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[Kirche von unten]

Ottmar Palmer 1873 - 1964

Versuch einer Annäherung und Deutung

23. Kapitel


Der Tod des Freundes Karl v. Schwartz 1943


Palmer kommt in seinen Erinnerungen wiederholt auf den Domprediger v. Schwartz zu sprechen. Ihn verbinde mit ihm eine Freundschaft, die aber erst 1933 richtig begonnen habe. Damals standen beide im 60. Lebensjahr, also eine Art Altersfreundschaft.


Biographische Notizen
Karl v. Schwartz, am 1.11.1873 geboren, stammte aus einer Braunschweiger Pastorenfamilie. Der Vater hatte im Geburtsjahr seine erste Pfarrstelle in Erkerode angetreten, wo er die nächsten zehn Jahre blieb. In Erkerode ging der Junge bis zum 9. Lebensjahr in die Volksschule des Dorfes, dann erhielt er Privatunterricht beim Vater, der nach einem kräftigen Krach in der Kirchengemeinde 1883 in die Pfarre nach Cremlingen gewechselt hatte und dort 1886 Superintendent geworden war. Mit 13 Jahren wurde Karl v. Schwartz auf das evangelische Gymnasium von Gütersloh geschickt, wo er mit 18 Jahren ein gutes Abitur machte. Nur in Latein und Turnen waren die Fächer lediglich ausreichend. Karl v. Schwartz studierte sieben Semester Theologie, davon sechs in Leipzig, wo sein Vater 1891 Direktor des Leipziger Missionswerkes geworden war. Das Sommersemester 1894 verbrachte er in Erlangen. Er interessierte sich auch für Sanskrit, lernte die Sanskritgrammatik, machte archäologische Übungen bei Prof. Hauck und war Mitglied von dessen kirchengeschichtlicher Gesellschaft und übte sich im Orgelspiel. Im 23. Lebensjahr legte er 1895 das 1. theologische Examen in Wolfenbüttel und zwei Jahre später das zweite, beide mit gut, ab. Das Vikariat absolvierte er auf eigenen Wunsch in der badischen Landeskirche in Ispringen. Er gehöre zu den besten Candidaten des Landes und berechtige zu guten Hoffnungen für die Zukunft, schrieb das Landeskonsistorium und genehmigte das auswärtige Vikariat. Im Mai 1900 wurde er auf Wunsch des Patrons Graf v. Steinberg-Brüggen Pfarrer in Bodenburg. Es war eine gut dotierte Stelle. Der Stelleninhaber hatte noch 1.458 Mark an den Emeritierungsfonds abzuführen. Im nächsten Jahr heiratete er Emma v. Schell in Gütersloh. 1903 trat er nach eigenen Angaben in die Deutsch-Nationale Volkspartei ein, für einen Landpfarrer damals ein bemerkenswerter Schritt. In Bodenburg (richtiger in Hildesheim) wurde 1907 sein Sohn Karl Adolf v. Schwartz geboren, der auch Pfarrer wurde. 1908 berief den 35 jährigen der Prinzregent als Hof- und Domprediger nach einer Probepredigt auf dem Blankenburger Schloß an den Braunschweiger Dom. Er bezog das geräumige Dompfarrhaus am Wilhelmsplatz 2 und erhielt ein Monatsgehalt von 500 Mark.

v. Schwartz erlebte am Dom die Rückkehr der Welfen auf den Braunschweiger Herzogsthron und vollzog die Taufe des Ältesten 1914 im Braunschweiger Dom. Davon wurde eine Postkarte gedruckt. Das Ende des Staatskirchentums hätte 1918 auch eine Neuregelung des Besitzes des Staates am Braunschweiger Dom nahegelegt. Daran hatten offenbar auch die sozialistischen Regierungen kein Interesse. Dagegen sprachen kirchlicherseits auch finanzielle Erwägungen. Die Regierung zahlte nämlich das Gehalt des Dompredigers und unterhielt auch finanziell das Dompfarrhaus.

Das Landeskirchenamt bemühte sich um ein geregeltes Verhältnis auch zu den demokratisch gewählten Regierungen und Bischof Bernewitz verordnete im Dom am Tag der Verkündigung der Weimarer Verfassung jeweils einen Gottesdienst. In der Predigt am 10. Jahrestag, dem 11. August 1929, ermahnte v. Schwartz die Gottesdienstbesucher zu Verfassungstreue: „Darum wollen wir Christen uns dazu ermuntern lassen durch diesen Verfassungstag, ehrfürchtiger zu werden gegenüber dem Staat, den wir haben, als wir es vielleicht manchmal sind. Für die aber, die auf Grund der Verfassung die Leitung des Reiches führen, wollen wir erbitten, daß Gott ihnen einen klaren Blick gebe, eine feste Hand und ein waches Gewissen, daß sie sich als Diener der ganzen Nation, jedem gleich verantwortlich fühlen.“ (RuR 1929 S. 117)


Die Parallelität der Biographien von Palmer und v. Schwartz
Die Freundschaft zwischen v. Schwartz und Ottmar Palmer entwickelte sich aus der Parallelität ihrer Biographien. Beide wurden 1873 geboren und stammten aus Braunschweiger Pastorenfamilien. Beide besuchten das Gütersloher Ev. Gymnasium, Karl v. Schwartz allerdings bis zum Abitur, v. Schwartz studierte in Leipzig und Erlangen, wo er sich eine gemäßigte lutherische Theologie aneignete, beide absolvierten danach ihre kurze vorgeschriebene Militärzeit und begannen ihre pastorale Tätigkeit in einer Dorfgemeinde. Beide waren Mitglieder der Deutsch-Nationalen Volkspartei und Favoriten des Prinzregenten. Beide gehörten während der Weimarer Zeit dem Landeskirchentag an und zwar in derselben Fraktion der lutherischen Rechten. Beide waren privat begeisterte Gärtner.
Während Palmer in seiner Blankenburger Stadtgemeinde und durch seine kirchenleitende Tätigkeit als Kirchenrat auch in den ringsum liegenden Kirchengemeinden fest verwurzelt war, hatte der Domprediger eine solche Gemeindearbeit nicht mehr kennengelernt. Er war Hofprediger, seine Gemeinde waren die Bediensteten des Hofes und, als dieser 1918 verschwand, die Regierung des Freistaates, vor allem die Leute vom Landestheater. Der Domprediger gehörte daher formell nicht zur Braunschweiger Stadtgeistlichkeit, sondern führte daneben ein Eigenleben. Im Laufe der Zeit entstand um die Dompfarrstelle eine Personalgemeinde, die lukrativ und treu war. Die Gottesdienstkollekten am Dom betrugen so viel wie die Kollekten der ganzen Stadt Braunschweig zusammen, pflegte der Domprediger gelegentlich zu erzählen, um auf den ungewöhnlichen Gottesdienstbesuch hinzuweisen.

Diese besondere Stellung mochte dazu beigetragen haben, daß Palmer und v. Schwartz sich bis 1933 nicht näher kennen gelernt haben. Beide hielten auch auf Abstand. Palmer vermeinte eine gewisse distanzierende Unnahbarkeit zu verspüren. Beide hatten die Gabe, sich ironisch Personen vom Leibe zu halten und, wenn sie es für nötig hielten, das Gegenüber eine gewisse intellektuelle Überlegenheit spüren zu lassen.

Da die Sitzungen des Landeskirchentages meist in Braunschweig stattfanden und die Eröffnung der Sitzungen mit einem Gottesdienst im Dom begannen, die entweder der Landesbischof oder der Domprediger als Hausherr hielten, war Karl v. Schwartz in der kirchlichen Öffentlichkeit bis 1933 präsenter als der Kirchenrat in Blankenburg.

Für beide hatte die Predigt als Auslegung der Schrift eine zentrale Stelle in ihrer pfarramtlichen Tätigkeit. Beide gaben Predigten aus der Zeit des 1. Weltkrieges in den Druck, beide verabschiedeten sich von ihren Gemeinden 1933 mit der Herausgabe von Predigten. Unter dem Titel „Aber das Wort unsres Gottes bleibt ewiglich“ veröffentlichte v. Schwartz sämtliche Predigten, die er seit Juli 1933 in Braunschweig gehalten hatte. Sie sind eine Fundgrube für die Predigtsituation nach der ersten Phase der „nationalsozialistischen Revolution“ im Frühjahr 1933. Ein zweiter Predigtband behandelte ausschließlich a.t.-Texte. Es waren Predigten, die alle vor 1933 gehalten worden waren. Weitere Predigten veröffentlichte v. Schwartz in „Ruf und Rüstung“


Biografische Daten von Karl v. Schwartz:
1.11.1873 in Erkerode geboren
1900 - 1908 Gemeinde in Bodenburg
1908 - 1934 Domprediger in Braunschweig
18.1.1934 zwangsweise von Bischof Beye in den vorzeitigen Ruhestand versetzt
20.1.1934 gegen seinen Willen von Bischof Johnsen reaktiviert und an die Brüdernkirche versetzt
1935 - 1942 Pfarrer an St. Ulrici (Brüdernkirche) Braunschweig
seit Ende 1934 Leiter der Bekennenden Kirche in Braunschweig
März 1942 Reichsredeverbot durch die Gestapo
Mai 1942 wegen des Reichsredeverbotes gegen seinen Willen erneut in den Ruhestand versetzt.
30.1.1943 in Braunschweig gestorben


