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[Kirche von unten]

Gemeinsam - zärtlich - radikal

1. Kapitel

Ein Spaziergang durch die Dörfer

für die Leserinnen und Leser, die das Dorf nicht kennen

Offleben, aus der Luft gesehen, zeigt keine klare Dorfstruktur und keine Mitte, etwa einen Dorfplatz wie in Hohnsleben oder eine Kirche wie in Reinsdorf. Auf der Luftaufnahme zeigt die helle Linie die Hauptstraße an, die heute durch das Dorf führt. Das Dorf ist im Norden - links - begrenzt durch eine dunkle Linie, die nach links oben führt: das ist die alte Bahntrasse. Das Luftbild stammt aus dem Jahre 1958. Im Osten weite Felder, die dünne geschwungene Linie gleich hinter dem Dorf zeigt die damalige Zonengrenze an. Statt eines Kirchturmes überragen im Vordergrund links die hohen Türme des Kraftwerkes und des Schwelwerkes die niedrigen Häuser im Ort. Wir machen uns am besten von Schöningen kommend zu Fuß auf den Weg.

Nach Offleben vom Kraftwerk aus

Das Kraftwerk am Dorfeingang ist der erste prägende Eindruck vom Dorf. Die Bauruinen des 1936 erbauten Kraftwerks I stehen noch. Die sieben niedrigen Schornsteine bescherten dem Dorf einen ekligen Schwelruß, der sich auf Wäsche, Autos und Obstbäume legte, aber den Dorfbewohnern jährliche attraktive Geldsummen einbrachte. Mir wurden zu meiner Überraschung auf mein Bankkonto zum Jahresende 1963 ein paar hundert Mark überwiesen. Das war die von der BKB zu erbringende "Entschädigung", das "Schwelgeld", wie man hier sagte. Es war einmal von den nationalsozialistischen Dorfbehörden gegen den deutsch-nationalen Konzernvorstand durchgeboxt worden.

Das Kraftwerk Offleben II mit den blau-grau angestrichenen Blöcken A, B und C wirkt nachts durch seine tausendfache Beleuchtung eindrucksvoller als am Tage. Von weitem, etwa vom Schöninger Elmrand aus gesehen, sieht es richtig romantisch aus. Am Tage spürt man schon beim Vorbeifahren: hier steckt das Geld, hier pulsiert die Arbeit, hier ist was los. Richtiger: hier war was los.

Der eine, fast 140 Meter hohe Schornstein ist vor ein paar Jahren abgebrochen worden, die Blöcke A und B produzieren nicht mehr. Der riesige Parkplatz auf dem Betriebsgelände füllt sich nicht mehr.

In den 60iger Jahren konnte man Pech haben und mußte an den Bahnschranken warten, weil ein Zug den Bahnhof Offleben in Richtung Schöningen verließ. Stellwerkswärter war Johann Globisch, der eigentlich in Völpke gewohnt hatte und zur Arbeit täglich nach Offleben gekommen war. Als 1953 aber die Grenze für diese Berufspendler geschlossen wurde, entschloß sich die Familie zur Flucht über die Grenze, reiste nach Berlin, mit der S - Bahn von Ost nach West und von dort dann nach Offleben. Hier wohnte sie in dem der Bahn gehörenden Häuschen an den Schranken. Der früher belebte Bahnhof wurde 1974 abgerissen. Zum Schluß hatte nur noch die Bahnhofskneipe, die von Erwin Lohse betrieben wurde, funktioniert.

Am Dorfeingang rechts stehen die sogenannten "Beamtenhäuser". Dort wohnten die besser bezahlten Werksangestellten. Anfang des Jahrhunderts waren diese Gebäude von den BKB errichtet worden. Sie hatten innen ein kleines Treppenhaus, waren geräumiger, vorne mit einem kleinen Vorgarten. Sie waren sichtlich etwas "gehobeneres" gegenüber den "Siedlungen", die links und rechts von der Hauptstraße in den 20iger Jahren um einen kleinen eigenen Dorfplatz im Kreise angelegt wurden und den Arbeitern in der Weimarer Zeit mit Stube, Kammer, Küche, Keller zum Schlachten und einem großen Garten hinterm Haus einen eigenen, kleinen Wohlstand bescherten. Die "Siedlung Süd" und die "Siedlung Nord" sind dem eigentlichen Dorfkern vorgelagert. Sie zweigen links und rechts an "der Kreuzung" von der Hauptstraße ab. Man wohnt für sich in den Siedlungen.

