Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube
 
[Kirche von unten]

Gott dem Herrn Dank sagen

Festschrift für Gerhard Heintze

Thomas Gunkel

... und sie werden sich eine Stelle teilen

1981: ein Seminar während der Semesterferien. Studenten und Studentinnen verschiedener Fakultäten waren zusammengekommen. Da das Seminar unter kirchlicher Regie stattfand, kam an einem Abend ein Oberkirchenrat aus Hannover dazu. Plauderstunde. Dann wurde das Gespräch ernster. Es ging um die Arbeitslosigkeit, die damals zwei Millionen Menschen betraf. Allerlei Ursachen und mögliche Gegenmaßnahmen wurden benannt, bis schließlich der Oberkirchenrat sagte, es sei im Grunde doch ein Skandal, dass manche Familien, auch Pfarrersfamilien, Gehälter nach der Besoldungsgruppe A 26, ach, was sage er, nach A 28 oder A 30 zur Verfügung hätten. Erst fragte jemand in der Runde, was das sei. Als Studierende kannten wir eher Bafög-Sätze als Beamtentarife. Das sei das Einkommen der Doppelverdiener, sagte der Oberkirchenrat. Darauf folgte in etwas zu spitzem Ton die Rückfrage einer Kommilitonin, ob dann wohl die Frauen an der Arbeitslosigkeit schuld seien? Auf diese Wendung der Debatte hatte der Oberkirchenrat sichtlich keine Lust. Es gehe ihm ja nur darum, sagte er schließlich, dass nicht die einen im Überfluss leben sollten, während die anderen gar nichts hätten. Zugleich spürte er wohl, dass er sich noch weiter auf vermintes Terrain gewagt hatte. Unbehagliches Schweigen. Dann wurde das Thema gewechselt.

Etwa zur gleichen Zeit im Büro des Personalreferenten einer eher kleinen und ländlichen Landeskirche: Eine junge Frau, verheiratet mit einem Pfarrer der Landeskirche und im Besitz einer Urkunde über das erfolgreich bestandene erste theologische Examen, saß vor dem Personalchef. Pfarrerin wollte sie werden. Das gehe nicht, lautete die Antwort, schließlich sei bereits ihr Ehemann Pfarrer. Vermutlich wird der Personalreferent um Verständnis geworben und auf die Probleme mit der Residenzpflicht verwiesen haben und auch darauf, dass in anderen Fällen, in denen möglich war, was nun nicht möglich sein sollte, die Umstände anders gelagert waren. Aber solches Werben um Verständnis ist nicht überliefert. Für die junge Theologin blieb das Ergebnis des Gesprächs jedenfalls außerordentlich enttäuschend. Sie ist niemals Pfarrerin geworden.

Mitte der achtziger Jahre war die drohende Arbeitslosigkeit bei den angehenden Pfarrerinnen und Pfarrern eines der beherrschenden Themen für uns Theologiestudierende. Angeblich entsprach die Zahl der im Fach Evangelische Theologie eingeschriebenen Studierenden der sämtlicher Pfarrstellen im alten Bundesgebiet. Ich beschloss, ersatzweise Lagerleiter bei Duscholux zu werden oder etwas Ähnliches. Mein Studium setzte ich dennoch fort. Nötigenfalls ließ sich das mit dem Humboldtschen Bildungsideal rechtfertigen. Im Grunde aber setzte ich wie viele andere darauf, dass die Situation sich entspannen würde und die Kirchenleitungen in geeigneter Weise die Weichen stellten. Dort tat sich tatsächlich etwas. Einerseits galt es, möglichst viele von den Arbeitern und Arbeiterinnen im Weinberg unter zu bringen, andererseits sollten möglichst wenig Änderungen am überkommenen Bild des Pfarrberufs vorgenommen werden. Da aber unter dem Nachwuchs auch Paare waren, wurde die Stellenteilung aus der Taufe gehoben. Die Paare konnten und sollten sich von nun an eine Stelle teilen bzw., um es genauer zu sagen, gemeinsam eine Stelle innehaben. Geteilt wurden also nur das Gehaltskonto und intern gegebenenfalls gewisse Zuständigkeiten, während das Pfarramt insgesamt ungeteilt blieb.