Gemeinsam im Visier der Deutschen Christen
v. Schwartz und Palmer gerieten in das Visier der Deutschen Christen und wurden gemeinsam mit Lachmund von Schlott in der Braunschweiger Tageszeitung vom April 1933 glossiert. Beide waren offenbar für die Deutschen Christen die Muster der konservativen unbelehrbaren Reaktion, die die ersten Opfer ihrer Machtpolitik werden sollten. Beide kandidierten auf der Liste I „Evangelium und Kirche“ bei den Kirchenwahlen am 23. Juli 1933 und wären beide in den Landeskirchentag gewählt worden, wenn v. Schwartz die Liste nicht zurückgezogen hätte, was Palmer für falsch gehalten hatte. Beiden wurde von Bischof Beye im Oktober 1933 geraten, ihre Pfarrstelle zu wechseln, und beide erschienen im Amtsblatt vom 15. März 1934 unter den Personalnachrichten Nr. 4916 hintereinander als in den Ruhestand Versetzte.
Über Palmer und v. Schwartz schrieb dann OKR Dr. Breust im April 1934 den hochnäsigen Brief, der hier unter der Überschrift „Palmer und Breust“ analysiert worden ist. Beide wurden im November 1934 zu einem gemeinsamen Gespräch mit Bischof Johnsen ins Landeskirchenamt gebeten und gegen ihren Willen in neue Pfarrstellen versetzt, Palmer nach Helmstedt, Karl v. Schwartz in die Brüdernkirche nach Braunschweig. In dieser Zeit hatten sich Palmer und v. Schwartz immer wieder getroffen. Palmer hatte mit v. Schwartz in der Wohnung des Dompredigers die Erklärung zum Austritt der Pfarrerschaft von den Deutschen Christen und die Gründung des Braunschweiger Pfarrernotbundes geplant. Beide pflegten dann die Bekenntnisgemeinden am Ort ihrer neuen Kirchengemeinden, Palmer in Helmstedt und v. Schwartz in Braunschweig. Ihr Weg verzweigte sich dann, als 1937 Palmer nach Berka ging.

Dieser außerordentliche, biografische Gleichklang wird verstärkt durch die Analyse der Predigten von Karl v. Schwartz. v. Schwartz veröffentlichte 1934 zwei Predigtbände. Unter dem Titel „Aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich“ waren die Predigten aus dem Jahre 1933 und 1934 vereinigt und unter dem Titel „Gottes Wort an Gottes Volk“ ein Jahrgang a.t.-Predigten aus der Zeit vor 1933.


Die Predigten aus dem Jahre 1933
Durchgehend sind die Predigten von 1933/34 geprägt von einer wiederholten scharfen Absage an den theologischen und politischen Liberalismus und gegen das Pharisäertum in der Kirche. Sie warben für den Bau der Gemeinde durch das Wort Gottes.
v. Schwartz begann in der Predigt mit einer aktuellen Anknüpfung an ein Zeitgeschehen, formulierte aus dem Text ein oder zwei systematische Sätze und ging an Hand der biblischen Geschichte diesen Sätzen auf den Grund.
Ein Beispiel für viele: Erntedankfest am 8. Oktober 1933 über die Speisung der 5000 Joh. 6: „Wir lassen uns aufrufen zu zweifachem Dank gegen Gott: er gab uns das Brot zur Erhaltung des zeitlichen Lebens; er gab uns den Christus zur Erlangung des ewigen Lebens“. Vorweg nahm v. Schwartz auf den ersten Reichserntedanktag am Bückeberg Bezug. Es gäbe keinen Anlaß, an der Verschiebung des kirchlichen Erntedankfestes um eine Woche Anstoß zu nehmen: „Statt mißmutig zu sein, wollen wir uns lieber freuen, daß wir einen Staat haben, der von einem Erntedankfest redet – in Rußland würde man das nicht tun. Da wird am Erntefest der Traktor bekränzt – als wenn der das Brot gäbe. Erntedankfest als der Name einer staatlichen Veranstaltung ist doch nur da möglich, wo unter den Menschen der Staatsführung solche sind, die um den wissen, dem wir zu danken haben, um Gott“. (S. 42)

In der Auslegung konnte die Gemeinde einen durchgehend abgrenzenden Ton vernehmen. Das menschliche Tun wäre zur Erhaltung des Lebens nicht das Entscheidende. „So bewundernswert die Arbeitsbeschaffungspläne und Hilfswerksorganisationen unseres Staates sind – Wunder, „Zeichen“, wie unser Text sagt – sind sie nicht...Er (Jesus) nimmt das Wenige, das da ist, und betet darüber. Leben erhalten, Brot geben – so sagt unst heute unser Evangelium - ist Gottes Sache.“ v. Schwartz sieht das „Zeichen“ nicht in der Tatsache, daß aus Wenigem so viele satt werden, sondern: wer Jesus in sich aufnimmt, der hat das ewige Leben. Er ist „das Brot des Lebens“.

Die Predigt am 19. November über die Auferweckung des Lazarus gliederte v. Schwartz in: „die Not der Welt und Gottes Ehre.“ ( S. 74) Er knüpfte an den im ganzen Reich gefeierten Handelstag an und wie die Führung daran erinnere, daß nicht das Widereinander der Klassen sondern das Miteinander der Stände ein gesundes Volksleben gebe. Alle Not der Welt stünde unter der Todesgewalt, aber diese Not der Welt sei kein Widerspruch zum Tun Gottes sondern Jesus lehre den Tod als Verherrlichung Gottes zu sehen. Gott rette durch den Tod zum ewigen Leben. „Gäbe es keinen Tod, dann gäbe es diese Herrlichkeit Gottes nicht.“ v. Schwartz endet mit einem starken, polemischen Plädoyer für die Arbeit der Bodelschwinghschen Anstalten und zitiert das Bodelschwinghwort: „Was für eine Freude, daß wir nicht umsonst auf Erden zu sein brauchen, sondern daß wir Elende haben, denen wir dienen können als wäre es Jesus selber.“ „Der Weltmensch urteilt ganz anders: wie scheußlich, daß es Elende gibt. Es wäre am besten, man gäbe ihnen eine Spritze, daß sie nicht wieder aufwachen. Dann wären die Mittel und Kräfte, die an die Pflege der Elenden gewandt würden, frei zur Förderung des Gesunden und Lebensstarken. Man hat solche Stimmen gehört in diesem Jahr und hat in dem durch jenes Bodelschwinghwort gekennzeichneten Geist , aus dem heraus in Bethel gearbeitet wird, eine Gefahr für den Dienst der Kirche am Volk gesehen. Das Lebensstarke gelte es zu bejahen, nicht das Lebensschwache pflegen. Die folgerechte Durchführung jenes Gedankens von der Spritze für die Elenden wäre die gleiche Spritze für alle Invaliden und Pensionierte – das hat man sich wohl nicht klargemacht.“ Gerade Bodelschwingh hingegen habe den Brüdern auf der Landstraße wieder den Weg ins Arbeitsleben geebnet „Und wenn heute die Siedlung für erwerbslose Industriearbeiter vom Staate kräftig in die Hand genommen wird, dann wollen wir doch nicht vergessen, daß praktische Arbeit in dieser Richtung zuerst von Bethel aus getan ist.“ (S. 77)

Wir lesen heute die Predigten von damals zu schnell unter dem Gesichtspunkt von Anpassung und Opposition, aber da wir sie nun mal im Zusammenhang mit einer historischen Arbeit und nicht im homiletischen Proseminar behandeln – was auch heute sehr reizvoll sein würde! Statt „frei“ charismatisch vor sich hinzuplappern oder eine vorgekaute Predigt aus dem Internet anhören zu müssen – achten wir nun doch auf jene Töne von Opposition und Anpassung.

In einer Predigt am 24. September in der Paulikirche setzte sich v. Schwartz scharf mit der Weltanschauung Rosenbergs auseinander und wurde erstmals ausgesprochen polemisch und deutlich. Er kritisiert, daß in einer preußischen Provinz dem Lehrer verboten sei, die Geschichte von der Opferung Isaaks zu behandeln. Dann wäre Karfreitag auch undeutsch. Der Kirche würde Weltfremdheit und Volksfremdheit vorgeworfen, „und daß sie mit ihrer Botschaft von Sünde und Gnade die heldische deutsche Seele mit hündischer Judenangst infiziert und vergiftet habe. Nun darf uns Menschen der Kirche gewiß nichts ferner liegen als Rechthaberei, und wir dürfen nicht den Versuch machen, zu verteidigen, was nicht zu verteidigen ist. Wie wir, die Kirche, in der Kirchenaustrittsbewegung der hinter uns liegenden Zeit einen Bußruf des heiligen Gottes zu vernehmen hatten, so haben wir´s auch zu halten mit dem, was heute der Kirche widerfährt.“( S. 32) Aber „es könnte sein, daß von diesem Germanentum her der Kirche schwerste Schmach und vielleicht mehr droht.“ (S. 32). „So hat die Kirche heute unbeirrt zu bezeugen, daß kein anderes Blut den Menschen rettet als allein das Blut Jesu Christi. Sie hat zu bezeugen, daß es der Rettung bedarf und daß sie Gott auch ihm bereitet hat in dem Nichtarier Jesus.“ (S. 33) Die Bezeichnung von Jesus als Nichtarier war polemisch, weil Anfang desselben Monates vom Braunschweiger Landeskirchentag der sog. Arierparagraph beschlossen worden war. Die Hörerinnen und Hörer konnten die Bemerkung v. Schwartz so verstehen, daß für Jesus, den Nicht-Arier, in einer deutsch-christlich geführten Landeskirche kein Platz gewesen wäre.

