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[Kirche von unten]

Ottmar Palmer 1873 - 1964

Versuch einer Annäherung und Deutung

7. Kapitel


Die Beschäftigung der Pfarrer des Kirchenkreises Blankenburg mit dem Nationalsozialismus 1931


1931 stellte die Kirchenleitung den Pfarrern der Braunschweiger Landeskirche zwei Themen für die wissenschaftliche Bearbeitung zur Auswahl: „Die Freidenkerbewegung“ oder „Die Völkische Bewegung“. Wie in der ganzen Landeskirche wählten auch die Pfarrer des Kirchenkreises Blankenburg das zweite zur Bearbeitung: „Die religiöse Richtung der völkischen Bewegung, insbesondere des Nationalsozialismus in ihrem Verhältnis zum Christentum und Kirche. Darstellung und Beurteilung.“

Diese schriftlichen Arbeiten faßte der jeweilige Kirchenrat in einer für die Kirchenleitung bestimmten Darstellung zusammen. In einer Predigersynode wurde in Anwesenheit eines Mitgliedes der Kirchenleitung über diese Zusammenfassung anhand von Thesen diskutiert. Es gibt für dieses Thema drei hervorragende Quellen: a) die Arbeiten der Pfarrer, b) die Zusammenfassung und die Diskussionsthesen des Kirchenrates, c) das Protokoll der Predigersynode.


Die Arbeiten des Kirchenkreises Blankenburg
Im Kirchenkreis Blankenburg beteiligten sich an der Ausarbeitung die Pfarrer Kellner und Lachmund (Blankenburg), Meyer (Heimburg), Nümann (Hüttenrode), Lipsius (Rübeland) und Stosch (Wienrode). Pfarrer Frölich wurde von der Anfertigung der Arbeit befreit. (in: LKA 62)


Die Arbeit von Karl Meyer
Karl Meyer, seit 1901 in Heimburg, war bereits 70 Jahre, als er die Arbeit schrieb. 1933 ging er in den Ruhestand, starb 1934 in seiner Gemeinde und liegt auch dort begraben. Heimburg kann als die organisatorische Zentrale der frühen nationalsozialistischen Bewegung im Blankenburgischen gelten. Dort wohnte seit Februar 1925 der Geschäftsführer der Kreisleitung Otto Schnaut und der Bezirksführer Kaufmann Philipp.

Meyer fertigte eine sehr ausführliche, sechsunddreißig Seiten lange, handgeschriebene Arbeit an. Er teilte wie viele andere die völkische Bewegung in drei unterschiedliche Gruppen: die Ludendorff-Tannenberggruppe, die Rosenberggruppe und die Hitlergruppe. Ausführlich beschäftigte sich Meyer mit dem §24 des Parteiprogramms der NSDAP, das vom positiven Christentum sprach und das in der Partei gelten sollte, solange es nicht dem germanischen Sittengefühl widerspreche. Dieser Paragraph wurde von zahlreichen Pfarrern als Anknüpfung für ein einvernehmliches Miteinander zwischen Kirche und Partei empfunden. Meyer dagegen hielt ihn nur für Taktik. Er wäre nicht ernst zu nehmen. „Man stützt sich auf das gegenwärtige Christentum, hofft aber, im Laufe der Zeit einen besseren Ersatz dafür zu finden.“ Sogar die Partei selber nähme diesen Satz vom positiven Christentum nicht ernst. „Dann aber erhebt sich sofort die Frage: wie kann die Partei einen solchen Satz, den sie dann offenbar selbst nicht ernst nimmt, zu einem Programmsatz, unabänderlich für alle Zeiten stempeln? Wie kann die Partei als solche... sich einer so ungeheuren und entehrenden Lüge und Heuchelei unterstellen? Darauf gibt es nur eine Antwort: Das hat sie getan aus Gründen der Tactik – aus Parteitactik, um durch diese offizielle Stellung zum Christentum u. Kirche der völkischen Bewegung um so leichter und sicherer zum Siege zu verhelfen.“ Entsprechend beschrieb Meyer Hitler als Taktiker durch und durch. „Hitler ist durch und durch Politiker. Die Politiker suchen in ihrem Kampf um die Macht, um die Erreichung ihrer politischen Ziele sich zu allem, was ihren politischen Zielen dienen kann, in ein treuerliches Verhältnis zu setzen. Dazu gehört Tactik. Und darüber verfügt Hitler.“

Die NSDAP hatte im September 1930 sintflutartige Erfolge bei den Reichstagswahlen und den Landtagswahlen im Braunschweiger Freistaat errungen, und Meyer blendete sie nicht aus. „Der Septembererfolg war groß und Größeres wird ihr vielleicht noch beschieden sein“. Aber das Nationale wie das Völkische allein könnten ein Volk nicht fesseln.