Erwähnenswert ist, dass in kaum einer Landeskirche, die sich dieser Regelung anschloss, der verpflichtende Charakter per Gesetz festgeschrieben wurde. Der Grund dafür waren wohl juristische Auseinandersetzungen in der Hannoverschen Landeskirche um diese Frage, die die Befürchtung nährten, dass ein solches Gesetz der rechtlichen Nachprüfung nicht standhalten könnte. Also wurde das, was zu regeln war, geregelt durch Verordnungen und Beschlüsse kirchenleitender Gremien. Dass hier ein Dissens zu weltlichen Rechtsvorstellungen erkennbar wurde, hätte den Kirchen ein Warnsignal sein können. Es wurde offenbar nicht wahrgenommen.

Das mag daran gelegen haben, dass es anfangs viel Zustimmung gab zur neuen Regelung. Auch unter den Betroffenen fanden sich solche, die sich eine solidarische Kirche gerade so vorstellten, als eine Kirche, die zu teilen vermag. Selbst die Frauenbeauftragte, die in meiner Braunschweiger Landeskirche seit Beginn der neunziger Jahre Dienst tat, reagierte anfangs verhalten positiv. War hier nicht in idealtypischer Weise Gleichberechtigung verwirklicht? Die Reaktionen Außenstehender aus anderen Berufen habe ich in den zurückliegenden Jahren unterschiedlich wahrgenommen. Manche empfanden die Regelung wegen ihres verpflichtenden Charakters als unzeitgemäße Restriktion und als Eingriff in individuelle Rechte. Andere reagierten positiv und identifizierten die Regelung als verständliche Antwort auf das Arbeitslosenproblem. Wenn ich dann gelegentlich zurückfragte, ob die Betreffenden sich vorstellen könnten, ihren Arbeitsplatz mit dem Ehepartner bzw. der -partnerin zu teilen, ähnelten sich allerdings die Reaktionen oft: ein Blick zum Partner, zur Partnerin, ein kurzes Lachen, gefolgt von einer Erklärung, warum so etwas in ihrem ganz persönlichen Fall zum Scheitern verurteilt wäre.

Im Laufe der Zeit mehrten sich unter den Stellenteilenden die kritischen Stimmen. Während sich manche Paare recht gut mit der Regelung arrangierten, gab es andere, denen das nicht gelingen wollte. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer Kollegin, die konstatierte, die Stellenteilung habe sie ihre Ehe gekostet. Die "Verhandlungsmasse", die es natürlich in jeder Ehe gibt und die seit der Auflösung überkommener Rollenmuster ohnehin angewachsen ist, war für manche zu groß geworden. Permanentes Verhandeln, aber auch Konkurrenzgefühle belasteten und belasten die Paare.

Daneben konnten ein paar Schönheitsfehler der Stellenteilungspraxis anfangs als marginal gelten: So betraf die Regelung nur bestimmte Jahrgänge. Wer älter war, durfte sich dispensiert fühlen und tat das in der Regel auch. Zur Begründung wurde der Beamtengrundsatz der "Besitzstandswahrung" herangezogen. Außerdem erfasste die Stellenteilung keine anderen kirchlichen Berufsgruppen. Dafür wurden die zumeist geringeren Gehälter angeführt, die dem entgegen stünden. Und schließlich blieben (außer in der bayrischen Landeskirche) auch all jene Pfarrer und Pfarrerinnen unbehelligt, deren Ehepartner oder -partnerin in einem anderen Beruf tätig sind. Hier wäre an die Vergabe halber Stellen zu denken gewesen, wobei es freilich eine Voraussetzung gewesen wäre, eingeschränkte Dienstverhältnisse ernsthaft zu akzeptieren, was mit der ursprünglichen Stellenteilungspraxis bei Ehepaaren vermieden worden war.

