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Einige Beobachtungen zur prozentualen Wahlbeteiligung der Kirchengemeinden an der Kirchenvorstandswahl 2006
In diesen Kirchengemeinden sowie in Osterlinde (108) mit insgesamt 963 Gemeindemitgliedern arbeitet seit acht Jahren das Pastorenehepaar Matthias Bischoff und Christiane Cordes-Bischoff. Sie hat ein Jahr lang auf dieses Ereignis hingearbeitet, beim Epiphaniasempfang der Kirchengemeinde für Vereine und Kommunalvertreter war die Kirchenvorstandswahl wichtiges Thema. Bei den Jahreshauptversammlungen der Dorfvereine haben Pfarrerin und Pfarrer zur Teilnahme bei der Kirchenvorstandswahl eingeladen. Der Sportverein hat auf seiner Homepage dazu aufgefordert. Die Mitglieder der Kirchenvorstände haben nach Möglichkeit die Wahlbenachrichtigungskarten persönlich in den Häusern der Wahlberechtigten zugestellt; noch am Wahltag wurden Säumige zur Teilnahme ermuntert, z.B. eine Familie von Rußlanddeutschen, denen die Bedeutung der Wahl nicht deutlich genug war und auf Einladung hin im Wahllokal erschien. In jedem Dorf stand eine Wahlurne. Es waren insgesamt in der 963 köpfigen Kirchengemeinde 25 Kandidaten aufgeboten. Die Wahl wurde der Dorfgemeinschaft wichtig gemacht und so erschienen mehr als dreiviertel der Wahlberechtigten an der Wahlurne. Bezeichnenderweise ist die Zahl der Briefwähler groß. Dazu wurden die Kranken in den Krankenhäusern besucht. Das Wahlergebnis ist die Folge einer zielstrebigen, viele Monate anhaltenden Arbeit. Es zeigt zugleich, was in unseren Dorfgemeinden möglich ist und was zu verbessern wäre. Bei den 25 Kirchengemeinden mit einer Wahlbeteiligung zwischen 60 und 69 Prozent (Nr.10 – Nr. 34) befinden sich insgesamt 10 Kirchengemeinden mit je über 150 Wahlberechtigten. Es geht also nicht gleitend nach der Anzahl der Wahlberechtigten aufwärts. Unter ihnen ragen die Kirchengemeinden Heckenbeck (Nr. 21), Bodenstein (Nr 27) und Ammensen (Nr. 28) heraus. Bei den 48 Kirchengemeinden zwischen 50,58 % und 59,72 % ( Nr. 35 –82) befinden sich 12 Kirchengemeinden mit über 250 Wahlberechtigten. Das sind bereits etwas größeren Dörfer wie Ammensen (28), Gr. Dahlum (53), Stroit ( (55), Bornum (58), Nauen (60), Kirchberg (62), Naensen (68), Eimen (70), Lengde (73), Räbke (75), Sophienthal (78), Benzingerode (82 ). Ich greife das Beispiel Ammensen (Nr. 28), Naensen (67) und Stroit (55) heraus. Die drei Dörfer bilden gemeinsam die Kirchengemeinde Naensen mit insgesamt 1.205 Gemeindemitgliedern, insgesamt 1.000 Wahlberechtigten und 560 Wählerinnen und Wählern. In den letzten zehn Jahren haben die dortigen Kirchenvorstände zwei Vakanzen hinter sich. 1997 verließ das Ehepaar Etzold-Mensing die Gemeinde, es folgte der Probedienstler Utz Brunotte, der mit den Kirchenvorständen die Wahl im Jahr 2000 leitete, aber die Gemeinde 2005 verließ, sodaß die Vorbereitung der Kirchenvorstandswahl 2006 vor allem in den Händen der Kirchenvorstände lag. Ab 1.1.2006 ist der Pfr. a.Pr. Ulf Stoischek in die Gemeinde abgeordnet. Die Kirchenvorstände führten in der eineinhalbjährigen Vakanzzeit den Gemeindebetrieb so selbständig wie möglich fort.