Meyer beendete seine Arbeit mit einer Prognose über das Bestehen der drei völkischen Richtungen. Der Gruppe Ludendorff mit ihrer Rassenvergötterung prophezeite er „ein baldiges Verglimmen“ und der Gruppe Rosenberg, die eine Germanifizierung der Religion und eine Verbindung von Deutschtum und Christentum herstellen wolle, baldiges Absterben wie eine „völkische Blume“, wenn sie ihre Geringschätzung des Christlichen nicht aufgeben werde. Die Hitlerbewegung aber würde nur dann bestehen bleiben, wenn der Segen Gottes sie durchströmen würde. Wenn es aber zu einer solchen Durchdringung kommen würde, dann würde sich die nationalsozialistische Partei - sozusagen segensdurchströmt - auflösen. Meyer zitiert, den Sinn verändernd, eine Stelle des Parteiideologen Gottfried Feder. In Meyers Darstellung war es ein geradezu augenzwinkerndes Ende – die Wirklichkeit sah 1945, auch in Blankenburg, allerdings anders aus.


Die Arbeit von Gerhard Stosch
Der 48jährige Gerhard Stosch war erst seit 1931 in Wienrode. Er war vorher kurz in Braunschweig beim Verein für Innere Mission und danach in der Gemeinde Marienthal. Stosch schrieb eine fünf Seiten lange Arbeit. Er eröffnet seine Arbeit mit einer außerordentlich positiven Würdigung der völkischen Bewegung. „Die völkische Bewegung ist die stärkste Äußerung des Lebenswillens des geknechteten deutschen Volkes. Ihr Ziel ist, daß die Deutschen wieder e i n V o l k werden, eine blut- und willensmäßig verbundene, organische, lebens- und entwicklungsfähige Einheit... Wehe der Kirche, die gleichgültig und nur krittelnd einer solchen aus Empörung und aus Liebe eruptiv hervorgebrochenen Bewegung gegenüberstände!“

Trotz zahlreicher schwerer Irrtümer war für Stosch daher der Nationalsozialismus ein Missionsobjekt, wie der verlorene Sohn, um den man sich nun kümmern müsse. Daher findet es Stosch falsch, an den zugegebenermaßen irrigen Ideen des Nationalsozialismus kritisch herumzumäkeln, sondern der Nationalsozialismus brauche Hilfe und Führung. An der Befähigung, einer gegebenen Volksbewegung den Dienst letzter Verinnerlichung zu leisten und religiöser Führer zu werden, erweise sich die Brauchbarkeit der Kirche, nicht nur an der kritischen Untersuchung ihres Ideengehaltes. „Die missionarische Aufgabe an der völkischen Bewegung sollte die Kirche so ernst wie möglich nehmen. Die völkische Bewegung kann... noch das Schicksal dieser gegenwärtigen Form der Kirche werden, an dem sie sich verjüngt oder scheitert.“


Die Arbeit von Theodor Lipsius
Der 36jährige Theodor Lipsius, für den Rübeland die erste Pfarrstelle war, hatte viel gelesen, mehr als die anderen, unter anderem auch von Dietrich Klagges „Das Urevangelium“. Lipsius stellte den arischen Glauben als den Kern des Nationalsozialismus heraus und hielt ihm sehr kritisch die klassischen Lehrsätze der christlichen Dogmatik entgegen. Der Nationalsozialismus war für ihn antichristlich.

Nun war seine Gemeinde Rübeland altes sozialistisches Pflaster. Seit 1920 waren aus der Kirchengemeinde Rübeland mit 989 Gemeindemitgliedern 124 Personen und aus der Kirchengemeinde Neuwerk mit 453 Gemeindemitgliedern 54 Personen aus der Kirche ausgetreten.
Lipsius sah daher die Landeskirche „im Ringen mit der sogenannten Freidenkerbewegung, die jetzt zum Teil ehrlicher unter dem Namen Gottlosenbewegung auftritt. Diese Bewegung wird wesentlich getragen und gefördert von den marxistischen Parteien, Sozialdemokratie und Kommunismus. Der Nationalsozialismus erkennt und bekämpft in diesen Parteien seine schärfsten politischen Gegner, weil sie, unter jüdischem Einfluß stehend, international sind und eine große Gefahr für die Existenz des deutschen Volkes bedeuten.“ Kirche und NSDAP hätten also den gleichen Gegner. Aber als Koalitionspartner der Kirche, wie es in vielen Arbeiten geschildert wurde, kam der Nationalsozialismus nicht in Frage.

Interessanterweise sah Lipsius nämlich Kommunismus und Nationalsozialismus, die sich als Gegensätze begriffen, vom Evangelium her zusammen. „Der eine Feind, den die christliche Kirche anzugreifen hat, wo sie ihn findet, ist nicht die SPD, die KPD, Bürgertum, NSDAP usw., sondern ist der Unglaube, die Gottlosigkeit. Diesen Feind greift sie an, auch wenn er sich ein völkisches Gewand – zum Schaden der völkischen Sache – anlegt.“ Die religiöse Richtung der völkischen Bewegung müsse entweder in sich zusammenbrechen und ganz umdenken oder sich zum Antichristentum entwickeln. „In ihr redet, denkt und handelt nicht der Christ, sondern der unwiedergeborene Mensch. Es ist aber Gottes Gericht über die von ihm abgefallene Menschheit, daß alles, was der Mensch ohne Gott und Christus in die Hand nimmt, ihm letzten Endes nicht zum Heil, sondern zum Unheil wird... Wenn der Nationalsozialismus dem Deutschen Volke wirklich zum Segen werden will, müssen sich seine Träger bewußt von der Front des Antichristentums lossagen und Christus als ihren Herrn anerkennen ohne Vorbehalt.“