Während die Landeskirchen in den neuen Bundesländern und einige in den alten die Stellenteilungspraxis nie einführten, zumindest nicht als obligatorisches Modell, bleiben die ursprünglich beteiligten Landeskirchen überwiegend bis heute dabei. Allerdings wurden in letzter Zeit Befristungen für die Teilungspflicht beschlossen. Grundsätzliche Einwände stießen immer wieder auf den Hinweis, das Arbeitslosenproblem gehe vor. Aber gerade dieses Argument war wohl nie so stichhaltig wie es seinen Verfechtern erschien. Anlässlich einer Bischofstagung der VELKD, die 1997 in Goslar statt fand, erging an den Arbeitskreis der TheologInnenehepaare in der Braunschweiger Landeskirche der Auftrag, für die Tagung etwas zum Thema Stellenteilung zu erarbeiten. Der Arbeitskreis führte unter anderem eine Befragung unter den betreffenden Paaren durch. Eine der Fragen lautete sinngemäß: Nehmen Sie an, es gäbe keinerlei Reglementierungen hinsichtlich der Art und des Umfangs ihrer Dienstverhältnisse; in welchem Umfang würden Sie Ihren Dienst wahrnehmen wollen und zu welchem Zeitpunkt würden Sie eine entsprechende Veränderung des gegenwärtigen Dienstumfangs erstreben? Die Antworten offenbarten Kritik an der verpflichtenden Stellenteilung. Gleichzeitig aber wurde deutlich, dass die meisten Paare eingeschränkte Dienstverhältnisse wünschten. Da viele der Befragten Kinder hatten, schien ihnen die Aufstockung ihres bisherigen Dienstumfangs kaum möglich. Halbe oder dreiviertel Stellen, lediglich ein kleiner Auftrag in einem Altenheim oder Krankenhaus, Teilung von Stellen jenseits des Ehepaarmodells oder auch die befristete Fortsetzung der bislang praktizierten Teilung – es gab viele Optionen. Auch kinderlose Paare oder solche, deren Kinder bereits größer waren, strebten keineswegs mehrheitlich zwei volle Pfarrstellen an. Insgesamt hätten sich in der Braunschweiger Landeskirche bei Freigabe des Umfangs der Beschäftigungsverhältnisse ein Mehrbedarf von etwa fünf Stellen während der nachfolgenden Jahre ergeben. Dies hätte bezogen auf die Gesamtzahl der Pfarrstellen etwa eineinhalb Prozent ausgemacht, während der befragte Personenkreis aus etwa zwanzig Prozent der Pfarrer und Pfarrerinnen in der Landeskirche bestand.

Der Arbeitskreis deutete dieses Ergebnis als Nachweis, dass die Pflicht zur Stellenteilung – anders als ihre Ermöglichung – arbeitsmarktpolitisch weitgehend ineffektiv ist und hoffte auf Veränderungen. Sie blieben aus. Hatte es in all den Jahren vielleicht einen anderen, unausgesprochenen Grund für die Stellenteilungspraxis gegeben als das Arbeitslosenproblem?

Vordergründig ist jener andere Grund mit den Stichworten Präsenz- und Residenzpflicht bezeichnet. Mit dem Hinweis, dass ein Pfarrer oder eine Pfarrerin nicht mit seiner oder ihrer Gemeinde leben könne, während das gemeinsame Heim mit dem Partner, der Partnerin in einem anderen Dorf, einer anderen Gemeinde steht, schienen alle Einwände beantwortet. So galt die Stellenteilung für die Ehepaare als einzig mögliche Lösung, ja als Idealfall, erfüllen die Stellenteilenden doch genau das Anforderungsprofil, das traditionell an die evangelische Pfarrersfamilie und ihre Akteure gerichtet wurde: Beide, Mann und Frau, sind ganz und gar für ihre Gemeinde da. Zugleich aber versorgen sie ihre Kinder und haben vielleicht gar noch ein wenig Zeit füreinander. Auch der - vermeintliche - moralische Makel eines "Doppelverdienstes" lastet nicht auf ihnen. Dennoch ist die Regelung modern. Das bis in die siebziger Jahre hinein gültige bürgerliche Ideal, wonach die Frauen es nicht nötig haben sollten, einer Erwerbsarbeit nachzugehen, ist überwunden. Kurzum: das traditionelle Pfarrhaus im Gewand der Gleichberechtigung war entstanden, und manchen erschien es so, als sei damit das Gerede von der Krise dieser altehrwürdigen Institution obsolet geworden.