Unmißverständlich machte v. Schwartz gegen den Totalitätsanspruch des Staates Front: „Wenn der aus Gottes Ordnung stammende Staat seine Grenzen überschreitet - sein will wie Gott – dann gilt: „Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen. Über dem Totalitätsanspruch des Staates steht der Totalitätsanspruch Gottes. Diesen Totalitätsanspruch Gottes zu bezeugen, ist die Kirche da.“ (S. 48 15.10.33). In der vorangegangenen Woche hatte der junge Bischof Beye dem Domprediger brüsk geraten, sich vom Dom weg auf eine kleine Pfarrstelle, z.B. Pabstorf zu bewerben. Das war ohne Rückendeckung der ns. Landesregierung kaum denkbar, denn die Dompfarrstelle war ja eine vom Staat dotierte Stelle.

Gegen die Vergötzung von Rasse und Volkstum wandte sich v. Schwartz aus aktuellem Anlaß in der Weihnachtspredigt. Der braune Landeskirchentag hatte kurz vor Weihnachten die sog. 28 deutsch-christlichen Thesen verabschiedet, die die Pfarrer im Weihnachtsgottesdienst vorlesen sollten. Die dritte These lautete: „Die Volkskirche bekennt sich zu Blut und Rasse, weil das Volk eine Bluts- und Wesensgemeinschaft ist“. Traditionellerweise „bekannte“ sich ein Christ und die Kirche zum dreieinigen Gott oder kürzer: zu Jesus Christus. Die Vermischung von Bekenntnis und Rasse war daher mehr als problematisch. Dazu v. Schwartz: „Heute ist die Aufgabe der Kirche, gegen die Sicherungen das Wort zu sagen, die der Mensch sich aus Blut und Rasse macht... Volkheit, Rasse, Blut sind Gaben des Schöpfers, für die wir zu danken haben und die uns verpflichten. Wo sie aber zum Sockel werden, auf den der Mensch in stolzer Sicherheit sich stellt vor Gott, da hat die Kirche heute die Aufgabe, ihn daran zu erinnern, daß Gott sich an die Rasse ebenso wenig bindet, wie an seine Moral oder Religion.“ ( S. 114) In seiner letzten Predigt am 14. Januar 1934 nannte v. Schwartz direkt die Thesen. „Gott helfe unserer Kirche, daß ihre Verkündigung allzeit „dem Glauben gemäß“ sei und, wo sie es nicht ist, wie in den 28 Thesen, die wir zu Weihnachten zu verlesen hatten, es wieder werde.“ (S. 138)

Trotz dieses klaren oppositionellen Haltung teilte v. Schwartz auch modische Denkmuster, z.B. die überaus schädliche negative Bewertung der Weimarer Zeit, die bedauerlicherweise bis heute noch in vielen politischen Kreisen geteilt wird. In der Neujahrspredigt 1934 über Psalm 90,17 hielt v. Schwartz folgende Rückschau: „Besinnen wir uns einmal auf die Stimmung, in der wir so viele vorhergehende Jahresanfänge erlebten! Damals mußten wir als Christen in wachsendem Maße die Besorgnis hegen, es könne in absehbarer Zeit unter dem Einfluß des organisierten Gottlosentums unser Kirchenwesen äußerlich zerschlagen werden nach russischem Muster. Denn was damals in Deutschland regierte, stand ja innerlich, mit dem Herzen, größtenteils auf Seiten des Gottlosentums. Dieser Druck ist uns, der Christenheit in Deutschland, nun abgenommen durch die Wendung im innerdeutschen Leben, und wir danken Gott, daß er in unserm Volk ein Neues werden ließ und uns den Mann sandte, der als Führer dieses Neue gestaltet hat.“ (S. 125) In dieser Neujahrspredigt warnt er wiederum vor den deutsch-christlichen Verirrungen.„Wir Christen haben zu zeugen gegen alle Versuche, Volkstum, Rasse und Staat zum Götzen zu machen und „Drittes Reich“ mit „Reich Gottes“ zu verwechseln“. (S. 127f)

In der Predigt vom 15. Oktober hob v. Schwartz den Gegensatz des totalen Staates positiv von dem Weimarer Staat hervor, wo der Staat die Wirtschaft und die Kultur sich selbst überlassen habe. „Das Ergebnis waren wilde Kämpfe um die wirtschaftliche Macht, Streiks und Aussperrung, die Herrschaft der – meist jüdischen – Asphalt- und Nachtkaffeeliteraten und die Schulexperimente wildgewordener Pädagogen.“ (S. 47 15.10.) „Nichts ist so kennzeichnend für die Zerstörung und den Zerfall, in den wir geraten waren, als das Nie-Wieder-Kriegs-Geschrei und die Aufforderung auf Abschaffung der Todesstrafe – pervers genug zugleich mit der auf das Recht zum Mord der Ungeborenen. Worauf gründet der Staat seinen Totalitätsanspruch? Fragen wir den Schöpfer des neuen Deutschland, Hitler, so weist er uns auf die Schöpfungsordnung Gottes“ (S. 47f)

Im Oktober 1933 teilte v. Schwartz in der Predigt die hohen Erwartungen, die auch abseits der nationalsozialistischen Propaganda Hitler und seiner Politik entgegengebracht wurden. „Wir können nur wünschen, daß es dem Reichskanzler gelingt, unser Volk wieder zur Gemeinschaft zu führen, nachdem ein Jahrhundert – nicht nur vierzehn Jahre – an seiner Zerreißung gearbeitet hat. Wenn aber der Führer nach dem Dienst der Kirche begehrt für das Volksleben, so spricht sich darin die Ahnung aus, daß wahre Gemeinschaft nicht menschlich gemacht werden kann. Sie wird nur durch die Kraft von oben, durch die Gnade, die in die Vergebung stellt und aus der Vergebung leben heißt.“ (S. 41)

Zwei Tage später, am 17. Oktober, erhielt v. Schwartz den Bescheid von Bischof Beye, er möge sich um die Pfarrstelle in Pabstorf bemühen. Das sprach sich in der Domgemeinde im Nu herum, die nun auf eine Antwort des Dompropstes im nächsten Gottesdienst am 22. Oktober wartete. Es war der 19. Sonntag nach Trinitatis, Predigttext Mt. 12,46 ff, wie Jesus seine Mutter und Brüder abweist, auf seine Jünger zeigt und spricht: „Siehe da, das ist meine Mutter und meine Brüder.“ Eingangs ging v. Schwartz in seiner zurückhaltenden ironischen Art auf den Bescheid ein: „Liebe Mitchristen! Man verlangt – heute mit besonderem Nachdruck – für die Predigt Gegenwartsnähe. Dieser – nicht erst heute, sondern stets – berechtigten Forderung würde ich mich entziehen, wenn ich so täte, als wäre für unsere Gemeinde heute alles so, wie es vor acht Tagen war. Weil das nicht der Fall ist, ist vielen von euch, die darum wissen, heute das Herz besonders bewegt beim Zusammensein hier in unserm lieben Dom. Was von dieser Bewegtheit mir persönlich gilt, nehme ich dankbar als Ausgleich gegen minder Erfreuliches. Wir wollen uns aber daran erinnern, daß hier an dieser Stätte nur e i n e Bewegtheit des Herzens ein Recht hat: die, von der das Lied singt: „Dein Wort bewegt des Herzens Grund.“ So wollen wir denn alles, was uns beschäftigt, dem Herrn befehlen und Herz und Gedanken seinem heiligen Wort öffnen. Wir hören..“ (S.53)

v. Schwartz verfiel auch schon mal in modische politisierende Vergleiche, die heute ulkig wirken und sprach, nachdem im Frühjahr 1933 die Gleichschaltungswelle über Parteien und Verbände hinweggegangen war, anhand von Lukas 6,36 ff von der vierfachen Gleichschaltung: barmherzig sein wie Gott, vergeben wie Gott vergibt, wie Christus sich zu den Niedrigen herunterhalten, schließlich nicht richten; „dann ist die Gleichschaltung erreicht: wir sind allzumal Sünder.“ (S. 14 ff)

