Künstliche Blitze und Radioversuche

Nikola Tesla erfand das Radio

Am 7. Januar 1943 starb in New York ein Mann, dessen Bedeutung für die Entwicklung der modernen Elektrotechnik bis heute noch nicht voll erfaßt ist: Nikola Tesla. Er wurde am 10. Juli 1856 in Kroatien geboren, kam 1884 nach New York, wo er kurze Zeit mit Thomas Alva Edison zusammenarbeitete, bevor er sich eigenständigen Forschungen widmete, und war 1915 Anwärter auf den Nobelpreis, der ihm aus dubiosen Gründen doch nicht zuerkannt wurde. Während man sich in den USA seit einigen Jahren zunehmend mit Teslas Werk und seiner Person beschäftigt, und im Zuge dessen herausgefordert ist, die Geschichte wichtiger Entdeckungen der Elektrotechnik neu zu schreiben, steht eine entsprechende Würdigung der Person und der Leistung Nikola Teslas im deutschen Sprachraum noch aus. Leider gibt es bis heute im deutschen Sprachraum keine neuere Darstellung des Werkes und der Person Nikola Teslas, die den seriösen Ansprüchen wissenschaftlichen Interesses genügt.

'Wollte man das Leben Nikola Teslas, jenes seltsame Experiment, das er daraus machte, mit einem Wort umreißen, so wäre 'sensationell' wohl ein milder Ausdruck. Ebensowenig wird man mit dem Wort 'erstaunlich' seinen Entdeckungen gerecht, die raketengleich emporschossen. Es ist die verwirrende, schillernde Geschichte eines Übermenschen, der eine neue Welt schuf.' Mag die übertriebene Bewunderung, die aus diesen Worten seines bekanntesten Biographen, John O'Neill, spricht, viel zu hoch greifen, -was bei uns an Wissen über diesen Mann bekannt ist, steht trotzdem in keinem Verhältnis zu seiner Bedeutung: In populären Lexika-Artikeln wird die Entdeckung der Teslaströme und der Tesla-Transformator erwähnt. In allgemeinen Physikbüchern erscheint der Name Tesla nur als Maßeinheit für eine nach ihm benannte elektromagnetische Kraftwirkung. Das ist alles. Seine Einführung des Wechselstromnetzes in den USA (zusammen mit dem Großindustriellen George Westinghouse), die eine verlustarme Energieübertragung über lange Strecken erst ermöglichte und Edisons Gleichstromnetz ablöste, ist kaum bekannt. Ebensowenig seine Verdienste um die Entwicklung brauchbarer Wechselstrommotoren, die Entdeckung des elektrischen Drehfeldes und des ersten drahtlos gesteuerten Fernlenkbootes im Jahre 1898, um einige der wichtigsten Errungenschaften dieses Mannes zu nennen.

Beachtung haben neuerdings die 'verlorenen Erfindungen' Teslas in esoterischen Kreisen gefunden: Dabei geht es um angeblich hochenergetische Todesstrahlen, mit denen ein militärischer Schutzschild aufgebaut werden könne, das das Land gegen jeden Angreifer abschirme (sozusagen ein Vorläufer des SDI), und um die Konstruktion eines Automobils Anfang der dreißiger Jahre, das seine Energie aus dem Schwerkraftfeld gewonnen haben soll, - die Lösung unseres Energieproblems, wenn da etwas dran sein sollte. Doch mehr als vage Andeutungen sind uns nicht überliefert, und es bleibt zu fragen, ob diese Legenden nicht auf einen latenten Größenwahn dieses Mannes zurückgehen, dem es als ersten vergönnt war, künstliche Blitze von mehreren Metern Länge zu erzeugen, und der von sich selber meinte, 150 Jahre alt zu werden, und deshalb in seinen mittleren Lebensjahren darauf verzichtete, seine Forschungsergebnisse und Konstruktionspläne schriftlich festzuhalten, mit der Begründung, dazu habe er später noch genügend Zeit.

Wir beschränken uns auf das, was uns bis heute schriftlich vorliegt und nachprüfbar ist, und wollen hier insbesondere Teslas Beitrag zur Realisierung der drahtlosen Nachrichtenübertragung und der Rundfunktechnik ansehen, der bis heute noch nicht in seinem vollen Umfang erkannt worden ist. Wir stützen uns dabei auf die weniger bekannte Darstellung des Teslaschen Werkes von seinem Landsmann Slavko Boksan aus dem Jahre 1932, die im Gegensatz zu allen späteren Biographien die meisten technischen Details und Belege vorweisen kann.