Dass hier auf Sand gebaut wurde, war eigentlich nicht zu übersehen. Was ist von einer Lösung der durch die veränderten Rollenmuster entstandenen Probleme zu halten, wenn diese Lösung nur etwa zwanzig Prozent der Pfarrer und Pfarrerinnen erfasst, nämlich die, die sich als Ehepaare eine Stelle teilen? Was ist weiterhin von einer Lösung zu halten, wenn das ihr zugrunde liegende Problem keineswegs ein innerkirchliches, sondern vielmehr ein gesamtgesellschaftliches ist, die Gesellschaft aber keinerlei Anstalten macht, die kirchliche "Lösung" der Stellenteilung nachzuahmen? Und was ist schließlich von einer Lösung zu halten, die faktisch die Eheleute im Sinne einer Versorgungsgemeinschaft aneinander verweist und voneinander abhängig sein lässt, wenn die Emanzipationsbestrebungen der letzten dreißig Jahre den Charakter der Ehen in die entgegengesetzte Richtung verändert haben?

Meines Erachtens ist die Stellenteilung eine Art Trostpflaster für die beunruhigten Seelen, mit dem die tendenziell aporetische Situation überdeckt wurde, in der wir uns seit der Auflösung des alten Geschlechtervertrages befinden. Wenn beide Geschlechter auf einem eigenständigen beruflichen Werdegang als integralem Bestandteil ihrer Identität bestehen, zugleich aber die Institution Familie eine Chance behalten sollen, ist eben nicht nur neu zu regeln, wer die Windeln wäscht, einkauft, kocht und das Bäffchen bügelt. Vielmehr erfordert das eine vollkommen umgestaltete Arbeitswelt und neue Leitbilder – auch bei Pfarrersleuten.

Wir leben aber noch immer mit einer Berufswelt, deren Helden der omnipotente Manager bzw. zunehmend die sogenannte Powerfrau sind. Sie arbeiten zwölf bis sechzehn Stunden und sind furchtbar erfolgreich, wobei die Powerfrau den Manager in sofern überbietet als sie sich moralisch integer von verbotenen Insidergeschäften am Aktienmarkt fernhält und die gewonnene Zeit dazu nutzt, eine perfekte Mutter zu sein. Letzteres gilt als optional, zumal unter den gegebenen Bedingungen den Erfolg im Beruf und die perfekte Mutterschaft miteinander zu vereinbaren eben doch die Quadratur des Kreises ist. Da hat der Manager es schon besser, denn Vater sein, so denkt er, geht nebenbei. Nur braucht er dann eine Ehefrau eher traditionellen Zuschnitts, die ihm "den Rücken freihält".

Schien es vor zwanzig Jahren noch so als wollten die Frauen das nicht mehr tun, so ist die Lage gegenwärtig unübersichtlicher. Manche glauben an eine konservative Renaissance, seit es stiller wurde um Alice Schwarzer und die ihren. Untersuchungen wie die Shell-Studien 2000 und 2002 stellen fest, dass bei vielen Frauen, durchschnittlich im Alter von vierundzwanzig Jahren, ein Wechsel der Optionen geschieht. Hatten sie sich zuvor ihrer Ausbildung – im Schnitt mit größerem Erfolg als die Männer! – bzw. dem Beruf zugewandt, treten sie in diesem Alter zugunsten der Männer zurück. Weshalb das zu diesem Zeitpunkt geschieht, ist offensichtlich: Es ist das Alter, in dem Familien gegründet werden und die Eheleute erfahren, dass Familie und Beruf für einen von beiden, faktisch in aller Regel für die Frauen, kaum vereinbar sind. Es entspricht dem Pragmatismus der letzten ein, zwei Jahrzehnte, dass es darüber nicht so sehr zum Ruf nach gesellschaftlichen Veränderungen kam. Vielmehr lautet die Lösungsstrategie: Ich muss da irgendwie durch und für mich einen Weg finden. Die Männer halten sich fast durchgängig an die traditionellen Rollenmuster, verweisen darauf, dass es für sie keine Teilzeitarbeit gibt, die erforderliche Akzeptanz schon gar nicht, und wischen sich den Angstschweiß von der Stirn. Frauen hören vorläufig im Beruf auf, setzen aus, machen eine Pause, reduzieren, finden's im Moment richtig so, ganz für die Kinder da zu sein, belegen einen Kurs in der Volkshochschule oder bieten einen an und sagen, um sich aufzumuntern: Wer weiß, was in ein paar Jahren ist!?