Wir sind bereits auf der rechten Seite vorbei an der Werkshalle von Klaus Domeier, und links an der katholischen Kirche und dem Friedhof, über die Straßenkreuzung zu den Siedlungen und bleiben beim früheren Jägerschen Hof stehen. Er gehörte einem der um die Jahrhundertwende durch den Zuckerrübenanbau reich gewordenen Landwirte, die - wie auch Bockmann und Wagenführ - herrschaftliche Villen errichtet hatten mit hübsch abgesetzten Fenstersimsen, Fahnenstange, unter den Dachrinnen Verzierungen, innen nobel ausgestattet, große Räumlichkeiten für Empfänge für ihresgleichen. Kamin, Getäfeltes bei Jägers, die Pferdeställe von Wagenführ gekachelt, die Villa von Brandes mit Fachwerk verziert und innen mit einer imponierenden Empfangsdiele. Die vier Höfe: Brandes, Bockmann, Jäger und Wagenführ mit mehreren hundert Hektar Landbesitz prägten das gesellschaftliche Leben um die Jahrhundertwende, sie fuhren mehrspännig auf den Acker und pellten die Kartoffeln aus dem Silberpapier. Erinnerungen an die Arbeit auf dem Acker oder an die Mamsell im Hause sind noch bei den älteren Dorfbewohnern lebendig.

Der Jägerschen Villa gegenüber liegt die neue, 1924 als Reformschule angelegte Dorfschule, mit dem großen Schulplatz an der Straße. Es gibt noch zwei andere Schulgebäude, die preußische und die braunschweigische Schule, denn das Dorf war bis in die vierziger Jahre in zwei politisch selbständige Dörfer geteilt, mit je einem eigenen Bürgermeister und einem eigenen Friedhof. Langsam aber waren beide Teile zusammengewachsen: die von Preußisch-Offleben gingen in die braunschweigische Schule, die von Braunschweigisch-Offleben wurden auf dem preußischen Friedhof im Osten begraben. Die Erinnerung an die beiden Teile jedoch ist bei den Alten noch lebendig. Und gerne bin ich mit den Konfirmanden am Anfang des Unterrichtes einmal durchs Dorf geschlendert, und wir haben die alten Grenzsteine, die es noch entlang der Gerhart-Hauptmannstraße gibt, entdeckt.

Zurück zu unserm Spaziergang. Wir waren vor unserem kleinen historischen Abstecher auf der Straße zwischen der Schule und der Jägerschen Villa stehen geblieben. An beiden vorbei stoßen wir rechter Hand auf einen für das Dorf auffällig großen Laden. Heute ist es eine Filiale der Drogeriekette Schlecker, jahrzehntelang war es Huke, eine Ende des vorigen Jahrhunderts nach Offleben gezogene Familie, die hier 1923 einen Stubenladen eröffnet und nach und nach vergrößert hatte, in dem man alles kaufen konnte. Hier verzweigt sich wieder die Straße: geradeaus geht's weiter durchs Dorf, links ab in die Lindenstraße nach Reinsdorf. Das Grundstück von "Pepper" Hintze liegt wie eine Verkehrsinsel mittendrin. Von hier kommen wir auf den eigentlichen Dorfkern mit Läden, Kneipen, handwerklichen Betrieben: Hinze, Deutschmann, Gemüseladen Pape, Frisör, Kiosk, einen "Volkspark", 1935 errichtet als Treffpunkt für die "Volksgemeinschaft". Nach dem Kriege fanden hier die ersten Volksfeste statt, der Maibaum wurde aufgestellt und der Ortsjugendpfleger hielt seine Rede zum 1. Mai. Jetzt ist er der Park eine grüne, schattige Insel, ein Treff für Jungens und Mädchen und Quasselecke bei einem Bier.

