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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 40 - September 1989


Langzeitsicherung atomaren Abfalls und 1. Gebot

von Hans-Martin Gutmann

Gott ist allein Gott. Israel und die Kirche sind deshalb, das Volk Gottes, weil sie bekennen: ihm allein gebührt der Ruhm und die Ehre und die Anbetung.

Das erste Gebot des Dekalogs faßt diese Forderung kategorisch zusammen: "Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter haben neben mir." Und dieses größte Gebot ist nicht allein eine Forderung: es befreit von jedem totalen Herrschaftsanspruch. Wenn Menschen übereinander und über die Geschöpfe ihrer Lebensumwelt grenzenlos herrschen wollen, wenn sie sich zu Herren des Lebens machen wollen, dann verletzen sie das erstes Gebot: sie wollen wie Gott sein. Das ist gemeint, wenn von "Sünde" geredet wird. Der Mensch will sein wie Gott.

In den Planungen zur Langzeitsicherung der Endlagerung atomarer Abfälle wird in hunderten, tausenden und zehntausenden von Jahren gerechnet. Das sind sehr unanschauliche Zahlen. Sie können anschaulich werden, wenn man sie mit Vorstellungen und Bildern bevölkert: vor 50 Jahren, als das nationalsozialistische Deutschland die Tchecheslowakei und Polen überfallen und den zweiten Weltkrieg begonnen hat, gab es noch keine Atomwaffen, keine "friedliche" Nutzung der Kernenergie. Und es ist nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn es all dies bereits gegeben hätte. In nur 50 Jahren hat sich das Herrschafts- und Vernichtungspotential der wirtschaftlichen und politischen Machtgruppen fast unüberschaubar vermehrt.

Und als Christen kennen wir noch andere Bilder, die uns unanschaulich lange Zeiträume anschaulich machen: Vor 2000 Jahren wurde Jesus von Nazareth am Kreuz hingerichtet. Vor 3000 Jahren hat Gott sein Volk Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft befreit.

Wer die Zeit in tausenden und zehntausenden von Jahren vorausplanen will, wie dies in der Endlagerungsplanung atomaren Abfalls geschieht, der handelt blasphemisch gegenüber dem Gott der Bibel. "Meine Zeit steht in deinen Händen", sagt der Beter des 31. Psalms. Und diese Gewißheit gibt ihm eine Orientierung, die es ihm ermöglicht, seine Feinde zu bannen und für das Leben einzutreten.

Unsere Zeit ist in der Hand Gottes. Gott hat die Zeit eröffnet und die Welt als Raum seines Freundschaftsbundes mit den Menschen und allen Lebewesen der Lebensumwelt erschaffen. Gott hat sich in der Mitte der Zeit in Jesus von Nazareth mit uns Menschen gemein gemacht. Und wir hoffen am Ende der Zeit auf das Reich Gottes, in dem alle Tränen abgewicht werden und in dem wir alle als Gottes freie Kinder zusammen leben werden.

Gott, der Gott des Lebens gegen den Tod, schenkt uns jetzt die Zeit, für das Leben gegen die Macht des Todes einzutreten. Wir können aufstehen gegen die wirtschaftlichen und politischen Machtgruppen, die sich zum Herrn der Zeit und des Lebens aufschwingen. Gott ist allein Gott. Das befreit uns zum mutigen Bekennen und Handeln gegen die wackelnden Götzen.




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