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[Kirche von unten]

Ottmar Palmer 1873 - 1964

Versuch einer Annäherung und Deutung

19. Kapitel


Der Sonderauftrag des Pfarrernotbundes an Palmer (1935-1939)


Palmer gehörte zu den bestimmenden Figuren des Braunschweiger Pfarrernotbundes. Er war Mitglied des Bruderrates und nahm diese Aufgabe sehr ernst. Er bemühte sich um Sammlung einer Bekenntnisgemeinde in Helmstedt und suchte sie durch Vorträge und Lageberichte auch theologisch und aktuell zu profilieren. Ein besonderes Problem war die Schaffung von Bekenntnisgemeinden in den Dörfern. Dazu wurden volksmissionarische Wochen eingerichtet, die ein volksmissionarischer Arbeitskreis des Pfarrernotbundes durchführte, dessen Leitung Palmer übertragen wurde. Die Volksmissionsarbeit war traditionell Aufgabe der Inneren Mission und wurde von Pfr. R. Herdieckerhoff auch weiter gepflegt.. Schon weit vor 1933 waren sog. Volksmissionare durch die Landeskirche gezogen und versuchten, durch Behandlung aktueller Themen aus biblischer Sicht der Entkirchlichung entgegenzutreten. Daran knüpften die Deutschen Christen an und machten die Volksmission zu ihrem Schlagwort. Ihre Volksmission zielte auf die Einfügung der Gemeinden in den nationalsozialistischen Staat.
Aber diese von der deutsch-christlichen Kirchenleitung 1933/34 von oben organisierten volksmissionarischen Vorträge verliefen sich durch den Abgang von Beye und Schlott aus der Kirchenleitung im üblichen Kirchenalltag. Die Arbeit nahm einen erneuten Aufschwung durch Bischof Johnsen, der ein ausgesprochenes Talent hatte, aktuelle Themen für die Zuhörer packend darzustellen. Diese Gabe hatte dazu geführt, daß er im Frühjahr 1935 zum Reichsobmann des Ev. Männerwerkes bestellt worden war und oft zu auswärtigen Veranstaltungen als Redner eingeladen wurde.


Mission oder Propaganda
Am 4. März 1935 hielt Pfarrer Adolf Brandmeyer vor der Lutherischen Vereinigung in Braunschweig ein Referat zum Thema „Mission und Propaganda“. (RuR 1935 S.53ff) Am Ende des Referates stellte er in knappen Gegenüberstellungen unausgesprochen den Gegensatz zwischen deutsch-christlicher Propaganda und lutherischer Volksmission heraus: „Mission geht in die Tiefe, hat Geduld, kann warten. Sie bleibt bei ihrem Auftrag, auch wenn das alles scheinbar ohne Erfolg ist. Propaganda hat fieberhaftes Tempo, geht in die Breite und verflacht. Darum sind Massentaufen ohne persönliche Erweckung propagandistische Maßnahmen. Mission nimmt den anderen ganz ernst in seiner völkischen Bindung, in seiner Denkstruktur und Lebenshaltung. Sie nimmt ihn auch dann ernst, wenn der andere die Botschaft der Mission ablehnt. Die Mission ist ohne jede Illusion, weil sie weiß, daß der Christusbotschaft widersprochen werden muß. Auch läßt Mission den, der ihr widerspricht, gelten. Propaganda aber bekämpft, räumt auf, gebraucht den andern als Mittel zum Zweck. Mission macht sich selbst überflüssig bis zum erfolglosen Opfer. Propaganda will Einfluß und Macht. Mission verhilft dem anderen zur Erfüllung seines Wesens vor Gott. In der Propaganda aber soll der andere werden, wie der Propagandist bereits ist. In der Mission ist nicht jedes Arbeitsmittel recht. In der Propaganda ist jedes Mittel recht, wenn es nützt und zweckmäßig ist.“ „Mission überzeugt und entschränkt. Propaganda vergewaltigt und verlockt, Mission erlöst, Propaganda fesselt. (Frick). In der Mission ist die entscheidende Arbeit verborgen, sie kommt aus Gottesfurcht, Glaube und Buße und Gebet. Die eigentliche Arbeit der Propaganda aber ist zu sehen, sie ist Aktivität, Leistung und Erfolg.“ (S. 56) In dieser Gegenüberstellung konnte der Hörer einen krassen Gegensatz zwischen christlicher Mission und nationalsozialistischer Propaganda erblicken, die das Land überschwemmte und vom Reichspropagandaminister Goebbels organisiert wurde. Der Zielgedanke des Vortrages war aber nicht dieser Gegensatz, sondern der betont geistliche Charakter der Volksmission, der den anderen gelten ließ, nicht auf den Erfolg schielte, sondern illusionslos dem Zeitgenossen das Evangelium sagte in der Erkenntnis, daß „alle Mission nur unter dem Kreuz geschieht, dem widersprochen wird.“