Diese grundsätzliche Richtungsänderung „mit heiliger Entschiedenheit“ zu fordern, wäre die prophetische Aufgabe der Kirche. In Wahrnehmung dieser prophetischen Aufgabe könnte die Kirche sogar ihr Leben verlieren, denn es wäre „zugleich die Art und Weise, wie sie im Verhältnis zur völkischen Bewegung das Kreuz Christi auf sich nehmen und es dem Herrn nachtragen muß. Nur so kann die Kirche ihre Pflicht gegen ihren Herrn und gegen die N.S.D.A.P. und gegen das deutsche Volk erfüllen. Das kann allerdings menschlich gedacht fast zu einem das Lebenverlieren für die Kirche führen; aber auf diesem Wege gehört ihr die Verheißung, das Leben zu gewinnen.“

Lipsius hielt in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus sogar das Märtyrertum für möglich. Darf man bei der Vorausschau von Lipsius, daß die Kirche in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus Leben verlieren werde, an das Ende von Dietrich Bonhoeffer denken?

Für die praktische Arbeit in der Kirchengemeinde empfahl Lipsius ein klare Position in der persönlichen Seelsorge, und wenn Gottesdienste zu festlichen Anlässen gewünscht würden „unter strenger Wahrung der oben bezeichneten Grundhaltung“. Ein Eintritt in die Partei käme nicht in Frage. Dabei bliebe eine nationale Grundhaltung unangetastet. Lipsius schloß mit: „Die Liebe des Pfarrers zu seinem Volk und Vaterlande und seine Hingabe und Opferwilligkeit für dieselben müssen über jeden Zweifel erhaben sein. Aber auch gegenüber vielleicht schwierigen und verdrehten völkischen Gemeindegliedern dürfen ihn nie die strengste Gerechtigkeit und die herzliche Liebe verlassen.“ Das klingt so, als ob Lipsius in seiner Gemeinde bereits Erfahrungen mit solchen auffälligen Nazis gemacht habe.


Die Arbeit von Friedrich Nümann
Friedrich Nümann, 35 Jahre alt und seit sieben Jahren in Hüttenrode, schrieb eine fast 30 Seiten lange Arbeit und stellte dem Nationalsozialismus zusammenfassend ein vernichtendes Urteil aus. Nümann schreibt: „Aufs Ganze gesehen bedeutet der Nationalsozialismus trotz seiner zweifellos christlichen Einstellung in Wirtschaftsfragen und in seinem Kampf gegen den Kapitalismus eine ernsthafte Gefahr für das wirklich Christliche und für die christliche Kirche des völkerweiten Evangeliums. Seine Einstellung zur Rasse und zum Blute ist falsch und gefährlich, falsch ist seine Höchstwertschätzung der deutschen Rasse, falsch ist seine Stellung zur Ehe und Kindererziehung, grundfalsch und ungeheuer gefährlich sind seine Rassengesetzgebungspläne und damit seine bejahende Einstellung zur Sterilisierung Degenerierter und zur Euthanasie... Man möchte, wenn man auf das Kulturprogramm der NSDAP sieht, sagen: Ja! Allerdings, Deutschland erwache! Aber erwache zu Christus! Erwache zur Kirche!“

Den Schlußabsatz überschrieb Nümann mit „Der Weg der Kirche.“ Nümann sah die Kirche überspült von einer kommunistischen und einer völkischen Welle. Beide hätten dasselbe Ziel: „Zerstörung der Christenheit und ihres Christus.“ Dem gegenüber sah er eine dreifache Aufgabe der Kirche: die Predigt hätte diese Entscheidungszeit anzusagen: der Tag des Antichrist und des Christus ist nahe. Die andere Aufgabe war die Wiedervereinigung der Christenheit. „Wir dürfen nicht weiter in der Sünde, den Leib Christi zertrennt zu haben, weiterleben. Weder Katholiken noch Protestanten können sich das leisten. Der Ruf heißt: Sammeln. Auf die Mauern! Aber eben nicht als Zweckverband in Dingen der Caritas, der Sterbevorsorge oder Abwehr des Freidenkertums, sondern als Kirche... als die una sancta catholica ecclesia.” Nümann nahm hier den in der Hochkirche tief verankerten ökumenischen Gedanken auf. Die dritte Aufgabe: „Wir müssen aus dem Evangelium jetzt schon Kirche sein wollen, Kirche werden. Kirche sein, heißt: nicht Zweckverband zur Pflege religiöser Gefühle, heißt: nicht Sprechsaal sein. Kirche sein heißt: Ernst machen mit Christus und seiner Botschaft.“ Der junge Nümann hatte sich hörbar in Rage geschrieben. Es gehört zu den Unbegreiflichkeiten, daß Nümann zwei Jahre später ein überzeugter Deutscher Christ wurde und dafür öffentlich eintrat.


