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[Kirche von unten]

Ottmar Palmer 1873 - 1964

Versuch einer Annäherung und Deutung

29. Kapitel


Erinnerungen und Nachrufe zum Tod von Ottmar Palmer 1964


Palmer hatte seine Lebenserinnerungen für die Familie 1954 mit 81 Jahren abgeschlossen, die Arbeit „Material zur Geschichte des Kirchenkampfes“ 1957 mit 84 Jahren. Sieben Jahre später hatte er seinen 91. Geburtstag am 21. August noch in relativer Frische erlebt.

Geburtstage sind eh und je ein familiärer Anlaß, sich an die Kindheit zu erinnern. Daher sind hier die kurzen Erinnerungen der jüngsten Tochter Ottilie-Luise eingefügt.

Streiflichter aus der Erinnerung der Tochter
Ottilie-Luise Hasselblatt, verw. Büker, geb. Palmer

Sonntagnachmittag drei Uhr: Das Haus lag still. Der Vater kam im Talar die Treppe herunter und die beiden kleinen Mädchen durften mit. Es war die Zeit der Taufen. An des Vaters Hand gings den kurzen Weg zur Kirche. Viele Taufen haben sie still und andächtig miterlebt. Eigentlich war die Kirche ebenso ihr zu Hause, wie die große alte Superintendentur.

1928, ein herrlicher Sommer. Man war im 2. Schuljahr und brauchte erst um 10 Uhr zur Schule. Welch ein Stolz erfüllte einen, jeden Morgen um 7 Uhr mit dem Vater zur Badeanstalt zu gehen, den kurzen Weg vom Schloßberg hinter durch die Stadt zum Thie, wo die Geschwister Claus das Stadtbad betrieben, ein einfacher auszementierter Teich. Während der Vater seine Runden um den Teich oder im Teich absolvierte, oder sich mit dem Bademeister unterhielt, lernte man Schwimmen an der Leine. Wieder zu Hause gabs das erste Frühstück im Garten.

Der Sonntag nachmittag gehörte der Familie. Der geliebte Harz, an und in den hinein sich Blankenburg schmiegt, bietet unzählige Möglichkeiten für längere oder kürzere Gänge und Wanderungen. Immer hatte der Vater die Pläne und Vorschläge.
Auch wurde viel gespielt, Krokett im Garten oder im Winter Gesellschaftsspiele aller Art, auch gemeinsames Lesen von Dramen mit verteilten Rollen.
Obwohl der Vater, wie man es als Erwachsene erkennt, sehr viel zu tun hatte, wirkte er nie gehetzt, immer gesammelt, planvoll, humorvoll, leider auch manchmal ironisch.

Die Ausbildung der Kinder begleiteten die Eltern liebevoll, beratend, frei von jeglicher Beeinflussung oder gar Zwang.
Selbst als die 18jährige sich 1939 ziemlich plötzlich verlobte, blieb er, der alte wackere BK-Mann des Kirchenkampfes, dem übel genug mitgespielt wurde, ruhig, besonnen und tolerant: auf die erschrockene Frage der Mutter: Ist er denn auch kein Deutscher Christ? sagte er ruhig: darauf kommt es nicht an. Es kommt darauf an, ob er ein treuer, ernster Mensch ist!

Ottmar Palmer starb nach zehntägigem Krankenlager an den Folgen eines Schlaganfalls am 30. September 1964.

Ein Zeitzeuge, Otto Rosenkranz, Nachfolger Palmers an der Wolfenbüttler Hauptkirche ab 1917 und von 1938-1948 Propst von Wolfenbüttel erinnerte sich in einem Nachruf im Wolfenbüttler Gemeindebrief.


„Am 30.09.64 wurde Kirchenrat i.R. Palmer heimgerufen im 91 Lebensjahr.
In Oberhessen geboren kam er als Sohn des Anstaltsleiters nach Neuerkerode. Er besuchte das Wilhelmgymnasium in Braunschweig, studierte in Greifswald und Halle und bestand 1895 das erste Theologische Examen. 1899 bestand er die zweite Prüfung, besuchte das Predigerseminar und wurde 1900 in der Hauptkirche durch Oberkonsistorialrat Moldenhauer ordiniert. Er wirkte in Vorsfelde, in Bad Harzburg, 6 Jahre in Ahlshausen und wurde 1908 als Prediger an die Hauptkirche berufen. Hier wirkte er 8 Jahre hindurch. Da er im großen Segen wirkte, erinnern sich seiner die Gemeindeglieder in herzlicher Dankbarkeit seiner Parole: „Lebendige Gemeinde“. Er hinterließ ein lebendiges Erbe.