Der Volksmissionarische Arbeitskreis unter Palmer
In Anlehnung an die volksmissionarische Arbeit in der Hannoverschen Bekenntnisgemeinschaft entwickelte der Pfarrernotbund unter demselben Namen von Volksmission ein geistliches Konzept.
Volksmission bestand nicht aus einem packenden Vortrag an einem Abend, sondern wurde an mehreren Wochentagen von einer Pfarrergruppe durchgeführt, die sich dazu vorher auf einer Freizeit vorbereitet hatte. Die Volksmissionswoche schloß mit einem Gottesdienst und einer Abschlußbesprechung. Die Voraussetzung dazu war das brüderliche Zusammenwirken mehrerer Pfarrer, was ungewöhnlich und unüblich war. Es gelang Palmer, einen Kreis von elf Mitgliedern des Pfarrernotbundes für diese Arbeit zu gewinnen. (Palmer „Volksmission“ in RuR 1936 S. 21f) In seinen Erinnerungen spricht Palmer ausführlich von der Durchführung dieser Wochen, deren eigentlichen Gewinn er in der Entstehung dieser brüderlichen Gemeinschaft sah. Noch nach 1945 war für ihn eine besondere „Frucht des Kirchenkampfes“ die durch die volksmissionarischen Wochen entstandene Bruderschaft.

Aus den Aufzeichnungen in Palmers Amtskalender ergibt sich näherhin folgendes Bild:

Die 1. und 2. volksmissionarische Woche um Schöppenstedt und Kreiensen Dez. 1935
Vom 6.-9. Oktober 1935 trafen sich in Bad Harzburg Althaus, Seebaß-Marienthal, Seebaß-Marienstift, Brinckmeier, Erdmann und Palmer, um an drei Tagen die erste volksmissionarische Woche theologisch und thematisch vorzubereiten. Am Dienstag, dem 8. Oktober, hielten sie in der Kirche abends um halb zehn eine Abendmahlsfeier. Das Treffen schloß mit einer Wanderung zum Torfhaus, wo noch Barg und Länger zustießen. Die erste volksmissionarische Woche fand in der Woche nach dem 1. Advent vom 2.-8. Dezember 1935 u.a. in der Gemeinde von Karl Adolf v. Schwartz in Eilum statt. Für die Vormittage am Mittwoch, Donnerstag und Freitag notierte Palmer „1/2 10-13 vita communis“ Am 2. Advent fanden in Eilum und Weferlingen vormittags Beichte und Abendmahlsgottesdienste statt. Der Gottesdienst in Eilum war nach den Aufzeichnungen von Palmer von sieben Personen besucht. Um 15 Uhr trafen sich alle Brüder zu einem Abschlußgespräch. Als Teilnehmer der Woche werden außer Palmer noch Althaus, Seebaß-Marienthal und Wurr genannt.
Mit demselben Programm wurde vom 3.-9. Februar eine 2. volksmissionarische Woche in Kreiensen in der Gemeinde von Wilhelm Bosse durchgeführt. Palmer notierte sechs Abendvorträge, am Freitag vormittag „vita communis in Kirchberg.“ Der Gottesdienst am Schlußtag wurde vom 200 Personen besucht, das Schlußgespräch fand in Kirchberg bei Rohlfs statt.
Von diesen Kirchenwochen berichtete Palmer in „Ruf und Rüstung“ unmittelbar nach Beendigung der Kirchenwochen. „Zweimal ist unser Bruderkreis ins Land gezogen, Anfang Dezember in die Umgebung von Wolfenbüttel und Braunschweig, Anfang Februar in den Kreis Gandersheim. 20 Gemeinden wurden erfaßt, einige stehen noch aus. Wir nennen solche Volksmission „Kirchenwoche“. Je ein Pfarrer arbeitet eine Woche lang in der Gemeinde. Sechs Abendvorträge in der Kirche werden gehalten, den Schluß macht der Sonntagsgottesdienst mit hl. Abendmahl, durch Besuche, Besprechungen mit dem Kirchenvorstand, den Frauenhilfen, womöglich der Jugend wird persönlich nähere Fühlung mit der Gemeinde gesucht. Die Themata sind überall die gleichen: Wozu lebst du? – Jesus Christus – Erkenne die Wahrheit über dich! – Der neue Mensch – Deine Gemeinde – Wenn du nun stirbst, was dann?... Die Gemeinden sind gekommen und haben gehört. Der Besuch war verschieden. Ein Fehlschlag war es nirgends.“ (RuR 1936 S. 21 f)