Die Veröffentlichung dieser Predigten diente v. Schwartz zur Klarstellung seiner Position in der Landeskirche, seiner Domgemeinde das Wort Gottes evangeliumsgemäß und zeitnah ausgelegt zu haben, in Distanz und Anerkennung zu den politischen Verhältnissen.

v. Schwartz blieb diesem Stil treu, wenn auch die Distanz hörbar wuchs, besonders wenn sich die Auseinandersetzung mit der Deutschen Glaubensbewegung zuspitzte. Im Sommer 1937 ging eine Verhaftungswelle über die ev. Kirche hinweg, insgesamt 112 Pfarrer, dazu 24 Redeverbote und 29 Ausweisungen waren ausgesprochen worden. Unter den Verhafteten waren die Leitung der Bekennenden Kirche und Martin Niemöller. Es war für Braunschweiger Verhältnisse ungewöhnlich, daß v. Schwartz in einer Predigt über Phil. 1,3-11, die in „Ruf und Rüstung“ Januar 1938 veröffentlicht wurde, ausdrücklich des verhafteten Niemöller gedachte. (siehe S. 226)

In „Ruf und Rüstung“, das bei Wollermann zu haben war, hatte v. Schwartz eine eigenen Rubrik unter dem Namen „Was die andern sagen“ und goß dort seinen Spott über die Unmöglichkeiten der Deutschen Christen aus. In einem Gottesdienst irgendwo wurde das Lutherlied „Ein feste Burg“ gesungen. Als die Gemeinde die zweite Strophe sang „Es streit für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. Weißt du, wer der ist, er heißt Jesus Christ“, sprang ein Mann auf und schrie. „Nein- er heißt Adolf Hitler“. So was ließ sich v. Schwartz nicht entgehen.


Karl v. Schwartz als Brüdernpfarrer und Leiter der Bekenntnisgemeinde
Der Kirchenvorstand der Ulricigemeinde (Brüderngemeinde) war von Bischof Johnsen überrumpelt worden, v. Schwartz als zweiten Pfarrer zu wählen. Die erste Pfarrstelle hatte der deutsch-christliche Kreispfarrer Alfred Wagner innegehabt, wurde jedoch Opfer der Regionalreform und von Johannes Leistikow als Propst abgelöst. v. Schwartz lehnte jede Zusammenarbeit mit Wagner ab und machte zur Bedingung für den Dienstantritt, daß von einer Einführung abgesehen und ihm kein Parochialbezirk zugewiesen würde. Seine Tätigkeit beschränkte sich auf eine Predigt alle vierzehn Tage, Bibelstunde und Konfirmandenunterricht, meist aus dem Kreis seiner alten Domgemeinde. Der Einstieg ins Pfarramt wurde dadurch erschwert, daß v. Schwartz die Stelle nicht sofort antreten wollte und der Kirchenvorstand sich daraufhin an die erzwungene Wahl nicht gebunden fühlte. Auch Wagner intrigierte nun gegen einen Dienstantritt des früheren Dompredigers. Möglicherweise hatte Johnsen gehofft, daß v. Schwartz Wagner rasch verdrängen würde. Wagner verließ die Landeskirche jedoch erst 1937. Sein Nachfolger wurde 1937 Dr. Kurt Uhrig. Anders als Palmer, der in Helmstedt einen Amtsbruder aus dem Pfarrernotbund neben sich hatte, mußte sich v. Schwartz darauf einrichten, in diesem Kirchenvorstand nie richtig Fuß fassen zu können. Die Ulricipfarrstelle war also für v. Schwartz nur ein Gehäuse, in dem er die versprengten Mitglieder seiner Domgemeinde, die ja eine Personalgemeinde gewesen war, sammeln konnte.


Die Ev. Luth. Vereinigung
Karl v. Schwartz leitete von der Ulricigemeinde aus die Ev. Luth. Vereinigung, dessen Vorsitzender er geblieben war und die sich im Frühjahr 1933 nicht hatte gleichschalten lassen.
Neben dem Pfarrernotbund bestand nämlich aus alter Zeit noch die Ev.- luth. Vereinigung. Sie war das Sammelbecken der „Positiven“, also der Lutheraner aus der Herzogszeit und hatte sich in der Weimarer Zeit neben den Liberalen/Linken um Schomburg und der Kirchlichen Mitte um Lagershausen behauptet. Sie hatte unermüdlich Tagungen zur Fortbildung der Pfarrer angeboten und in Jahreshauptversammlungen auf ihre Ziele aufmerksam gemacht. Die ev.-luth. Vereinigung hatte sich kirchenpolitisch in der Vereinigung der Freunde einer evangelischen Volks- und Bekenntniskirche“ organisiert und bei der Landeskirchentagswahl 1929 eine eigene Liste aufgestellt, in der sich die lutherische Rechte formiert hatte.

Sie galt 1933 als die vollends überalterte Pfarrergruppierung, die sich schließlich selbst überleben würde. Tatsächlich nahm ihre Mitgliederzahl beständig ab. Sie konnte nicht leben und nicht sterben, bemerkte der junge Pfarrer Rudolf Brinckmeier. Nach 1933 jedoch bewährte es sich, daß sich die Lutherische Vereinigung nicht wie die anderen kirchlichen Gruppen aufgelöst hatte, sondern weiterbestand. So wurde sie zum Sammelbecken aller derer, die bei der alten lutherischen Sache bleiben, sich keinesfalls den Deutschen Christen anschließen und auch von der Schärfe und den Reibereien des Kirchenkampfes besonders mit den preußischen Unierten verschont bleiben wollten. Vor allem aber hatte die Lutherische Vereinigung zahlreiche interessierte Laien als Mitglieder wie z. B Karl Bode und Landgerichtsdirektor Gerhard. Zur Lutherischen Vereinigung gehörte auch Ottmar Palmer. An sie schickte er 1933 120 Exemplare des Flugblattes der Jungreformatorischen Bewegung.

Im Februar oder März 1934 hatte die „Vereinigung der Freunde einer evangelischen Volks- und Bekenntniskirche“ zu einem öffentlichen Vortrag in den Saal des Altstadtrathauses eingeladen, wo Prof. D. Stählin, Münster über „Vom Geheimnis des Blutes“ referierte. Obwohl öffentliche Ankündigungen verboten waren, war der Saal überfüllt. Die Presse brachte keinen Bericht. In RuR 1934 S. 37 ff referierte v. Schwartz über den Abend.
Am 26. Juni 1934 beging die Ev. Luth. Vereinigung ihre Jahrestagung mit einem Vortrag vom Altbraunschweiger Walter Jeep, inzwischen in Bremen. (Ankündigung in RuR Mai 1934)
Am 4. März 1935 referierte Adolf Brandmeyer, inzwischen in Potsdam, über Mission und Propaganda. Der Vortrag wurde in RuR 1935 S. 53 ff abgedruckt,.
Am 14.2. 1936 tagten die Ev. Lutherische Vereinigung und der Pfarrernotbund gemeinsam (PNB 4) hintereinander. Um 14 Uhr gaben Lachmund und H. E. Seebaß einen frischen, unmittelbaren, aber „düsteren Bericht“ (Palmer) über die Bekenntnissynode in Oeynhausen. Danach sprach um 16.00 Georg Merz. Die Jahreshauptversammlung am 29. Juni 1936 begann mit einem Abendmahlsgottesdienst am Vormittag in der Magnikirche. Am Nachmittag folgte ein Vortrag von Pastor Hoyer, Isernhagen über „Liturgische Gegenwartsaufgaben der lutherischen Kirche“. (RuR 1936 S. 96) 1938 sprach Pfr. Kunze, Bothfeld vor der Ev.-luth. Vereinigung über „Die Lösung der jungen Christengemeinde vom Judentum“ (RuR 1938 S. 98). Darüber berichtete Th. Lipsius und am 28.6.1938 referierte Sup. Hahn aus Dresden im Ev. Vereinshaus. v. Schwartz lud dazu auch Bischof Johnsen ein, der seinerzeit die Ev.Lutherische Vereinigung in Lübeck geleitet hatte Eingeladen wurden auch „40 vielfach jüngere Amtsbrüder“.
Diese wenigen Notizen, die vor allem aus den Nachrichten von „Ruf und Rüstung“ zusammengestellt sind, zeigen doch, daß die Ev. Lutherische Vereinigung ein für die Stadt Braunschweig wichtiges, unabhängiges Sammelbecken zur Behandlung und Diskussion von kirchliche Fragen unter der Leitung von Karl. v. Schwartz geblieben war. In einem Schreiben an Lachmund Ende 1937 stöhnte allerdings v. Schwartz, er wäre froh, wenn er die Leitung der Ev.-luth.- Vereinigung abgeben könnte.