Bereits 1893, also drei Jahre bevor der Italiener Marconi, der als Pionier der Rundfunktechnik bis heute gilt, mit seinen Versuchen zur drahtlosen Telegraphie begann, berichtete Nikola Tesla vor dem Franklin-Institut in Philadelphia von der Bedeutung seiner Experimente mit den verschiedenen Hochfrequenzoszillatoren, die er entwickelt hatte: 'Im Zusammenhange mit den Resonanzwirkungen und dem Problem der Energieübertragung mittels eines einzigen Leiters, welches vorher betrachtet wurde, möchte ich noch einige Worte über einen Gegenstand sagen, der beständig mein Denken beschäftigt und der die allgemeine Wohlfahrt betrifft. Ich meine die Übertragung verständlicher Zeichen oder vielleicht sogar von Kraft auf irgendeine Entfernung ohne Verwendung von Drähten. Ich komme täglich mehr zu der Überzeugung von der Ausführbarkeit der Sache, und obwohl ich sehr wohl weiß, daß die große Mehrzahl der Gelehrten nicht der Meinung ist, daß solche Resultate praktisch und in der nächsten Zeit realisiert werden können.'

Durch einen Brand am 13. März 1895 wurde sein Laboratorium vollständig zerstört, was seine Forschungen um mindestens ein Jahr zurückwarf. Eine Woche später berichtete er in der Zeitschrift 'The Elektrical Review' vom Stand seiner Forschung: 'Ich war bei meinen Arbeiten auf vier Hauptgebieten mit Untersuchungen beschäftigt. Das eine war der Oszillator, welchen ich nicht nur für eine praktische Maschine ansehe, sondern auch als Anregung für neue Ideen. Das zweite waren verbesserte Methoden der elektrischen Beleuchtung. Das dritte Gebiet war die drahtlose Nachrichtenübertragung auf jede Entfernung und das vierte war das für jeden denkenden Elektriker wichtigste Problem, nämlich die Erforschung der Natur der Elektrizität. Auf jedem dieser Gebiete werde ich meine Untersuchungen fortsetzen.' Das geschah dann auch. Schon Ende 1896 konnte Tesla mit einer kleinen Sendestation in New York und einer 30 Kilometer entfernten Empfangsstation gute Fernübertragungsergebnisse bei einer langwelligen Resonanzfrequenz von zwei Megahertz erzielen. Reichweiten, von denen man in Europa nur träumen konnte.

Am 10. Mai 1897 gelang es dem Italiener Guglielmo Marconi, Morsezeichen fünf Kilometer weit über den Bristol-Kanal zu senden. Und im Oktober 1897 erzielte Marconi eine Reichweite von 15 Kilometern. Ferdinand Braun in Deutschland meldete im Juli 1898 sein Patent über die 'Telegraphie ohne fortlaufende Leitung' an, das ihm am 14. Oktober 1898 dann auch erteilt wurde: Es beschrieb einen geschlossenen Schwingkreis mit einem Teslatransformator, der bessere Abstrahlungseigenschaften hatte als Marconis System mit Hertzschen Oszillatoren. Marconis Funkversuche besaßen den Nachteil, daß sie mit ultrakurzwelligen Frequenzen im ein- und zwei-Meter-Bereich arbeiteten, deren Reichweite unter günstigen Bedingungen nur die Sichthorizontentfernung beträgt. Tesla arbeitete dagegen von Beginn an im langwelligen Bereich, der aufgrund der Reflexion an höheren Luftschichten in der Erdatmosphäre Reichweiten von vielen tausend Kilometern zuläßt. Doch die Bedeutung dieser besseren Ausbreitungseigenschaften der Lang-, Mittel- und Kurzwellen gegenüber den Ultrakurzwellen haben leider andere zuerst erkannt und sich zunutze gemacht.