Die 3. und 4. volksmissionarische Woche um Braunschweig und Holzminden Dez. 1936
Vom 12.-14. Oktober 1936 wurde in Bad Harzburg von 13 Teilnehmern die nächste volksmissionarische Woche vorbereitet. Länger hielt für die Teilnehmer am Dienstagabend einen Abendmahlsgottesdienst.
Am 16. November fand eine weitere Vorbesprechung im Braunschweiger Vereinshaus der Inneren Mission für eine Kirchliche Woche statt, die vom 30. November - 5. Dezember 1936 in der Umgebung von Braunschweig abgehalten wurde. Palmer hielt in den Gemeinden Timmerlah und Sonnenberg in der Gemeinde von Georg Althaus abendlich je einen Vortrag. Am Dienstag, den 3. Dezember, war vita communis in Braunschweig. Die Anschlußgottesdienste besuchten insgesamt 20-25 Gemeindemitglieder.
Die vierte volksmissionarische Woche wurde in der Woche nach Sexagesimä vom 1.-7. Februar 1937 in Heinade, Holzminden bei Vikar Rolf Lepsien gehalten. Als Teilnehmer werden Styhler und Wurr genannt. Heinade hatte ca. 1.700 Gemeindemitglieder. Die vita communis fand am Donnerstag Vormittag in Vorwohle bei Brinckmeier statt. Der Abschlußgottesdienst in Heinade wurde von 70 Personen besucht. Die Schlußzusammenkunft fand in Kreiensen statt.