Die Hauptstraße führt unbemerkt über den Kupferbach, der rechts entlang den Triftweg begleitet. Hier wurde auf dem früheren Jägerschen Hofgelände ein großes Altenwohnhaus errichtet.

In entgegengesetzter Richtung erreichen wir auf der Lindenstraße, entlang unter hohen Lindenbäumen, vor dem Bockmannschen Hof das große Haus des Arztes. Gegenüber lagen früher die Wohnungen für die landwirtschaftlichen Arbeiter von Wagenführ, jetzt ist es ein Platz zum Ausruhen. Dahinter schlängelt sich der Kupferbach, ein immer noch wasserführender Graben, auf dem sich die Enten tummeln.

Am Kupferbach liegt befindet sich das Klostergut, eine staatliche Domäne, das seit 250 Jahren von der Familie Brandes bewirtschaftet wird. Hinter den Stallgebäuden des Klostergutes versteckt liegt die kleine Dorfkirche, ohne Turm, aber mit einem Dachreiter. Klostergut und Dorfkirche verbindet eine längere Tradition miteinander. Der Domänenpächter hatte einen festen Sitz im Kirchenvorstand.

Das pulsierende Dorfleben in Kneipen und Läden ist nicht mehr so prall. Als ich 1965 das große Pfarrhaus am Ende des Dorfes bezog, konnte ich bei einem abendlichen Kneipenbummel noch etwa sieben Gastwirtschaften abklappern: Eicke, Kraft, die Post, Grüne, Willi Smuda an der Grenze, die mehr improvisierte Kneipe gegenüber der neuen Schule, die Bahnhofskneipe. Es waren teils traditionelle Dorfgaststätten mit nach hinten ausgebauten Sälen, auf denen die Dorfvergnügen, Theater und auch Kino stattfanden. Teils waren es engere Kneipen mit Stammtischen und kleinem Tresen. Es wird bis heute im Dorf zu viel gesoffen, obwohl von den kleinen Gaststätten keine mehr besteht. Das Fernsehen hat die gesellige Kneipenkultur zerstört. Ein kleiner Ersatz sind die Treffs in den Wirtschaften auf den Kleingartengeländen Österling und Hartmannslust. Neuerdings hat ein Türke eine Pizzeria aufgemacht.

Wir sind auf unserm Spaziergang durch Offleben nun auf der Poststraße, früher Schulstraße, so genannt nach der alten braunschweigischen Schule. Davon biegt nach recht die kleine Straße "Der Winkel" ab, es ist das letzte erhaltenswerte Stück der Offleber Arbeitersiedlung aus der Jahrhundertwende um 1900. Kleine, geduckte Wohnungen, deren Wohnungstüren sich auf einen Hof öffnen, der an der gegenüberliegenden Seite von Ställen begrenzt wird. Frau Anna Ziegler hat das Leben in diesem früher kinderreichen Krabbelwinkel unter der Überschrift "Der Krewelwinkel" im Gemeindebrief beschrieben.

Die Poststraße mündet vorbei an der ehemaligen Mühle, deren Fassade noch steht, und der ehemaligen Schmiede auf die Alversdorferstraße, an der die kleinere preußische Schule liegt. Wir sind am Ostende des Dorfes angelangt, wo der Straßenname "Zuckerfabrik" an das ziemlich große Gelände einer Zuckerfabrik erinnert, der Zuckerfabrik Brandes & Co, die von 1851 bis 1945 prima arbeitete, wegen der Grenzziehung 1947 stillgelegt und in den 50iger Jahren abgerissen wurde. Die neuen, bald danach besonders für die Flüchtlinge errichteten Mehrfamilienhäuser am Wiesenweg stehen teilweise noch auf den Restfundamenten des abgerissenen Betriebes.