Anstatt die Möglichkeiten der drahtlosen Nachrichtenübertragung voranzutreiben, an der die meisten Hochfrequenztechniker zu seiner Zeit zu arbeiten begonnen hatten, nahm sich Tesla das Problem der drahtlosen Energieübertragung vor, eine technische Sackgasse, wie es sich später noch erweisen sollte. Für diese Versuche baute er einen Radiosender mit Schwingkreisen für mehrere Kilowatt Sendeleistung. Herzstück des Senders war der sogenannte Tesla-Transformator, ein eisenloser Hochfrequenztransformator, mit dem man beliebig hohe elektrische Spannungen erzeugen konnte. Ein neues Forschungsfeld eröffnete sich damit.

Die Erforschung der Natur hoher elektrischer Spannungen wurde Teslas neuer Arbeitsschwerpunkt. Nachdem es ihm schon 1891 gelungen war, einen Entladungsfunken von 13 Zentimeter Länge zu demonstrieren, vergrößerte er die Dimensionen und die Kapazitäten, um seinen Hochfrequenztransformator zu noch höherer Leistungsfähigkeit zu steigern. Für seine Kondensatoren benutzte er Öl anstatt Glas als Isolator, womit er wesentlich bessere Isolationsergebnisse erzielte. Er erfand die Serienfunkenstrecke, führte Funkenlöschung im Luftstrom und mit Magnetkraft durch, löste Probleme der Abstimmung von Primärkreis und Sekundärkreis, um eine gute Resonanz der beiden Schwingkreise zu erzielen, und konnte so den Wirkungsgrad der Sendeschwingkreise auf 85 Prozent steigern.

Bei seinen Hochfrequenzversuchen stieß er auf ein interessantes Phänomen, das unter der Bezeichnung 'Skin-Effekt' in der Physik bekannt ist: nämlich der Umstand, daß elektrische Spannungen sich bei hohen Frequenzen nur auf der Körperoberfläche bewegen und nicht mehr in das Innere eines Körpers eindringen. Sie verhalten sich praktisch bei hohen Frequenzen wie statische Elektrizität, was sich mit Hilfe der Maxwellschen Gleichungen auch mathematisch berechnen läßt. Das führt zu dem merkwürdigen Effekt, daß man, ohne dabei Schaden zu nehmen, Spannungen von mehreren hunderttausend Volt bis zu einer Million Volt über den menschlichen Körper ableiten kann, bei Stromstärken, die das zigfache der sonst tödlichen Dosis betragen.

Dieser Effekt kam Tesla in einem ganz anderen Zusammenhang zuhilfe: Edison hatte in New York die erste kommunale Stromversorgung auf 110 Volt Gleichstrombasis aufgebaut. Die Stromversorgung hatte aber infolge des hohen ohmschen Widerstandes der Überlandleitungen nur eine sehr begrenzte Reichweite von wenigen Meilen. Darüber hinaus wurden die Verluste und der Spannungsabfall im öffentlichen Stromnetz zu hoch. Wechselstrom ließ sich jedoch durch entsprechende Transformatoren auf mehrere tausend Volt hochtransformieren, bei denen auch auf weite Übertragungsstrecken von hundert oder tausend Kilometern nur ein geringer Verlust auftrat. Diese hohen Spannungen konnten dann am Ziel wieder auf 110 oder 220 Volt Verbrauchsspannung heruntertransformiert werden. George Westinghouse hatte die entsprechenden Patente Teslas für das Wechselstromsystem erworben und baute eine alternative Stromversorgung landesweit auf und machte damit Edisons Gleichstromsystem Konkurrenz.

Edison, bemüht, sein Gleichstromsystem zu retten, ließ öffentlich Hunde und Katzen durch Wechselstrom töten, um die Gefährlichkeit von Wechselstrom (gegenüber Gleichstrom) zu demonstrieren. Im Gegenzug zeigte Tesla die völlige Harmlosigkeit von Wechselstrom, indem er 200.000 Volt (hochfrequenten) Wechselstrom und mehr über seinen Körper zur Erde ableiten ließ und dabei die erstaunlichsten Lichterscheinungen produzierte, ohne daß er dabei den geringsten Schaden nahm. Bei einer solchen Vorführung vor dem Franklin-Institut in Philadelphia im Jahre 1893 erklärte er: 'Um eine Vibration der gleichen Intensität, aber viermal so schnell, zu erhalten, wären über 3.000.000 Volt nötig, und das würde mehr als genügen, um meinen Körper in Flammen zu hüllen. Aber diese Flamme würde mich nicht verbrennen; ganz im Gegenteil, die Wahrscheinlichkeit ist groß, daß ich nicht im geringsten verletzt würde. Und doch wäre nur ein hundertster Teil dieser Energie, wenn er woanders hingelenkt würde, stark genug, um einen Menschen zu töten.' Doch im Grunde waren solche Demonstrationen nicht nötig, denn Teslas Wechselstromsystem hat sich allein aufgrund seiner technischen und physikalischen Vorteile durchgesetzt und ist bis heute das maßgebliche öffentliche Stromversorgungssystem geblieben.