Die Arbeit von Adolf Kellner
Adolf Kellner, mit Kirchenrat Palmer seit 1917 in gemeinsamer Arbeit in Blankenburg verbunden, hatte sich in seiner elf Seiten langen Arbeit hauptsächlich mit dem Buch von Hermann Wirth „Vom Aufgang der Menschheit“ und mit „Der Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg beschäftigt. In einer historischen Einleitung rechtfertigte Kellner die Entstehung der völkischen Bewegung mit „der in der bisherigen deutschen Geschichte stärkste(n) Bedrohung deutschen Wesens im Weltkrieg und durch alles, was nach ihm kam in der äußeren und inneren Politik“. „Die völkische Bewegung ist keine künstlich gemachte, vielmehr eine natürliche, echte, elementare Bewegung und ist als solche auch in ihrem Überschwang und nach ihren noch vorhandenen Unklarheiten zu verstehen und zu würdigen. Sie ist jugendlich ungestüm, und auch Kritiker müssen sie lieben als eine gesunde, mächtige, hoffnungserweckende Reaktion, kommend aus der Tiefe der Volksseele.“

Ebenso anteilnahmsvoll referierte Kellner die merkwürdigen Hypothesen Wirths von einem rassischen hochwertigen Erbgut in Verbindung mit 1. Mose 1, das sich in der Geschichte mal verunreinigte und mal in reiner Schönheit erschiene, natürlich in der arischen Rasse. Dieses arische Blut erzeugte auch eine arische Religion und die Arier wären die Kulturbringer für die ganze Menschheit. Während unklar blieb, wieweit Kellner selber diesen Ansichten Wirths folgte, war seine Ablehnung von Rosenbergs Mythus gründlich und unmißverständlich. Von Rosenbergs tatsächlich verworrenem Verständnis des Alten und Neuen Testaments - von Paulus, den Kirchenvätern und Luther - gab es keine Verbindung zur christliche Kirche. Die Gottesvorstellung, der Begriff von Offenbarung und Sünde und die Bedeutung der Dogmen blieben Rosenberg vollständig verschlossen. Kellner folgerte daraus, daß mit größter Dringlichkeit die Kirche ihr Verhältnis zum Volkstum bearbeiten müsse, denn Nationen seien „Gedanken Gottes“. So klar und kompromißlos die Abgrenzung zu Rosenberg sein müsse, so klar wäre aber auch, daß der völkischen Bewegung eine starkes religiöses Sehnen eignete und viele Anhänger der völkischen Bewegung nicht so dächten wie Rosenberg. „Unsere Mitarbeit als Pfarrer liegt auf d e r Linie, daß wir durch Predigt und Seelsorge Menschen erziehen helfen, die in sich das Verhältnis von Volkstum und Christentum recht ordnen, damit diese dann von einer klaren Glaubensentscheidung aus mitarbeiten im Kampf des politischen Lebens.“
Auch bei Kellner überwiegt bei weitem die Distanz zum Nationalsozialismus. Aber er wurde 1933 Nachfolger von Palmer und hing einem gemäßigten deutsch-christlichen Gedankengut an. Sein Schlußsatz, daß nach einem durchdachten, geordneten Verhältnis von Christentum und Volkstum, eine Mitarbeit im Kampf des politischen - und wohl auch kirchenpolitischen - Lebens auf Grund einer „klaren Glaubensentscheidung“ möglich und womöglich zwingend sei, führt geradewegs in die Arme der Deutschen Christen.

Die Mehrheit der Arbeiten (Meyer, Nümann, Lipsius) lehnten den Nationalsozialismus strikt ab, Stosch und Kellner zeigten sich distanziert. Heinrich Lachmund hatte sich in seiner Arbeit nur mit der Ludendorffrichtung der völkischen Bewegung beschäftigt und dessen beide Bücher „Deutscher Gottglaube“ und „Erlösung von Christus“ referiert. Allen Arbeiten lag eine gründliche Lektüre theoretischer nationalsozialistischer Schriften zu Grunde.


Palmers Zusammenfassung der Arbeiten
In seiner zusammenfassenden Darstellung referierte Kirchenrat Palmer weniger die einzelnen Darstellungen in ihren unterschiedlichen Profilen, sondern gab zunächst seine eigene Ansicht wieder. Alle völkische Bewegung wäre sich in der Abhängigkeit der Religion von der Rasse einig. Religion sei rassebedingt, müsse volkhaft sein. Es wäre aber zu fragen, ob der gegenwärtige Stand einer wissenschaftlichen Rasseerforschung bereits ein derart schlüssiges Urteil über den Rassebegriff hervorgebracht habe, daß daraus die Abhängigkeit der Religion von der Rasse ernsthaft behauptet werden könnte. Die Grundsubstanz des christlichen Glaubens dulde keine Veränderung und historisch gesehen sei längst der Nachweis erbracht, daß das Christentum sich für alle Rassen und Nationen nicht nur eigne, sondern sie nach ihrer schöpfungsgemäßen Anlage der Vollendung entgegenführe. Palmer lehnte daher eine „völkische Religion“ rundweg ab.

