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[Kirche von unten]

Gemeinsam - zärtlich - radikal

16. Kapitel

Projekt: Arbeit an der Geschichte der Landeskirche

Ein Pfarrer sollte stets die Gesamtsituation der Landeskirche im Blick haben, insbesondere dann, wenn er etwas Neues einführt. Was sollten die anderen Gemeinde denken? Wenn die nun auch anfingen, reformerisch über die gesetzliche Lage hinaus voranzugehen? Also: etwas mehr Rücksicht nehmen, hieß es.

In einer ganz anderen Weise indes kam ich diesem Wunsch intensiv nach: ich machte mich an die Erforschung nicht nur der Geschichte der eigenen Kirchengemeinde, sondern der Braunschweiger Landeskirche.

Zwei Voraussetzungen waren dafür nötig: die Kirchenvorstände und Gemeindemitglieder mußten mir viel Zeit gewähren, die ich für die Forschung in den Archiven in Braunschweig, Wolfenbüttel, Hannover, Bielefeld, Berlin, Koblenz, Darmstadt, Stuttgart und München brauchte. Die Ergebnisse verarbeitete ich zu Hause zu Manuskripten. Das große Offleber Pfarrhaus war ideal für die Einrichtung eines umfangreichen Archivs und einer, die Geschichte des 20. Jahrhunderts umfassenden, Bücherei. Ich brauchte andererseits interessierte Frauen und Männer in der Landeskirche, die sich an Vortragsreihen, Gemeindeabenden und Ausstellungen beteiligten.

Beides fand ich und es begann mit Vortragsreihen an der Schöninger Volkshochschule, die sich bevorzugt mit aktuellen Themen wie der Kirchenreform, der Reform des Sozialismus und der christlichen Gegenwartslyrik beschäftigten, aber auch mit kirchenhistorischen Themen wie "Die Kirchenaustrittsbewegung im Braunschweiger Land".

Anstoß im Predigerseminar

Den Anstoß für die Beschäftigung mit der Braunschweiger Kirchengeschichte erhielt ich im Predigerseminar durch den damaligen Seminardirektor Rudolf Brinckmeier. Er verwies uns auf die im Wolfenbüttler Gefängnis vom Gefängnispfarrer Alexander Rohlfs hergestellte Vervielfältigung einer von Pfarrer Heinrich Lachmund begonnenen und von Kirchenrat Ottmar Palmer weitergeführten Arbeit über "Die Geschichte des Kirchenkampfes in der Braunschweigischen Landeskirche".

Palmer und Rohlfs waren Mitglieder des Braunschweiger Pfarrernotbundes gewesen, nach dem Krieg Mitglieder des ersten Landeskirchentages im Jahr 1946, aber dort mit einem gründlichen Neuanfang nicht durchgedrungen. Rohlfs verließ dann den Landeskirchentag und den Dienst in der Landeskirche und wurde von 1946-1968 Gefängnispfarrer in Wolfenbüttel. Er ist am 17.11.1995 im Alter von 89 Jahren in Braunlage gestorben. Palmer, Jahrgang 1873, war 1945 bereits 72 Jahre alt und ging zum 1. März 1947 in den Ruhestand. Er starb 1964.

Die sonderbaren Umstände der Drucklegung ließen uns neugierig werden und wir wurden bald fündig: die noch amtierenden Oberlandeskirchenräte Röpke und Dr. Breust, die gelegentlich eines traditionellen, gemütlichen Abends zum Kennenlernen mit den Vikaren auch im Predigerseminar auftauchten, kamen in der Abhandlung nicht ganz fleckenrein weg. Anstatt ihrerseits die Auseinandersetzung mit den Verfassern zu suchen, wurde die Vervielfältigung vom Landeskirchenamt nicht weiter gefördert.

Andere Landeskirchen waren auf ihren Pfarrernotbund stolz gewesen und hatten seine Geschichte beschrieben, wie z.B. Karl Stoevesandt für die Bremer Kirche 1961 und später Heinrich Wilhelmi für die Hamburgische Landeskirche, Johann Bielefeldt für die Schleswig-Holsteinische Kirche oder Karl Friedrich Reimers für Lübeck. 1964 erschien die umfangreiche Abhandlung über die Geschichte des Kirchenkampfes in der Hannoverschen Landeskirche von OLKR Klügel.

Von Braunschweig erfuhr man zwar, es habe einen Pfarrernotbund gegeben, aber davon sollte offenbar nichts gedruckt werden. Das fanden wir - Eckhard Schliepack, Klaus Pieper, Rudolf Quitte und Hans Peter Schirmer gehörten zu unserm Predigerseminarjahrgang - komisch und widersprüchlich.

Von Braunschweig hörte man vor allem mündliches, nämlich: der amtierende Bischof Erdmann sei ein BK-Mann der ersten Stunde gewesen, OLKR Röpke habe tapfer der Nazi-Finanzabteilung im Landeskirchenamt widerstanden und OLKR Dr. Breust sei sogar unter den Nazis aus dem Dienst entlassen worden und habe dafür gesorgt, daß nach dem Kriege der "geraubte Grundbesitz" der Landeskirche wieder in den Schoß der Kirche zurückgekehrt sei.

Das aber war, gelinde gesagt, nur die halbe Wahrheit und ich begann im Archiv die Quellen zu lesen, soweit ich sie zu lesen bekam. Heinrich Lachmund war z.B. im Januar 1934 von dem DC-Bischof Wilhelm Beye für einige Zeit aus seinem Blankenburger Pfarramt entlassen worden. Mich interessierten die Umstände und Urheber, aber die diesen Fall betreffenden Lachmund-Akten erhielt ich nicht im Brauschweiger Kirchenarchiv. Da alle Disziplinarsachen damals auch nach Berlin gemeldet werden mußten, fuhr ich ins Berliner Archiv der evangelischen Kirchenkanzlei und erhielt anstandslos diese Akten zur Einsicht und auch zum Fotokopieren ausgehändigt. Daraus ging überdeutlich hervor, daß Dr. Breust ein ganz scharfer Deutscher Christ gewesen war. Lachmund kehrte auch erst wieder in den Dienst zurück, als Dr. Breust seinerseits vom Dienst beurlaubt worden war. Die Erforschung und Veröffentlichung solcher Akten hätte die in der Braunschweiger Pfarrerschaft liebevoll gepflegte mündliche Tradition verändert und daran bestand bei der Kirchenleitung kein dringendes Interesse.

Außenstehenden und Jüngeren fiel dies auf. Bischof Heintze, der 1965 seinen Dienst in der Landeskirche antrat, hatte bald nach seinem Dienstantritt bemerkt, "wie wenig in der kirchlichen Öffentlichkeit in Braunschweig... überhaupt von der Zeit des "Dritten Reiches" die Rede war. Aus Rücksicht auf noch Lebende, die am kirchlichen Geschehen jener Jahre in Braunschweig aktiv beteiligt waren, und aus der Sorge, es könnte eine unsachliche, emotionale Polemik dadurch gefördert werden, erschien es manchen unter den jetzt Verantwortlichen einstweilen nicht geraten, sich allzu eingehend mit diesem Zeitabschnitt zu befassen."

"Braunschweig unterm Hakenkreuz" (Januar 1980)

Die ersten Forschungsergebnisse mündeten in einen Vortrag "Kirche und Nationalsozialismus in Braunschweig" im Braunschweiger Städtischen Museum im Januar 1980.

Ein kleiner Kreis hatte sich im Herbst 1979 im Kramerschen Wolfenbüttler Garten getroffen und verwegen eine Vortragsreihe unter dem Obertitel "Braunschweig unterm Hakenkreuz" verabredet. Prof. Ernst August Roloff, vor allem bekannt durch seine beiden Abhandlungen "Braunschweig und Weimar" und "Bürgertum und Nationalsozialismus in Braunschweig" sollte den Anfang machen, Helmut Kramer, Richter am Oberlandesgericht in Braunschweig, die Justiz untersuchen, Albrecht Lein die Arbeiterbewegung und die Anfänge nach 1945 und ich die Haltung der evangelischen Regionalkirche. In der kritischen Grundtendenz gegenüber dem anfälligen Braunschweiger Bürgertum waren wir uns alle einig.

Es fand sich ein erstaunlich breiter Trägerkreis zusammen: die Fachgruppe Richter und Staatsanwälte der Gewerkschaft ÖTV, der Braunschweiger Geschichtsverein, das Lehrerzentrum, das Institut für Politikwissenschaft der TU, die Jusos, die AG sozialdemokratischer Juristen und die Universitätsbibliothek Braunschweig.

Die Plätze im Städtischen Museum waren weit vor Beginn bis hoch in die Ränge und Treppen vollständig überfüllt und die Resonanz überwältigend. An einer abschließenden Diskussionsrunde im Städtischen Museum nahm OLKR Becker teil und unterstrich die Notwendigkeit einer Weiterführung dieser Arbeit. Das war mir damals außerordentlich wichtig. OLKR Becker stand mit dieser Meinung allerdings in den folgenden 80iger Jahren im Kollegium des Landeskirchenamtes ziemlich alleine da.

Die Besprechungen in der Braunschweiger Zeitung waren förderlich und verständnisvoll. Wir hatten in ein Wespennest gestochen. Eine Befragung der Zuhörerinnen und Zuhörer erbrachte ein heftiges Interesse an einer Fortsetzung der Reihe. Aber das Städtische Museum wurde nicht mehr zur Verfügung gestellt.

Ich mochte die Veröffentlichung der vier Vorträge nicht abwarten, sondern brachte meinen Vortrag zusammen mit einigen Stellungnahmen von Annemarie Haedke und Rudi Chmilewski unter der Überschrift "Gespräch zwischen den Generationen" noch im Sommer 1980 beim Magni-Buchladen, einem der linken Buchläden Braunschweigs, heraus. Die Broschüre enthielt ferner einen Beitrag von Pastorin Böttger-Bolte "Ich verstehe meinen Vater besser", einen Beitrag von Oberkirchenrat Hartmut Johnsen, dessen Vater Helmut Johnsen von 1934-1946 Braunschweiger Landesbischof und naturgemäß ein Hauptgegenstand des Referates gewesen war, sowie einen Briefwechsel mit meinem Vater, der leitend am Kirchenkampf in der ostpreußischen Provinzialkirche und vorübergehend auch in der provisorischen Reichskirchenleitung teilgenommen hatte.

Später erschienen alle Vorträge, von Helmut Kramer herausgegeben, unter dem Titel "Braunschweig unterm Hakenkreuz".

Aufklärung und das Gespräch zwischen den Generationen waren mir das Wichtigste und das war in Gang gebracht worden. Die Veröffentlichung wäre schwierig geworden, wenn nicht der bereits pensionierte Oberlandeskirchenrat Brinckmeier mit einer einfühlsamen Meditation über den in der Johannespassion von Bach vertonten Liedvers "Petrus, der nicht denkt zurück, seinen Gott verneinte" die kleine Broschüre eingeleitet hätte. Brinkmeier war von 1962-1973 im Landeskirchenamt als Oberlandeskirchenrat und die letzten vier Jahre als Stellvertreter des Landesbischofs Gerhard Heintze tätig gewesen. Er sprach empfindliche Fragen an: dürfen Namen genannt werden, welchen Sinn macht es, alles abzustreiten? Er schrieb: "Wir gebärden uns nur zu leicht wie einer, der in einen Strafprozeß verwickelt ist und nun alle Welt als seinen Feind ansieht und alles abstreitet, was nur irgend abzustreiten ist. Man setzt sich selbst ins Unrecht, wenn man bloß um sich schlägt. Eine Beschäftigung mit diesem Abschnitt der Geschichte unserer Landeskirche sollte nicht darauf hinauslaufen, daß man sich verhärtet."

