Fernseher und Farbfernseher aus der Anfangzeit des Fernsehens und des Farbfernsehens
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In Betrieb

Schwarzweiß-Fernsehen:

Restauration eines Grundig Zauberspiegel, Type 349

Baujahr: 1957

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Frontansicht

Im Oktober 2002 holte ich vom Dachboden eines Bauernhofes in Klein Himstedt bei Hildesheim einen alten Grundig-Schwarzweißfernseher, Marke Zauberspiegel, Type 349 mit Rundfunkteil und 43 cm.-Bildröhre aus dem Jahre 1957. Ich hatte ihn vor weit über 20 Jahren einmal von meinem Schulfreund Andreas Fremdling erhalten, der zu dieser Zeit in Salzgitter Bad bei einem Fernseh-Reparaturbetrieb arbeitete. Obwohl das Gerät damals, - 1957 gab es in Deutschland bereits eine Million Fernseher -, sehr häufig verkauft wurde (zu Weihnachten 1952, vor 50 Jahren, wurde das Fernsehen in Deutschland nach dem Kriege wieder eingeführt), ist es heute eine Rarität geworden. Zudem ist es optisch ein sehr schönes Gerät, weil es sich im Design immer noch am Aussehen der damals massenhaft verbreiteten Radios orientiert (die Bildröhre wurde einfach da platziert, wo sonst ein größer Konzertlautsprecher den Schall nach vorn abstrahlte). Das Gerät hat viele Jahre dort auf dem Dachboden gestanden, unter Nässe und starken Temperaturschwankungen gelitten. Würde es noch möglich sein, dieses inzwischen gut 45 Jahre alte Gerät, das soviele Jahre geruht hatte und gerostet war, wieder in Betrieb zu nehmen, ohne die alte Schwarzweiß-Technik durch moderne Farbfernsehtechnik zu ersetzen, wie es Firmen für den Vertrieb und die Restauration von Altgeräten heute praktizieren?
 
Das Chassis (es war eines der ersten mit Pertinax-Platinen) wurde zunächst ausgebaut und mit einem Föhn getrocknet. Das Gerät war in einem Zustand, der den Betrieb nicht erlaubte, es wäre durch das Einschalten unwiderbringlich zerstört worden. Ob es überhaupt wieder erfolgreich in Betrieb zu setzen ist, erschien mir fraglich. Nicht zuletzt auch wegen der heute höheren Netzspannung von 230 Volt (anstatt der 220 Volt in den fünfziger Jahren) und dem Umstand, dass es keine geregelte Spannungsversorgung hatte.

Frontansicht Chassis und Innenansicht bei angenommener Rückwand

Die Holzlackierung war in den Jahrzehnten rissig geworden. Aber ansonsten war das Gerät äußerlich und innerlich noch gut anzusehen. Vor der Bildröhre war eine Schutzscheibe angebracht, die im Falle einer Implosion die Zuschauer vor Glassplittern und Verletzungen schützte. (Erst in den sechziger Jahren kamen Geräte ohne Implosionsschutzscheibe mit "eigensicheren" Bildröhren auf den Markt.) Die in den fünfziger Jahren üblichen braunen WIMA-Papierkondensatoren waren nahezu allesamt aufgeplatzt, zum Teil quoll die Alufolie und das Dielektrikum heraus. Sie wurden durch gleiche Typen aus Apparaten der sechziger Jahre ersetzt. Zwar gibt es auch heute noch Kondensatoren in allen Kapazitätsklassen, doch sind diese für ein Röhrengerät nicht mehr geeignet, da sie bei ansteigenden Temperaturen ihre Kapazität verändern. Defekt war außerdem einer der Lastwiderstände, der zum Netzteil gehörte. Schritt für Schritt wurden die Teile ersetzt, wobei - wenn möglich -, auf alte Ersatzteile zurückgegriffen wurde. Ein weiterer Blick ins Innere.
Die Leistungsaufnahme auf der Rückwand wurde für das Fernsehteil mit 180 Watt angegeben, für das Radioteil mit 55 Watt. (Zum Vergleich: heutige Farbfernseher mit 70 cm. Bildröhre liegen bei ca. 85 Watt.)

Mausfraß Rost

Doch ein Blick ins Detail offenbarte schnell Beschädigungen. Links: Der Zahn der Zeit nagte an dem Gerät und das im direkten Wortsinn: Durch Mausfraß war die interne Folienantenne beschädigt. (Zum Teil waren sogar Kondensatoren angenagt worden.) Im Vordergrund die Video-Endstufe mit einer PL 83.
Rechts: Auf den Metallflächen hatte sich Rost gebildet. Soweit diese Beschädigungen elektrisch unbedenklich waren, wurde das Gerät im ursprünglichen Zustand belassen.

