbst ist dafür ein gutes Beispiel.

Als er von zu Hause fortging, um das Evangelium in Wort und Tat zu verkündigen, wollten ihn seine Familienangehörigen zurückholen. Die sagten wörtlich von ihm: Er ist verrückt. (Markus 3,20-21) Aber Jesus war nicht zu halten. Als seinen Angehörigen zu Ohren kam, was er den Leuten in den umliegenden Dörfern erzählte, gerieten sie außer sich und wollten ihn wieder zurück in die Normalität holen: Und es kamen seine Mutter und seine Brüder und standen draußen, schickten zu ihm und ließen ihn rufen. Und das Volk saß um ihn. Und sie sprachen zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder und deine Schwestern draußen fragen nach dir. Jesus begriff schnell, worauf das hinauslief, und entgegnete: Wer ist das? - Meine Mutter und meine Brüder? Er tat so, als würde er sie, seine Mutter und seine Brüder, nicht mehr kennen. (Markus 3,31-35) So tief ging bereits der Riss zwischen ihm und seiner Familie. Kann man seine eigenen Eltern tiefer verletzen? Auf der anderen Seite: wenn sie ihm nachsagten, er sei verrückt, musste das nicht Jesus auch getroffen und verletzt haben?

Jesus selbst hat nicht immer das Maß an Geduld und Friedfertigkeit aufgebracht, das wir ihm gewöhnlich unterstellen. Er war Mensch wie wir, das heißt, auch er hatte seinen Streit mit den Eltern, fiel aus der Rolle und konnte Ärger nicht vermeiden. Er war keineswegs von Anfang an vollkommen in dem Sinne, wie wir Vollkommenheit gern verstehen würden: dass er mit allen gut auskam und sein Verhalten keinen Anstoß erregte. Er musste seinen eigenen Weg finden, und das ging nicht ohne Reibung ab.

Das gilt nicht nur für ihn, sondern für jeden Menschen, der erwachsen werden will. Und das fordert von beiden Seiten Entgegenkommen: Auf Seiten der Eltern die Geduld, die Anläufe ihrer Kinder zur Selbständigkeit nicht als persönlichen Angriff zu verstehen, und auf Seiten der Kinder und Jugendlichen die Einsicht, den Freiheitsdrang nicht auf Kosten anderer hemmungslos auszuleben. Offenbar ist es auch bei Jesus nicht beim Streit geblieben. Mit seiner Mutter hat er wieder gesprochen, und sie hat Jesus bis ans Kreuz begleitet. Und sein Bruder Jakobus hat nach der Auferstehung Jesu die christliche Gemeinde angeführt, nachdem Petrus von seiner Führungsrolle zurückgetreten war. Ein Streit kann Menschen entzweien. Aber wenn es mit Gottes Hilfe gelingt, ihn beizulegen, kann er Menschen auch sehr innig verbinden. Das können wir von Jesus und seinen Verwandten lernen.

Glaubenssachen
Impressum, http://bs.cyty.com/glaubenssachen/erwachsen-werden.shtml, Stand: 11. October 2012, jk