Dennoch überwog auf der einen Seite doch die Verhärtung. OLKR Becker hingegen nahm dem Buchladen 140 Exemplare für die Studenten und Vikare ab und organisierte einen Druckkostenzuschuß von 500 DM.

Ich hatte im Vortrag die anfechtbare These von dem Hitlerstaat als einer "christlichen Diktatur" aufgestellt. Um so wichtiger waren mir und den Befürwortern im Landeskirchenamt viele hilfreiche Rückmeldungen. Für die Geschäftsstelle der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für kirchliche Zeitgeschichte schrieb Dr. Carsten Nicolaisen an den Landesbischof und an OLKR Becker: "Ich habe die Darstellung - trotz aller kritischen Rückfragen im einzelnen - als befreiend und wegweisend empfunden." Und ein damaliger Zeitgenosse, OKR Dr. Oscar Söhngen aus der Kirchenleitung der Kirchen der Altpreußischen Union schrieb, ihn habe die Studie von Seite zu Seite mehr gefesselt, "vor allem, weil mir über der Lektüre deutlich wurde, als wie ergiebig sich das Ausziehen einer großen Linie für eine solche Darstellung erweisen kann. So wurde wirklich Klarheit geschaffen, die zumal für die Diskussion viel fruchtbarer ist als »die ganze Wahrheit«."

Die interne Bekanntschaft mit Wolfgang Erk, dem späteren Verlagsleiter des Radiusverlages, zerbrach hingegen dauerhaft über dieser Broschüre, weil er seinen Konfirmator Wilhelm Rauls durch das Titelbild beleidigt sah.

"Geschichte der Braunschweiger Landeskirche 1930-1947"

Das Referat im Januar 1980 war eine knappe Zusammenfassung einer ausführlicheren Darstellung, die unter dem Titel "Geschichte der Braunschweigischen Landeskirche 1930 - 1947" im Jahrbuch der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte 1981 veröffentlicht wurde. Das war vom Herausgeber des Jahrbuches sehr nobel, denn die 144 Seiten Text sprengten eigentlich den Rahmen eines dort üblichen Aufsatzes. Aber weil sich der Vorsitzende der Gesellschaft, der Osnabrücker Landesuperintendent Kurt Schmidt-Clausen, für diese Ausnahme stark gemacht hatte, erschien die vollständige Arbeit in einem Jahrbuch und ist dort heute noch greifbar.

Außerdem wurde der ausführliche Text von mir privat als Sonderdruck herausgegeben.

Weiterarbeit in der Frauenhilfe und im Konvent kirchlicher Dienste

Die erste kirchliche Gruppe, die dieses Thema systematisch aufgriff, war der Landesverband der Frauenhilfe. Das hatte seine Gründe. Die jahrzehntelange, verdienstvolle Landesvorsitzende Agnes v. Grone hatte zur Zeit des Dritten Reiches einen eigenständigen kirchlichen Kurs, aber mit deutlichen Vermittlungstendenzen zu Staat und Partei eingeschlagen, war dabei jedoch unter die Räder der Partei geraten. Eine hochinteressante Biographie. Die Landesvorsitzende Luise Brendecke, eine Nichte von Agnes v. Grone, veranstaltete mit Frau Pastorin Häpke und mir im Juni 1980 ein eintägiges Seminar und im November 1980/Januar 1981 ein vierteiliges Seminar zum Thema "Kirche und Nationalsozialismus in Braunschweig".

OLKR Becker empfahl im Konvent kirchlicher Dienste am 24.9.1980 die Behandlung dieses Themas, woraufhin ich im Oktober den Stoff vorstellte und Pfarrer Block am 13./14. März 1981 ein Pastoralkolleg mit Prof. Krumwiede und mir anbot, das von 49 Teilnehmern besucht wurde und die Zeitzeugen der Braunschweiger Bekennenden Kirche Frau v. Hoerschelmann, Frau Haedke und Propst Karl Adolf v. Schwartz zusammenführte.

Predigerseminar-Direktor Gennrich hielt am 7. Mai 1981 mit OLKR i.R. Brinckmeier und mir einen Studientag im Predigerseminar ab.

Am stärksten aber stieg in der Folgezeit die Evangelische Erwachsenenbildung unter der Leitung von Helga Hansi in diese Thematik ein.

"Evangelische Kirche und Nationalsozialismus im Helmstedter Land"

In: "Anpassung und Widerspruch" hrsg. von Michael Künne, Braunschweig 1981

"Helmstedt unterm Hakenkreuz" (März 1981)

Noch Ende desselben Jahres 1980 organisierten der Schöninger Schulpfarrer Michael Künne und Helga Hansi von der Evangelischen Erwachsenenbildung eine weitere Vortragsreihe für den März 1981 im Bürgerhaus Helmstedt.

Sie verlief anders als die Braunschweiger Reihe. Wieder referierten zwar Roloff über das Bürgertum, Kramer über die Justiz und ich über die Rolle der Kirche, spezieller: der Kirche der Helmstedter Region, außerdem aber Bodo Fromann über die Rolle der Arbeiterschaft und Dechant Merten über die Rolle der Katholischen Kirche. Zur Vorbereitung führte die Evangelische Erwachsenenbildung im Offleber Pfarrhaus im Dezember 1980 eine Wochenendtagung durch.

Es gelang sogar, prominente Zeitzeugen einzuladen und für die anschließende Diskussionsleitung jeweils einen Politiker aus dem Helmstedter Raum zu gewinnen. Zum Vortrag von Bodo Frommann kam der 79jährige Vorsitzende der humanistischen Union Walter Fabian, der bis 1933 die SAP (Sozialistische Arbeiterpartei) geleitet hatte und 1935 nach Prag emigriert war. Zum Vortrag von Kramer erschien Prof. Ossip K. Flechtheim, damals 72 Jahre alt, der 1973 das Buch "Die Parteien der BRD" veröffentlichte. Er übernachtete im Offleber Pfarrhaus. Wir kamen in ein genußreiches Gespräch.

Michael Künne und Helga Hansi hatten außerdem eine Ausstellung mit Fotos und Zeitungsausschnitten organisiert und moderierten die Abende. Die Beteiligung war wiederum überwältigend. Der große Saal des Bürgerhauses war knallvoll. Die Resonanz in der Ortspresse war gut. Die Evangelische Zeitung brachte bezeichnenderweise von beiden bedeutsamen Veranstaltungsreihen keine einzige Besprechung. Der eigene Bewegungsrahmen der Kirchenpresse im Braunschweiger Raum war doch ziemlich eingegrenzt.

Noch im selben Jahr gab Michael Künne unter dem Titel "Anpassung und Widerspruch" die Vortragsreihe beim Magni-Buchladen heraus, berichtete von ihrer Entstehungsgeschichte, ließ Horst Ponczek (CDU), Michael Gehrke (SPD) und Hans Reimar Lange (FDP) die Vortragsreihe kommentieren und zog ein positives Resümee In dieser Broschüre war zum ersten Mal auf Seite 162/163 ein Lageplan des berüchtigten Lagers 21 in Salzgitter wiedergegeben.

"Landesbischof Dr. Helmuth Johnsen". Eine Studie

Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert Nr. 1, Darmstadt 1982

Ende 1981 schloß ich meine Arbeiten über Landesbischof Johnsen ab, der von 1934 bis 1946 Bischof unserer Landeskirche gewesen war und veröffentlichte sie als Nr. 1 einer neu eröffneten Reihe "Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert".

Eines Tages stellte ich per Zufall fest, daß die Frau des Landesbischofs, Frau Alice Johnsen, noch in Wolfenbüttel lebte. Mit einem Blumenstrauß fuhr ich zu ihr hin in der Hoffnung auf eine ausgiebige historische Quellensammlung. Sie war mir unbekanntem Mann gegenüber begreiflicherweise zurückhaltend und verschob ein intensiveres Gespräch auf eine Zeit, in der ihr Sohn dabei wäre. Das kam dann wenig später zustande und so habe ich Dr. Hartmut Johnsen kennengelernt, damals Verwaltungschef der Hessen-Nassauischen Landeskirche, der mir alles, was an Quellen vorhanden war, ohne Vorbehalte zur Verfügung stellte und die Arbeit unterstützte. Ein Glücksfall.

Ich tauchte in Gauerstadt unter, der ersten Gemeinde des jungen Pfarrers Johnsen, in Coburg, wo er eine führende Rolle im jungdeutschen Orden gespielt hatte und in München, wo er nebenbei vom Pfarramt aus einige Jahre als Mitglied des Völkischen Blockes im Bayrischen Landtag gesessen hatte. Das war von Offleben aus und neben der Gemeindearbeit alles ziemlich aufwendig, aber abwechslungsreich. Mich erfrischte die Arbeit an den unmittelbaren und noch nicht bearbeiteten Quellen in den Archiven.

Auch über Johnsen kursierten in der Landeskirche feste, mündlich überlieferte Traditionen: er sei 1934 unrechtmäßig Landesbischof geworden, weil er vom Reichsbischof Müller autoritär in sein Amt eingesetzt und nur von einer deutschchristlichen Rumpfsynode gewählt worden wäre, er sei außerdem 1939 vor den Schwierigkeiten mit der nazistischen Finanzabteilung unter Hoffmeister im Landeskirchenamt geflohen und habe sich deshalb freiwillig an die Front gemeldet. Von dort habe er sich nicht mehr um seine Landeskirche gekümmert und sei aus dem Krieg nicht mehr zurückgekehrt. Zum Schluß sei jede Verbindung zu ihm abgebrochen gewesen. Klaus Jürgens hatte diese Version sogar in der Gemeindechronik der Johanneskirche veröffentlicht.

Es stellte sich bald heraus, daß auch diese Sicht außerordentlich einseitig war, mehr noch: Johnsen war der wunde Punkt in der Generation, die ihn erlebt hatte.

Johnsen war nämlich vom Landeskirchentag 1946 förmlich abgesetzt worden, wogegen er schriftlich Einspruch erhoben hatte. Dieser Einspruch war von der damaligen Kirchenleitung, also von Kirchenpräsident Erdmann und Oberlandeskirchenrat Röpke nicht weitergegeben worden, aus Angst, ein wiederkommender Johnsen würde sich im Bischofsamt behaupten und ihrer Karriere im Wege stehen.