Der vergebliche Kampf um die Rückkehr an den Dom
v. Schwartz kämpfte wie Palmer um die Rückkehr in seine ursprüngliche Pfarrstelle. Das erschien nicht aussichtslos, zumal die Dompfarrstelle 1934 keineswegs den anderen Vorstellungen von Klagges geopfert worden war, sondern mit dem Domvikar Harborth besetzt wurde, dann mit dem Pressesprecher lic. Strothmann, schließlich bis Ende 1937 mit Hans Schomerus. Dann erst machte Klagges durch die Umbauarbeiten die Abhaltung von Gottesdiensten unter beschränkten Möglichkeiten auch im Hohen Chor unmöglich. Die Zerschlagung der Domgemeinde gehörte zum Konzept seiner Kirchenpolitik, und da auch die nationalsozialistische Regierung immer noch die Dompfarrstelle aus den Staatsmitteln finanziell trug, war jeder Versuch gegen Klagges etwa auf dem Klagewege die Rückkehr zu erzwingen, vollständig aussichtslos. An der Ulricigemeinde blieb v. Schwartz ein Fremder.


Schriftleiter von „Ruf und Rüstung“
v. Schwartz besorgte als Schriftleiter auch die monatlich erscheinenden Nummern von „Ruf und Rüstung.“ In „Ruf und Rüstung“ führte v. Schwartz eine scharfe Feder gegen die Deutschen Christen und gegen die Deutsche Glaubensbewegung. v. Schwartz charakterisiert diese Bewegung in dem Aufsatz „Offenbarung im Blut“ im Sommer 1936 folgendermaßen: „Mit religiöser Inbrunst wird in den völkischen Kreisen vom Blut geredet, gewöhnlich in Verbindung von Blut und Boden... Und wo dieses Blut als der Höchstwert empfunden wird, wird nun eine neue Moral geboren.... und darüber hinaus wird auch für das religiöse Leben Blut und Rasse zum Maßstab gemacht. Man will auch hier, wie etwa in der Kunst, nur das Artgemäße gelten lassen, und alles Nicht-Artgemäße, weil rasseschädigend, beseitigt wissen,.. eine Frömmigkeit pflegen, wie sie unsrer deutschen Art entspricht, Auffangsformen zu bilden für die Offenbarung Gottes im Blut. Nun ist aber das deutsche Volk religiös kein unbeschriebenes Blatt, vielmehr ist seit tausend Jahren das Christentum bei ihm zu Hause.“ Und damit leitet v. Schwartz zu Kritik über. „So ergibt sich für alle diese Kreise die Aufgabe der Auseinandersetzung mit dem Christentum. Sie geschieht in den verschiedensten Tonarten von der unflätigsten Beschimpfung in bolschewistischer Manier bis zum Versuch der Angleichung zwischen Christlichem und Germanischem oder der Umdeutung des Christlichen ins Germanische...Allen gemeinsam ist die Ablehnung dessen in der christlichen Verkündigung, worin sie ihren Mittelpunkt hat, des Wortes vom Kreuz, der Botschaft von der Erlösung des Sünders durch das Blut Jesu Christi. Dies sei nicht artgemäß, ja artwidrig. Der Germane fühle blutsmäßig heldisch, der Heroismus sei der ihm entsprechende Stil, das Sündengefühl sei jüdisch, semitisch, orientalisch, mittelmeerländisch, es erkläre sich aus der Rassenbastardisierung. Der nordische Mensch fühle sich nicht gottgeschieden, sondern gottverbunden. Berechtigter Ausdruck seiner Religiösität sei darum die Mystik, das Sich-In-Gott-Versenken, das Gott-in-der-eigenen-Brust-Finden.“ Das war keineswegs eine theoretische Auseinandersetzung, sondern wurde über die Parteischulung, über die SS zum Unterrichtsgegenstand. Und es wurde zum inhaltlichen Hintergrund für Tauf- und Trauungs-Ersatz. Nun wurde die Lebensweihe und die Trauung „unter der Fahne“ vollzogen. v. Schwartz schilderte eine „Deutsche Trauung“ im großen Saal, ausgeschmückt mit Hakenkreuzfahne und Hitlerbüste, Musik “Die Himmel rühmen“, Largo von Händel, Ansprache mit der Hervorhebung der rassischen Gesichtspunkte, Kaiserquartett nach dem Jawort, zum Ausklang Grieg „Ich liebe dich“. Was haben wir bei der Gestaltung der Traugottesdienste falsch gemacht, daß sich derlei nun als Alternative in Stadt und Land einbürgert? fragte v. Schwartz.


Die Leitung der Braunschweiger Bekenntnisgemeinde
v. Schwartz hatte auch auf ausdrücklichen Wunsch von Lachmund die Leitung der Braunschweiger Bekenntnisgemeinde übernommen. Es waren auch die roten Mitgliedskarten ausgegeben worden. Er war damit verantwortlich für die Durchführung der Versammlungen der Bekennenden Kirche. In der Petrikirche fanden regelmäßig Bekenntnisgottesdienste statt, zumal Petripfarrer Freise zum Pfarrernotbund gehörte. Frau Ellinor Dohrn spielte dazu die Orgel. v. Schwartz lud zu den Bekenntnisabenden prominente Lutheraner ein. Am 22. Juni 1936 20 Uhr referierte in der Petrikirche OKR Breit, Berlin (Lutherischer Rat) über „Die Kirche des Heiligen Geistes“.

Die Versammlungen wurden regelmäßig von der Gestapo überwacht. Über die Versammlung am 2.1.1939 gibt es folgenden Bericht des Kriminalassistenten auf Probe Heidtmann. „Die vom Leiter der Bekenntnisgemeinde Braunschweig Propst Dr. v. Schwartz angemeldete Monatsversammlung wurde... genehmigt und von mir überwacht. Besucht war die Veranstaltung von ca. 120 Personen – meist alten Frauen -. Anwesend war ferner Oberkirchenrat Seebaß vom Landeskirchenamt Wolfenbüttel und Pastor Erdmann – Lelm, der nach der Verlesung des Lageberichtes durch v. Schwartz einen Vortrag über „Das heilige Abendmahl“ hielt.
Bevor v. Schwartz den in der Anlage beigefügten Lagebericht verlas, stellte er in zynischer Weise fest, daß außer einem Beamten der Geheimen Staatspolizei kein ungeladener Gast im Saal sei. v. Schwartz, der bei jeder sich bietenden Gelegenheit gegen den Staat und dessen Einrichtungen hetzt, hat auch an diesem Abend durch seinen Lagebericht in ganz unverschämter Weise staatliche Einrichtungen und Maßnahmen bzw. der Kirchenfrage kritisiert und verächtlich gemacht. Der von Pastor Erdmann – Lelm, gehaltene Vortrag war rein religiöser Art und gab zu Beanstandungen keinen Anlaß.“ (MzA S. 198 ff)
So ein Bericht genügte in vielen Fällen, den Beschuldigten vor das Sondergericht zu bringen, wenn die Staatsanwaltschaft mitspielte. In diesem Fall spielte der Generalstaatsanwalt Müller nicht mit und empfahl, von einer Strafverfolgung abzusehen. Dies ist eins von vielen Beispielen einer unterschiedlichen Beurteilung zwischen Gestapo und Braunschweiger Justiz.


Das Ende
v. Schwartz gehörte mit seinen Bekenntnisversammlungen in Braunschweig offenbar zu den von Hoffmeister und der Partei beargwöhnten Erscheinungen, die aus der Öffentlichkeit ausgeschaltet werden müßten. Am 8. Mai 1941 eröffnete Staatskommissar Hoffmeister v. Schwartz, daß er von seinem Amt als Propst v. Marienberg entbunden wäre. (Personalakte v. Schwartz LKA PA 888. Der ganze Vorgang und fast alle Zitate sind dieser Akte entnommen). Die Versammlung der Bekenntnisgemeinde Anfang Januar 1942 wurde verboten, nachdem v. Schwartz wie üblich den Lagebericht, den er vorlesen wollte, bei der Gestapo eingereicht hatte. Am 3. März 1942 wurde
v. Schwartz von Kriminalkommisssar Macke in der Gestapodiensstelle vernommen. v. Schwartz hätte sich bei ihm zu bedanken, dass er nicht im KZ säße, weil er die Verlesung des Lageberichtes durch das Verbot der Versammlung verhindert hätte. v. Schwartz wurde „Beunruhigung“ vorgeworfen und aufgefordert, 750.—RM zu hinterlegen, die er am 4.3.1945 mit Zinsen zurückerhielte, wenn er sich bis dahin politisch einwandfrei verhalten würde. Als v. Schwartz am nächsten Tag die Summe bei der Dienststelle hinterlegte, konnte er sich die Frage nicht verkneifen, „wie sich die so geschehene Erziehung zur Feigheit mit der sonst beliebten zu heroischer Haltung reime“. (Bericht in MzA S. 202) Am 12. April, dem 1. Sonntag nach Ostern hielt v. Schwartz wie an den anderen Aprilfeiertagen eine Predigt.