Aus dieser kritischen Distanz referierte Palmer nunmehr die einzelnen Arbeiten und hob jene Passagen hervor, die seinem ablehnenden Grundurteil am nächsten kamen. Die Stellung der Völkischen Bewegung zur Kirche wurde daher ebenfalls grundsätzlich abgelehnt. Es wurden der pantheistische Gottesbegriff, der Kampf gegen das Alte Testament, die Darstellung Jesu als Arier oder „heldischen Edelmenschen“ und die Selbsterlösung des Menschen zurückgewiesen. In der Darstellung der christlichen Erlösungslehre bei der völkischen Bewegung „scheint die Kluft hoffnungslos aufgerissen“. „Es genügt, auf Sätze zu verweisen, wie die, daß der deutsche Mensch keine Sühne brauche und kenne, sondern aufrecht vor seinem Gott stehe, daß das Lamm Gottes eine orientalische Erfindung sei, daß die paulinische Gnadenlehre nur im verlotterten Rom habe Eingang finden können, daß Sündengefühl eine Begleiterscheinung physischer Bastardierung sei.“
Schließlich wären die ethisch-praktischen Folgerungen höchst bedenklich. Die Ehe stünde völlig im Dienste der Rasse, daher liebäugele Rosenberg mit der Vielweiberei, höchste Aufmerksamkeit der Kirche wäre bei der Euthanasie geboten, ebenfalls bei der Schulfrage.

Schließlich behandelte Palmer die Frage nach dem praktischen Verhalten gegenüber der völkischen Bewegung und speziell der NSDAP. Zunächst müßte die Kirche selber das deutsche Volkstum sorgfältiger pflegen. „Hierher gehört auch die sorgsame Pflege allen deutschen Erbgutes, deutschen Brauchtums, deutscher Sitte, die größere Heranziehung deutscher Sagen.“ Aber die unüberbrückbare Kluft zwischen der völkischen Religion der Selbsterlösung und der Religion des sola gratia dürfe nicht verschwiegen oder künstlich verhüllt werden. „Das Hakenkreuz darf das Christuskreuz nicht überstrahlen, es hat sich ihm unterzuordnen. Das Christentum ist nicht verjudet und darf nicht germanisiert werden. Kirche und Pfarrer haben das Christentum zu zeigen, das alles beherrscht und regelt.“ Palmer schloß seine Zusammenfassung mit der Bemerkung, daß Bolschewismus und völkische Religion im Grunde aus derselben Wurzel der Säkularisation stammten: „An Stelle des heiligen und überweltlichen Gottes tritt der Mensch, das Blut, die Rasse. Der wirkliche Gott wird ausgeschaltet. Das Christuskreuz muß dem Hakenkreuz weichen....Das gemeinsame letzte Ziel: eine Menschheit ohne Christus. Mit dieser Klarstellung ist der Kirche alles gewiesen: Ihr Urteil, ihr Weg, ihre Aufgabe, auch gegenüber der völkischen Religiösität.“

Palmer nahm mit dieser kompromißlosen Position eine Sonderstellung innerhalb der Kirchenräte der Landeskirche ein. Die übliche und zum Beispiel vom Volksblatt verbreitete Version für das Verhältnis von Kirche und Nationalsozialismus war das Bild von den gegenseitig ausgestreckten Händen. Daraus ergab sich in der Folgezeit das Modell eines geordneten Nebeneinanders von Christuskreuz und Hakenkreuz. Palmer markierte hier schon den deutlichen Widerspruch gegenüber diesem Modell und sprach von einer klaren Unterordnung des Hakenkreuzes unter das Christuskreuz. Diese Unterordnung sollte das spätere Modell für das Verhältnis der Bekennenden Kirche zum Nationalsozialismus werden.


Die Arbeiten aus dem Kirchenkreis Hasselfelde
In dem Kirchenkreis Hasselfelde/Walkenried waren völlig andere Töne hörbar geworden. (in: LKA 61)


Die Arbeit von Johannes Schwartz
Johannes Schwartz gehörte zu den Älteren im Kirchenkreis. Er war 66 Jahre alt und seit 26 Jahren in Trautenstein.

Schwartz gab dem § 24 des ns-Parteiprogramm im Gegensatz zu seinem Kollegen Meyer aus Heimburg eine überaus positive Würdigung. Es gäbe keinen Grund für die ev. Kirche, eine Zusammenarbeit mit dem Nationalsozialismus abzulehnen.
„Das ist doch gar keine Frage, daß wir ohne den Nationalsozialismus und sein entschiedenes Auftreten und Vorgehen schon längst unter die erdrückende Macht des Marxismus und der mit ihm verbundenen Zentrumspartei geraten wären. Und die Gefahr bedroht die evangelische Kirche auch heute noch. Da wäre es ein unermeßlicher Schade, wenn unsere Kirche dieser Gefahr ohne tatkräftige Bundesgenossen gegenüberstände, wie sie solche in einem positiv christlich gerichteten Nationalsozialismus finden würde, mit dem sie so manche Berührungspunkte auf den verschiedensten Lebensgebieten hat. So dürfte es als Pflicht der Kirche erscheinen, all ihren Einfluß aufzubieten, um diesen Zusammenhang immer mehr auszubauen zu einer wirksamen Kampf- und Arbeitsgemeinschaft.“ Schwartz argumentierte nicht theologisch sondern kirchenpolitisch. Er gehört zu jenen Älteren, die den Nationalsozialismus uneingeschränk begrüßen.