Diese Angst scheint aus heutiger Sicht unbegründet, weil Johnsen nicht das Plazet der Alliierten erhalten hätte. Indes war ja Oberlandeskirchenrat Röpke gerade von Johnsen 1935 ins Amt eines

Vortragsreihe »Staat und Kirche in Braunschweig«

Oberkirchenrates geholt worden und war sein Stellvertreter gewesen. Wenn Johnsen aus politischen Gründen fallen sollte, dann mußte das auch Röpke treffen. Der entschiedene Gegner einer Rückkehr von Johnsen aber war Oberlandeskirchenrat Breust, der 1934 von Johnsen vom Dienst beurlaubt worden war, was Breust nie verwunden hatte. Der Nachfolger von Breust wurde Jürgen Kaulitz. Kaulitz indes hatte eine Tochter Röpkes geheiratet und hütete nun als Schwiegersohn von Oberlandeskirchenrat Röpke dessen kirchenpolitisches Erbe und eben jene oben geschilderten mündlichen Traditionen.

Die Johnsenstudie sollte weniger eine Biographie sein, sondern ein Beitrag zum Verständnis der kirchlichen Mitte im Dritten Reich. Zur kirchlichen Mitte gehörte die sehr große Mehrheit der evangelischen Pfarrerschaft, die die nationalsozialistische Regierung als Obrigkeit, wie jede andere auch, verstand und nicht gegen sie in den Widerstand geführt werden wollte. Sie wollte in ihrem kirchlichen Alltag einfach unbehelligt bleiben.

Bischof Heintze schrieb ein verständnisvolles Vorwort. Das Buch gäbe "Anlaß zu mancherlei kritischen und selbstkritischen Überlegungen im Blick auf die gegenwärtige und zukünftige Situation unserer Kirche und uns selbst." Das Gespräch mit den Generationen wurde begonnen durch die Beiträge des Sohnes und des Enkels des Landesbischofs. Das Buch wurde vor allem außerhalb der Landeskirche freundlich aufgenommen.

Vortragsreihe"Staat und Kirche in Braunschweig" (Februar 1982)

in der Wolfenbüttler Herzog August Bibliothek.

Die Evangelische Erwachsenenbildung unter der rührigen Leitung von Helga Hansi hatte vom 2.2. bis 16.2.1982 eine dreiteilige Vortragsreihe zum Thema "Staat und Kirche im Lande Braunschweig" organisiert.

Den Einführungsvortrag hielt Dr. Gerhard Schildt "Die evangelische Kirche und der nationale Staat", der zweite Vortrag war mir übertragen worden über "Landesbischof Dr. Johnsen - ein deutsches Schicksal" und der dritte Joachim Klieme, Direktor der Neu-Erkeröder Anstalten, über "Erfahrungen der Diakonie zur Euthanasieaktion des Nationalsozialismus". Über dieses Thema hat Klieme später eine gründliche Promotion angefertigt.

Die Herzog-August-Bibliothek ist so ungefähr das Allerheiligste an Vortragsräumen im Braunschweiger Land und ich kam mir doch vor den meterhohen gefüllten Buchregalen ziemlich gehoben vor. Die Vortragsabende waren wiederum außerordentlich gut besucht und OLKR Wandersleb nannte nun selber in einem Grußwort als stellvertretender Landesbischof beim ersten Vortragsabend den kümmerlichen Grund der bisherigen Nichtachtung des Themas. Landesbischof Erdmann habe vor seinem Tode 1977 gewissermaßen als Vermächtnis hinterlassen, man solle über die Geschichte der Landeskirche während der Hitlerzeit erst schreiben, wenn der letzte der Beteiligten gestorben sei. Wandersleb fügt dann kritisch an, daß sich das Vermächtnis nicht habe durchhalten lassen. "Man hat sich recht kühn darüber hinweggesetzt. Die nunmehr aus dem Raum der Landeskirche vorliegenden Arbeiten werden sich eine kritische Betrachtung gefallen lassen müssen". Nichts war mir lieber als ein kritisches, offenes Gespräch. Dazu ist es mit OLKR Wandersleb und OLKR Kaulitz über diese Materie nie gekommen und von einem "Vermächtnis" des Landesbischofs Erdmann hatte ich in dieser Form an dem Abend zum ersten Mal gehört.

Ganz anders stellte Bischof Heintze in einem Schlußwort nach dem Vortrag von Pfarrer Klieme bündig fest: "Ich glaube, daß für uns, gerade auch für uns in Braunschweig, zu sagen ist, daß wir auch als Christen, auch als Kirche, eigentlich in den ganzen letzten Jahren und Jahrzehnten vielmehr diese Dinge umgangen haben, verdrängt haben, statt daß wir sie bewältigt haben...Ich bin sehr dankbar dafür, daß ein Anfang mit der Bewältigung gemacht wurde, mit dem Thema, das hier angestellt wurde, dem Thema, das gerade in unserer Braunschweiger Geschichte, auch in der Braunschweiger Kirchengeschichte, durch Jahre hindurch mehr verschwiegen als behandelt wurde. Aber es ist nur ein allererster Anfang..."

Es war ein wichtiges Zeichen, daß nach meinem Vortrag der Oberkirchenrat Dr. Hartmut Johnsen, die Studie über seinen Vater Herrn OLKR Becker in der Wolfenbüttler Herzog-August-Bibliothek überreichen konnte. Immerhin dokumentierte damit OLKR Becker seine persönliche förderliche Haltung im Streit innerhalb des Kollegiums des Landeskirchenamtes.

Die Evangelische Erwachsenenbildung gab alle drei Vorträge und Grußworte als Broschüre heraus.

"Evangelische Kirche und Nationalsozialismus im Salzgittergebiet" (März 1982)

Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert Nr.3, Braunschweig 1983.

Die Stadt Salzgitter feierte 1982 ihr 40jähriges Bestehen. Beim offiziellen Stadtgründungsjubiläum sollte eine Behandlung der Nazizeit ausgespart werden. Wieder war es Helga Hansi von der Evangelischen Erwachsenenbildung, sowie für das Lebenstedter Schulpfarramt Pfarrer Dr. Kurt Dockhorn und die dortige Volkshochschule, die eine alternative fünfteilige Vortragsreihe unter dem Titel "Salzgitter im Nationalsozialismus" anboten.

Das Interesse war sehr groß. Zu allen Vorträgen war der Fürstensaal im Schloß Salder überfüllt. Propst Brackhahn warb für die Vortragsreihe und leitete meinen Vortrag über "Evangelische Kirche und Nationalsozialismus im Salzgittergebiet" am 11. März 1982 ein. Von der Nachbarpropstei Salgitter-Bad unter Propst Warmers kam nur eisige Ablehnung.

Das Thema war brisant, weil der damalige Propst Strothmann noch als Gelehrter in Göttingen lebte und sich eines hohen Ansehens im Salzgitterschen erfreute. Aber er war der klassische Mann der Mitte, der den von den Nazis begonnenen, für den Endsieg besonders aufgeheizten, gewaltsam vorangetriebenen Aufschwung der Reichswerke auch für die Kirche nutzbar machen wollte. Er war ohne Frage schwer belastet. Nach dem Kriege waren es die Pfarrer im Salzgitter-Bereich, die sich gegen die Durchführung der Entnazifizierung mit Händen und Füßen sträubten.

Ich veröffentlichte den Vortrag mit Quellen, einem Vorwort von Propst Brackhahn und einem Nachwort von Kurt Dockhorn in der Reihe "Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche".

Ausstellung im Altstadtrathaus:

"Die Braunschweiger Kirchen und das Dritte Reich" (Juni 1982)

Die Arbeit und Veröffentlichungen gingen trotz dieser widersprüchlichen Position in der Kirchenleitung unverdrossen weiter.

Im Juni 1982 war seit langer Zeit mal wieder ein Landeskirchentag. Als Beitrag der Offleber und Reinsdorfer Kirchengemeinden wurde mit tatkräftiger Unterstützung durch Frau Helga Hansi von der Evangelischen Erwachsenenbildung im Braunschweiger Altstadtrathaus vom 6.-20. Juni 1982 eine Ausstellung über "Die Braunschweiger Kirchen und der Nationalsozialismus" gezeigt. Viele Gemeindemitglieder hatten mitgemacht, Ausstellungswände gezimmert, die Dokumente auf farbige Pappen geklebt, Begleittexte geschrieben, das alles auf eigenen Fahrzeugen ins Altstadtrathaus transportiert und mit anderen die Aufsicht während der Öffnungszeit, die bis 21.00 Uhr reichte, gestellt.

Landesbischof Heintze konnte nicht mehr seine schützende Hand über dieses Vorhaben halten, weil er im Frühjahr 1982 in den Ruhestand gegangen war. Bei seiner letzten Rede vor der Landessynode am 19. März 1982 hatte Heintze von der "jetzt endlich auch in unserer Landeskirche beginnenden Aufarbeitung des Verhältnisses der Kirche zum Nationalsozialismus" gesprochen. Aber der vorübergehenden Kirchenleitung unter Oberlandeskirchenrat Wandersleb war allein die Tatsache der Ausstellung eine große Anfechtung. Wandersleb rief mich telefonisch am Vorabend an und verbot die Eröffnung der Ausstellung ausdrücklich. Ich verkniff es mir nur mühsam, nicht im Ausstellungsraum zu übernachten.

Die Ausstellung gliederte die 500 Fotos und Dokumente in 25 Kapitel, zwei beschäftigten sich mit der Zeit um 1918, sieben weitere mit der Kirche in der Weimarer Republik (Kirche und Arbeiterbewegung, Kirche und Stahlhelm, Stahlhelm/Landesbischof Bernewitz, die Öffnung der Kirche zum Nationalsozialismus 1931 und die Anfänge der nationalsozialistischen Partei im Braunschweigischen).

Im Hauptteil wurde in dreizehn Kapiteln jeweils erst die Entwicklung im Reich und in der deutschen evangelischen Kirche und dann in der Braunschweiger Regionalkirche dargestellt und zwar die Bekennende Kirche, die Deutschen Christen, die kirchliche Mitte, die kirchlichen Verbände und das nationalsozialistische Umfeld in Braunschweig. Des weiteren Kirche und Juden, der Braunschweiger Dom. Die Ausstellung schloß mit dem Kapiteln 24 "Kirche im 2. Weltkrieg" und Kapitel 25 "Die Nachkriegszeit".

Die Ausstellung wurde ein großer Erfolg, sie war sehr gut besucht, Presse und Fernsehen berichteten und die Eintragungen in das Gästebuch waren voller Anerkennung.

Prof. E. A. Roloff schrieb ins Gästebuch: "Das politische Engagement verdient ebenso höchste Achtung wie die wissenschaftliche Verantwortung, die aus der erstaunlichen Fülle der Quellen und ihrer Interpretation wie der Darstellung erkennbar wird. Diese Ausstellung beschämt in der Tat die vergleichbar klägliche Parallelausstellung im Berliner Reichstag." Helmut Kahle, der eine verdienstvolle Arbeit über die Kirchenwahlen 1933 geschrieben hatte, längere Zeit jüngster Landessynodaler war und heute Schulrektor in Vechelde: "Eine sehr aufschlußreiche Sammlung von Quellen, von denen ich bisher annahm, daß sie den Krieg nicht überdauert hätten." Aber auch die erwünschten Assoziationen zur Gegenwart stellten sich ein. Der Professor für neutestamentliche Theologie in Mainz, Manfred Metzger, schrieb: "Eine lehrreiche Dokumentation - besonders für die nichtinformierte Generation. Sehen und bedenken! Wir sind schon mitten drin in der nächsten Runde. Wie sagt die Amtskirche? "Beides ist möglich: Friedensdienst mit (Massenvernichtungs-) und ohne Waffen". Beides?"