Das Reichsredeverbot
Am Montag darauf erhielt v. Schwartz erneut eine Vorladung zur Gestapo und mußte dort die Kenntnisnahme eines Bescheides des Reichssicherheitshauptamtes vom 28. März unterzeichen, wonach über ihn ein Reichsredeverbot verhängt wäre. Dieses Reichsredeverbot bezöge sich auf alle pfarramtlichen Tätigkeiten. Nun erschien die Gestapo auch in der Wohnung des früheren Dompredigers in der Roonstraße und beschlagnahmte Schreibmaschine und Schreibmaterialien. v. Schwartz teilte dieses Verbot dem Landeskirchenamt am 20. April mit und bat um Urlaub, „bis sich entschieden hat, ob etwa eine Zurücknahme oder Lockerung des Verbotes möglich ist.“ Am 25. April schrieb Hoffmeister an das Landeskirchenamt, daß v. Schwartz möglichst noch im April auf Grund des Gesetzes von 1939 (lex Goetze) in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden sollte. OLKR Röpke beauftragte Pfr. Klapproth mit der Vertretung der von v. Schwartz versehenen Kirchengemeinden Brüdern und Johannis.

Allgemein wurde indes über die Gründe gerätselt. OLKR Röpke schrieb sofort die Gestapo an, v. Schwartz fragte bei der Braunschweiger Gestapo telephonisch nach den konkreten Gründen, die jedoch keine nennen konnte. Daher trafen sich am 28. April OLKR Seebaß, Pfr. Rauls und Staatsrat Bertram, also die Mitglieder der Kirchenregierung, in der Wohnung des Staatrates und berieten über eine Versetzung in den Ruhestand. Auch das Mitglied der Finanzabteilung Westermann wurde hinzugezogen. Nicht hinzugezogen wurde der für Braunschweig seit Jahren zuständige Vertreter der Finanzabteilung in der Stadt Braunschweig OLKR Dr. Breust. Dieser konnte in diesem Reichsredeverbot nur den endlichen Vollzug der von ihm bestätigten Ruhestandsversetzung vom Frühjahr 1934 sehen. Dr. Breust griff jedenfalls nicht in das Verfahren ein, sondern ließ ihm seinen erkennbaren Verlauf. OLKR Seebaß vermerkte über die Besprechung in der Wohnung von Staatsrat Bertram, man müsse abwarten, „ob nicht noch weitergehende Maßnahmen ergriffen werden müßten.“ Die Runde wollte die Angabe von Gründen abwarten, die auch Staatsrat Bertram nicht nennen konnte. Offenbar war auch eine disziplinarische Strafe nicht ausgeschlossen. (Vermerk von H.E. Seebaß vom 29.4.1942 in LKA PA 888)
Am 7. Mai ging im Landeskirchenamt die Antwort auf die Anfrage nach den Gründen ein. Sie lautete sybillinisch: „Gegen den oben Genannten ist wegen seiner in seinen Äußerungen erzeugten staatsfeindlichen Einstellung mit Wirkung vom 28.3.42 ein Redeverbot für das ganz Reichsgebiet erteilt.“ (Schreiben der Gestapo vom 5.5.1942 siehe MzA S. 203)
Der Bescheid mochte einigermaßen beruhigen, denn es lag offenkundig kein akuter, aktueller Anlaß vor. Mit diesem Bescheid hätte v. Schwartz auch schon Jahre vorher, aber auch später mit Verbot belegt werden können. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, bei der Gestapo erneut und nunmehr nach dem Umfang des Verbotes zu fragen. Galt das auch für Haustaufen?


Die zweite Versetzung in den Ruhestand
Der Kirchenregierung berichtete Röpke am 21.Mai 1942 von dem Schreiben der Gestapo, die daraufhin beschloß, v. Schwartz in den Ruhestand zu versetzen. An der Sitzung nahmen Röpke, Bertram, Rauls und Seebaß teil. Der Beschluß unterstrich noch einmal das längst eingetretene Ende der kirchlichen Selbständigkeit. Die Gestapo bestimmte, wer in Zukunft noch amtieren sollte, und es berührt doch seltsam, daß die drei Theologen widerstandslos das Verbot auch für die Kirche in Anwendung brachten.

Die Kirchenregierung gab v. Schwartz die gesetzlich vorgeschriebene Gelegenheit, sich zur Versetzung in den Ruhestand zu äußern. v. Schwartz fragte am 24. 5. zurück, „ob von Seiten der Kirchenregierung geprüft sei, ob die von außerkirchlicher Stelle gegen mich verhängten Maßnahme – 750 RM Sicherungsgeld und Reichsredeverbot – gerechtfertigt sind. Ich selbst bin mir in der ganzen Angelegenheit keiner Schuld bewußt.“ v. Schwartz fuhr bitter fort: „daß analog den Bestimmungen über die Zwangsversetzung, die ich ja auch schon durchgemacht habe, ich Anspruch habe, den Grund zu erfahren, aus dem über einen Mann, der über vierzig Jahre nur für die Belange der Kirche eingetreten ist, die Zwangspensionierung – zumal so kurzfristig – verhängt wird. Ich sehe davon ab, Einspruch zu erheben, weil ich sowieso demnächst aus Gesundheitsgründen um meine Versetzung in den Ruhestand hätte bitten müssen. Ich gedenke erst im Spätherbst nach Braunschweig zurückzukommen. Vielleicht wäre es im Interesse der überlasteten Amtsbrüder empfehlenswert, wenn die Kirchenregierung die Möglichkeit erwirken würde, daß ich zu Amtshandlungen vertretungsweise herangezogen werden kann, soweit meine Kraft dann noch reicht. Jedenfalls bitte ich, daß bei der Mitteilung im Amtsblatt nicht geschrieben wird, „auf seinen Antrag in den Ruhestand versetzt“, weil das der Wahrheit nicht entsprechen würde. Heil Hitler.“ (auch in: PNB 9/1942/15)
In der Sitzung vom 28. 5. 1942 beschloß die Kirchenregierung die Versetzung in den Ruhestand aus zwei Gründen: 1) wegen Erreichung des Ruhestandes, 2) aus Anlaß des gegen ihn für das Reichsgebiet ergangenen Redeverbotes. Die Antwort von OLKR Seebaß an v. Schwartz spiegelt die pikierte Aufnahme des Briefes und die völlige Verständnislosigkeit für die Situation des Dompredigers.. „Heute morgen wurde in der K.Reg.Sitzung Dein Brief an Röpke vorgelesen. Wenn vielleicht – was ich aber nicht glaube – noch etwas Bereitschaft dagewesen wäre, einen Schritt für Dich zu unternehmen, so ist sie verständlicher Weise nun gänzlich geschwunden, da man den Schluß Deines Briefes als eine große, durch nichts verursachte Beleidigung empfindet. Ich weiß nicht, was Dir den Anlaß dazu gegeben hat, zu vermuten, man würde darauf kommen, im Amtsblatt etwas anderes als die Tatsache Deiner Pensionierung bekannt zu geben..“ (H.E.Seebaß an v. Schwartz am 28.5.1943 PNB 9). v. Schwartz zerriß das Original und reinigte mit den Papierfetzen den Pfeifenpruckler.

Diese beiden Gründe wurden v. Schwartz schriftlich mitgeteilt und er kommentierte die Reihenfolge: „Das Feigenblatt Nr. 1 wäre besser hinterher gekommen, aber so sind sie nun einmal“ (v. Schwartz an Lachmund in PNB 9 1942/17). Das Mitglied der Kirchenregierung Rauls hatte v. Schwartz bewegen wollen, auf die ganzer Prozedur zu verzichten und von sich aus die Pensionierung einzureichen. „..das sagte er mir s. Zt. Das hätte ihnen ja wohl gepaßt.“
OLKR Röpke dankte in einem weiteren Schreiben vom 1. Juni 1942 v. Schwartz „für die langjährige, segensreiche Arbeit im Dienst der Landeskirche von Herzen“ und wünschte eine „gesegneten Lebensabend mit amtsbrüderlichen Grüßen und Heil Hitler.“ Das klang nach Erleichterung, nach dem „Fall Goetze“ auch diesen „Fall v. Schwartz“ zu den Akten legen zu können.
Die nüchterne Nachricht im Amtsblatt vom 5. Juli 1942: „Versetzung in den Ruhestand: Pastor Dr. v. Schwartz, Braunschweig, St. Ulrici II“ ließ von den dramatischen politischen und kirchenpolitischen Gründen nichts ahnen. v. Schwartz kommentierte die Formulierung als „Feigenblatt, um die Hörigkeit gegenüber der GSTP zu verdecken“ oder als „Güte, um mich nicht als gemaßregelt erscheinen zu lassen.“

Wie Palmer mußte v. Schwartz am Ende seiner Dienstzeit das Gefühl haben, daß sein Dienst in der Landeskirche von der Kirchenleitung nicht mehr erwünscht war. Allerdings überschätzte v. Schwartz das Maß an Freiheit und Tapferkeit vor dem Feinde, das dieser Kirchenregierung noch zu Gebote stand, nicht. „Sie tun mir leid in ihrer Zwangslage“, schrieb er am 2. Juni 1943 an Lachmund, bevor er den Bescheid der Zwangspensionierung erhalten hatte. „Rauls hätte am liebsten gesehen, ich wäre um meine Pensionierung eingekommen – das sagte er mir seiner Zeit. Das hätte ihnen ja wohl gepaßt! Seebaß Bericht über die Sitzung lege ich in Abschrift bei – das Original habe ich zum Abputzen des Pfeifenprucklers benutzt, nachdem ich es nach Beantwortung zerrissen in den Papierkorb geworfen habe.. In meiner Antwort an Seebaß erklärte ich, daß Beleidigungsabsichten mir fern lägen. Durch die Beleidigungsempfindung verrät sich doch so etwas wie ein nicht ganz sauberes Gewissen. An sich hätten sie doch die Empfindung haben müssen, daß ich nur meine Pflicht getan hätte, denn es ist nie ein Verbot erlassen, daß man nachweisbar geschehene Dinge nicht aussprechen darf in Deutschland. Und man gab mir auf der GStP zu, daß alles stimmte, was ich hatte vorlesen wollen, war nur erstaunt, woher ich das alles wisse..(meine Antwort: wir wissen Alles!). Im übrigen sind sie ja durch mein Alter entschuldigt...“
(Brief v. Schwartz an Lachmund 2.6.1942 in PNB 9/1942/16).