Die Arbeit von Hermann Dosse
Der 30 jährige Hermann Dosse, seit 1929 in Stiege, nahm das populäre Bild mit den ausgestreckten Händen auf. „In einer Zeit, in der die Kirche ihre Aufgabe am Volkstums erkannt hat und bejaht, darf sie einer solchen Bewegung, die Möglichkeiten zur Anknüpfung bietet und gern die Hand der Kirche nimmt, nicht ablehnend gegenüberstehen. Die Ansätze zur Verständigung und zu gemeinsamer Arbeit sind zweifellos gegeben.“
Dosse nahm eine mittlere Position ein, die trotz Kritik für eine Verständigung mit dem Nationalsozialismus eintraten. Eine ähnliche Position nahm auch Karl Oelze ein.


Die Arbeit von Karl Oelze
Karl Oelze, 56 Jahre und seit 1912 in der Kirchengemeinde Wieda, hatte sich nach 1918 stark in der DVP engagiert und eine Ortsgruppe ins Leben gerufen. In seiner 20seitigen Arbeit kam er zu einer sehr reservierten Stellungnahme gegenüber dem Nationalsozialismus. Er wies wie auch Pfr. Meyer den § 24 des Parteiprogramm vom positiven Christentum ausdrücklich als unannehmbar zurück.
„Wir müssen nach all den oben wiedergegebenen Äußerungen feststellen, daß das „positive Christentum“ des nationalsozialistischen Programms durch den aus dem Rassegedanken stammenden völkischen Vorbehalt völlig entwertet und entleert worden ist....“
Das bedeute aber keine Ablehnung, sondern man müsse im Nationalsozialismus das Bedenkliche vom Erfreulichen unterscheiden.
„Wir haben bereits oben gesagt, daß die völkische Bewegung viel edle Kräfte in sich birgt und daß manche ihrer Ziele es wert sind, daß wir uns dafür einsetzen. Gegenüber dem volkszerstörenden Marxismus, der nationalen Gesinnungslosigkeit der nachrevolutionären Zeit in Deutschland, dem unmännlichen Zaudern und dem Mangel an nationalem Wollen ist hier eine Erneuerung zu bewußtem deutschen Wollen und Handeln getreten. Man will die sittliche Erneuerung des deutschen Volkes, bekämpft den Schmutz in Wort und Bild und tritt für körperliche und sittliche Ertüchtigung ein.“
Die Absage der kath. Kirche könnte man nicht billigen.
„Das Gute und Edle müssen wir anerkennen, das Widergeistliche als solches erweisen und mit den Waffen Gottes bekämpfen.“
„Es gibt Gruppen im völkischen Lager, die die kirchliche Mitwirkung bei ihren Feiern gern sehen. Da bietet sich die Gelegenheit, auf die völkischen Scharen selbst im christlichen Sinne einzuwirken, und zwar im rechten Geist der dienenden Bruderliebe.“
Dabei gälte es, die Hoheit des A.T. in aller Klarheit herauszustellen. Der Pfarrer selber sollte sich nicht parteipolitisch betätigen. Aber: „Es handelt sich ohne Frage um eine ungeheuer wichtige Bewegung in unserem Volke, die unserm Vaterland vielleicht eine große Wende bringen wird.“

Diese beiden Stimmen, die sich für eine Verständigung einsetzten, hoben sich aus dem Kreis der anderen Amtsbrüder deutlich ab, die von unterschiedlichen theologischen Standorten aus zu einer ablehnenden Stellung kamen.


Die Arbeit von Julius Seebaß
Der 42 jährige Julius Seebaß war seit 1925 in Allrode, ging 1932 nach Börnecke und war den Blankenburgern als Propst seit 1946 bis zu seinem Ruhestand bekannt. Seebaß war geprägt von der Sydower Bruderschaft, einer Pfarrergruppe, die eine geistliche, liturgisch reiche Gemeinschaft suchte, ohne sich der Hochkirche anzuschließen. Seebaß hatte „Mein Kampf“ und Klagges gelesen und setzte sich in einem 35 Seiten langen Aufsatz mit allen Spielarten der völkischen Bewegung auseinander und resümierte: „deutliche Ablehnung“ des Nationalsozialismus als Weltanschauung oder gar als Religion, nicht jedoch als politischer Partei. Dem Nationalsozialismus fehlte jedes Verständnis für das positive Christentum, nämlich für die Theologie des Kreuzes.

Damit wären aber den Christen die Hände keineswegs gebunden „zur Mitarbeit an der Rettung des Volkes und des Vaterlandes“. Seebaß zitierte aus einem Brief des Leiters der Sydower Bruderschaft an die Brüder. Wenn die Kirche noch das feste prophetische Wort habe, dann wäre alles gut. Denn „Ein gesundes Verhältnis zum Volkstum ergibt sich aus der Anwendung des Wortes selbst.“