Zurück zur drahtlosen Telegraphie: Am 2. September 1897, also zehn Monate, bevor Ferdinand Braun sein Patent über 'Telegraphie ohne fortlaufende Leitung' einreichte, meldete Tesla zwei Patente zur drahtlosen Energieübertragung an, in denen bereits alle wichtigen Funktionskreise zur drahtlosen Nachrichtenübertragung beschrieben sind. Das Patent Nummer 649.621 beschreibt 'die Kombination einerseits der Sendeinstrumente, die einen Transformator, dessen Sekundärspule mit der Erde und einem hochgeführten Leiter verbunden ist, und die Mittel umfassen, um elektrische Oszillation der Primärspule des Transformators aufzudrücken, und anderseits der Empfangsinstrumente, welche ebenfalls einen Transformator umfassen, dessen Primärkreis ähnlich mit der Erde und mit einem hochgeführten Leiter verbunden ist, während die Empfangsapparatur mit der Sekundärspule verbunden ist, wobei die Kapazitäten und Induktanzen der beiden Transformatoren solche Werte haben müssen, um den Synchronismus mit den aufgedrückten Oszillationen zu sichern, wie das hier angegeben ist.' Und im Patent Nummer 645.576 hält er fest: 'Während die hier gegebene Beschreibung hauptsächlich eine Methode und ein System der drahtlosen Energieübertragung für Industriezwecke behandelt, werden die hier auseinandergesetzten Prinzipien und gezeigten Apparate auch viele andere wertvolle Anwendungen finden, wie z.B. wenn es erwünscht ist, verständliche Zeichen auf große Entfernungen zu übertragen oder höhere Luftschichten zu beleuchten'. Damit sind auch die technischen Grundvoraussetzungen beschrieben, die jeder Rundfunk- und Fernsehübertragung zugrunde liegen. Im selben Jahr gelang es ihm, mit seinem Hochfrequenzsender bei einer Spannung von vier Millionen Volt einen künstlichen Blitz von annähernd fünf Metern Länge zu erzeugen. Damit war die Grenze des technisch Machbaren in seinem New Yorker Laboratorium erreicht.

1899 errichtete Tesla in Colorado-Springs auf dem Colorado- Plateau, einer Hochebene mit einer Ausdehnung von circa tausend Kilometern, eine Sendestation mit einer 70 Meter hohen Antenne, die für eine Leistung von 200 Kilowatt ausgelegt war. Eine Empfangsstation befand sich in einer Entfernung von über tausend Kilometern, und es gelang Tesla, mit einem Bruchteil der zur Verfügung stehenden Leistung, drahtlose telegraphische und telephonische Übertragungen auf diese Distanz durchzuführen, während Marconi sich noch mit Reichweiten von 50 bis 70 Kilometern zufriedengeben mußte. Für die drahtlose Kraftübertragung erzeugte er Hochspannungen von zwölf bis 20 Millionen Volt, die sich in bis zu 30 Meter langen Blitzen entluden: die höchsten je von Menschenhand erzeugten Spannungen, mit denen er hoffte, elektrische Energie um die ganze Erde schicken zu können.

Ein Kuriosum am Rande: Während seiner Experimente auf dem Colorado Plateau empfing Tesla mit einem empfindlichen Empfänger rhythmische Funksignale, deren Quelle er im Weltraum vermutete. Seine Behauptung, Funkkontakt mit außerirdischen Intelligenzen hergestellt zu haben, stieß auf Ablehnung. Andere Forscher führten diese Signale auf elektrische Störungen in der Atmosphäre zurück. Allerdings muß festgehalten werden, daß solche rhythmischen Signale Ende der zwanziger Jahre auch in Europa empfangen wurden, und zwar als verzögerte Echos von ausgestrahlten Impulsen eines Hochleistungssenders in den Niederlanden, die dazu Anlaß gaben, erneut über die Existenz einer Radioquelle in Erdnähe nachzudenken:

"Another of Tesla's claimed discoveries at Colorado Springs came late one night as he was working at his powerful and sensitive radio receiver. Only elderly Mr. Dozier, the carpenter, remained on duty. Suddenly the inventor became aware of strange rhythmic sounds on the receiver. He could think of no possible explanation for such a regular pattern, unless it were an effort being made to communicate with Earth by living creatures on another planet. Venus or Mars he supposed to be the more likely sources. No one at that time had ever heard of such phenomena as regular sounds from space." (Margaret Cheney, Tesla: Man Out of Time, P. 150)
"... Wenn auf diese Weise ein erster Kontakt mit uns hergestellt ware, konnten laut Bracewell folgende Schritte gemacht werden: Um der Sonde mitzuteilen, daß wir es [das von ihr wiederholte Signal] empfangen haben, wurden wir es nochmals zurücksenden. Sie wüßte dann, daß sie mit uns in Kontakt steht. Nach einigen Routinevorkehrungen gegen Irrtümer und Prüfung unserer Sensibilität und Bandweite würde sie dann ihre Nachricht mit gelegentlichen Unterbrechungen zu senden beginnen, um sicher zu sein, daß sie nicht unter den Erdhorizont gesunken ist. Wäre es überraschend, wenn der Beginn der Nachricht in der Übermittlung des Fernsehbildes einer Konstellation bestunde? Diese Einzelheiten und die Notwendigkeit, die Sonde unsere Sprache zu lehren (durch Senden eines Bilderworterbuchs?), sind faszinierend, bereiten aber keine Schwierigkeiten, sobald der Kontakt mit der Sonde einmal hergestellt ist. Dieser ist das Hauptproblem. Vor der Entdeckung der Sonde ware für uns die Wiederholung unserer Radiosignale überaus rätselhaft, da es für dieses sonderbare Echo keine wissenschaftliche Erklarung gäbe.
Eben dies aber ereignete sich im Jahre 1927, als ein Funker in Oslo die Signale der holländischen Kurzwellenstation PCJJ in Eindhoven empfing, denen drei Sekunden später Signale folgten, die sich mit Sicherheit als ihre Wiederholung erwiesen. Man untersuchte diesen merkwürdigen Sachverhalt, und am 11. Oktober 1928 gelang die experimentelle Wiederholung des sonderbaren Phänomens: PCJJ sandte besonders starke Signale aus, und wiederum wurden nicht nur sie, sondern auch ihr Echo empfangen. Der Versuch wurde von Dr. van der Pol von der Philips-Radiogesellschaft in Eindhoven und von Beamten der norwegischen Telegraphenverwaltung in Oslo überwacht. Der Physiker Carl Stormer, der den Versuch leitete, berichtete darüber in einem Brief an die Zeitschrift Nature. Ähnliche Echos wurden in den folgenden Jahren auch von anderen Stationen aufgefangen." (Paul Watzlawick, Wie wirklich ist die Wirklichkeit, S. 194)

Tesla entdeckte bei seinen Versuchen, daß elektromagnetische Wellen nicht nur im sogenannten ein- oder zwei Meter- Bereich, den heutigen UKW und VHF-Bereich, sondern auch im Lang-, Mittel- und Kurzwellenbereich, der bis dahin keine Rolle spielte, erzeugt werden können. Er erkannte zuerst die enorme Reichweitenwirkung dieser Wellenbereiche, die bis in die fünfziger Jahre unseres Jahrhunderts ausschließlich für den öffentlichen Rundfunk genutzt wurden, und auch bis heute noch eine wichtige Rolle in Langstreckenfunk spielen. Trotz dieser beachtlichen Erfolge, die gut dokumentiert sind, ist Tesla als Erfinder der Grundprinzipien moderner Rundfunktechnik bis heute noch nicht allgemein anerkannt. Dieses Verdienst wird immer noch Marconi zugeschrieben, dem es im Jahre 1901 gelungen war, das Morsezeichen für den Buchstaben 'S' über den Atlantik zu schicken und dabei eine Entfernung von 3.470 Kilometern drahtlos zu überbrücken. Dabei war dieser Durchbruch nur möglich geworden, weil Marconi nach Bekanntwerden der Erfolge Teslas auf dem Colorado Plateau seine frühere Technik mit den Hertzschen Wellen geringer Reichweite aufgegeben hatte und statt dessen Teslasche Schwingkreise für den langwelligen Bereich und Teslatransformatoren einsetzte.