Die letzten Predigten 1942
Die Gründe für diese unnötige, weil aus Altersgründen bald bevorstehende Maßnahme könnten in einem seit dem Jahre 1942 verschärften kirchenpolitischen Kurs der Regierung Klagges liegen. Es könnten auch Meldungen von den abgehörten Predigten v. Schwartz sein. v. Schwartz predigte sehr viel. Es sind für das Jahr 1940 46 Predigten durch das ganze Jahr erhalten, von 1941 23 Predigten für das erste Halbjahr, und für 1942 neun Predigten. (in: NL 296)

Am 15. März 1942, dem sog. Heldengedenktag, predigte v. Schwartz anhand der Gethsemanegeschichte Luk. 22,39 ff über das Sterben an der Front, wo es nun keineswegs heldenhaft zuginge, sondern ganz menschlich, mit viel Zittern und Zagen. „Mancher hat wohl auch im Kampf die Überlegung verloren und lief dem Tod geradewegs in die Arme. So sieht das Sterben draußen in Wirklichkeit aus.“ Das war weit weg vom pathetischen Heroismus der Nazipropaganda. Schon in der Einleitung seiner Predigt hatte v. Schwartz den Gegensatz des Ringens Jesu in Gethsemane und sein Sterben zu dem, „was wir gewöhnlich unter heldischer Haltung verstehen“ hervorgehoben und fuhr fort: „Wie es denn oft genug von den Gegnern der Kirche ausgenutzt ist als Beweis dafür, daß das Christentum zur Willenslähmung und zum Zusammenbruch der seelischen Kräfte führe.“

Es war auch nicht im Sinne der Propaganda, daß v. Schwartz das Sterben an der Front mit dem Beugen unter den Willen Gottes begründete. v. Schwartz formulierte zu Beginn der Predigt seinen Hauptgedanken folgendermaßen: „Wenn wir nun als Christengemeinde heute unserer Gefallenen gedenken, dann werden wir mit hereingezogen in diesen Kampf. Auch bei uns, die wir trauern, verlieren, hergeben müssen, die wir sorgen und bangen müssen, geht es ja letztlich um den Gehorsam des Sich-Beugens unter Gottes Willen. Da kann uns die Gethsemanegeschichte helfen und uns einen Seelsorgedienst tun am Gedächtnistag der Gefallenen, die der Tod uns nahm, in der Sorge um unsre Lieben, die der Tod bedroht. Sie zeigt uns am Beispiel unsres Herrn den Tod als die große Anfechtung und das Gebet als ihre Überwindung.“ Diesen Zielgedanken der Predigt unterstrich v. Schwartz. Die nationalsozialistische Propaganda pflegte das Bild vom heroischen Tod für Führer Volk und Vaterland. Gedankengänge über die Anfechtung vor dem Sterben hielt sie für unpassende Meditationen, die wohl eher dazu geeignet wären, den Wehrwillen zu schwächen.

Karfreitag 1942 beschrieb v. Schwartz Jesus eingangs als „ von seinen Freunden verlassen, von einem Jünger verraten, von ihrem Führer verleugnet, von dem Volk, dem er wohltat und das ihm zugejubelt hatte, preisgegeben, von den jüdischen Hütern der Frömmigkeit und dem arischen Hüter des Rechts aus der menschlichen Gesellschaft ausgestoßen.“ Auch dem aufmerksamen Hörer wird bei der Nennung des „arischen Hüters“ nicht sofort der gemeinte Pilatus eingefallen sein, sondern er wird eher an Zwangsmaßnahmen der nationalsozialistischen Rechtshüter gedacht haben. v. Schwartz wird diese im Zusammenhang zwar eindeutige, beim Hören jedoch doppeldeutige Wirkung durchaus einkalkuliert haben. Die Predigten v. Schwartz sind im Durchschlag erhalten. Ich nehme an, daß er den Wortlaut der Predigt der Gestapo ausgehändigt hatte, allein um Mißverständnissen entgegentreten zu können, andrerseits hatte die Gestapo damit Material zum Einschreiten gegen den Prediger in der Hand.

Der Auszug aus der Predigt zum Heldengedenktag dokumentiert zugleich, daß das theologische Nachdenken über den Krieg sich im Kern nicht vom dem zur Zeit des 1. Weltkrieges unterschied. „Nur eine einzige Antwort hält stand. Sie lautet: es muß nach Gottes Willen so sein...... Sie sind im Glauben getrost ihren Weg gegangen, sie wußten um das Ziel über dem Staube, zu dem Christus den Weg bereitet hatte, den Weg seines Gehorsams.“ Alle Trauernden und Angefochtenen sollten „aufsehen auf Jesus, der uns ein Vorbild gelassen hat, daß wir sollen folgen seinen Fußstapfen“. Sprachlich ist damit sehr viel zurückhaltender, im Kern jedoch unverändert die Grundaussage formuliert, daß der Krieg Ausdruck des Willens Gottes ist, und der Tod in diesem Krieg eine Art der Nachfolge Jesu wäre. Der Kirche war die Erkenntnis verschlossen, daß der Krieg auch Ausdruck des Unwillens und Widerwillens Gottes sein könnte, ein Aufruhr des Menschen, der in der Wüste der Trostlosigkeit endete, und eine Nachfolge Jesu strikt in die entgegengesetzte Richtung führen müßte.

Die letzte erhaltene Predigt am 12. April 1942 über Joh.21 schloß v. Schwartz folgendermaßen: „Und nun wollen wir, Gemeinde des Herrn, von unserm Schriftwort uns fragen lassen: sind wir solche Menschen, die Jesus lieb haben, dazu in der Demut stehen, treu sind in der Nachfolge unseres Herrn und in seinem Dienst? Und wenn wir einen Unterschied sehen zwischen dem Bilde, das unser Evangelium uns vor Augen stellt, dann wollen wir alles andere bei Seite lassen, alle Fragen, Bedenken, Probleme religiöser Art und danach trachten, daß dies Entscheidende in Ordnung kommt. Lassen wir die Frage des für uns gekreuzigten und auferstandenen Heilandes uns in die Seele dringen: hast du mich lieb? Amen.“


Der Tod des Freundes
Palmer und v. Schwartz hatten sich während der Kriegszeit nicht aus dem Auge verloren. Noch am 14. November 1942 hatte v. Schwartz Palmer in Berka besucht und war über das Wochenende geblieben.
Ende Januar 1943 stürzte v. Schwartz vor dem Marienstift vom Fahrrad, zog sich einen Schädelbasisbruch zu und starb an den Folgen des Sturzes am 30. Januar ohne das Bewußtsein wiederzuerlangen. Zur Beerdigung am 3. Februar auf dem Domfriedhof hatte der in Minsk stationierte Sohn Karl Adolf Urlaub erhalten. Den Aufzeichnungen Palmers nach war auch Lachmund zur Beerdigung gekommen, die Palmer für den Freund gehalten hatte. Palmer notierte auf dem Rückdeckel seines Kalenders Jes. 57,1 „Die Gerechten werden weggerafft vor dem Unglück. vgl. auch 2. Kön. 22,.20.“ Dort ist in der heutigen Übersetzung zu lesen: „Darum will ich dich zu deinen Vätern versammeln, damit du mit Frieden in dein Grab kommst und deine Augen nicht sehen all das Unheil, das ich über diese Stätte bringen will.“ Am Abend des Beerdigungstages saß Palmer von ½ 9 – 10 ¼ wegen Fliegeralarm im Bunker.
Am Ende der Personalakte v. Schwartz befindet sich der Text einer Ansprache ohne Verfasserangabe. Ohne Zweifel aber ist es die Predigt Palmers bei der Trauerfeier für Karl v. Schwartz. Palmer würdigt darin anteilnehmend das Leben seines Freundes. Der Text ist im Folgenden vollständig wiedergegeben. ( Personalakte LKA PA 888)


Die Predigt Palmers anläßlich der Beerdigung von Karl v. Schwartz
Trauerfeier für Herrn Propst Dr. v. Schwartz.

Gesang: Christus der ist mein Leben
Pastor verliest Ps. 103, Röm. 1, 16,17; 2.Tim.1,10; Phil.1,21; 1.Thess. 4,13; 1. Cor.15,57; Jes. 60,20.
Text der Ansprache: 1.Petr. 1,3-5.