Die Mitglieder der Kirchenleitung hatten nicht gewagt, in das Gästebuch zu schreiben, was sie als Information aus der Tätigkeit der Kirchenregierung Ende November 1982 der Landessynode mitteilten: "Die Kirchenregierung hat mit Bedauern feststellen müssen, daß die während des Landeskirchentages von den Kirchengemeinden Offleben und Reinsdorf-Hohnsleben durchgeführte Ausstellung "Braunschweiger Kirchen und Drittes Reich" ohne Beteiligung verantwortlicher Gremien und Kreise der Landeskirche eröffnet und durchgeführt wurde." Das war der nicht unerwartete schnöde Dank für eine engagierte Glanztat zweier dörflicher Kirchengemeinden.

Erneute Ausstellung in der Andreaskirche in Braunschweig (Oktober/November 1982)

Die meisten Besucher forderten eine Weiterführung der Ausstellung in Kirchen und Schulen des Landes. Daraufhin setzte sich im Landeskirchenamt ein Kreis von Interessierten zusammen, um einige Verbesserungen und Glättungen an den Begleittexten vorzunehmen.

So mußte auf Einwand des Vertreters des Landeskirchenamtes, Landeskirchenrates Ulrich Hampel, bei der Darstellung der BK im Reichsgebiet die Bemerkung aufgenommen werden, daß Max Schmeling Mitglied der BK gewesen sei. Ich fand das absolut lachhaft und populistisch und überprüfte diese Behauptung auch gar nicht. Wichtiger war mir, daß diese Einfügung ihrerseits ein bestimmtes offizielles kirchengeschichtliches Verständnis in der Braunschweiger Kirchenleitung der 80iger Jahre reflektierte. In der leicht überarbeiteten Fassung sollte die Ausstellung noch einmal gezeigt werden.

Mit knapper Mehrheit stellte der Kirchenvorstand der Andreaskirche in Braunschweig seine hellen Seitenschiffe dafür zur Verfügung, wobei der frühere Pfarrer an Andreas, OLKR Becker, kräftig für die Durchführung geworben und die Mehrheit zustandegebracht hatte. Die Evangelische Erwachsenenbildung übernahm die inhaltliche und finanzielle Verantwortung. Die Ausstellung dauerte vom 17. Oktober bis zum 17. November 1982 und wurde von zwei jüngeren engagierten ABM-Kräften beaufsichtigt und betreut.

OLKR Becker eröffnete die Ausstellung mit einer kurzen Ansprache, der er den Wochenspruch "Heile du mich, Herr, so werde ich heil. Hilf mir, so ist mir geholfen" zugrunde legte. Er unterstrich die Notwendigkeit und Schwierigkeit der Ausstellung. Eine neutrale Wertung sei nicht möglich. "Menschen fühlen sich angegriffen und falsch beschuldigt. Und oft ist dies ein Symptom, daß sie mit der eigenen Vergangenheit nicht fertig geworden sind...Die Ausstellung berichtet von einem Stück der Geschichte unserer Kirche. Wir müssen uns damit bewußt auseinandersetzen, denn es geht um die Wahrheit Gottes und die Gefährdung des Menschen."

Becker indessen repräsentierte nur eine Minderheitenposition. Nunmehr bekam der Vorstand der Evangelischen Erwachsenen-Bildung den Ärger mit der Kirchenleitung ab. OLKR Kaulitz nahm heftigen Anstoß an dem von der EEB angebotenen Begleitprogramm und setzte es durch, daß der vorgesehene Vortrag "Justiz heute - Erbe des Nationalsozialismus" abgesetzt wurde. Ich erfuhr, daß Landeskirchenrat Hampel angewiesen worden war, drei Tafeln des letzten Kapitels "Nachkriegszeit" über die Entnazifizierung aus der Ausstellung zur Überarbeitung zu entfernen, was er auch tat.

Kaulitz schrieb verärgert noch während der Ausstellung an den Leiter der Evangelischen Erwachsenenbildung Werner Köhler: "Die Kirchenleitung, der Kirchenvorstand der Kirchengemeinde St. Andreas und der Konvent der Pröpste der Landeskirche haben mit Befremden und mißbilligend davon Kenntnis genommen, daß Sie trotz unserer Bitten und Hinweise die endgültigen Absprachen weder mit dem Kirchenvorstand noch mit uns getroffen haben." Die Evangelische Erwachsenenbildung hatte offenbar auf ihrer Unabhängigkeit bestanden. Es war klar, daß in Zusammenarbeit mit dieser Kirchenleitung eine Weiterführung der Ausstellung nicht möglich war. Das Landeskirchenamt fragte zwar bei den Pröpsten an, ob einer von ihnen in seiner Propstei die Ausstellung zeigen wollte, aber keiner zeigte ein Interesse.

Für das Landeskirchenamt galt die Ausstellung als aufgelöst.

"Materialsammlung zur Ausstellung

»Die ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig und der Nationalsozialismus«"

290 Seiten, Döringdruck Braunschweig1982

Noch während der Ausstellung in der St. Andreaskirche erschien sozusagen als Katalog und zur Nacharbeit die "Materialsammlung zur Ausstellung".

Norbert Saul, damals ein historisch interessierter Offleber Jugendlicher, heute für ein Heimatarchiv bei Hannover verantwortlich, hatte sich in den Stoff hineingekniet, die Pfarramtsekretärin Frau Jutta Seidlich schrieb die Texte auf einer schwer zu bedienenden mechanischen Schreibmaschine, die EEB genehmigte für die Auflage von 2000 Stück 10.000 DM, übernahm auch die restlichen Ausfallkosten und auf diese Weise konnte dieser Bildband die Geschichte unserer Landeskirche von 1900 bis 1950 illustrieren. Die Materialsammlung folgte im Aufbau genau der Gliederung der Ausstellung und dokumentiert daher auch gut noch einmal die Ausstellung selber.

Die sehr schlichte Art des Schriftbildes spiegelt die primitiven technischen Möglichkeiten einer Dorfgemeinde um 1982. Das macht sie heute eher interessant. Im Predigerseminar ist sie von den Vikarinnen und Vikaren gerne benutzt worden.

Unsere Kirchengemeinden konnten mit dem Echo, das die Ausstellung im Juni 1982 ausgelöst hatte, außerordentlich zufrieden sein.

Gemeindeprojekt in der Wicherngemeinde: "Johannes Schlott" (November 1982)

"Johannes Schlott 1878-1953 - Ein Beispiel deutsch-christlicher Theologie in der Stadt Braunschweig" aus der Reihe: Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert, Nummer 2, Braunschweig 1983

Einige Gemeindemitglieder der Wicherngemeinde hatten sich die Ausstellung im Altstadtrathaus angesehen. Detlef Quandt, Kirchenvorsteher der Wicherngemeinde, äußerte im Gästebuch den Wunsch, "diese wichtige Ausstellung für einige Zeit im Dom und dann in allen größeren Kirchen der Braunschweiger Landeskirche zu bringen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät, daß sich die Kirche und Christen mit unserer Vergangenheit beschäftigen." Auch Pfarrer Arnold Kiel von derselben Gemeinde war dieser Ansicht und so kam es als Begleitveranstaltung der Ausstellung in der Andreaskirche zu zwei Gemeindeabenden in der Braunschweiger Wicherngemeinde.

Dort war seit 1935 bis zum Kriegsende der in Braunschweiger Kreisen überaus populäre Oberkirchenrat und Pfarrer Johannes Schlott tätig gewesen, der ein überzeugter Nationalsozialist und führender Deutscher Christ gewesen war. Über ihre aktiven Deutschen Christen genierten sich die Landeskirchen etwas zu veröffentlichen. Aber ich empfand ich es auch als einen Mangel, die Deutschen Christen aus der Sicht des Pfarrernotbundes zu verurteilen, anstatt ihnen von ihrem eigenen volksmissionarischen Ansatz her "gerecht" zu werden. Ich war bereits öffentlich ins Fettnäpfchen getreten, als ich nach einem Besuch der Witwe des DC-Landesbischofs Beye in der Nähe von Hamburg etwas allzu Verständnisvolles in der EZ veröffentlicht hatte und OLKR Kammerer, ein überzeugter BK-Mann, sich diese Sicht energisch verbat.

Schlott bot zur Beschreibung der Deutschen Christen ein besonders gutes Anschauungsbeispiel. Er hatte in sehr schwieriger Kriegszeit noch eine unterhaltungsarme Kirche bauen lassen, war nach 1945 kurz inhaftiert worden, war bei seiner Begeisterung für den Nationalsozialismus auch nach 1945 geblieben und hatte dabei über alle Wendehälse gespottet. Er hinterließ dem Landeskirchlichen Archiv einen chaotischen Nachlaß.

Schlott liegt in Mascherode begraben unter dem Bibelwort Röm. 8 "Wer kann uns scheiden von der Liebe Gottes?" Er war eine für den Historiker reizvolle, widersprüchliche, bizarre Figur des Braunschweiger Bürgertums und ihrer Landeskirche.

Am 15. November 1982 stellte ich an seiner ehemaligen Wirkungsstätte vor 200 Gemeindemitgliedern Johannes Schlott vor. Es sei "nicht abgerechnet, sondern ungemein fair und (eher zu?) zurückhaltend geschildert worden, wie national gesonnene Christen und sozial und missionarisch engagierte Pfarrer sich theologisch verirren konnten", schrieb Ortspfarrer Arnold Kiel in das Vorwort zu diesem Vortrag, den ich als Nr. 2 in den Arbeiten zur Geschichte der Landeskirche veröffentlichte.

Detlef Quandt schrieb zur Entstehung des Gemeindeprojekts, Pfarrer Hartmut Padel, neben Kiel der zweite Gemeindepfarrer, reflektierte die Frage, ob die Kirche im Dritten Reich ein Thema für die Gemeindearbeit sein könnte, und nannte folgende drei Gründe: die Kirchengemeinde könnte der Ort für ein unvoreingenommenes Gespräch zwischen den Generationen sein, hier könnte die Kirchengeschichte sehr viel menschlicher und weniger als Heldengeschichte dargestellt werden und "wir brauchen die Beschäftigung mit der jüngsten Vergangenheit auch, um in der uns heute sehr beschäftigenden Frage nach dem Verständnis von Kirche und Politik ein Stück voranzukommen." Dr. Rudolf Thaer und Rudolf Drieschner schilderten ihre sehr unterschiedlichen Eindrücke vom Vortrag und der Diskussion an einem zweiten Gemeindeabend. Es entstand ein 118 Seiten starkes Bändchen.

Die Wicherngemeinde gehörte zu den wenigen, die sich aktiv der aktuellen Friedens- und Abrüstungsfrage widmeten.