Fährt man weiter geradeaus, geht's heute über die Grenze nach Sachsen-Anhalt. Vor 1990 war hier Schluß. Ein Grenzbaum auf der westlichen Seite und ein zementener Beobachtungsturm auf der "andern Seite" versperrten die Weiterfahrt. Es war bis 1990 sozusagen die Vorzeigestelle des Dorfes.

Wie zum Protest, daß man sich von der Trennung nicht kleinkriegen lassen wolle, baute die Gemeinde 1957 mit ihren sehr hohen Gewerbesteuereinnahmen für 1,5 Millionen DM ein für die Baugeschichte des Dorfes ganz untypisches, riesiges Dorfgemeinschaftshaus, das erste in Niedersachsen, mit kleinem und großem Saal, Sport für alle, Geselligkeit für das ganze Dorf, programmatisch für das sozialdemokratische Verständnis einer die ständischen Grenzen überwindenden Dorfgemeinschaft. Zur Einweihung war sogar der Landesvater Ministerpräsident Hinrich Kopf erschienen. Hier wurden in den 60iger Jahren die Volksfeste mit vielen hundert Leuten gefeiert. Zum Katerfrühstück am Montag hatten die Geschäfte geschlossen, das Dorf, Vereine, Arbeitgeber und Arbeitnehmer trafen sich im geschmückten Großen Saal zum Besäufnis und Franz Gorny dirigierte die Kapelle zu den "lustigen Braunschweigern" und gab dafür einen aus. Da bin ich ausgesprochen gerne hingegangen. Dann wurde das Frühstück auf den Sonntag vormittag in die Gottesdienstzeit verlegt, was mich sehr ärgerte. Bürgermeister Lickfett versuchte einen Kompromiß und sprach in die bereits bierselige Situation zur Eröffnung ein Gebet und handelte sich von hinten die Zurufe: "Zugabe" ein. Er ließ es dann später. Diese Art des großen, die ganze Dorfbevölkerung einschließenden Dorffestes schlief in den 80iger Jahren ein. Heute mietet man sich den Saal für größere Hochzeiten, Versammlungen und Konzerte.

Vor dem Dorfgemeinschaftshaus befindet sich jedoch der vermutlich lebendigste Ort unseres Dorfes: der Kindergarten, im Krieg mit hohen Zuschüssen der BKB wegen der verheerenden Phenolwolken als Gegenleistung gebaut, im Frühjahr 1945 Quartier für das englische und amerikanische Truppenkommando und dann wieder und bis heute und hoffentlich für lange Zeit noch Kindergarten. Er feierte kürzlich sein 50jähriges Bestehen. Die Zeit vor 1945 wurde nicht gerechnet.

Wenn wir ins Dorf zurückgehen, erreichen wir rechter Hand den "Roten Ochsen", eine größere Gaststätte vor allem für Familienfeste. Dahinter liegt etwas zurück versetzt eines der ältesten Häuser Offlebens, das über 200 Jahre alte frühere Zollhaus "Zur Post". Vielleicht war der kleine Platz davor einmal für die Postkutschen gedacht.

Zwischen diesen beiden Gebäuden biegen wir in die Gerhart-Hauptmannstraße ein. Eigentlich hieß sie auch "Hintere Dorfstraße", weil das Dorf an dieser Stelle früher zu Ende war. Aber 1950 wurde hier ein weiterer größerer Wohnkomplex errichtet, in den viele Flüchtlinge aus Schlesien einzogen. Die Benennung nach dem schlesischen Dramatiker Gerhart Hauptmann sollte den dort wohnenden Flüchtlingen die Erinnerung an die Heimat wachhalten.

Offleben hatte 1950 immerhin etwa 3000 Einwohner, davon waren fast die Hälfte Flüchtlinge. Als der kleinere Kempesche Hof in der Dorfmitte abgerissen und auf seinem Gelände ein modernes Flachgebäude für die Dorfverwaltung errichtet wurde, nannte man die drumherum führende Straße Breslauer Straße: eine Sackgasse.

