Fernseher und Farbfernseher aus der Anfangzeit des Fernsehens und des Farbfernsehens - Homepage Eckhard Etzold
Schwarzweiß-Fernsehen:Dokumentation: Motorola VT-71 "Golden View"
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Während Deutschland nach dem Kriege noch in Schutt und Asche lag, die Menschen nicht wussten,
wie sie den nächsten Winter überleben konnten, und das Geld kaum reichte für die wichtigsten Lebensmittel,
schritt die technische Entwicklung ungebrochen in den Vereinigten Staaten voran und erreichte einen Standard, der sich erst
zehn Jahre später in Deutschland durchsetzte. 1947 kam das erste Fernsehgerät von Motorola, das Golden
View Modell VT71 auf den U.S.-amerikanischen Markt. Es war zugleich auch das erste Fernsehgerät, das
weniger als 200 Dollar kostete. Innerhalb eines Jahres verkaufte das Unternehmen
die für damalige Verhältnisse hohe Stückzahl von mehr als 100.000 Geräten. Damit gelang
dem Fernsehen nach zahlreichen vergeblichen Anläufen in der Vergangenheit der Durchbruch zu einem
Massenmedium. Im Juli 1948 waren bereits ca. 350.000 Fernseher in Betrieb. Acht Programme gleichzeitig mit je ca. 42 Stunden Programm
pro Woche konnten empfangen werden, und im Durchschnitt lief ein Fernseher 17 Stunden in der Woche und zwischen
drei und vier Personen saßen vor einem Gerät.
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Bei dem hier dokumentierten Gerät handelt es sich um die Chassis-Type TS-4D, Nr.
16368 vom 17. März 1948, das wenige Tage vor der Berlin-Blockade produziert wurde, als amerikanische Flugzeuge (die sogenannten
"Rosinenbomber") die Berliner Bevölkerung über eine Luftbrücke
mit den wichtigsten Lebensmitteln versorgten. Harry S. Truman war 33. U.S.-amerikanischer Präsident.
Und die drei Siegermächte bereiteten in Westdeutschland die Währungsreform vor.
Während man in den USA zu dieser Zeit in den größeren Ballungsräumen
bereits über mehrere Fernsehprogramme verfügte,
begann man in Deutschland gerade erst, den Mittelwellen- und Kurzwellen-Hörfunk nach dem Kriege
wieder aufzubauen. An Fernsehen war hier damals noch gar nicht zu denken. |
Links die Hochspannungserzeugung, rechts das Chassis (hier mit Beschreibung).
Der Apparat ist recht einfach und solide aufgebaut.
Der Empfangsbereich umfasst VHF mit amerikanischer Kanaleinteilung. Insgesamt können 13 verschiedene Kanäle empfangen werden,
geschaltet sind in diesem Empfänger jedoch nur acht Kanäle [ Schaltbild ]. Als Besonderheit verfügt der
Apparat noch über den 1946 wieder neu festgelegten Channel 1. Dieser wurde jedoch nie für Fernsehzwecke benutzt, da er im früheren
UKW-Rundfunkband liegt, das ab 1945 auf den Bereich zwischen 88 MHz bis 108 MHz verschoben wurde, und einige Radiostationen immer noch im Channel 1-Band
ihre Hörfunkprogramme ausstrahlten.
Der Apparat verfügt über drei ZF-Kreise [ Schaltbild ],
die Ton-ZF wird als Intercarrier (Differenztonverfahren) gewonnen [ Schaltbild ].
Die Bildablenkung geschah elektrostatisch [ Schaltbild ],
und die Hochspannung (ca. 6000 Volt) wurde aus einem separaten Hochfrequenzoszillator [ Schaltbild ] gewonnen (noch nicht
durch den Zeilenrückschlagimpuls wie in Apparaten mit magnetischer Bildablenkung). Um die Hochspannungsgleichrichterröhre ist ein
Drahtring angebracht, der den Rückkopplungsimpuls abnimmt und dem ersten Gitter der Oszillatorröhre zuleitet. (Auf dem Photo
links sitzt er zu niedrig.) Zeilentrafo, Netztrafo und Vertikal-Ausgangsübertrager gibt es bei diesem Gerät noch nicht. |
Das Gerät besitzt eine Rundkolbenbildröhre (7JP4). Der runde Bildschirm war in den USA zu dieser
Zeit und auch später bei den größeren Bildröhren mit magnetischer Ablenkung
bis weit in die 60er Jahre hinein gebräuchlich, ehe er durch die Rechteck-Bildschirme abgelöst wurde,
welcher in Deutschland schon seit der unmittelbaren Vorkriegszeit verwendet wurde. |
Für die Restauration begann ich mit dem Netzteil [ Schaltbild ]. Der Selengleichrichter wurde durch moderne
Siliziumdioden ersetzt. Für diese und für die Siebelkos wurde unter dem Chassis eine Lötleiste
angebracht. Die alten Elkos wurden abgeklemmt, aber auf dem Chassis belassen.