Die Ausstellung in Loccum und Salzgitter

Was sollte mit der Ausstellung werden, die in der Andreaskirche abgebaut werden mußte? Michael Künne, Schulpfarrer und Veranstalter der Helmstedter Reihe, war Dozent am Religionspädagogischen Institut in Loccum geworden und interessierte den Leiter des Religionspädagogischen Institutes, Prof. Gerhard Besier, dafür. Im Anschluß an die Braunschweiger Ausstellung wurde sie für drei Monate bis März 1983 vom Loccumer Institut übernommen. Besier selber erzählte, wie heftig die Wolfenbüttler Kirchenleitung bei ihm wegen dieser Ausstellung interveniert hätte.

Vom 5. März bis 31. Mai 1983 wanderte die Ausstellung in das Städtische Museum Salzgitter. Der Erste Bürgermeister Blume und Propst Brackhahn nahmen die Eröffnung vor. Als Begleitprogramm wurde ein Gespräch mit Zeitzeugen durchgeführt und im Gemeindesaal der St. Johanniskirche wurden Filme gezeigt, mit anschließender Gesprächsleitung durch Kurt Dockhorn.

"Luther und Hitler.

Ein Blick in die Schreckenskammern der Lutherjubiläen 1933-1946"

In: Kirche von Unten, Heft 82, Juni 1996

1983 war ein zweifaches Jubiläum: der 50. Jahrestag der sogenannten "Machtergreifung" und 500. Geburtstag Martin Luthers. Wir hatten als frischgebackenen Landesbischof einen ausgewiesenen Lutherforscher, den Kirchengeschichtsprofessor Dr. Müller. Das Lutherjubiläum wurde in allen Gemeinden ausgiebig begangen.

Um die Lutherinterpretation im Dritten Reich hingegen machten Gemeinden und Forschung einen großen Bogen. Sogar die Luthergesellschaft ließ dieses Thema aus. Dabei gab es dazu reichhaltiges Material. Es lag nahe, auf die nicht nur von Deutschen Christen, sondern auch von der Universitätstheologie "zeitnah" hergestellten Verbindung zwischen Luther und Hitler hinzuweisen. Zu diesem Thema hielt ich in den Räumen der Salzgitter-Ausstellung im März 1983 einen Vortrag über "Luther und der Nationalsozialismus. Der Weg der lutherischen Kirche von Weimar nach Bonn", ein ausgewachsenes 31 Seiten langes Manuskript, das ich vor einer kleinen Zuhörerschar teilweise vortrug, später zu einem Gemeindevortrag in der Wicherngemeinde unter dem Titel "Luther und Hitler" verkürzte und in KvU veröffentlichte.

Die Ausstellung wird fotokopiert und wandert durch Niedersachsen

Die Evangelische Erwachsenenbildung in Hannover hatte schon 1982 im Offleber Pfarrhaus durch eine ABM-Kraft Kopien von der Ausstellung anfertigen lassen und bot sie den Kirchengemeinden in der Hannoverschen Landeskirche an. Die EEB tagte in Bad Segeberg in Schleswig-Holstein und auch bei dieser Tagung wurde die Ausstellung gezeigt

So kam sie weit herum: im September 1982 nach Bad Segeberg, im Dezember 1982 nach Rastede, 1983 nach Seelze, Cuxhaven, Nordhorn und Hildesheim, erweitert um Barmen-Exponate. 1984 war sie in Meppen, Bad Bentheim, Hannover, Göhrde und Göttingen, Lingen und Osnabrück.

Von den Reaktionen bekam ich nicht viel mit, nur von der Ausstellung in Hildesheim. Dort eröffnete ich am 16.11.1983, Bußtag, zusammen mit Superintendent Brockhoff die Ausstellung selber mit einem Referat, in dem ich auch auf die Lutherjubiläen und auf das Verhältnis der katholischen Kirche zum Nationalsozialismus einging und als eine Wurzel der nach 1945 immer wieder behaupteten Gemeinsamkeit eben auch den beiderseitigen Willen zur Kooperation mit dem nationalsozialistischen Staat herausstellte.

Der pensionierte Hildesheimer Archivdirektor Dr. v. Jan hatte eine unverschämte Rezension des verdienstvollen, von Kramer herausgebrachten Buches "Braunschweig unterm Hakenkreuz" im Jahrbuch "Alt Hildesheim" geschrieben. Der erste Absatz lautete: "Eines der widerwärtigsten Bücher, die der Rezensent seit Jahren in die Hände bekam! Nicht nur tendenziös, sondern haßerfüllte Verfälschungen und Geschichtsverdrehungen, von Wissenschaftlichkeit nicht die geringste Spur." Auf diese Rezension spielte ich in meiner Eröffnungsrede auch kurz an. Die Hildesheimer Region schien zu einer kritischen Aufnahme dieses Themas noch nicht fähig.

In der Hannoverschen Allgemeinen vom 18.11. berichtete Menno Aden dreispaltig über die Eröffnung unter der Überschrift "Dokumentarisches - mit Vorsicht zu genießen" und erinnerte an die häßliche Rezension v. Jans. Immerhin druckte die HAZ am 23. November dreispaltig auch sehr verständnisvolle Leserbriefe ab. Mein Eingangsreferat legte die Evangelische Erwachsenenbildung auf dem Büchertisch zum Mitnehmen aus.

"Die Rolle des Stahlhelm gestern". Vortrag in Celle am 17.6.1983

(ungedruckt)

Wie sehr die Geschichte in die Gegenwart hineinragen kann, wurde mir besonders anschaulich an der Einladung des Celler Deutschen Gewerkschaftsbundes, bei einer Kundgebung gegen den "Stahlhelm" am 17. Juni 1983 in Celle zu sprechen. Der "Stahlhelm" wollte an diesem Wochenende sein Bundestreffen in Celle abhalten. Von der Stadt und der Celler CDU kamen keine prinzipiellen Einwände, aber die jüdisch-christliche Gesellschaft hatte protestiert, in der Lokalpresse gab es einen kleinen Leserbriefkrieg und Friedensgruppen und Gewerkschaftler organisierten eine Gegenkundgebung im größten Saalbau am Platze, der Union.

Außer Dr. Bernd Steger vom Niedersächsischen Staatsarchiv, Hannover sollte eigentlich Prof. Roloff über die historische Rolle des Stahlhelm in der Weimarer Zeit referieren. Er war verhindert und empfahl mich den Veranstaltern. Ich war dann doch ziemlich erstaunt, als sich der Saal mit einigen hundert Leuten füllte und zu Beginn zahlreiche rote Fahnen in den Saal hereingetragen wurden. Vorne saß die SPD-Landtagsprominenz.

Aber ich war gut präpariert, konnte von meiner Celler Schulzeit 45/46 etwas Lokalkolorit beisteuern, schlachtete die einzige verfügbare, ziemlich unbekannte regionale Sekundärquelle über den Stahlhelm aus. Das Referat mit seiner Mischung aus Fakten, Deutung und Appell fand Beifall.

"Landesbischof D. Alexander Bernewitz 1863-1935". Eine Studie

In: Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche, Nr. 4, Blomberg 1985

Als Historiker ist man angewiesen auf die Quellenlage, die sich einem bietet. Da war ich bei dem Vorhaben einer Darstellung des ersten Landesbischofs D. Alexander Bernewitz in einer komfortablen Lage. Mein Schwager Alexander Knackstedt war der Enkel des Bischofs, hat ihn selber gut gekannt und auf seinem Schoß in der Wolfenbüttler Bischofsvilla gesessen. Die Familie war auch im Besitz der persönlichen Erinnerungen des Bischofs, die er nach seiner Dienstzeit 1935 in seiner Blankenburger Wohnung aufgeschrieben hatte. Das Archiv konnte sie mir aus irgendwelchen datenrechtlichen Gründen nicht zugänglich machen. Aber über die Familie konnte ich sie erhalten, verwerten und veröffentlichen.

Ich vertiefte mich in die Geschichte des Baltikums, aus dem Bernewitz gekommen war. Er war dort zweisprachig aufgewachsen, hatte lettisch/deutsch gepredigt und ein lettisches Gesangbuch herausgegeben. Er repräsentierte die versunkene Epoche des deutschen kurländischen Adels und war deswegen 1905 nur knapp einem Attentat entgangen. Ich grub in Berliner Archiven und im Militärarchiv Freiburg nach der Zeit des 1. Weltkrieges, der für die Baltendeutschen eine große Hoffnung auf Eingliederung in das Deutsche Reich darstellte, wobei Bernewitz als kurländischer Generalsuperintendent eine führende Rolle gespielt hatte.

Bernewitz teilte das patriotische und antisemitische Pathos des Baltikums. In Wolfenbüttel von 1923 bis 1933 blieb er im Grunde ein Fremder, obwohl er das völlig ruinierte Konsistorium mit frischen Kräften ganz neu aufgebaut hat: eine Pionierarbeit. Er hatte außerdem in der Pfarrerschaft vor 1933 für Verständnis gegenüber dem Nationalsozialismus geworben, und das wiederum paßte nicht in die offizielle Widerstandstheorie des Wolfenbüttler Teils der Kirchenleitung der 80iger Jahre.

Auch ohne den erbetenen Druckkostenzuschuß des Landeskirchenamtes konnte ich im Sommer 1985 Landesbischof Müller bei einer Amtskonferenz in Helmstedt das erste Exemplar von "Landesbischof D. Alexander Bernewitz 1863-1935" überreichen.

Rudolf Brinckmeier, der Bernewitz noch im Predigerseminar persönlich erlebt hatte, schrieb einen förderlichen Klappentext und Landesbischof Heintze aus dem Ruhestand in Stuttgart ein Vorwort. Wieder war das Gespräch zwischen den Generationen eingefädelt: durch die Beiträge des Neffen Wolfgang Bernewitz und des Enkels Alexander. Der Quellenteil mit den Erinnerungen des Bischofs wurde durch die Beiträge von zwei Juristen aus der Zeit von Bischof Bernewitz erheblich aufgewertet. Der 1938 ausgeschiedene Oberkirchenrat Dr. Friedrich Lambrecht stellte mir seine Erinnerungen zum Abdruck zur Verfügung und der 1940 ausgeschiedene Oberkirchenrat Dr. Hans Wilhelm Jürgens schrieb einige Erinnerungen auf.

Bei dieser Gelegenheit erbte ich von ihm seine Akten aus dem Prozeß gegen Landesbischof Beye, den er für das Landeskirchenamt im März 1934 vertreten hatte, die, wie andere Jürgensbestände, noch der Auswertung harren.

Das Buch erhielt sogar in Baltenkreisen eine erfreuliche Aufnahme. Das Interesse im Braunschweigischen hielt sich, anders als bei der Johnsen-Studie, in Grenzen.

Geschichte der Braunschweiger Landeskirche in der Weimarer Zeit

So wie die Johnsen-Studie eine biographische Bearbeitung der nationalsozialistischen Zeit in unserer Landeskirche, so sollte die Bernewitz-Studie eine biographische Bearbeitung der Weimarer Zeit in unserer Landeskirche sein. Es fehlte dazu der kirchengeschichtliche Hintergrund.