Rost Rost

Bedenklich war die Rostbildung, insbesondere an den Federn, die für das Funktionieren der Tasten und Schalter nötig waren. Aber abgesehen davon, dass für die Potentiometer die Feststell-Schrauben an den Bedienungsknöpfen nachgezogen werden mussten, waren die Tasten und Schalter noch leichtgängig. Die Skalenseile für den UKW-Teil waren noch auf Spannung, das für den AM-Teil war bereits gerissen.

Tonendstufe Zeilenendröhren PL 36 und PY 83

Eine Kontrolle aller 24 Röhren nach Augenschein ergab keine Schäden, sie standen sämtlich noch unter Vakuum (erkennbar an den aufgedampften Alkalimetall-Flecken im Inneren der Röhren, die sich bei Luftkontakt infolge von Oxidation schnell weiß verfärben). (Allerdings versagte wenige Tage nach dem ersten Einschalten die dritte Bild-ZF-Stufe: die EF 80 wies Glasbuch auf und stand unter Luft.) Hier im Bild die Tonendstufe mit einer EL 84 sowie die Zeilenendstufe mit der PL 36 und der Boosterdiode PY 83.

Zeilenendstufe Zeilentransformator mit Hochspannungswicklung

Zu den sehr kritischen Bauteilen dieser Apparategeneration gehört die Zeilenendstufe mit dem Zeilentransformator. Viele Altgeräte waren nicht mehr zu reparieren, wenn der Zeilentrafo Windungsschlüsse aufwies. Insbesondere bei eindringender Feuchtigkeit kam es schnell zu Kriechströmen, die Windungsschlüsse nach sich zogen. Die Zeilenendstufe wurde gefönt und durch die heiße Luft erhitzt, um die Feuchtigkeit heraus zu ziehen. Eine letzte Sicherheit gab es hier allerdings nicht, und die beste Trocknung ist immer noch der laufende Betrieb...

AM-Drehkondensator Selen-Netzgleichrichter

Links ein Selengleichrichter (im Hintergrund die Tonendstufe EL 84 und rechts die Netzteil-Elkos). Dieser hier funktioniert noch, obwohl sie als recht störanfällig galten und schon in den sechziger Jahren bei Reparaturen sozusagen obligatorisch durch Siliziumgleichrichter ersetzt wurden.
Rechts der Drehkondensator (0-500 pF) für den Lang-, Mittel- und Kurzwellen-Bereich.
Ein Originalschaltplan lag dem Gerät nicht mehr bei, aber ich hatte insofern Glück als dass ich eine Kopie in meinen Unterlagen (TIFF-Datei, 204 KByte) fand, die ich früher einmal einem anderen Gerät entnommen hatte.

UKW-Tuner VHF-Trommel-Tuner

Hier im Bild die Tuner (VHF und UKW-Hörfunk). Der VHF-Tuner mit zehn Empfangskanälen, die mit einem Trommelschalter angewählt werden konnten. Damals gab es noch keinen UHF-Sendebetrieb. Dieser wurde erst 1962 mit dem ZDF eingeführt. Um trotzdem UHF-Sender empfangen zu können gab es später die Möglichkeit, UHF-Tuner als sogenannte Transkonverter nach zu kaufen, die die UHF-Programme auf einen der unteren VHF-Kanäle umsetzten.

großer Konzertlautsprecher Originalbeschriftung der Bildröhre

Der Apparat enthät drei Lautsprecher (2 Konzertlautsprecher und ein Hochtöner unter dem Chassis). Die Bildröhre AW 43-80 wies schon 85°-Ausführung mit Ionenfallenmagneten und elektrostatischer Fokussierung auf. (Der Vorgängertyp MW43-64 mit 70°-Ablenkung besaß noch schwere Ringmagneten aus Ferrit, mit denen der Elektronenstrahl fokussiert wurde.) Im Betrieb gab sie ein klares, helles Bild, das auch bei aufgedrehtem Kontrastregler keine Ermüdungserscheinungen im Strahlsystem erkennen ließ.