Für eine erste Inbetriebnahme wurden die Röhren gezogen und der Netzstecker an eine
90-Volt-Anodenbatterie angeschlossen. Mit ca. 50 mA befand sich der Ladestrom im Rahmen dessen, was
erwartet werden konnte. Kein Kurzschlus. |
Nachdem sichergestellt war, dass hier in der Gleichspannungsversorgung
kein Fehler mehr war, begann ich mit der Widerherstellung des Heizkreises. Eine Messung der Einzelwiderstände
in der Balaströhre zeigte, dass der Wert des 22-Ohm-Heizkreiswiderstandes gegen Masse auf ca. 13 Ohm gefallen
war. Nachdem der Widerstand zunächst provisorisch ersetzt wurde, schaltete ich den Apparat das erste Mal ein.
Alle Spannungen waren vorhanden bis auf die Hochspannung. Eine Untersuchung der Hochspannungsteils ergab,
dass der Drahtring für die Oszillator-Rückkopplung auf der Hochspannungs-Gleichrichterröhre
zu tief saß. Als ich ihn etwas höher verschob und den Apparat wieder einschaltete, stieg die Anspannung ins Unerträgliche.
Würde der Apparat ein Lebenszeichen von sich geben? Würde die Bildröhre nach über fünf
Jahrzehnten noch ein erkennbares Bild liefern? Was, wenn einer der alten Elkos unvermittelt platzt und abraucht?
Trotz alledem: die Überraschung war perfekt: der Bildschirm leuchtete auf, und "Schnee" war zu erkennen.
Mit ein wenig Feintuning am UHF-Konverter war schnell ein stehendes Bild zu sehen. |
Rechts im Bild: das ausgebaute Chassis mit Bildröhre in Funktion.
Links im Bild der Apparat erstmals wieder in Betrieb im Oktober 2004, nachdem die Kondensatoren ausgewechselt und der
Rückkopplungsring um die Hochspannungsgleichrichterröhre neu justiert wurde.
Mit etwas Fingerspitzengefühl ließ sich das Gerät auf die europäische Norm mit
15,625 kHz, 25 Bildwechseln und 5,5 MHz Ton-ZF einstellen. Der Ton war allerdings stark verbrummt. |
Kann hier als GIF-Datei heruntergeladen werden.
4mal 6AG5, 2mal 6AU6, 2mal 12SN7GT, 2mal 25L6GT, 12AT7, 6SQ7, 6AL5, 6SL7GT, 1B3GT, 7JP4.
Warnung: Diese Webseite bietet Ihnen einen Einblick in das Innere des Gerätes. Beachten Sie bitte, dass die Entfernung von Rückwänden und Abdeckungen nur dem Fachmann vorbehalten ist. Das gilt besonders, wenn das Gerät eingesteckt ist, in Betrieb ist oder unter elektrischer Spannung steht. Verbrennungen oder gar tödliche Stromschläge können die Folge sein! Aber auch bei Netztrennung besteht die Gefahr, dass bei unsachgemäßer Vorgehensweise bösartige Stromschläge geschehen können. Insbesondere die Bildröhre und die mit ihr verbundenen Baugruppen können noch Stunden oder Tage nach der letzten Inbetriebnahme weit über 10.000 Volt Hochspannung führen. Der Autor lehnt jede Haftung für Verletzungen und Schäden, resultierend aus den hier gegebenen Informationen ab und weist ausdrücklich darauf hin, dass für den Unkundigen vor dem Öffnen von Geräten Fachleute wie Elektriker oder Elektrotechniker befragt werden müssen.
Photos: © Eckhard Etzold, 2004.
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Motorola Model: VT71M-A
Motorola Model VT-73 (VT-71) "Golden View" Television (1948) mit vielen Tipps für die Restauration dieser Geräte