Die Kandidatensuche verlief schwieriger als sonst, weil der von der ehrenamtlichen Tätigkeit erschöpfte Kirchenvorstand einen Wechsel wünschte. Es ist beachtlich, daß das gesetzlich vorgeschriebene eineinhalbfache der aufzustellen Kandidaten sogar überschritten wurde. Die hohe Wahlbeteiligung ist nach Angaben von Pfr. Stoischek auch dadurch bedingt, daß die Dörfer zwar unter der allgemeinen strukturell wirtschaftlichen Auszehrung (immer weniger Läden, keine Bank, keine Post) leiden, aber die Bevölkerung zu über 80 Prozent noch evangelisch ist und die Kirche nunmehr neben den dörflichen Vereinen der einzige Identifizierungspunkt für die Einwohnerschaft ist. So ist dann eine Kirchenvorstandswahl, die von den Kirchenvorständen den Gemeindemitgliedern wichtig gemacht wird, auch ein außerkirchlicher Vorgang, eine Art Bekenntnis zur dörflichen Eigenständigkeit. Das ist häufiger zu beobachten und sehr ernst zu nehmen. Es wäre verheerend, wenn nun auch noch die Selbständigkeit der Kirchengemeinde eingeschränkt und etwa „auf das Seelsorgerliche“ dezimiert würde. Das Gesamtergebnis innerhalb dieser ersten 81 Kirchengemeinden ist auch deshalb bemerkenswert, weil bei 29 von ihnen Beteiligungsverluste zu verzeichnen sind, die sich allerdings von einem sehr hohen Sockel aus vollziehen. Andrerseits liegen bei 23 Kirchengemeinden Steigerungen um mehr als 5 Prozentpunkte vor. b) Auch die Kirchengemeinden mit Beteiligung von über 40 Prozent liegen weit über dem landeskirchlichen Durchschnitt von 24,25 %. Es sind insgesamt 96 Kirchengemeinden (Nr. 83 – 178). Davon sind 35 Gemeinden mit 200-399 Wahlberechtigten, 24 Gemeinden mit 400-699 und neun über 700 Wahlberechtigten. Sie werden mit 49,79 % Wahlbeteiligung angeführt von der Kirchengemeinde Wenzen (Nr. 83), in der seit 33 Jahren der 61jährige Pfr. Winfried Karius amtiert. Wenzen gehört zu den größeren Dörfern mit 701 Wahlberechtigten, das zusammen mit Eimen (Nr. 70. Wahlbeteiligung 53,13 %) und Brunsen (Nr. 59 Wahlbeteiligung 54,31 %) 1.554 Gemeindemitglieder hat. In Wenzen waren 14 Kandidaten aufgestellt für neun zu wählende, in Brunsen sieben für vier zu wählenden und in Eimen sechs für vier zu wählende. Das sind in drei Dörfern mit 1.1554 Gemeindemitgliedern allein 17 Kandidaten, ein enormes, überdurchschnittliches Angebot. Auch Karius achtete wie Kollege Bischoff sehr genau auf die Bedingungen für den Erhalt der vollständigen verwaltungsmäßigen und geistlichen Selbständigkeit der Kirchengemeinden. Da ist es mehr ein Nebenaspekt, daß in Wenzen Karius den Gesangverein dirigiert, der hinwiederum sich selbstverständlich samt Familienangehörigen an der Kirchenvorstandswahl beteiligt. Im Dorf Eimen ist das Durchschnittalter von bereits geringen 45 Jahren auf sensationelle 37 Jahre gesunken. Zwei jüngere weibliche Kandidaten sind gewählt worden, mit dem unangenehmen Nebeneffekt, daß der bewährte, allerdings unauffällige Karl Heinz Lürig, auch Mitglied der Landessynode, herausgewählt worden ist, aber als Finanzbeamter unentbehrlich für die Mitarbeit im Kirchenvorstand und daher berufen wurde. Diese Unwägbarkeit und zugleich Möglichkeit, gute Leute zu halten, geben der Kirchenvorstandswahl ein Gemisch von Spannung und Förderung. Karius ist nüchtern genug, um gerade auch bei beachtlicher Höhe an Kandidatenangebot und Wahlbeteiligung ein langsames Bröckeln festzustellen. In Brunsen sank die Wahlbeteiligung um 0,41 %P., in Wenzen um 5,07 %P. und in Eimen um 13,77 Prozentpunkte. Gewiß von einem sehr hohen Sockel, aber eben doch.
In dieser zweiten Gruppe von 96 Kirchengemeinden zwischen 40 und 49 Prozent Wahlbeteiligung befindet sich außer der Michaelisgemeinde in Helmstedt keine weitere städtische Kirchengemeinde. aber Kirchengemeinden mit über 500 Wahlberechtigten, die für Braunschweiger Verhältnisse bereits zu den größeren Dorfeinheiten gezählt werden können. Es sind folgende 19 Kirchengemeinden, die eine derart hohe Wahlbeteiligung erzielt haben.
