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[Kirche von unten]

Gott dem Herrn Dank sagen

Festschrift für Gerhard Heintze

Ulrike Block .v Schwartz

Auf dem Weg zur Region:

Die Entwicklung des Zweckverbandes Großraum Braunschweig

Ich habe aus Anlass des 90. Geburtstages von Landesbischof i. R Dr. Gerhard Heintze meine kurze Betrachtung über die Region geschrieben, weil ich weiß, dass er in seiner Amtszeit sich als Bürger dieser Region verstanden hat und ihm diese am Herzen lag und immer noch liegt.

Mit der Auflösung des Landtags am 21. 11. 1946 verlor das Land Braunschweig nach fast 800 Jahren seine Selbständigkeit. Durch die Verordnung Nr. 55 hatte die britische Militärregierung aus den Ländern Braunschweig, Oldenburg, Schaumburg-Lippe und der ehemaligen Provinz Hannover das Land Niedersachsen geschaffen.

Seitdem umfasst das Gebiet des ehemaligen Landes Braunschweig als einzige öffentlich-rechtliche Körperschaft die evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig. Allerdings ohne die Propstei Blankenburg, die im Staatsgebiet der ehemaligen DDR lag und 1973 aus der Braunschweiger Landeskirche ausgegliedert wurde. 1992 wurde durch Beschluss der Landessynode Blankenburg wieder in die ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig eingegliedert, auch weil die dortigen Kirchengemeinden dies wünschten.

Im Vorfeld der Auflösung hatte der Braunschweiger Landtag versucht " die unvermeidliche Entwicklung , soweit noch möglich, nach ihren Vorstellungen zu beeinflussen. Wenn die Bildung von Reichsländern unabwendbar war, so sollten unterhalb dieser Reichsländer (gemeint ist Niedersachsen) doch Länder weiter existieren . ..".Die Reichsländer sollten ... nach Auffassung der braunschweigischen Abgeordneten gewissermaßen Zweckverbände bilden, die beschränkte Exekutivaufgaben auf solchen Gebieten wahrnehmen sollten, bei denen eine großräumige Regelung nicht entbehrt werden konnte".(Klaus Erich Pollmann: Anfang und Ende zugleich.. Der Braunschweigische Landtag 1946 S. 22). Einen ersten Zweckverband Großraum Braunschweig gab es von 1973 an , der 1978 von der neuen konservativen Landesregierung aufgelöst wurde.

Ende der 80er Jahre wurde durch das Zusammenwachsen Europas der Gedanke an die Region Braunschweig wieder lebendig. Das führte dazu, dass 1990 durch die kreisfreien Städte Braunschweig und Salzgitter und die Landkreise Helmstedt, Peine , Wolfenbüttel und Goslar ( der letztere trat 1992 aus) die "Braunschweigische Landschaft e. V." gegründet wurde. Ihre Aufgabe ist die Pflege und Förderung der kulturellen und historischen Belange der Region Süd-Ost-Niedersachsen. Die Gründungsmitglieder liegen im Gebiet des ehemaligen Landes Braunschweig ( oder in der Region Braunschweig).

Im Herbst 1889 wurde die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik geöffnet, für die nun mögliche und notwendige. Planung im bisherigen Grenzgebiet zwischen Magdeburg und Braunschweig entstand Handlungsbedarf. Dieser verstärkte auch die Notwendigkeit regionalen Handelns in der Region Braunschweig. Es gab nur die informelle Runde der Hauptverwaltungsbeamten, die sich regelmäßig trafen, aber es existierte keine Institution dafür. Deshalb ergriff nach der Landtagswahl im Frühjahr 1990 die neue niedersächsische Landesregierung die Initiative, ein Gesetz zur Bildung des Zweckverbandes Großraum Braunschweig auf den Weg zu bringen. "Die Gebietskörperschaften ihrerseits entwickelten auf der Grundlagen der bisherigen Diskussion Thesen zur Gründung eines Zweckverbandes Großraum Braunschweig auf freiwilliger Basis und brachten diese in das Gesetzgebungsverfahren ein."( I. Wahlperiode 1992 –96 Tätigkeitsbericht des ZGB). Bereits die Koalitionsvereinbarung der rot-grünen Landesregierung sah die Bildung eines Zweckverbandes Großraum Braunschweig vor, auf dieser Grundlage wurde der Gesetzentwurf geschaffen und nach dem Beteiligungsverfahren am 27. November 1991 beschlossen, zum 1. 11.1991 trat es rückwirkend in Kraft. Die kreisfreien Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg und die Landkreise Gifhorn, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel bilden den Zweckverband. Dieser ( im Folgenden nur ZGB genannt) hat in Analogie zur Niedersächsischen Gemeindeordnung folgende Organe:

die Verbandsversammlung

den Verbandsausschuss

die Verbandsdirektorin/den Verbandsdirektor.

Die Zusammensetzung der Verbandsversammlung ergibt sich aus dem Verhältnis der Einwohnerzahlen der Verbandsglieder, sie hat 51 Mitglieder. Entsprechend dem Ergebnis der Kommunalwahl werden die Sitze zwischen den Parteien verteilt. So wählen die Räte, bzw. Kreistage die Mitglieder der Verbandsversammlung.:

Aufgaben des ZGB sind:

die Regionalplanung

der öffentliche Personennahverkehr auf Straße und Schiene.

Am 24. Februar 1992 fand im Altstadtrathaus in Braunschweig die konstituierende Sitzung der Versammlung statt, zu welcher der Regierungspräsident eingeladen hatte. Innenminister Gerhard Glogowski erklärte bei dieser Sitzung:

"Es wird in der Zukunft eine der wichtigsten Aufgaben der Landesentwicklung sein, eine Umsteuerung der Verkehrspolitik auf der Grundlage einer integrierten Verkehrs-, Umwelt- und Raumordnungspolitik durch aktive Koordinierung der Siedlungsentwicklung und umweltschonende Massenverkehrsmittel voranzutreiben." ( I. Wahlperiode 92-96 Tätigkeitsbericht ZGB).

Der Landtagsabgeordnete Helmut Kuhlmann (CDU) aus Gifhorn wurde zum Vorsitzenden, Ulrike Block-v. Schwartz ( SPD) aus Braunschweig zur 1. stellvertretenden und Helmut Hullen (FDP) zum 2. stellvertretenden Vorsitzenden gewählt.

Zu Beginn wurde die Verwaltung des ZGB wahrgenommen durch einen Beamten der Stadt Braunschweig, bis nach den üblichen Verfahren von Ausschreibung und Bewerbungsgesprächen am 15. 6. 1992 Dr. Martin Kleemeyer zum Verbandsdirektor und Ulrich Kegel zum Verbandsrat gewählt wurden. Der weitere Aufbau der Verbandsverwaltung konnte vorgenommen und damit der ZGB arbeitsfähig gemacht werden.

In der ersten Wahlperiode ( 1992 –1996) lag der Schwerpunkt im Bereich Regionalplanung bei der Aufstellung des regionalen Raumordnungsprogramms. Es ging dabei um Fragen wie Naturschutz, landwirtschaftliche Nutzung, Bodenabbau, Naherholung und Siedlungswesen, die bisher nicht über die kommunalen Grenzen hinaus geplant werden konnten. Dabei gab es durchaus widerstrebende Interessen, die besprochen, abgewogen und entschieden werden mussten.

Die zweite Aufgabe des ZGB Verkehrsplanung hatte eine schwierige Ausgangslage. Im Verbandsgebiet gestalteten die Deutsche Bahn und 11Busunternehmen in ihrem jeweiligen Gebiet den öffentlichen Personennahverkehr mit ganz unterschiedlichen Tarifen und ohne Anschlüsse für umsteigewillige Fahrgäste. Besonders in den Landkreisen gab es einen großen Nachholbedarf an Fahrmöglichkeiten mit Bus und Bahn. Haushaltsbefragungen und in die Zukunft hochgerechnete Verkehrsmodelle stellten den Bedarf fest. Im Juni 1995 beschloss der niedersächsische Landtag das Nahverkehrsgesetz, damit bekam der ZGB die Zuständigkeit für die Nahverkehrsplanung. Dieses Gesetz macht deutlich, dass der öffentliche Personennahverkehr als Aufgabe der Daseinsvorsorge gilt und damit auch ein wichtiges politisches Handlungsfeld ist. Gerade in der Automobilregion Braunschweig war dieser Teil der Daseinsvorsorge bisher vernachlässigt worden. Auch die ansteigende Zahl von älter werdenden Menschen machte deutlich, dass hier Handlungsbedarf bestand.