Die 5. volksmissionarische Woche um Helmstedt Dez. 1937
Die nächste volksmissionarische Woche wurde 17.-19. Oktober 1937 in Salzgitter vorbereitet. In einem Rundbrief Palmers vom 12.11.37 mit einem Verteilungsplan, der im Nachlaß Karl Adolf v. Schwartz erhalten ist, schrieb Palmer: „unsere erste Kirchenwoche dieses Winters naht heran; wenn uns, wie ich glaube, die Vorbereitung textlich und homiletisch vor schwerere Aufgaben stellt als in den Vorjahren, so hat uns doch unser Zusammensein in Salzgitter mit seinen lebhaften Debatten ohne Frage auch besonders wertvolle Dienste geleistet. Sicher denken wir alle mit Freude und Dankbarkeit daran zurück.“ Es ist die erste Woche nach dem Umzug Palmers nach Berka.
Die Kirchenwoche fand vom 29. November - 4. Dezember 1937 in der Umgebung von Helmstedt statt. Es ist die erste Adventswoche. Es nahmen 14 Pfarrer daran teil, die in Helmstedt, Königslutter und 12 Dörfern ringsum Vorträge zum Thema „Gott und Mensch“ hielten und zwar anhand von Texten aus den Propheten. 1. Gott ist Gott (Jeremia), 2. Gott ruft (Jesaja), 3. Gott findet (Jona), 4. Gott errettet (Nathan), 5. Gott gibt Sieg (Elia), 6. Dein Gottesdienst (Predigt über Amos). Der Verteilungsplan sah folgende Referenten in folgenden Dörfern, Städten vor: Styhler in Büddenstedt bei Bosse, Althaus in Helmstedt (Stephani), Palmer in Hoiersdorf bzw. Lorenz, Schöningen bei Rothermel, Barg in Königslutter bei Lehnecke, Herdieckerhoff in Jerxheim bei Elster, Peucker in Ingeleben bei Elster, Weprich in Frellstedt bei Erdmann, Bosse in Warburg bei Weprich, Rohlfs in Lelm bei Erdmann, Kammerer in Räbke bei Erdmann, v. Schwartz in Watenstedt bei Schlutter, Querfurth in Wolsdorf bei Schubert, Oelze in Runstedt bei Schubert, Seebaß in Grasleben bei Duderstadt. Der gemeinsame vita-communis-Tag fand in Helmstedt am Donnerstag statt, der mit einer Bibelarbeit von Kammerer eingeleitet wurde. (MzA S. 154)
Es ist wohl die einzige Kirchenwoche, an der sich auch der amtierende Propst der Propstei beteiligte. Das ist nicht überraschend. Propst Bosse aus Büddenstedt gehörte anfangs dem Notbund an und hatte seine inhaltliche Bindung nicht verloren, war aber wegen Übernahme des Propstamtes 1935 aus dem Notbund verärgert ausgeschieden. Die kirchliche Woche traf auf eine schwierige kirchliche Situation. Propst Bosse schrieb in die Büddenstedter Kirchenchronik von dieser Zeit Ende 1937: „Der Kirchenbesuch ist z.Z. wieder so gering, daß man an der Notwendigkeit des Gottesdienstes Zweifel äußern könnte. Es wird aber auch nur an wenigen Orten so gegen die Kirche gearbeitet wie hier (von Lehrern – und Frauenschaft).“


Die 6. und 7. volksmissionarische Woche um Blankenburg und Bad Harzburg Jan. 1938
Die kirchenpolitische Lage war durchaus gegenwärtig. Palmer schrieb: „Wir wissen alle, wie die Lage der Kirche, seitdem wir in der V.-M.- Arbeit stehen, von Jahr zu Jahr ernster geworden ist. Immer deutlicher richtet sich der Kampf gerade gegen die B.K. (Rompilger, auch das neue Urteil: „Die B.K. ist eine Gruppe außerhalb der D.E.K.“), - ein Beweis, daß sie auf dem rechten Wege ist, und darum ein mächtiger Trost. Um so mehr darf ich Euch grüßen mit dem Wort des Paulus, das er zweimal an seinen Mitarbeiter Timotheus richtet: Bleibe in dem, was dir anvertraut ist.. Dann aber auch an Josua 1,7“.
Am 17. Januar 1938 fand in Blankenburg bei Lachmund am Nachmittag mit 15 Pfarrern eine Vorbesprechung für eine volksmissionarische Woche statt. Vom 24.-30 Januar 1938 hielt Palmer in seiner neuen Gemeinde Berka eine, wie er es jetzt nannte, Kirchliche Woche mit jeweils sechs Abendvorträgen. Ob an dieser Kirchlichen Woche noch Braunschweiger Kollegen beteiligt waren, ist unklar. Der Abschlußgottesdienst in Berka war von 130 Gemeindemitgliedern besucht.
Schon in der nächsten Woche vom 31. Januar – 6. Februar 1938 fand eine Kirchliche Woche in der ganzen Propstei Blankenburg und in Bad Harzburg bei Länger statt. Palmer hielt fünf Vorträge in Bad Harzburg. Für Mittwoch und Freitag Nachmittag notierte Palmer eine Bibelstunde, für Donnerstag vita communis in Tanne, wo Otto Heidecke Pfarrer war, der nicht zum Pfarrernotbund gehörte. Das Schlußtreffen fand in Wernigerode statt. Lachmund schrieb in „Ruf und Rüstung“ (1938 S.31) von dieser Woche: „Der Volksmissionskreis, den Kirchenrat Palmer leitet, hat eine ausgezeichnet verlaufene Kirchenwoche in fast allen Orten der Propstei Blankenburg und in Bad Harzburg durchgeführt; die geradezu unheimliche Zeitnähe der alttestamentlichen Propheten wurde allen Hörern deutlich. Allen Gemeinden sei die „Auffrischung“ durch solche Volksmissionswochen herzlichst empfohlen, auch in Landgemeinden sind unsre Gemeindeglieder dankbar.“


