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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von unten Nr. 34, September 1988, Seite 7-9
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Seelsorge an Kriegsdienstverweigerern

von Alexander Knackstedt

Ich bin Seelsorger für Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistende und Pastor einer ländlichen Gemeinde. Als Seelsorger werde ich dann angesprochen, wenn meine Partner in konkreten Situationen Hilfe von mir erwarten. Was ist unter Hilfe in konkreten Situationen zu verstehen?
Nach meinen Erfahrungen trauen es Hilfe- und Beistandsuchende dem Seelsorger, wenn sie ihn ansprechen zu, daß er sich persönlich auf ihre Seite stellt und Partei für sie nimmt. Seelsorge ist darum eine Sache des Zutrauens und des Vertrauens einerseits und eine Sache der entschiedenen Parteinahme andererseits. Hilfe- und Beistandsuchende erwarten vom Seelsorger nicht immer, daß er ihre Meinung teilt, oder ihnen gar nach dem Munde redet, um so ihr Vertrauen zu gewinnen. Sie sind im Gegenteil für kritische Wegbegleitung und ein kritisches Wort dankbar, wenn es hilfreich ist. Distanzierte und "ausgewogene" Seelsorge verdient das Wort nicht, sondern würde den Hilfe- und Beistandsuchenden im Stich lassen.

Der Seelsorger muß vertrauenswürdig sein. Er ist es dann, wenn der andere die Erfahrung machen kann, daß der Seelsorger zuverlässig ist, d.h., wenn der sich stellvertretend für ihn einsetzt und dessen Sache zu seiner eigenen macht.
Der Seelsorger muß vor allem Zeit haben, viel Zeit!
Er muß unbedingt schweigen können, aber auch reden und handeln, wo und wann es geboten ist -und das ohne taktisches Lavieren. Taktische Manöver, um sich selbst zu schützen und herauszuhalten, sind das Ende des Vertrauens und damit der Seelsorge. Taktische Klugheit aber ist dort gefordert, wo es darum geht, Schaden und Unglück vom Partner abzuwenden und ihm zu helfen. Es kämen mehr Menschen zum Seelsorger, wenn sie sich auf ihn verlassen könnten, Seelsorger sollten getroster, selbstbewußter und unabhängiger sein. Diese Getrostheit könnten sie aus einem entsprechenden Amtsverständnis, das allein vom Gewissen bestimmt und an der Autorität des Wortes Gottes orientiert ist, schöpfen. Sie sollten sich nicht vor Konflikten und Widerwärtigkeiten "von oben" fürchten, sondern mutig Partei nehmen für die, die sich selbst nicht helfen können und untergepflügt werden. Eine wichtige Grundvoraussetzung in der Seelsorge in der Kirche auf dem Grunde des Vertrauens ist die Abschaffung der vorfindlichen obrigkeitlichen Strukturen in unserer Kirche. Sie sind ohnehin gegen Bibel und Bekenntnis gerichtet und darum überflüssig. Denn wo der Untertanengeist herrscht, kann nicht auch zugleich der Heilige Geist der Gottes- und Nächstenliebe wehen (vgl. Johannes 3, Vers 1-21). Eine Neubesinnung in unserer Kirche auf das Wort und das Bekenntnis ist nötig. Die Anpassung an gesellschaftliche und staatliche Strukturen und Machtverhältnisse macht sie in den Augen der Menschen, die Seelsorge nötig haben, unglaubwürdig. nEhrenamtliche Mitarbeiter und auch das notwendige Geld würden reichlich zur Verfügung stehen, wo Seelsorge konsequent im Sinne von Partnerschaftlichkeit und Mitbestimmung in der Kirche praktiziert würde.




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