Sonst waren die nach außen führenden Straßen nach dem nächst liegenden Dorf genannt: die Reinsdorfer Straße führt nach Reinsdorf, die Barneberger Straße nach Barneberg, die Alversdorfer Straße erinnert an das 1972 abgerissene Dorf Alversdorf, früher hieß sie Bahnhofstraße.

...und durch Reinsdorf

Den schönsten Blick auf Reinsdorf hat man von der Straßenkreuzung Schöningen/Büddenstedt/Offleben kommend von der Anhöhe aus. Der Blick fällt vor allem auf die Kirche mit dem massigen Turm an der Dorfstraße. Wer durch Reinsdorf fährt, muß an der Kirche vorbei.

Reinsdorf wird von zwei Bauernhöfen beherrscht. Die Familie Jacobs bewirtschaftet den Hof seit vielen Jahrhunderten, die Familie Germer ist seit ca. 25 Jahren im Dorf ansässig, sie hat zum Ausgleich für landwirtschaftliche Flächen, die die BKB in Esbeck für das "Buschhaus" benötigten, den Reinsdorfer Hof erhalten, der als "Gut Bismarck" für die BKB jahrzehntelang von der Familie Kraiger bewirtschaftet worden war. Es gab früher noch zwei weitere, kleinere Höfe, die von den BKB aufgekauft wurden. Zu den alteingesessenen Landwirten, nun allerdings ohne Hof, gehörte die Familie Lambrecht.

Ein mit Lindenbäumen dicht bestandener Dorfplatz bildete immer noch die Mitte. Bis in die sechziger Jahre wurden hier die Festzelte für das Volksfest aufgeschlagen. 1972 wurde der Dorfplatz wegen der m.E. unnötigen Verbreiterung der Dorfstraße gravierend verändert. Die Phönixwerke wünschten eine Veränderung der Trasse für den Durchgangsverkehr schwerer Lastkraftwagen. Als Alternative hätte es sich angeboten, die Einfahrt für den Werksverkehr auf der hinteren Seite des Werkes einzurichten. So mußten zahlreiche Linden auf dem Dorfplatz gefällt werden und das Denkmal von 1870/71 wurde ersatzlos beseitigt.

Der Dorfplatz wird begrenzt von der "Villa", einem herrschaftlichen Gebäude, das von BKB-Direktoren bewohnt war, der früheren Dorfkneipe mit Saal, die von Krusekopf betrieben wurde und dem Feuerwehrgebäude, sowie von dem sehenswerten Heimatmuseum in der früheren Gemeindebäckerei.

Gegenüber der Kirche liegt die Schule, die Jahrhunderte einen einklassigen Schulbetrieb aufrechterhielt. Nach dem Krieg wurden wegen des erheblichen Anstiegs der Schülerzahl zwei Lehrer beschäftigt und schon 1951 ein Anbau getätigt. Dort wohnte auch der Dorflehrer. Mit der Schulreform der 60iger Jahre wurde die Schule 1967 geschlossen. Heute ist sie ein Dorfgemeinschaftshaus und Treffpunkt für Vereine und Geselligkeiten.

Früher hörte das Dorf hier bei Bäcker Hinz und der Schule auf. Es verkleinerte sich 1937 noch dramatisch, weil der Tagebau zu dicht an das Dorf herangebaggert worden war, sodaß einige Häuser abrutschten. Als Ersatz wurde noch 1938 der heutige Finkenweg gebaut.

Um den Dorfkern herum wurden nach dem Kriege wegen des Bevölkerungszuwachses Mehrfamilienhäuser hochgezogen und Flüchtlinge errichteten sich auch in Eigenarbeit ein eigenes Heim. Unsere spätere Rechnungsführerin Frau Berta Radke konnte von diesem Lebensabschnitt anschaulich erzählen.

