Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube

[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 42 - Dezember 1989


OFFENE GRENZEN - KIRCHE IN BEWEGUNG

Bericht von Bettingerode
Klaus Pieper, Pfarrer in Bettingerode

Die Mauern um Stapelburg sind gefallen - wie einst die Mauern von Jericho", sagte Pastor Klaus Pieper am Sonntag, dem 12.11.1989, dem Tag nach der Eröffnung des Grenzübergangs Eckertal - Bad Harzburg in der Stapelburger Kirche.

Pastor Rüdiger Goerke aus Stapelburg erinnerte daran: "Vor 2 1/2 Monaten konnte die Delegation Eurer Gemeinde nur bis vor das Sperrgebiet kommen und wir trafen uns in Veckenstedt. Damals haben wir inbrünstig den Kanon gesungen: "Wenn einer allein träumt, so ist es nur ein Traum, wenn viele gemeinsam träumen, so ist es der Beginn einer neuen Wirklichkeit; träumt unseren Traum."

Rund 250 Menschen etwa zur Hälfte aus der DDR und dem Harzbanger Raum, waren zu dem am Sonntag früh spontan angesetzten Gottesdienst in die Stapelburger Kirche geströmt. Diakon Dreß war mit einem Harzburgen Posaunenchor gekommen und hatte gemeinsam mit dem Stapelburger Posaunenchor zwar nicht die Mauern zum Einsturz gebracht - wie einst in Jericho - sondern die Lob- und Danklieder der Gemeinden begleitet. Beim ersten Lied "Nun danket alle Gott" standen alle auf und sangen ergriffen mit, auch ein hoher Volkspolizeioffizier und ein Mitglied des Rates der Gemeinde.

Bewegend waren vor allem aber die Beiträge der Gottesdienstteilnehmer: "Zum ersten Mal habe ich nach 28 Jahren am Grabe meines Vaters gestanden." "28 Jahre waren wir hier nach Ost und West eingesperrt, kein Westler durfte hierher, und auch nur wenige DDR-Bürger. Ihr könnt es nicht erfassen, was dieser Tag für uns bedeutet." "Wir haben endlich die ständige Angst verloren und wagen frei zu reden!" "Aber nun bleibt dran: Seid in Euren Schulen, Gewerkschaften, Betrieben soe frei und mutig wie hier heute Abend. Es geht in diesen Wochen um alles." "Die Menschlichkeit der Volkspolizisten und Grenzsoldaten, ihre fröhliche Offenheit ist mit das Größte." "Als ich gleich hinter der Grenze Pastor Pieper sah, fühlte ich mich gleich sicher und gut aufgenommen."

Seit dem Westeröder Kirchweihfest Pfingsten 1988 war der lange angebahnte Kontakt zwischen den Gemeinden Abbenrode und Stapelburg und Bettingerode/Westerode intensiviert worden. Damals hat völlig überraschen3 Pastor Goerke die Besuchserlaubnis erhalten.

In vielen Gemeinden der DDR und der Bundesrepublik sind in den Jahrzehnten der Trennung die Kontakte geknüpft, gehalten und intensiviert worden. Was in Jahrzehnten ersehnt, erhofft, erbeten wurde, ist nun Wirklichkeit geworden.




[Zurück] [Glaube] [Helfen]
Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu042/offenegrenzen.htm, Stand: Dezember 1989, dk