Die Arbeit von Harry Kügler
Harry Kügler, 40 Jahre alt, seit 1926 in der Kirchengemeinde Zorge, hatte „Mein Kampf“ gelesen und war bei Karl Barth gründlich in die Schule gegangen. Er lieferte eine nur vierseitige, emphatische Abrechnung mit dem Nationalsozialismus mit dem Rüstzeug des frühen Barth. Gott lasse sich nicht vom Menschlichen aus finden. So hätte es sich der Idealismus gedacht: vom höchsten geistigen Wesen und von seinen Werten hin zu Gott. Gott offenbarte sich jedoch anders als es sich der Mensch gedacht und erwartet hatte, nämlich in der Knechtsgestalt Jesu. Völkische Religion wäre bestenfalls schönster Idealismus, „der Gott in der Region hohen geistigen oder rassigen Wesens zu finden meint. Hier geht es ganz hart auf hart.“
„Mir will scheinen, als ob die völkische Bewegung in religiöser Hinsicht eine Rekordleistung in Bezug auf die Selbstbehauptung ihres eigenen ICHs in den verschiedensten Ausstrahlungen gegenüber Gott ist;.... Es scheint sich hier eine menschliche „Frömmigkeit“ zu zeigen, die als Frucht immer hat: Empörung gegen Gott, Vergötzung von Volk und Volkstum, Blut und Rasse, eine Umwertung des Göttlichen zum Nebensächlichen, des Bedingten zum Unbedingten...Jeder von uns steht ja unter dem Eindruck der erschütternden Tragik: da kommt nun eine völkische Bewegung von wesentlich gereinigterem Nationalgefühl, getragen von Kräften, die aus Urgründen des geknechteten Vaterlandes fließen, man möchte am liebsten 100% mitmachen und stößt auf die ungeheure Versuchung: Vergötzung des Volkstums.“
Kügler untersuchte im letzten Teil das Verhältnis der Kirche zum Nationalsozialismus und zitierte dazu wieder ausführlich, was Karl Barth von der Kirche sagte: „Evangelische Kirche kann grundsätzlich nur GOTT dienen,.. also vor allem nicht sich selbst; sie kann nicht schielen: mit dem einen Auge auf Gott, mit dem andern auf irgendwelche menschliche Notwendigkeiten und Hochziele. Sie ist durchaus nicht (!) in der Lage, diese mit jenem zusammenzusehen. Sie kennt den Menschen auf der ganzen Linie als den, der Christus gekreuzigt hat und der nicht von seinem Reichtum, sondern von Gottes Barmherzigkeit lebt, nicht von dem, was ihm eigen und innerlich ist, sondern von dem, was äußerlich und fremd zu ihm kommt.... Hieraus die klare Erkenntnis: kein Bindestrich zwischen Christentum und Volkstum, kein evangelisch u n d deutsch; das ist fremdes Feuer auf dem Altar.“ Kügler beschloß seine Abhandlung mit der Warnung vor einer Stunde der Versuchung. „Dem Neuheidentum von heute ist das Kreuz, und muß es sein, ein Ärgernis, weh uns, wenn wir das nicht sehn.“


Die Arbeit von Karl Helmer
Karl Helmer, 40 Jahre alt, seit 1927 in Braunlage tätig, hatte eine 30 Seiten lange, handgeschriebene Ausarbeitung vorgelegt. Auch er kam zu einer deutlichen ablehnenden Stellungnahme.
„Die völkische Bewegung macht einen starken Angriff auf die Bibel, auf Christus. Soweit sie das Judentum angreift, braucht sich die Kirche nicht zum Anwalt des Juden aufzuwerfen; vielmehr aber soll sie ihre Stimme erheben und den wilden Judenhaß als unchristlich bezeichnen. Wo es aber um den lebendigen Christus geht, soll die Kirche zum Gegenstoß rüsten. Dazu gehört erstens Studium der Theologie von Luther bis Holl und Barth, dazu gehört immer wieder Eindringen in die Schrift, die von Christus zeugt. In solcher Zeit darf die Kirche in ihrer Verkündigung keine Kompromisse den Massenbewegungen machen. Sie muß die völkische Bewegung darauf aufmerksam machen, daß sie ihr Programm zum positiven Christentum ernst nimmt. Wo aber Volk, Blut oder Rasse autonom gesetzt werden, da wird Gottes Herrschaft zerstört. Völkischer Nationalismus ohne Gott wird Hybris, Überhebung, Sünde.“
Trotz dieser kompromißlosen Ablehnung empfahl Helmer Offenheit im Umgang mit den Nationalsozialisten. Als Bollwerk gegen den Bolschewismus habe die völkische Bewegung eine große Aufgabe. Eine Auseinandersetzung habe aber nicht von der Kanzel aus sondern im kleinen Kreise, etwa bei Ausspracheabenden mit den Führern der Bewegung stattzufinden.


Die Zusammenfassung von Kirchenrat Eißfeldt
Georg Eißfeldt, Jahrgang 1864, war 67 Jahre alt und gehörte zur Gruppe der den Nationalsozialismus offen begrüßenden Alten, wie sein Amtsbruder in Trautenstein Schwartz. Er war seit 1910 in der Gemeinde Hasselfelde und wurde 1922 Kirchenrat.

Kirchenrat Eißfeldt schilderte im ersten Teil seiner Zusammenfassung ausgiebig und verständnisvoll die Entstehung der völkischen Bewegung. Es habe im 19. Jahrhundert lange ein deutsches Nationalgefühl gefehlt, der Gegensatz zwischen der „hochaufbrausenden, starken, stolzen Welle nationalen Fühlens und Wollens“ zu Beginn des 1. Weltkrieges und dem „Endausgang des Ringens im Versailler Diktat mit seiner Schmachaufbürdung und Tributlastenaufhalsung, Versklavung und heraufbeschworenem wirtschaftlichen Niedergang.“ Daraus folgte die „Erkenntnis unheilvoller Anheimgefallenheit an Überfremdung und Verseuchung deutschen Volkstums mit jüdisch-marxistischem Geiste auf allen Lebensgebieten und dahinter heraufdrohender bolschewistischer Unkultur und Kulturvernichtung.“ Auf diesem düster-grotesken Hintergrund sah Eißfeldt die völkische Bewegung als „eine mit Hochspannung geladene Gesundungsbewegung für artreines deutsches Volkstum und gereinigten Volksstaat, als mächtige deutsche Freiheitsbewegung, Heraufführung einer neuen deutschen Epoche nach ihrer Selbstauffassung und Zielsetzung – sicher eine Bewegung, die mit unausweichlicher gebieterischer Notwendigkeit auch die Kirche zur Stellungnahme zwingt und jeden Pfarramtsträger angeht.“