Mit der Überbrückung des Atlantiks war die Möglichkeit drahtloser Nachrichtenübertragung für alle Welt sichtbare Wirklichkeit geworden. Marconi nutzte alle Möglichkeiten, um sein Weltmonopol für die drahtlose Telegraphie aufzubauen und erntete breite öffentliche Anerkennung. Ihm und Ferdinand Braun wurde 1909 der Nobelpreis in Physik für die Entwicklung der drahtlosen Telegraphie zuerkannt. Doch daß beide dabei nichts weiteres getan haben, als Teslas Technik erfolgreich anzuwenden, hatte in der Fachwelt kaum jemand bemerkt, bis auf wenige Autoren, die vergeblich versuchten, darauf aufmerksam zu machen. Für Tesla wurde es, nachdem Marconis Erfolge öffentlich gefeiert wurden, unmöglich, seinen Anteil an der Entwicklung der drahtlosen Nachrichtentechnik gebührend herauszustellen. Freilich muß auch darauf hingewiesen werden, daß Tesla selbst die Entwicklung der drahtlosen Nachrichtenübertragung halbherzig vorantrieb. Im Vordergrund seines Interesses lag die drahtlose Kraft- und Energieübertragung, und das wurde ihm von seinen Kritikern auch mit Recht vorgehalten, als er auf sein Verdienst in Sachen drahtloser Telegraphie pochte.

Erst sechs Monate nach seinem Tod, im Juni 1943 wurde ihm vom Supreme Court, dem höchsten US-Gerichtshof in Sachen Marconi- Gesellschaft gegen die Vereinigten Staaten, zugestanden, der eigentliche Vater des Radios zu sein. Ein Urteil, das viel zu lange auf sich warten ließ und jetzt auch nicht mehr die Beachtung fand, die es verdient hätte.

Tesla hatte seine eigenen Ziele zu hoch gesteckt: er wollte die Nacht zum Tag machen, indem er mit Hochfrequenzströmen die Atmosphäre zum Leuchten bringen wollte. Er wollte unbegrenzte Energie an jeden Ort der Erde übertragen. Er wollte Todesstrahlen erzeugen, deren Einsatz jeden Krieg sofort beenden würde. Und er übersah bei allen diesen utopischen Vorhaben das Naheliegende und wirklich Machbare. Das wurde ihm zum Verhängnis. Andere hatten ein besseres Gespür dafür und ernteten die Lorbeeren, die ihm eigentlich gebührten. Es wird jetzt Zeit, sich ausführlicher mit dem Mann zu befassen, der mit seiner Grundlagenforschung zur Hochfrequenz- und Wechselstromtechnik den Grundstein für unsere moderne Elektrotechnik und Nachrichtentechnik gelegt hat.

N D R - Wissenschaftsjournal, 9.1.1993.

Literatur

Slavko Boksan: Nikola Tesla und sein Werk (und die Entwicklung der Elektrotechnik, der Hochfrequenz- und Hochspannungstechnik und der Radiotechnik). Leipzig - Wien - New York 1932

Margaret Cheney: Tesla: Man Out of Time, New York 1981

John J. O'Neill: Prodigal Genius. The life of Nikola Tesla. Inventor Extraordinary. Hollywood, Calif. 1978 (deutsch: Nikola Tesla. Der Gegenspieler Edisons. Wien -  Innsbruck 1951)

Franz Ferzak: Nikola Tesla. Entdecker des Drehfeldes und der Hochfrequenzströme, Erfinder des Radios, des Perpetuum mobile und der Todesstrahlen. Neuenhinzenhausen 1989

Nikola Tesla. Das Genie unserer Zukunft. Herausgeber: VAP-Verlag, Wiesbaden 1991

Links

Tesla, Westinghouse, Steinmetz
Faculty of Physics of Saint-Petersburg State University
Alexander Stepanovitch Popov
Just Who Did Invent Radio?
The Work Of Jagadis Chandra Bose: 100 Years Of MM-Wave Research


[English text] [Zurück]
Impressum, http://bs.cyty.com/menschen/archiv/tesla2.htm, Stand: 12. Dezember 2000, ee