1996 beschloss der Landtag per Gesetz, das Verbandsgebiet um den Landkreis Goslar zu erweitern. Damit steigt die Zahl der Einwohner auf 1,16 Millionen, die Fläche beträgt 5078 km2,und die Verbandsversammlung wird nun durch 59 Mitglieder gebildet.

Nach der Kommunalwahl 1996 hatten sich die Mehrheitsverhältnisse geändert, die SPD wurde stärkste Fraktion und die bisherige stellvertretende Vorsitzende wurde zur Vorsitzenden gewählt.

Nach ausführlichen Planungen konnte in der 2. Wahlperiode (1996 – 2001 )der Nahverkehrsplan beschlossen werden. Damit wird sichergestellt, dass der öffentliche Personennahverkehr verdichtet und vertaktet und die Anschlüsse verknüpft werden. Für das gesamte Gebiet wurde ein Tarifverbund geschaffen. das bedeutet, das Gebiet des ZGB musste in Tarifzonen eingeteilt werden. Danach gibt es bei allen daran beteiligten Verkehrsunternehmen gemeinsame Fahrscheine, die in den jeweiligen Tarifzonen gelten. Der Tarifverbund startete am 1.November 1998 und hat sich bewährt, das heißt die Fahrgäste schätzen diesen neuen Fahrschein und nutzen verstärkt die öffentlichen Verkehrsmittel. Auch die Einführung von 30 Direktbuslinien als besonders schnelle Verbindungen auf wichtigen Strecken hat die Nachfrage verstärkt.

Durch die Erweiterung um den Landkreis Goslar musste das regionale Raumordnungsprogramm um dieses Gebiet ergänzt werden. Weil das novellierte Baugesetzbuch verlangt, dass die Windenergienutzung im ungeplanten Außenbereich Vorrang hat, mussten Vorrangstandorte dafür gesucht werden. In umfangreichen Sitzungen wurden diese Orte vorgeschlagen, diskutiert und mehrere fachliche Gutachten eingeholt. Dabei wurde abgewogen zwischen der Notwendigkeit der umweltfreundlichen Windenergie, der Ästhetik des Landschaftsbildes und den Planungen der Gemeinden. Schließlich wurden die Vorrangstandorte festgelegt." Auf diesen Flächen kann eine Nennleistung von ca. 150 bis 200 Megawatt installiert werden, das heißt, dass etwa 20 % der Privathaushalte der Region Braunschweig mit Strom aus Windenergie versorgt werden können. Damit hat die Region einen erheblichen Beitrag zur CO2-Minderung geleistet."(II. Wahlperiode Tätigkeitsbericht ZGB S. 30).

Bei dem Bundeswettbewerb "Regionen der Zukunft" auf der Urban 21 hat der ZGB für sein Modell einer nachhaltigen Regionalentwicklung einen 1. Preis gewonnen. Auch die Aktivitäten z. B. bei der Regionalmesse "Harz und Heide" und die ausdauernde Bemühung der guten Zusammenarbeit mit den Verbandsgliedern und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden hat die anfänglichen Vorbehalte der Kommunen aufgelöst. Langsam entsteht nun auch ein Regionalbewußtsein, das auch von Medien und Wirtschaft unterstützt wird.

Nur wenn es gelingt, in dem größeren Zusammenhang der Region zu planen und zu wirken, hat dieser Raum, der ehemals durch die Grenze zur DDR gezeichnet war und nun im Herzen Deutschlands liegt, eine Zukunft zwischen Hannover und Magdeburg. Dabei spielt die Braunschweigische Landschaft mit ihren Zielen und Aktivitäten , aber sicher auch die ev.-luth. Landeskirche eine große Rolle in dem dafür notwendigen Bewusstseinsprozess.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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