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Kirche von Unten Nr. 41 - November 1989
NEUES FORUM UND EVANGELISCHE KIRCHE IN BLANKENBURGvon Dietrich Kuessner
Eine Fahrt in das ehemals braunschweigische Blankenburg am Harz durch die Dörfer und Städte des grenznahen Bereiches Halberstadt, Quedlinburg, Haldensleben ist zur Zeit besonders spannend. "Gebet für unser Land Mittwoch 19.00" ist an der wuchtigen Martinikirche in Halberstadt plakatiert. In der über Mittag geöffneten Kirche liegt ein mühselig hektographiertes Flugblatt und eine Unterschriftenliste vom NEUEN FORUM. Am Infotisch Diakon Beck, der uns erzählt, wie die Kirche wöchentlich mit vielen hundert Menschen zu Gebet und Protest gefüllt ist. Ihren Protest haben die Teilnehmer an einer großen Zettelwand verewigt. Die Besucher über Mittag studieren die Wünsche und flotten Sprüche: "Visafrei bis nach Hawai", "Schluß mit den Delikatläden". Die Martinikirche wird vom Kirchenvorstand des herrlichen hochgotischen halberstädter Domes mitverwaltet. Dieser hat sich mehrheitlich geweigert, den Dom für solche politischen Sachen freizugeben, auch nicht die Winterkirche für die Arbeit der vom NEUEN FORUM gegründeten Ausschüsse. Die drei ordinierten Mitglieder des Kirchenvorstandes sind geteilt: einer dafür, einer dagegen, die Pastorin zurückhaltend. Als wir wieder nach draußen treten, sehen wir Kerzengekleckere noch in 10o m Entfernung auf den Straßen. Nach dem "Gebet für unser Land" (halberstädter Lokalpresse :"Gebet für unser Vaterland") waren 10.00o Teilnehmer mit Kerzen zum Hauptplatz gezogen. In Blankenburg erzählt mir ein Betriebsleiter eines Halberstädter Betriebes: "Die wollen jetzt Blut sehen". Er sei noch nie zu so einer Andacht gegangen. Kirche sei für den Gottesdienst da. Alles sei zu emotional, und ohne die fachlich qualifizierten Leute, die es auch bei der SED gäbe, ginge es überhaupt nicht. Er selber war nie der SED beigetreten. Jetzt aber müßte mit den Diskussionen im Betrieb langsam Schluß sein. |