In vier Teilen veröffentlichte Prof. H. W. Krumwiede im Jahrbuch 1984 der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte "Die Geschichte der Braunschweiger Landeskirche in der Weimarer Zeit" und zwar Teil 1 "Die Landeskirche zwischen Restauration und Reform (1900-1918)" und Teil 2 "Die Landeskirche im Übergang von einer Staatskirche zur evangelischen Kirche im Freistaat Braunschweig (1918/1919)". Erst drei Jahre später folgte im Jahrbuch 1987 der Teil 3 "Die Braunschweiger Landeskirche zur Zeit der verfassungsgebenden Synode 1920-1923" und im Jahrbuch 1989 dann Teil 4 "Die Zeit der Stabilisierung und Enttäuschung (1924-1930)".

Es ist schade, daß diese Darstellung von insgesamt nur 81 Seiten nicht im Zusammenhang erschienen war, aber das Gezerre um die Veröffentlichung der ersten Abhandlung von 1981 war offenbar noch nicht vergessen.

Mit meinem weiteren Beitrag "Die Mitgliedschaft Braunschweiger evangelischer Pfarrer in der deutschen Volkspartei" (Braunschweigisches Jahrbuch, Bd. 69/1988, S. 119-140) sowie den 21 Lexikonartikeln in "Braunschweigisches Biographisches Lexikon 19. und 20. Jahrhundert" Hannover 1996, herausgegeben von Horst-Rüdiger Jarck und Günter Scheel, nämlich den Artikeln über Wilhelm Beye, Alexander Bernewitz, Herbert Brakebusch, Rudolf Brinckmeier, Hans Buttler, Martin Erdmann, Alfred Goetze, Reinhard Herdieckerhoff, Walter Jeep, Helmut Johnsen, Adolf Keck, Heinrich Lachmund, Hermann Lagershausen, Friedrich Lambrecht, Ottmar Palmer, Eduard Schall, Johannes Schlott, Emil Schomburg, Karl Adolf v. Schwartz, Bodo Steigerthal, Wilhelm Rauls, konnte die Weimarer Zeit unserer Landeskirchengeschichte als gut dokumentiert gelten.

"Probleme der Braunschweiger Landeskirche 1900 - 1933"

Vortrag in der Amtskonferenz Salzgitter-Bad am 10.9.1985, 9 S., ungedruckt

Der Vortrag behandelt als vier Problemfelder jener Zeit den Kirchbau, die Politisierung des kirchlichen Lebens durch den Ersten Weltkrieg, die Verfassungsdebatte, und das Verhältnis Staat - Kirche.

"Juden und Christen in der Braunschweiger

Landeskirche in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts"

In: "Friede über Israel", 1985

Die Aufforderung des Schriftleiters von "Friede über Israel", etwas über das Verhältnis von Juden und Christen in unserer Landeskirche zu schreiben, war eine schöne Gelegenheit, alles, was sich inzwischen zu diesem Thema bei mir angesammelt hatte, einmal in einem schlichten, für die Gemeinde gedachten Aufsatz zusammenzufassen. Jürgen Naumann übernahm dankenswerterweise diesen Aufsatz für seine Denkanstöße "Zum Dialog zwischen Christen und Juden" anläßlich der Ausstellung "Ecclesia und Synagoga" in der Brüdernkirche im Sommer 2000.

"Die vier Gesangbuchgenerationen in der Braunschweiger Landeskirche"

ungedrucktes Manuskript, 1985, 15 S., teilweiser Abdruck in EZ 17. und 25.August 1985

Vortrag in der Helmstedter Amtskonferenz

Es lag nahe, aus der gemeinsamen Arbeit an einem Evangelischen Gesangbuch in der Agendenkommission der Landeskirche einmal die Regionalgesangbücher in der Braunschweiger Landeskirche, soweit sie Gemeindegesangbücher waren, zu untersuchen.

"Kirchbau und Kirchenreformen"

In: KvU, Heft 17, Oktober 1986, S. 24 ff

Diesem Aufsatz liegt ein Vortrag in Salzgitter-Lebenstedt zugrunde. Ich behandle darin die mit dem Kirchbau verbundenen Kirchenreformen um 1900 und in den 60iger Jahren.

"Arbeiterbewegung und evangelische Kirche im Land Braunschweig" (7. Mai 1987)

Vortrag ungedruckt

Der Arbeitskreis andere Geschichte veranstaltete im Mai 1987 im Gewerkschaftshaus eine Reihe zur politischen und Sozialgeschichte der Neuzeit in Braunschweig. Ich gehörte von Anfang an zu diesem alternativen Arbeitskreis. So fragte mich Bernd Rother, ob ich den Part der Kirche übernehmen könnte. Das Feld ist völlig unbeackert. Ich mußte in den Quellensumpf tief einsteigen und holte in meinem fünfteiligen Referat weit aus, ging bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück und landete bei Herbert Wehners 1985 erschienenem Buch "Christentum und demokratischer Sozialismus". Das Verhältnis von Arbeiterkultur, bürgerlicher Kultur und evangelischer Kirche ist nach wie vor von ungewöhnlich versteinerten Vorurteilen belastet. Das wurde mir auch an diesem Abend bewußt. Der "party-small-talk" von SPD-Leuten und Kirche bei festlichen Anlässen langt nicht, um dieses historisch belastete Verhältnis grundlegend zu bearbeiten.

"Gib ewigliche Freiheit". Eine Festschrift für Landesbischof D. Gerhard Heintze

In: Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert, Nr. 5, Blomberg 1987

Am 14. November 1987 wurde Bischof Heintze 75 Jahre alt. Das war ein Anlaß, ihm für seinen Dienst in unserer Landeskirche zu danken.

Schon zu seinem 60. Geburtstag war eine vergleichsweise bescheidene Festschrift im "Dialog", einer mit den Hannoveranern gemeinsam herausgegebenen, reformfreudigen kleinen Zeitschrift, erschienen.

Diesmal schrieb ein großer Freundeskreis Artikel nicht etwa über Bischof Heintze und wie sie ihn erlebt hatten, sondern einen wissenschaftlichen Beitrag aus ihrem jeweiligen Arbeitsbereich in der Hoffnung, mit der Lektüre dem Jubilar eine Freude zu machen. Es war schon phantastisch, was für ein Kreis sich zusammentat, und ich hatte das Vergnügen, alles zum ersten Mal lesen und vorsichtig redigieren zu können. Die Männer der Ökumene machten den Anfang: Metropolit Alexei, Bischof Heinrich Maria Janssen und der Generalsekretär der Konferenz Europäischer Kirchen Glen Garfield Williams. Von dieser Institution schrieb Ernst Wilm die erste (und einzige?) Geschichte. Erfreulicherweise widerstanden auch die Bischofskollegen persönlichen Lobhudeleien und brachten wissenschaftliche Beiträge. Kurt Scharf über "Leben in der Welt - Verhängnis und Hoffnung des Fortschritts", Martin Kruse über das Loccumer Predigerseminarmodell, Hans Gernot Jung über "Schuld und Bekenntnis", Karl Heinz Stoll über "Das Priestertum aller Glaubenden", Hans Otto Wölber über den Erfurter Luther, Albrecht Schönherr über "Das Verhältnis von Christen und Nichtchristen nach der Theologie Dietrich Bonhoeffers", Hartmut Johnsen über "Kirchenleitendes Amt und mündige Gemeinde" und der Bischofsfreund Werner Krusche einen Luthervortrag unter dem Titel: "Gott ins Herz und den Leuten aufs Maul schauen".

Es folgten die Beiträge aus der universitären Wissenschaft - Heintze waren ja verschiedentlich Lehrstühle angeboten worden - von den Professoren Duchrow, Staats, Krumwiede, Birgit und Klaus Erich Pollmann, Horn, Gryniakow mit exegetischen und historischen Aufsätzen und dann zwanzig Beiträge aus unserer Landeskirche aus allen Generationen und unterschiedlichen theologischen Richtungen. Darauf war ich stolz. Ich selber vertiefte mich in die 60iger Jahre unserer Landeskirche. Bei einem festlichen Abend im Haus der kirchlichen Dienste wurde die Festschrift von Bischof Müller, der auch ein Vorwort geschrieben hatte, überreicht.

"Zugehörigkeit Braunschweiger Pfarrer zur NSDAP"

In: Kirche von Unten, Heft 32, Juni 1988

Ich hatte nach einem ziemlichen Kraftakt die Namen von ca. 300 Pfarrern unserer Landeskirche dem Document-Center in Berlin vorgelegt mit dem Antrag auf Durchsicht nach ihrer Parteizugehörigkeit. Der diesen Auftrag bearbeitende Mitarbeiter sagte mir, er sei doch erstaunt gewesen, wie viele Pfarrer Mitglied der NSDAP gewesen wären. Ich fand das nicht. 2/3 der Pfarrerschaft gehörte nicht der NS-Partei an.

Die Veröffentlichung war mehr eine Vorsichtsmaßnahme. Immer wieder wurde in meiner Abwesenheit im Offleber Pfarrhaus eingebrochen. Ich hatte die Befürchtung, daß die Einbrecher aus Wut, daß sie nichts finden, mein Archiv zerfleddern würden. So schrieb ich diesen Aufsatz, auf den immer wieder mal zurückgegriffen wird.

"Die Pogromnacht im Land Braunschweig" (November 1988)

In: "»Kristallnacht« und Antisemitismus im Braunschweiger Land" - Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert, Nr. 6, Blomberg 1988

Zur 40jährigen Wiederkehr der Pogromnacht hatte ich 1978 in einem ganzseitigen EZ-Artikel vor allem Zeitungsberichte in der Regionalpresse und das grundlegende Werk Brunsvicensia Judaica ausgewertet.

Zur 50jährigen Wiederkehr waren offenbar offiziell keine weiteren Forschungsergebnisse zu erwarten. Ins Wolfenbüttler Staatsarchiv aber waren die Akten der Nachkriegsprozesse, und zwar auch gegen einige Täter aus der Pogromnacht, abgegeben worden. Die hatte ich durchgearbeitet. Die Volkshochschule Salzgitter-Lebenstedt und der dortige Arbeitskreis Stadtgeschichte veranstalteten im November 1988 eine Vortragsreihe "Vom Antisemitismus zur Reichspogromnacht", bei der Bernhild Vögel über "Antisemitismus und Verfolgung der Juden im Salzgittergebiet" und ich über "Die Pogromnacht im Braunschweiger Land" referierten.

Eine ähnliche Vortragsreihe veranstaltete das Kulturamt der Stadt Braunschweig zusammen mit der Evangelischen Studentengemeinde, wobei Prof. E. A. Roloff über "Lebensschicksale jüdischer Mitbürger im Bereich der Pauligemeinde Braunschweig 1933-1945" referierte. Für meinen Vortrag hatte die Petrigemeinde ihre Gemeinderäume zur Verfügung gestellt.

Alle drei Referate wurden als Nr. 6 der "Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen Landeskirche" 1988 veröffentlicht. Die Volkshochschule Salzgitter veröffentlichte die dort gehaltenen Vorträge ebenfalls in einer Broschüre.