Liebe christliche Gemeinde, liebe Angehörige des Entschlafenen! Es möchte sich vielleicht mancher wundern, daß wir diese stille Abschiedsstunde mit dem großen Lob- und Dankpsalm begonnen haben, mit dem wir jeden Sonntag unsern Gottesdienst beginnen und daß dieses Lob Gottes auch wiederkehrt in dem Text unserer Betrachtung, aber wo Christen miteinander vor Gottes Angesicht stehen, da soll auch der Ernst des Todes dies Lob Gottes nicht zum Schweigen bringen. Das heißt nicht, daß wir das Weh und den Ernst des Todes nicht empfänden. Es ist wahrlich ein tiefer Schmerz, wenn wir Abschied nehmen müssen von einem lieben Menschen, mit dem wir lange wandern und des Lebens Freud und Leid tragen durften, der uns Vater, Lehrer, Seelsorger, Mitkämpfer und Freund gewesen ist und dessen Heimgang eine Lücke hinterläßt, die nicht auszufüllen ist. Wir wissen auch um den Ernst, den nach Gottes Willen der Tod für den Menschen haben soll. Er ist und bleibt das Gericht des heiligen Gottes über unsre Sünde, in dem keiner mit seinen Werken bestehen kann. Das Weh des Todes tragen wir und unter den Ernst des göttlichen Gerichts beugen wir uns, und dennoch bleibt der Grundton des Lobens und Dankens gewahrt, weil wir wissen dürfen, daß Gott in diese Welt des Leides und der Sünde hinein unsern Herrn Jesum Christum, seinen Sohn, als den großen Überwinder gesandt hat, Der hat alle Not und alle Schuld getragen, der hat uns zu Kindern gemacht und uns die Hoffnung des ewigen Lebens gegeben. Der ist die eine große Gabe Gotte, die alle Not der Welt aufwiegt und die uns singen läßt:
     Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein
     Ist voller Freud und Singen, sieht lauter Sonnenschein.
     Die Sonne die mir lachet ist mein Herr Jesus Christ,
     Das was mich singen machet, ist was im Himmel ist.

Diese wunderbare Gabe Gottes ist es gewesen, die dem Leben unseres Entschlafenen das entscheidende Gepräge gegeben hat. Nicht als ob es ihm an anderen Gaben Gottes gefehlt hätte: Immer wieder haben wir die Klarheit seines Geistes und seiner wissenschaftlichen Erkenntnis besonders in theologischen Fragen bewundert und uns an seinem Humor erfreut. Wie hat er die Natur und die Kunst, sonderlich die Musik als die Schöpfungsgaben Gottes immer wieder mit Dank genossen, wie war es ihm gegeben, bei den verschiedensten Anlässen das rechte Wort zu finden! Aber hoch über allen andern Gaben leuchtete ihm die eine Gabe, die Gott in Christus uns gegeben hat und die ihm selber reichlich zuteil geworden war. Sie war ihm zugeflossen schon in früher Jugend in dem nicht an irdischen Gütern aber an geistlichen und geistigen Anregungen so reichen Elternhauses, die ward gemehrt auf dem christlichen Gymnasium in Gütersloh durch den Einfluß treuer in Gottes Wort gegründeter Lehrer und durch die Verbindung mit dem weltweiten Werk der Leipziger Mission, das der Vater leitete. Als Student durfte er zu den Füßen der Lehrer der lutherischen Kirche sitzen, die in einer Zeit des schrankenlosen Liberalismus die Geltung des Wortes Gottes und des Bekenntnisses der Kirche hoch hielten. Auch die Gemeinden, denen er dienen durfte, haben ihn in ein reiches Erbe hineingestellt, so die luth. Gemeinde Ispringen, in der das Erbe Frommels lebendig war und nachher die Domgemeinde in Braunschweig, die durch Jahrzehnte die Stelle in Braunschweig gewesen war, an der das biblische Evangelium in ganzer Klarheit verkündet und alle Werke der christlichen Liebe tatkräftig gefördert wurden.
Das Beste aber war, daß dies reiche Erbe der Väter ihm nicht nur Tradition war, die ehrfürchtig weitergegeben wurde, sondern Gottes Gabe, die sein Herz gewonnen hatte und sein ganzes Leben erfüllte und gestaltete.
Darum war es ihm auch gegeben, das, was er empfangen hatte, weiterzugeben als ein treuer Haushalter der mancherlei Gaben Gottes. So war er im Familienkreise der Hausvater und Hauspriester lutherischer Prägung, der die große Freude erleben durfte, auch seine 3 Kinder im Dienste seinen Herrn zu sehen, im Predigtamt, im Dienst der Musica sacra und im Dienst der ihm so lieben Zöcklerschen Anstalten in Stanislau. So war es ihm gegeben, in seinem Amt den Gemeinden mit dem Wort des Lebens zu dienen, nicht nur bei großen festlichen Ereignissen in seiner Stellung als Domprediger, sondern auch in der regelmäßigen schlichten Wortverkündigung, die immer wieder eine große Schar von dankbaren Zuhörern unter seine Kanzel zog. Aber weit über die Grenzen seines eigentlichen Amtes hat er geben und schenken dürfen.
Der evangelische Verein für Innere Mission und die Werke und Anstalten christlicher Liebe hat er an leitender Stelle tatkräftig gefördert, seine Liebe zur Heidenmission als Vorsitzender des Landesmissionsvereins und als beliebter Festprediger auf Missionsfesten wirksam werden lassen, den Amtsbrüdern hat er gedient in der lutherischen Vereinigung mit einer Fülle treuer Arbeit und in der jahrelangen Schriftleitertätigkeit ihres Blattes Ruf und Rüstung, und seine letzten Lebensjahre standen im Dienst der Bekenntnisgemeinde Braunschweig.
Überall hat er seine ganze Kraft eingesetzt und auch die viele Kleinarbeit, die nicht hervortritt, und doch so wichtig ist, willig geleistet. Darum stehen heute viele mit uns an seinem Sarge und wollen ihm noch einmal danken für das, was er im Auftrag Gottes ihnen gegeben hat. Besonders hat mich Herr Missionsdirektor D. Ihmels, Leipzig beauftragt, ihm den Dank der Leipziger Mission für alle treue Mitarbeit noch einmal auszusprechen.

So gern er auch alle diese Arbeit getan und Gottes Gaben weitergegeben hat, so hat er doch auch immer wieder die große Verantwortung gespürt, die alle diejenigen tragen, denen Gott viel anvertraut und die er in seinen Dienst stellt. Diese Verantwortung hat er nicht leicht genommen, sie hat ihn zum Kämpfer gemacht, zum Kämpfer mit sich selbst und zum Kämpfer mit alledem, was dem Wesen und der Wahrheit des christlichen Glaubens und Lebens widerstrebte, Nicht Lust am Streit oder Theologengezänk, sondern die Liebe zur Wahrheit, die Liebe zu seiner lutherischen Kirche, und die Liebe zu seinem Vaterland hat ihn darin nicht müde werden lassen. Er hat auch die Last dieses Kampfes, hat Widerspruch und Verkennung und viel schmerzliche Erfahrung tragen müssen, aber er hat’s getragen im Aufblick zu seinem Herrn, der uns das Kreuz vorangetragen hat und der den Seinen auch an diesem seinem Werk Anteil gibt. Jeder aber, der sein Gegner gewesen ist, muß bezeugen, daß er den Kampf nicht versteckt, sondern mit echt deutscher Offenheit und Klarheit geführt hat.

Nun darf er von aller Arbeit, und allem Kampf ausruhen im Frieden Gottes. Wir haben viel verloren - doch nein, was er uns als sein Bestes gab, ist nicht verloren, sondern wirkt weiter im Segen Gottes und wenn wir nun beten: „den Leib in seim Schlafkämmerlein, daß er ohn einige Qual und Pein ruh bis zum jüngsten Tage“, so wissen wir doch seine Seele geborgen in Gottes Hand, unverloren und mit uns wartend auf den großen Tag Jesu Christi, auf das unvergängliche und unbefleckte und unverwelkliche Erbe der Ewigkeit, auf die Gabe aller Gaben Gottes. Daß diese Hoffnung in uns lebendig sei und immer lebendiger werde, daß sie siegreich alle Trauer und Todesfurcht überwinde, daß sie uns stark und treu mache in Arbeit und Kampf, dazu will und soll uns das Andenken an unsern lieben Entschlafenen heute aufrufen, dazu wolle Gott der Herr sein Wort an unsren Herzen segnen. Amen
Gebet.
Gesang: Ich hang und bleib auch hangen.. Er dringt zum Saal der Ehren
Aussegnung und Wohlauf, wohlan, zum letzten Gang.

Es ist fraglich, welche Entwicklung die Führung der Landeskirche genommen hätte, wenn v. Schwartz im Sommer 1945 in die Neuordnung der Landeskirche zusammen mit Palmer eingreifen und die Freundschaft kirchenpolitisch sich noch einmal hätte bewähren können.



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