Als erstes Stück dieses Erbes sei das Gemeindehaus genannt, weil es über die Gemeinde hinaus in der Stadt am meisten in die Augen fällt. Gemeindehäuser gibt es heute wohl in vielen Gemeinden, Pastor Palmer aber war einer der ersten, die den Bau unter zähem Ringen, mit großem Geschick und schönem Erfolg durchführten. Ein lebendiges Erbstück ist dieses Gemeindehaus, in dem fast ununterbrochenes Leben aus und für die Gemeinde zu spüren ist.

Ein zweites lebendiges Erbstück Pastor Palmers hat der Leser dieser Zeilen vor Augen. Das Gemeindeblatt ist von ihm gegründet. Es darf von sich sagen: Ich bin nicht nur lebendig geblieben, ich bin auch im Laufe der Jahre gewachsen und habe mich den Zeiten angepaßt. Im Dienste dieses lebendigen Erbstückes steht von je her die Schar der Gemeindehilfe, selbst wieder ein lebendiges Erbstück für sich. Eins diene dem anderen. Das Blatt hat manches Haus den Helferinnen, die es anboten und brachten, geöffnet, doch ohne die freundlichen Helferinnen wäre das Blatt wohl niemals der Gemeinde bekannt und vertraut geworden.

Als Pastor Palmer von hier schied, zeigte es sich, noch ein anderer lebendiger Kreis neben der Gemeindehilfe blieb als lebendiges Erbstück zurück. Es war die Schar der Helferinnen und Helfer im Kindergottesdienst. Er hatte diesen zu einer großen Höhe geführt. Wer einmal wie ich den Adventskindergottesdienst miterlebt hat, sieht noch vor sich die Kinder, wie sie das Gotteshaus füllten, hört noch die meisterhafte Ansprache des Pastors von der Kanzel und schaut das Meer der Adventszweige, wenn die Kinder die Kirche verließen.

Es wäre wohl noch manches Stück des Rühmens wert zu nennen, doch dürfte das nicht im Sinne des Pastors sein. Aber sein lebendiges Erbe zu hüten, war wohl sein Wunsch und sei unser Dank.“ (Kirchenchronik St. Marien, Wolfenbüttel S. 339)

Alexander Rohlfs widmete dem Freund im SONNTAG vom 29.11.1964 einen langen Nachruf. „Ich erlebte ihn damals im Kindergottesdienst. Unvergeßlich schön gestaltete er die Adventsfeier für uns Kinder.“ Rohlfs zitierte den Helmstedter Amtskollegen Clemen: „Die Bekenntnisgemeinde bekam durch ihn einen kräftigen Aufschwung, indem er aus vertraulichen Quellen von Übergriffen der Partei in die Belange der Kirche berichtete.“ An seiner Predigt hätte ihm besonders die Klarheit seiner Auslegung und die Straffheit seiner Disposition gefallen. Palmer wäre „ein Mann von Eisen gewesen. So erlebte ich ihn. Aber dieses Eisen konnte glühen in heißer Liebe zu seinem Herrn.“

Nur wenige Jahre vor seinem Tode hatte er an Rohlfs geschrieben: „Ich vertrete noch gern, bis 25 Kilometer mache ich per Fahrrad.“

Am Montag, den 5. Oktober, wurde Ottmar Palmer auf dem Friedhof zu Katlenburg begraben. Die Gemeinde sang „Nun bitten wir den Heiligen Geist“, „Christus der ist mein Leben“, nach der Ansprache „ich hang und bleib auch hangen“ und „er bringt mich an die Pforten, die in den Himmel führt“. Die Trauerfeier endete mit einem Osterlied aus dem alten Braunschweiger Gesangbuch, das auf die Melodie „ich weiß, woran ich glaube“ gesungen wurde.

„Ich geh zu deinem Grabe,
du großer Osterfürst,
weil ich die Hoffnung habe,
dass du mir zeigen wirst,
wie man kann fröhlich sterben
und fröhlich auferstehn
auch mit des Himmels Erben
ins Land des Lebens gehn.

Dein Grab war wohl versiegelt,
doch brichst du es entzwei,
wenn mich der Tod verriegelt,
so bin ich dennoch frei.
Du wirst den Stein schon rücken,
der auch mein Grab bedeckt;
da werd ich den erblicken,
der mich vom Tod erweckt.

O meines Lebens Leben,
o meines Todes Tod,
ich will mich dir ergeben
in meiner letzten Not.
Ich will mein Bette machen
in deine liebe Gruft,
da werd ich schon erwachen,
wenn deine Stimme ruft“.



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