Zu dieser Zeit tagte auch die Landessynode. Ihr Präsident Wilhelm Kutscher lud mich ein, den Vortrag abseits des Synodenprogramms in der Katharinenkirche zu wiederholen. Der Vizepräsident v. Bülow und ich gestalteten ihn als Teil eines kleinen Gottesdienstes. So wurde der Vortrag auch im KURIER abgedruckt.

Aus diesem Anlaß ist auch ein Themenheft in Kirche von Unten, Heft 35 Nov. 1988 erschienen mit Beiträgen von Herbert Erchinger und Bernhild Vögel.

"Dietrich Klagges 1891-1971, eine biographische Skizze"

In "Es geschah in Braunschweig", Magni-Buchladen, o.J.

Im Januar 1988 veranstalteten die Jusos in Braunschweig "Juso-Kulturtage gegen Faschismus und Ausländerfeindlichkeit" mit 18 Referaten, einer Ausstellung, einer Tucholsky-Lesung und einem Brecht-Weill-Eisler-Abend.

Ich wurde eingeladen, ein Referat über den nationalsozialistischen Ministerpräsidenten Dietrich Klagges zu halten. Mich interessierten die religiösen Ambitionen von Klagges und die Begründungen seines politischen Handelns. Er hatte außerdem als einziger Nationalsozialist eine, allerdings sonderbare, Ausgabe des Markusevangeliums herausgebracht. Er war als einziger führender Nationalsozialist in den 50iger Jahren am Ort seines politischen Handelns in zwei Prozessen vor den Augen seiner unverbesserlichen Anhänger verurteilt worden.

Ein Jahr später veröffentlichte der Magni-Buchladen die Vorträge von Helmut Kramer, Bernhild Vögel, Hans-Ulrich Ludewig, Walter Wuttke und mir unter dem Titel "Es geschah in Braunschweig".

"Zur Geschichte der Osternachtgottesdienste

in der Braunschweigischen Landeskirche"

In: KvU, Heft 38, Mai 1989, S. 19-29

Dieser Aufsatz schildert die Anfänge der Osternachtgottesdienste in der Braunschweigischen Landeskirche in der Brüdernkirche und in Königslutter in den 50iger Jahren, sowie durch Propst Warmers in der Wolfenbütteler Marienkirche in den 60iger Jahren. Ferner ihre Ausbreitung in den 70iger und 80iger Jahren in Stadt- und Landgemeinden aller Propsteien und schließlich die dabei verwendeten unterschiedlichen liturgischen Formen.

"Die Deutsche Evangelische Kirche und der Rußlandfeldzug"

Eine Arbeitshilfe, 128 Seiten, Braunschweig1991

Es ist nach wie vor eine sehr große Forschungslücke, daß es keine Monographie über die Evangelische Kirche im Zweiten Weltkrieg gibt. In der Abhandlung vom Kurt Meier über den Kirchenkampf wird die Situation in den einzelnen Landeskirchen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs vor allem unter dem Blickwinkel des zwischen der Kirche und der Hitlerregierung stillschweigend abgeschlossenen "Burgfriedens" behandelt. Es gibt keine systematische Abhandlung über die Kommentare und Stellungnahmen der Kirchenleitungen zu den Kampfhandlungen. Dieses Defizit stellte sich anläßlich des 50. Jahrestages des Überfalls deutscher Truppen auf die Sowjetunion im Juni 1941 als besonders ärgerlich heraus. Ich sammelte in einer Arbeitshilfe zahlreiches unveröffentlichtes Material, deren zwei Auflagen mit Unterstützung von OLKR Becker im Landeskirchenamt gedruckt wurden.

"Braunschweig im Bombenkrieg - Ursachen, Stimmungsberichte, Folgen" (1994)

In: Braunschweig im Bombenkrieg, Zeitdokumentation Teil II, hrsg. vom Friedenszentrum Braunschweig

Vom 30. September bis zum 31. Oktober 1993 organisierte das Friedenszentrum Braunschweig eine Ausstellung im Keller des Altstadtrathauses. Sie fand unter der Leitung von Heinz Friedrich und Frieder Schöbel statt, die ich schon aus der Braunschweiger Ostermarschbewegung kannte, und erfolgte vom 30. September bis zum 31. Oktober 1993 anläßlich der 50. Wiederkehr der Zerstörung der Braunschweiger Innenstadt in der Bombennacht vom 14./15. Oktober 1944.

Ich eröffnete die Ausstellung mit einer Vortragsreihe, beginnend am 29.9.1993 im Altstadtrathaus mit dem Vortrag "Braunschweig im Bombenkrieg - Ursachen, Stimmungsberichte, Folgen". Der Chor der Studentengemeinde rahmte den Vortrag ein mit dem mehrstimmig vertonten Brechtgedicht "Bitten der Kinder".

"Gott strafe England - Kirche und Bombenkrieg" (6. Oktober 1994)

ungedruckt

Ein Jahr später veranstaltete das Friedenszentrum vom 11. September bis 16. Oktober 1994 eine neue Ausstellung, dieses Mal im Landesmuseum, zum Thema "Bomben auf Braunschweig". Dabei schilderte ich am 6. Oktober in einem Referat die unterschiedlichen Reaktionen der evangelischen Kirche zu den verschiedenen Phasen des Bombenkrieges. Landesbischof Krause übernahm die Diskussionsleitung des Abends.

"Kirchliches Leben und Frömmigkeit in der Stadt Braunschweig -

Propst Leistikow 1935-1946"

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Vortrag im Bürgermeistersaal des Altstadtrathauses Braunschweig am 24.6.1996,

ungedruckt, 14 S.

Bei einer städtischen Veranstaltungsreihe über "Kirchliches und religiöses Leben in Braunschweig", bei der Klaus Jürgens über Frömmigkeit in der Reformationszeit referierte, übernahm ich das 20. Jahrhundert. Dabei war ich in der glücklichen Lage, auf dem Boden des Martin-Luther-Gemeindehauses zahlreiche Rundschreiben von Propst Leistikow entdeckt zu haben und zu diesem Vortrag verarbeiten zu können.

"Kurzer Abriß der Geschichte der Braunschweigischen Landeskirche"

In: "Erzählte Geschichte und pädagogische Perspektiven" Festgabe für Wolfgang Pöhlmann, hrsg. von Reinhard Dross, 1996, S. 115-159

Ich hatte in den 80iger Jahren acht Semester lang im Fachbereich Evangelische Theologie der Technischen Universität Braunschweig Übungen zu kirchengeschichtlichen und biblischen Themen gehalten und wurde eingeladen, mich an der Festschrift für Prof. Wolfgang Pöhlmann anläßlich seines 60. Geburtstages zu beteiligen. Bei dieser Gelegenheit veröffentlichte ich, was ich den Vikarinnen und Vikaren bei der Darstellung der Braunschweiger Kirchengeschichte als Überblick mit zahlreichen Quellen in die Hand gedrückt hatte. Es war der erste kurzgefaßte Überblick unserer Landeskirchengeschichte von Karl dem Großen bis Landesbischof Krause, ohne die zahlreichen Quellen.

"Bekennen und Vergeben in der Nachkriegszeit.

Ein Beitrag zum Verständnis der Auseinandersetzung

von Landesbischof Erdmann mit Max Witte und Georg Althaus"

In: "Der schwierige Weg in die Nachkriegszeit. Die Ev. luth. Landeskirche in Braunschweig 1945-1950" hrsg. von Klaus Erich Pollmann, Göttingen 1995

Es war wohl der "Fall Lerche", der die Landeskirche bewog, 1991 eine historische Kommission mit dem Ziel einzuberufen, die gesamte Nachkriegszeit und die Entnazifizierung aufzuarbeiten. Ihr Vorsitzender wurde Prof. Klaus Erich Pollmann. Andere Mitglieder wurden Hans Ulrich Ludewig, Propst Klaus Jürgens, Dr. Friedrich Wilhelm Müller, Pfarrer Joachim Klieme, Martin Grubert, Archivrat Herman Kuhr und mit etwas Druck bei der Kirchenregierung hievte Prof. Pollmann auch mich in die Kommission.

Das erste Ergebnis der Kommission wurde anläßlich eines Kolloquiums im Juli 1993 vorgestellt und diskutiert. Daraus entstand dann die ansehnliche, 330 Seiten starke Broschüre, zu der ich den Beitrag der Landeskirche über die Auseinandersetzung zwischen Pfarrer Althaus und Max Witte mit Landesbischof Erdmann schrieb. Der Beitrag von K. E. Pollmann "Die Entnazifizierung in der Braunschweigischen Landeskirche nach 1945" wurde auch im Amtsblatt veröffentlicht. Zum ersten Mal wurden die Entnazifizierungsakten gründlich analysiert.

"Kirche und Gesellschaft im Salzgittergebiet 1937-1974"

In: KvU, Heft 88, Februar 1998, S. 11-26

Am 14. Januar 1998 hielt ich anläßlich des Neujahrsempfanges der Propstei Salzgitter-Lebenstedt für die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einen Vortrag und zeigte fünf Problemfelder in unserer Landeskirche für 1998 auf: Sozialstationen - geistliche Verantwortung der Lektoren - Zentralisierungsbestrebungen in der Landeskirche - Probleme des Kirchbaus - Kirche und Öffentlichkeit, und verband sie mit Antworten aus der Vergangenheit vom Jahr 1937 an. Ich konnte dazu erstmals Akten des Propsteibüros auswerten.

"Die Braunschweigische Landeskirche in den 60iger Jahren -

eine vorläufige Bilanz oder: wieweit muß man in der Kirche einig sein?"

In: KvU, Nr. 90, September/Oktober 1998, S.16-31

Die Evangelische Akademie und die Historische Kommission veranstalteten vom 19.-20.6.1998 im Haus Hessenkopf eine Tagung zum Thema "Veränderungen in der Kirche - Rückblick und Ausblick". Die Idee war in der Historischen Kommission entstanden. Nach den beiden Kolloquien über die Kirche in der Nachkriegszeit und Kirche in den 50iger Jahren, die ja auch gedruckt erschienen waren, sollte nun die Kirche in den 60iger Jahren durchgeackert werden. Die Tagung wurde technisch für die Akademie von Prof. Kwiran und inhaltlich von den Mitgliedern der Historischen Kommission vorbereitet und war mit über 90 Teilnehmern erfreulich gut besucht.

Ich schilderte in meinem Vortrag den Übergang von der Erdmannzeit zur Heintzezeit. Der Wechsel lag ja genau in der Mitte der 60iger Jahre. Wiederum kam es zu einem Drama infolge eines Tochter-Vater-Verhältnisses. Frau Kynast, die Tochter von OLKR Max Wedemeyer, fand in meinem Vortrag ihren Vater nicht gebührend berücksichtigt und geehrt. Zu einem ähnlichen, geradezu dramatischen Auftritt war es bei einem vorherigen Kolloquium gekommen, als die Tochter von OLKR Röpke und die Tochter von Pfarrer Althaus sich gegenseitig lautstark öffentlich bezichtigten und das Verhalten ihrer Väter rechtfertigten.