Die 8. volksmissionarische Woche um Ahlshausen Dez. 1938
Vom 29. Mai bis zum 1. Juni hatte Palmer zu einer Freizeit nach Berka eingeladen, in der die nächste Kirchliche Woche vorbereitet wurde. Während dieser Freizeit hielten Erdmann, Kammerer und Bosse in der Kirche von Berka einen Volksmissionsabend. Für den 1. Juni notierte Palmer: „Abreise ½ 11 . alles fort. Ordnen. Nachmittags Garten, 1 Besuch.“
Vom 28. November bis zum 4. Dezember, dem 2. Advent 1938 fand die Kirchliche Woche in Ahlshausen, also in der ersten Gemeinde von Palmer, statt. Am Donnerstag war vita communis in Vorwohle, von wo Brinckmeier 1937 nach Potsdam zur Frauenhilfszentrale gewechselt hatte. Der Abschlußgottesdienst in Ahlshausen war von 30 Gemeindemitgliedern besucht.

Das Braunschweiger Volksblatt berichtete von einer Volksmissionswoche vor dem 1. Advent (21.-27.11.1938) in der Propstei Vorsfelde (BV 1938 S. 214) „Es sprachen die jungen Pfarrer unserer Propstei“. Das zentrale Thema lautete „Leben unter Gott“. In der Woche nach dem 1. Advent wurden unter diesem Thema in Adersheim, Beddingen, Geitelde, Lobmachtersen und Thiede Vorträge gehalten, meist in den Pfarrhäusern. „Wie wertvoll ist für solche Abende der Gemeinde ein feiner liturgischer Raum im Pfarrhaus wie in Beddingen oder in Ahlum“. Es ist mir nicht klar, ob dieses die von Palmer initiierten Kirchenwochen sind oder solche, die Herdieckerhoff außerdem angeboten und vorbereitet hatte.

Vom 16.-22. Januar 1939 hielt Palmer wieder eine Kirchliche Woche in seiner Gemeinde Berka mit Abendvorträgen von Seebaß und Althaus ab. Der Abschlußgottesdienst mit Seebaß war von 115 Gemeindemitgliedern besucht.


Die 9. volksmissionarische Woche um Seesen Februar 1939
Vom 6.-12 Februar 1939 fand eine Kirchliche Woche in Seesen mit fünf Vorträgen von Palmer statt. Der Abschlußgottesdienst war von 90 Gemeindemitgliedern besucht. Von einer vita communis ist nicht mehr die Rede. In Seesen war Rudolf Schwerdtfeger Propst. Es war die erste Kirchliche Woche bei einem Propst der kirchlichen Mitte..
Am 22. und 23. Mai 1939 hielten Palmer, Oelze und Rohlfs zwei Volksmissionsabende in Räbke bei Erdmann.


Zusammenfassung
Neben Gottesdienst, Konfirmandenunterricht, Frauenhilfe und Männerwerk, hier und da auch noch der Bibelstunde bildeten die Volksmissionarischen Wochen oder: Kirchenwochen einen neuen Treffpunkt im Pfarrhaus oder in der Kirche. Es ging nicht um missionarische Erweckung der wieder neu zu bekehrenden, weil inzwischen eingeschlafenen Christen, sondern um die Heranführung der Gemeinde an biblische Texte. In einer für die kirchliche Arbeit auf den Dörfern nicht gerade freundlichen, manchmal direkt feindseligen Dorfatmosphäre entstand so eine neue Form des kirchlichen Angebotes, das nicht auf die große Zuhörerschaft sondern auf den regelmäßigen, aufmerksamen Hörer zielte. Das Neue für Braunschweiger ländliche Verhältnisse war der hohe zeitliche Aufwand, der von der Gemeinde erwartet wurde.