Aber dass Männer und Frauen eigentlich gleichberechtigt sein sollten, ist zur Selbstverständlichkeit geworden. Das gilt für die Zugänge beider Geschlechter zu Erwerbsarbeit, Geld und Autonomie. Und eigentlich gilt das auch für die Zugänge beider Geschlechter zu Hausarbeit und Kindererziehung. Wenngleich manche Männer dieses Recht eher fürchten mögen, wird es doch als logische Konsequenz des Gleichberechtigungsgedanken kaum bestritten. Die Einsicht, dass Männer und Frauen gleiche Rechte haben, ist ebenso wenig reversibel wie die Überzeugung, dass ein Volk das Recht haben sollte, über sich selbst zu bestimmen. Nur überdecken die Realitäten die Einsichten. Die Verhältnisse sind nicht so. Und doch: dieser status quo ist im höchsten Maße instabil. Es wird anders gehandelt als gedacht.

Wie die Gesellschaft um tragfähige Lösungen noch weitgehend verlegen ist, so ist es auch die Kirche. Das ist nicht überraschend und nicht verwerflich. Bedenklich wäre nur, die Verlegenheit nicht zu verspüren. Die Stellenteilung der Ehepaare könnte uns in der falschen Sicherheit wiegen, einen Weg gefunden zu haben. Sie ist hingegen nur ein Sonderweg für eine Minderheit, die überdies nicht sehr glücklich damit ist. Die evangelische Kirche hat mit der Stellenteilung - sicher unbewusst - eine besondere Lebensform für ihre Pfarrerinnen und Pfarrer kreiert, ohne ernstliche Aussicht, dass auch andere Paare es ihnen nachtun und sich eine Stelle teilen könnten. Sicher arbeiten auch anderenorts Ehepaare zusammen, im Handwerk, im Handel. In aller Regel aber haben sie dort unterschiedliche Aufgaben. Hier und da gibt es auch anderenorts geteilte Stellen, etwa im öffentlichen Dienst, aber nicht für Ehepaare. Es wird gewiss nicht nur Vergesslichkeit sein, wenn die Kirche ihr Modell der Öffentlichkeit nicht als Lösung des Arbeitslosenproblem anzupreisen versucht hat. Es ist absehbar, dass das Verständnislosigkeit und Spott nach sich zöge in einer Gesellschaft, die Ehen heute weithin als Bündnisse wirtschaftlich unabhängiger Partner sieht.

Ehen so zu sehen, ist nicht unbiblisch. Wenn es im 1. Buch Mose heißt, dass Männer und Frauen sich einander verbinden, um "ein Fleisch" sein werden, so spielt das auf den Mythos an, der besagt, dass sich im Bündnis eines Paares die urbildliche Einheit des Menschen spiegelt. Symbiosen, die die Individualität des Partners, der Partnerin beschneiden, können damit nicht begründet werden. Vielmehr erkennt in dieser Geschichte der Mensch sich in seinem Gegenüber selbst, indem er zugleich sein Gegenüber als einen anderen, eigenständigen Menschen erkennt. Aus dem Menschen wird Adam, wird Eva. Ihr Bündnis bedingt einen Zuwachs an Individualität. An die Stelle der verschiedenen Rollen des Mannes und der Frau, die ehedem bei aller Vorherrschaft der Männer doch Ausdruck der Individualität beider sein konnten, ist heute oftmals - zumindest intentional - die Verschiedenartigkeit der Ausbildungs- und Berufswege getreten. Es ist etwas vollkommen anderes, eins zu sein als ein Fleisch als eins zu sein per Stellenteilung. Das gilt zumindest dann, wenn ein solcher Lebensentwurf nicht Ausdruck der freien Entscheidung der Beteiligten ist.

Die veränderte Situation erfordert Aufbrüche, nicht ein ängstliches Festhalten an Scheinlösungen, die dem Vergangenen verhaftet sind. Wem aber, wenn nicht der Kirche sollte es vertraut sein, dass Aufbrüche von Zeit zu Zeit nötig sind.


[Zurück] [Glaube]
Impressum und Datenschutzerklärung, http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/FS90Heintze/, Stand: 18. November 2002, dk