"Die Verbrechen der deutschen Wehrmacht und die evangelische Kirche"

Vortrag am 11.12.1999 im Petrigemeindesaal, ungedruckt

In der Stadt Braunschweig sollte im November-Dezember 1999 die Ausstellung "Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944" gezeigt werden. Es wurde eine sehr großes Rahmenprogramm erstellt und große Teile dieses Programm wurden auch durchgeführt, obwohl die Ausstellung, die durch die ganze Bundesrepublik gelaufen war, wegen fehlerhaft beschrifteter Tafeln abgesagt wurde.

Ich hielt auf Einladung der Veranstalter am 11. Dezember 1999 im Petrigemeindesaal einen Vortrag über "Die evangelische Kirche und die Verbrechen der Wehrmacht." Es war eine glückliche Fügung, daß der kritische katholische Kirchenhistoriker Prof. Dr. Heinrich Missalla unter dem mißverständlichen Titel "Zwischen Anpassung und Widerstand - Die deutschen Katholiken und Hitlers Krieg" die Haltung der katholischen Kirche sehr scharfsinnig durchleuchtete. Ein kleines, unbemerkt gebliebenes ökumenisches Ereignis: der Vortrag von Missalla ist in Kirche von Unten, Nr. 95, April 2000, S. 42-62, veröffentlicht.

"Juden, Kirche und Bischöfe in Wolfenbüttel"

In: "Wolfenbüttel unterm Hakenkreuz" hrsg. von der Stadt Wolfenbüttel 2000

Ich hatte schon 1990 vorgeschlagen, auch in Wolfenbüttel, wie in Braunschweig und Helmstedt, eine Reihe zum Thema "Wolfenbüttel unterm Hakenkreuz" unter der Leitung einiger Ratsherren und Ratsfrauen zu veranstalten. Die Stadt lehnte dies seinerzeit jedoch ab.

Im November 1998 aber wurde im Rathaus eine fünfteilige Vortragsreihe anläßlich des 60. Jahrestages der Reichspogromnacht veranstaltet, in der Reinhard Försterling über "Die NSDAP in

Wolfenbüttel vor und nach der Machtergreifung" referierte, Hans Ulrich Ludewig über "NS-Alltag im Spiegel des Braunschweiger Sondergerichtes", Dieter Lent über "Wolfenbüttel im zweiten Weltkrieg", Wilfried Knauer über "Die Stadt und das Strafgefängnis Wolfenbüttel 1933-1945" und ich am 9. November über "Juden, Kirche und Bischöfe in Wolfenbüttel". Mir war nicht klar, ob die Stadt mich als Referenten behalten würde, nachdem ich wegen eines Wahlplakates für die PDS anläßlich des Bundestagswahlkampfes kurz vorher ziemlich dreckig durch die Presse gezogen worden war. Es soll wohl auch einige Proteste seitens der CDU gegen mich als Referenten an diesem Gedenktag gegeben haben. Aber Bürgermeister Axel Gummert blieb bei der Einladung, eröffnete sogar den außerordentlich gut besuchten Abend und leitete auch die Diskussion. Das fand ich hochanständig. Die Presse berichtete ausführlich. Die Vorträge sind ein Jahr später als Broschüre erschienen.

Hans Ulrich Ludewig/Dietrich Kuessner:

"Es sei also ein jeder gewarnt - Das Sondergericht Braunschweig 1933-1945".

Braunschweig 2000

Schon bei der Vortragsreihe "Braunschweig unterm Hakenkreuz" 1980 spielte Walter Lerche als Vorsitzender des Braunschweiger Sondergerichts 1943 beim Todesurteil gegen das 18jährige Mädchen Erna Wazinski eine entscheidende Rolle. Er war nach dem Kriege Oberlandeskirchenrat in unserer Landeskirche geworden. Als die Akten des Sondergerichtes später an das Staatsarchiv Wolfenbüttel abgegeben wurden, setzten Dr. Ludewig und ich uns unabhängig voneinander an diesen umfangreichen Aktenbestand. Dr. Ludewig untersuchte sie unter sozialgeschichtlichen Gesichtspunkten, ich unter kirchengeschichtlichen. Es waren mehr als dreißig kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem Pfarrer, mit dem Sondergericht und der Staatsanwaltschaft in Berührung gekommen.

Vor allem aber tauchte in immer neuen Urteilen der Name von Walter Lerche auf. Der Rundfunk und Fernsehjournalist Johannes Unger griff den Stoff auf, interviewte den damaligen Staatsanwalt Hort Magnus und veröffentlichte seine Ergebnisse in "Kirche von Unten" Nr. 50, Januar/Februar 1991. Helmut Kramer und ich ergänzten diesen Hauptartikel mit zwei weiteren Beiträgen. Im nächsten Heft veröffentlichte ich eine Reihe von erschütternden Todesurteilen, insbesondere gegenüber jungen Ausländern. Das Urteil gegen Erna Wazinski wurde in einem Wiederaufnahmeverfahren im März 1991 aufgehoben. Einen Tag vor der Märzsynode in Bad Harzburg, am 14. März 1991, hielt ich einen Vortrag im Gemeindehaus in Bad Harzburg, und die Lutherischen Monatshefte veröffentlichten den Beitrag im Mai 1991 unter dem Titel "Auffällige Härte gegen Fremde. Ehemalige Sonderrichter der Nazis in der Kirche".

Einige Synodale reichten nun am 2. Mai 1991 einen Antrag an die Landessynode, die Landessynode möge erklären: "Wir sind bedrückt von der Tatsache, daß fromme und mit dem Leben der Kirche eng verbundene Glieder unserer Landeskirche tief verstrickt waren in das Terrorsystem des Braunschweiger Sondergerichtes. Sie haben an Todesurteilen mitgewirkt, die dem Recht Hohn sprechen. Wir schämen uns. Wir wollen die Last der Geschichte aber gemeinsam tragen. Wir wollen daran mitwirken, dem Unrecht heute energisch zu widerstehen." Die Kirchenregierung wollte einer Debatte über diesen Antrag aus dem Weg gehen und gab der Synode ihrerseits auf der Maisynode 1991 eine Erklärung zur Kenntnis. Sie sei "bewegt und erschrocken" über das Todesurteil gegen Erna Wazinski, das deren Leben "im Gefolge der verbrecherischen nationalsozialistischen Ideologie und des zweiten Weltkrieges vernichtet worden ist." Merkwürdigerweise erinnerte die Kirchenregierung zugleich daran, "welch ein hohes Gut die Demokratie mit einer unabhängigen Justiz und einer rechtstaatlich geordneten Polizei ist." Dies gelte es zu schützen und zu bewahren. Die Landessynode lehnte es ab, sich diese Erklärung zu eigen zu machen und lehnte auch unseren Antrag vom 2. Mai 1991 ab. Ich veröffentlichte diesen ganzen, durchaus typischen Vorgang in Heft 53 von "Kirche von Unten", Juni 1991.

Im November 1991 stellte das Landesmuseum die vom Justizministerium verantwortete Ausstellung "Justiz und Nationalsozialismus" vor. Im Begleitprogramm trug ich am 13.11.1991 in einem Vortrag "Das Sondergericht in Braunschweig und die Braunschweigische ev.-luth. Landeskirche" meine Forschungsergebnisse vor. Die Referenten an den anderen Abenden waren Wilfried Knauer, Gerd Wysocki und Helmut Kramer.

Inzwischen hatte die von der Kirchenregierung eingesetzte Historische Kommission unter Leitung von Prof. Klaus Erich Pollmann ihre Arbeit aufgenommen. Beim ersten öffentlichen Kolloquium der historischen Kommission am 1.-2. Juli 1993 geriet ich in dieser Angelegenheit, wie schon vor der Landessynode, mit Landesbischof Müller zusammen, der das Verhalten Lerches mit der lauen Erklärung abzuschwächen versuchte, man wisse ja gar nicht, wie das Abstimmungsverhältnis der drei verurteilenden Sonderrichter gewesen sei.

Dr. Ludewig, ebenfalls Mitglied der historischen Kommission, und ich tauschten unsere Erkenntnisse aus, wir fanden bald eine gemeinsame historische Linie und nach fast zehnjähriger Forschungsarbeit und Förderung durch den Archivdirektor Dr. Jarck, seinen Stellvertreter Dr. Lent und Frau Dr. Strauss sowie der Korrektur lesenden Offleberin Frau Anke v. Kowalski erschien im Selbstverlag des Braunschweigischen Geschichtsvereins im Jahr 2000 das Buch "Es sei also ein jeder gewarnt". Das Buch wurde im Landesmuseum präsentiert und von Frau Dr. Eschebach im Jahrbuch für Braunschweiger Landeskunde freundlich besprochen. In der Monatszeitschrift "Historisch-politisches Buch" schrieb Thomas Henne über unsere gemeinsame Arbeit: "Sie gelangen damit zu einer Analyse, die zu den fundiertesten in der umfangreichen Literatur über die NS-Sondergerichtsbarkeit gehört."

Die Landeszentrale für Politische Bildung in Hannover lud Dr. Ludewig und mich zu einem gemeinsamen Vortrag in Wolfenbüttel anläßlich der Eröffnung der Gedenkstätte im Wolfenbüttler Gefängnis im April 2000 und zu einer Fortbildungsveranstaltung mit angehenden Juristen im Oktober 2000 nach Oldenburg ein, wo wir unsere Forschungsergebnisse vorstellten. Die Reaktion in der Braunschweiger Justiz war uns gegenüber sehr zurückhaltend.

"Kunst und Kirche im Nationalsozialismus" (Mai 2000)

Ziemlichen Wirbel hatte in Braunschweig eine Ausstellung mit Bildern von Paul Hähndel ausgelöst, die dann tatsächlich auf Druck der Öffentlichkeit abgebrochen wurde. Zwei Jahre später wurde im Städtischen Museum Braunschweig und im Landesmuseum (Ägidien) eine von Prof. Heino Möller verantwortete Ausstellung "Kunst im Nationalsozialismus" veranstaltet. Zum ersten Mal sollte den Arbeiten von Künstlern, die in der Zeit zwischen 1933- 1945 ausgestellt hatten, nicht aus Voreingenommenheit ein künstlerisches Urteil vorenthalten werden. Das war eine heikle Gratwanderung.

Diese Ausstellung war von einer Vortragsreihe begleitet, zu der ich im Mai 2000 im Städtischen Museum einen Lichtbildervortrag über "Kunst und Kirche im Nationalsozialismus", ein in der Kirche bundesweit bisher kaum behandeltes Thema, beisteuerte. In der Braunschweigischen Landeskirche bieten sich für dieses Thema interessante unterschiedliche Kirchbauten an, die größtenteils vom Architekten August Pramann verantwortet werden.

"Zum 500. Geburtstag von Anton Corvinus"

Festvortrag in der Stephanikirchengemeinde Goslar am 27.2.2001, ungedruckt, 5 S.

Auf Einladung der Stephanikirchengemeinde hielt ich am 27.2.2001 einen Vortrag über Anton Corvinus, und zwar insbesondere über seine Beziehungen zum Braunschweigischen sowie zu Corvins Lebensthema "Glaube und Gewalt", ein zu Beginn der Dekade zur Überwindung der Gewalt aktuelles Thema.


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