Der Umfang dieser Kirchenwochen ist unklar. Wenn für alle Kirchenwochen gilt, was Palmer von den ersten beiden Wochen berichtete, nämlich daß ca. 20 Gemeinden „erfaßt“ worden sind, und was Lachmund von der Kirchenwoche im Harz berichtet, daß sich fast die ganze Propstei Blankenburg beteiligt hatte, dann bedeuteten sie einen erstaunlichen Erfolg zumal bei den eingeschränkten öffentlichen Werbungsmöglichkeiten, wenn auch mit Handzetteln die Themen der Abende bekannt gemacht werden konnten. Es bestand auch die Möglichkeit der Verteilung und des Verkaufs von Volksmissionsheften und Flugschriften, auf die Palmer im Oktoberheft 1936 von „Ruf und Rüstung“ (S.160) hinwies.

Obwohl Palmer in seinem Aufsatz „Volksmission“ in „Ruf und Rüstung“ auf die selbstverständliche kirchenpolitische Neutralität der Kirchenwochen hingewiesen hatte, so blieb die Tatsache, daß überwiegend die Notbundpfarrer die Abendvorträge hielten und die Kirchenwochen gestalteten, ein handicap. Es bestand noch der Beschluß, daß Notbundpfarrer sich nicht an den von dc. Pröpsten geleiteten Amtskonferenzen beteiligen sollten. Es war den Pröpsten nicht zu verübeln, wenn sie solche Kirchenwochen von Pfarrern, die notorisch nicht zur Amtskonferenz erschienen, ungern in ihren Propsteien übergemeindlich wirken sahen.

Obwohl Brandmeyer in seinem Vortrag vom März 1935 jede Meßbarkeit eines Erfolges von Kirchlichen Wochen bestritt und die Zahl der Gottesdienstbesucher beim Abschlußgottesdienst kein Kriterium für eine Art geistlichen Ertrages gewertet werden kann, so blieb die Frage nach der Frucht am Feigenbaum im Weinberg des Herrn von Lukas 13,7 doch offen. Eine Erweckung in der unerweckten Braunschweiger Landeskirche war von vorneherein nicht erwartet worden, aber es war für die interessierten Gemeindemitglieder ein vermehrtes, zum Mitdenken und Mitarbeiten verlockendes Angebot, das auch angenommen wurde. Die gemeinsame gründliche theologische Besinnung vor einem gemeinsam durchgeführten Gemeindeprojekt ist ein Bespiel auch für die nächste Pfarrergeneration geblieben, zumal die Amtskonferenzen, die eigentlich mit einer theologischen Arbeit beginnen sollten, schon damals in Bürokratie und Verwaltungsvorgängen erstickten. Dazu bot die Vorbereitungszeit auf die Kirchlichen Wochen ein anziehendes Gegenangebot.

Einmal entstand während einer Volksmissionswoche auch eine aktuelle Anregung an die Pfarrerschaft. Hitler hatte gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages im Frühjahr 1935 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Es stellte sich in diesem Jahr offenbar noch nicht die Frage, ob eine Wehrmacht in der Hand Hitlers eine große Gefahr bedeuten könnte. Es rührte sich bei der Nachricht eher das Gefühl einer Genugtuung darüber, daß Deutschland der Gleichberechtigung unter den Völkern etwas näher gekommen war. Palmer empfahl den Amtsbrüdern, die im November 1935 eingezogenen Wehrpflichtigen zu besuchen oder ins Pfarrhaus einzuladen, ihnen ein Gemeindeblatt in die Kaserne zu schicken oder gar einen Abschiedsgottesdienst mit Abendmahl für die Rekruten samt den Familienangehörigen in den Kirchen anzubieten. (Schreiben Palmers vom 11.10.1935 an die Pfarrer, Sammlung Wicke).

Die volksmissionarischen Wochen blieben, wie Lachmund zutreffend schrieb, eine stille Arbeit der Kirche und wie Palmer nach dem Kriege urteilte, die erfreulichste Frucht des Kirchenkampfes für die Landeskirche.



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