Diese Kirchengemeinden sind verstreut über die ganze Landeskirche, sie gehören zehn Propsteien an. Es gibt also keine regional bedingten Vorzüge. Ich greife die beiden letzten Kirchengemeinden aus der Propstei Vorsfelde heraus. In Parsau ( mit den Dörfern Ahnebeck und Bergfeld) amtiert seit 2003 der 46 jähriger Pfarrer Siegfried Neumeier, begeisterter Fußballer. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist von 1.408 im Jahre 2000 auf 1.490 gestiegen, die Zahl der Wahlberechtigten hingegen von 1.187 (2000) auf 1.075 gefallen Trotzdem steigt die Zahl der Wählerinnen und Wähler geringfügig von 438 auf 445 und die Zahl der Briefwähler von 28 auf 35. Der Anteil der Jungwähler unter 18 Jahren ist mit 37 Jugendlichen (8,31 %) der größte innerhalb der Propstei (Fußball!). Ähnlich eindrucksvoll ist das Wahlergebnis in Gr. Twülpstedt mit Papenrode. Dort amtiert seit 1997 der 40jährige Pfr. Kay-Michael Eckardt in der insgesamt 1.535 Gemeindemitglieder großen Gemeinde. Die Zahl der Gemeindemitglieder ist in den letzten sechs Jahren um 100 gesunken. Was nach zwei Dörfern aussieht, sind in Wirklichkeit sechs Dörfer mit sechs Friedhöfen. In jedem Dorfteil stand eine Wahlurne. In Gr. Twülpstedt gehen von 1.078 Wahlberechtigte 462 zu Wahl, davon 13 unter 18 Jahren, 43 machen Briefwahl, insgesamt 505 Leute, die mobilisiert werden. In Papenrode gehen von 187 Wahlberechtigten 89 zur Wahl (Briefwahl: 2).. Also das halbe Dorf ist auf den Beinen. Nicht schlecht! Dieses Ergebnis der Kirchenvorstandswahl demonstriert das Engagement und die Organisierfähigkeit in den Landgemeinden von verschiedener Größe. Man wende auf diese Situation die viel benutzten Argumente für eine Zentralisierung der Kirchengemeinden an, also: eine einzige Wahlurne, um die Pfarrer und Kirchenvorstände zu „entlasten“, statt 25 Kandidaten auf vier Wahlscheinen ein einziger Wahlschein usw. Es liegt auf der Hand, daß eine Zentralisierung für das Leben der Kirchengemeinden schädlich wäre. An dieser Stelle soll auf die beiden Ausnahmen Martin Chemnitz (Nr. 16) in Braunschweig, 66,21 % Wahlbeteiligung und Michaelisgemeinde, Helmstedt (Nr. 103, 48,28 % Wahlbeteiligung) hingewiesen werden. Beide sind Stadtrandgemeinden mit in der ersten Nachkriegszeit gebauten Betonkirchen und einer ursprünglich familienreichen Bevölkerung, auf der die Gemeindepfarrer mit einem kontinuierlichen breiten Angebot an Kinder- und Jugendarbeit eingehen. Pfr Juenke, 53 Jahre alt, ist seit 26 Jahren in der Gemeinde, Pfarrer Meerheimb, 51 Jahre alt, seit 14 Jahren in der Gemeinde tätig. Beide sind schrumpfende Stadtrandgemeinden. M. Chemnitz hat 1.001 Gemeindemitglieder, Michaelis 1.203 Gemeindemitglieder. Beide Stellen sind auf 50 Prozent gesetzt. In beiden Gemeinden ist bezeichnenderweise der Anteil der Wähler unter 18 Jahren prozentual sehr hoch, in M. Chemnitz 12 Personen, in Michaelis mit 17 Personen der weitaus höchste Anteil in der Propstei Helmstedt. Dabei macht sich das Konfirmandenferienangebot von Michaelis deutlich bemerkbar. Diese Jugendlichen holen dann wieder ihre Eltern an die Wahlurne. Ein weiterer Grund für die hohe Wahlbeteiligung liegt m.E. im extrem hohen Anteil der Briefwählerinnen und Briefwähler in beiden Gemeinden.
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