Die Bevölkerung von Reinsdorf-Hohnsleben war von 387 (1939) auf 624 (1948) gestiegen. Die einzige Hauptstraße hatte keinen Namen, die Häuser wurden nicht nach Straßen, sondern nach Nummern gezählt. Nun entstanden noch vier weitere Straßen, die bei der Bildung der Samtgemeinde Büddenstedt Vogelnamen erhielten und leider nicht nach verdienten Lehrern oder anderen Persönlichkeiten des Ortes benannt wurden, wie wir das vom Kirchenvorstand vorgeschlagen hatten.

Die Straße nach Hohnsleben führt um den Friedhof herum, der zusammen mit der Kirche eine ruhige, gepflegte, einladende Dorfmitte bildet.

...Hohnsleben nicht zu vergessen

Zu Reinsdorf gehört seit 1942 der Ortsteil Hohnsleben, einen Kilometer weit entfernt, ursprünglich ein selbständiges Dorf mit Bürgermeister und Gemeinderat. Durch Hohnsleben führt eine in Zukunft wohl belebte Verkehrsstraße, die Harbke mit Sommerschenburg und Barneberg verbindet.

Auch hier war die Grenze nach "drüben" dicht, seit dem Mai 1952, als die Volkspolizei einen BKB-Bagger abgeschleppt und einen Monat sogar eine Lokomotive und 40 Eisenbahner entführt hatte. Bis dahin herrschte ein lebhafter Grenzverkehr und viel schwarzer Markt. Die Mitte der Brücke neben der früheren Dorfkneipe "Ernst" war die "Staatsgrenze".

Das Dorf wird von einem größeren Hof bestimmt, der seit Ende des vorigen Jahrhunderts von der Familie Wietfeld bewirtschaftet wird und zu dem zwei größere Gebäudekomplexe mit Stallungen gehören. Gegenüber liegt ein anderer, zuletzt von Hugo Duckstein verwalteter Hof, der aber seit vielen Jahren unbewirtschaftet ist. Die Ducksteins waren über zwei Jahrhunderte in Hohnsleben ansässig. Hugo Duckstein gehörte zu den profilierten Hohnslebern, war mit Unterbrechung 17 Jahre lang Bürgermeister und bis 1939 Schriftführer im Gemeinderat. Er hatte sein Land an die BKB verkauft und war während des Krieges nach Helmstedt gezogen.

Im Winkel des Ortsteiles stand eine Mühle, die sich vom Grenzbach speiste und an deren Betrieb heute nur noch der Name erinnert.

Hohnsleben führte bis 1990 einen Dornröschenschlaf, es lag wirklich im abgelegensten Winkel. In Zukunft aber wird durch das früher stille Dorf der Kraftverkehr vom Osten zur nächsten Autobahnauffahrt brausen. Die Straßen wurden dafür bereits ausgebaut.

Auf der Rückfahrt nach Offleben kommen wir noch auf der rechten Seite an einem Werk vorbei, das verschiedene Namen hinter sich hat: "Gummiquetsche", sagten die einen dazu, richtig hießen sie "Para-Gummiwerke", ein Segen für die Arbeiter des 1964 geschlossenen Schwelwerkes, die hier unterkommen konnten. Dann produzierten die Phönixwerke Autoreifen. Der Besitzer wechselte mehrfach, jetzt produziert dort Dynamit Nobel. Die Beschäftigtenzahl schwankte in den letzten zehn Jahren zwischen 300 und 700 Belegschaftsmitgliedern.

Der Bahndamm ist in Sicht, hinter dem sich die Dächer von Offleben wie hinter einem Deich verstecken. Hier verkehrte die Reichsbahn auf der Strecke Schöningen-Oschersleben. Die große Eisenbahnbrücke, unter der hindurch man das Dorf erreichte und die diesen Ausgang nach Reinsdorf abschloß, wurde in den 70iger Jahren gesprengt.

Von Westen haben wir den Rundgang begonnen, von Norden beenden wir ihn. Wir passieren linker Hand den evangelischen Friedhof und werden rechter Hand von einigen älteren Häusern Offlebens empfangen.


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