Wieder in Betrieb, 28.10.2002 Wieder in Betrieb, 28.10.2002

Der große Augenblick ist da: nachdem die augenfälligen Schäden behoben und brüchige Lötstellen nachgelötet sind, kommt der Augenblick, wo nichts anderes zu tun bleibt, als den Stecker in die Steckdose zu stecken und den Apparat einzuschalten. Es dauerte exakt anderthalb Minuten (!) - die angefüllt waren mit bangem Hoffen, bis alle Röhren geheizt waren und der Bildschirm hell wurde. Nach kurzem Suchen auf der Sendeskala erschienen die ersten schrägen Streifen im Rauschen auf dem Bildschirm: das Bild musste noch mit Hand und entsprechenden Drehreglern synchronisiert werden. Funktionen, die heute völlig automatisch ablaufen. Im Programm: Sabine Christiansen (MDR) und der Vorspann der ZDF Heute-Nachrichten vom 28. Oktober 2002. Das Schwarzweiß-Bild war gewöhnungsbedürftig: um die hellen Flächen herum war ein heller weißer Schatten zu sehen, der durch Reflexionen im Inneren der Bildröhre hervorgerufen wurde. Bei Geräten der späteren Jahre wurden diese Reflexionen durch eine Aluminium-Schicht auf den Leuchtphosphoren unterdrückt.
Eine neue - und doch aus meiner Kindheit bekannte Erfahrung war, dass man Fernsehen riechen konnte. Nach einigen Minuten verströmte das Gerät den typischen Geruch, der durch erhitzten Staub und warmes Holz verursacht wurde infolge der Aufheizung der Röhren (deren Kathoden z.T. bis auf 900° C heizt wurden). Das Radioteil funktioniert ebenfalls, jedoch nur für UKW und beeindruckt durch eine hervorragende Klangqualität. Dazu trägt nicht unwesentlich eine frühe Equalizer-Klangregelung bei, die neben Tief- und Hochtonbereich auch die Klagregelung für zwei Mitteltonbereiche erlaubt.
Mag auch die Technik damals nicht den hohen Grad an Perfektion haben, den die heutige Rundfunk- und Fernsehtechnik aufweist, so überzeugen solche Altgeräte vor allem durch ihre solide Verarbeitung (Holz statt Plastik!) und die Liebe zum Detail, die bei heutigen Geräten der Unterhaltungselektronik leider kaum mehr zu finden ist.
Eine Überraschung erlebte ich allerdings, als ich diesen Apparat einer Gruppe von zwölfjährigen Jugendlichen vorführte. Als sie anderthalb Minuten warten mussten, bevor das Bild auf dem Bildschirm erschien, konnten sie es gar nicht glauben, dass jemals noch ein Bild erscheint und fragten mich, wie die Leute früher das ausgehalten haben, so lange darauf zu warten. Sie waren es gewöhnt, dass die Geräte schon nach wenigen Sekunden nach dem Einschalten voll funktionsfähig sind. Zudem war es für sie völlig fremd, einen Fernseher zu erleben, der die Bilder, die sie bisher gewohnt waren, nur in Schwarzweiß wieder gab. Auf Nachfrage kam ans Licht, dass diese 25 Jugendlichen in ihrem Leben hier das erste Mal einen Schwarzweiß-Fernseher erlebt hatten...

Röhren

Radioteil: ECC 85, ECH 81, EF 89, EF 80, EBC 41, EC 92, EL 84, EM 34
Fernsehteil: PCC 88, PCF 80, 4mal EF 80, PL 83, ECL 80, EBF 89, AW 43-80, 2mal EC 92, PCL 82, PL 36, PY 83, DY 86

Schaltplan

Download

Warnung: Diese Webseite bietet Ihnen einen Einblick in das Innere des Gerätes. Beachten Sie bitte, dass die Entfernung von Rückwänden und Abdeckungen nur dem Fachmann vorbehalten ist. Das gilt besonders, wenn das Gerät eingesteckt ist, in Betrieb ist oder unter elektrischer Spannung steht. Verbrennungen oder gar tödliche Stromschläge können die Folge sein! Aber auch bei Netztrennung besteht die Gefahr, dass bei unsachgemäßer Vorgehensweise bösartige Stromschläge geschehen können. Insbesondere die Bildröhre und die mit ihr verbundenen Baugruppen können noch Stunden oder Tage nach der letzten Inbetriebnahme weit über 10.000 Volt Hochspannung führen. Der Autor lehnt jede Haftung für Verletzungen und Schäden, resultierend aus den hier gegebenen Informationen ab und weist ausdrücklich darauf hin, dass für den Unkundigen vor dem Öffnen von Geräten Fachleute wie Elektriker oder Elektrotechniker befragt werden müssen.

Photos: © Eckhard Etzold 2002
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Impressum, http://bs.cyty.com/menschen/e-etzold/archiv/tv/grundig/type349.htm, Stand: 20. November 2002, ee