Der Unterschied zu seinem Blankenburger Kirchenratskollegen könnte nicht größer sein.
Schon die Wortschöpfungen Eißfeldts und sein erregter Sprachstil lassen das hohe Maß an Emotionalität erspüren, mit dem Eißfeldt und andere dieses Thema behandelten. Dagegen stach Palmer, dem die Gabe der pathetischen Rede auch gegeben war, mit der kühlen Rationalität dogmatischen Denkens, mit der er den Nationalsozialismus behandelte und kalt ablehnte, stark ab.


Die Predigersynode am 14.10.1931
Am 14. Oktober 1931 trafen sich die Pfarrer des Kirchenkreises Blankenburg mit den Pfarrern des anderen, zusammengelegten Kirchenkreises Hasselfelde/Walkenried zu einer abschließendem Predigersynode, die auch von Bischof Bernewitz besucht wurde. Daran nahmen alle Pfarrer des Kirchenkreises Blankenburg teil, auch Pfr. Frölich, Timmenrode, der keine Arbeit abgegeben hatte, und alle Pfarrer des Kirchenkreises Hasselfelde, Walkenried, nämlich Kirchenrat Eißfeldt, Hasselfelde, die Pfarrer Seebaß, Allrode, Helmer, Braunlage, Dosse Stiege, Albrecht, Tanne, Schwartz, Trautenstein, Oelze, Wieda, Kügler, Zorge. Außerdem zwei Kandidaten der Theologie Bosse, Braunlage und Korfes, Cattenstedt. (in: LKA 62)


Palmer dominiert die Predigersynode
Es war für Palmer keine Frage, wer die gemeinsame Predigersynode beider Kirchenkreise am 14. Oktober 1931 im Harzkurort Sorge im Hotel „Sorgenfrei“ dominieren würde. Palmer überließ seinem Kollegen die Andacht und legte den Amtsbrüdern seine die Diskussion bestimmenden vier Fragen zur Stellungnahme vor: „Unsere Stellungnahme über den Fundamentalsatz der völkischen Religion, nämlich der Einheit von Rasse und Religion; 2. Unsere Stellungnahme zu den daraus sich ergebenden dogmatischen Folgerungen über Bibel, Offenbarung und die Glaubensaussagen des Christentums; 3) Unsere Stellungnahme zu den praktisch-ethischen Folgerungen; 4) Aufgabe der Kirche; 5) Aufgabe des einzelnen Pfarrers.
Das Protokoll, daß der Vermittlungstheologe Dosse führte, läßt deutlich erkennen, wie die Konferenz sich die theologischen Grundthesen Palmers zu eigen machte, im letzten Teil aber zu anderen Folgerungen kam. Es war der Einfluß des anwesenden Landesbischofs Bernewitz, der im Nationalsozialismus eine große Chance für die Kirche erblickte. Christliche Einflüsse in der Gedankenwelt des Nationalsozialismus könnten nicht geleugnet werden, die wenigstens den einzelnen Pfarrer vor besondere Aufgaben stellten würden. „Gerade erst in engster Verbindung mit lebendigem Christentum wird diese Bewegung ein Segen für das deutsche Volk sein können,“ endet das Protokoll.

Nur die Verdrängung grundsätzlicher theologischer Positionen, wie sie entweder aus der Richtung Karl Barths oder der Sydower Bruderschaft oder des strengen Luthertums geäußert wurden, ermöglichten eine Annäherung eines großen Teils der Landeskirche an den Nationalsozialismus. Die Mehrheit der Pfarrer in den Kirchenkreisen Blankenburg und Hasselfelde/Walkenried sahen für eine Annäherung keine Möglichkeit, es wäre denn, der Nationalsozialismus würde sich vollständig ändern. Davon war jedoch keine Spur zu erkennen. Daß insgesamt die große Mehrheit der Pfarrer in diesen beiden Harzer Kirchenkreisen den Nationalsozialismus ablehnten, blieb innerhalb der Landeskirche eine erfreuliche Besonderheit. Wie weit dabei ein Einfluß Palmers zu beobachten ist, muß offen bleiben. Allerdings ist die sehr bestimmte Lenkung des Gespräches nicht zu übersehen. Palmer drängte darauf, von ihm als richtig erkannte Einsichten auch durchzusetzen. Andere abweichende Ansichten hatten daneben wenig Platz. Es ist kaum nachzuvollziehen, wie schwer es Palmer persönlich getroffen haben muß, als ihm diese Führungsrolle im Herbst 1933 ohne Rechtsgrundlage in einem Handstreich genommen wurde.



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