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[Kirche von unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Meins Herzens Kron, mein Freudensonn, sollst du , Herr Jesu bleiben

Der Einführungsgottesdienst von Bischof D. Krause vom hohen Chor aus erlebt von Dietrich Kuessner

Der Platz reichte nicht. Wenn das der Georg Weißel wüßte. Dieser hatte zu seiner Einführung als Pfarrer ins Pfarramt an der Altroßgärter Kirche in Königsberg vor vielen vielen Jahren dieses schöne Lied gedichtet, das wir ( noch ) unter

der Nummer 249 finden und das so anfängt: "Such, wer da will, ein ander Ziel, die Seligkeit zu finden''. Die Gemeinde im Dom zu Braunschweig brauste, abwechselnd begleitet von Posaunen und Orgel, die ersten drei Strophen dieses weithin bekannten Liedes am Freitagnachmittag, dem 3. Juni, zur Einführung des siebenten Braunschweiger Landesbischofs vom ausgedruckten Programm ins Domgewölbe, mußte zur vierten Strophe das Programm umblättern und siehe

siehe da! sie war geköpft! Die vierte Strophe war geköpft. Die ersten zwei Zeilen fehlten: "Meins Herzens Kron, mein Freudensonn sollst du Herr, Jesu bleiben", waren irgendeinem technischen Fehler zum Opfer gefallen. "Laß mich doch nicht von deinem Licht durch Eitelkeit vertreiben" sang die Festgemeinde unverdrossen das unvollständig Ausgedruckte. Da merkte OLKR Grefe einen sanften Stoß in seine Rippen, und Frau Pastorin Böttger-Bolte, die ihm denselben versetzt hatte, zischte ihm zu: "Da fehlen zwei Verse". Auch hinten irn hohen Chor der Brüder vom Dorfe wurde die Kopflosigkeit vermerkt, aber ab "Bleib du mein Preis" war die alte Sing- und Schlachtordnung wiederhergestellt. Macht nichts! Macht wirklich nichts, wenn nicht Landeskirchenrat Hampel vor der Hohen Synode Besuch und Ablauf dieses Festgottesdienst in den Stand der Heilsnotwendigkeit versetzt hätte. Und das wäre doch peinsam, wenn ausgerechnet in diesem Gottesdienst kein Platz wäre für Jesus, die Freudensonn und Herzenskron.

Die Braunschweiger Pfarrschaft bot nicht mehr das Bild der "schwarzen Front" wie noch vor zwölf Jahren, als Bischof Prof. Dr. Müller am selben Ort in sein Amt eingeführt worden war. Damals hatte es in der Verfügung des Landeskirchenamtes ausdrücklich geheißen, rnan habe gefälligst im schwarzen

 

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Talar zu erscheinen und zwar ohne Ausnahme. Das hatte manchen abgeschreckt. Dieses Mal sah man schon unter den Pröpsten Buntes: Jürgen Grote, stellvertretender Propst von Salzgitter - Lebenstedt trug zum weißen Talar eine weiße Stola, wie es zu Trinitatis angesagt ist. Heinz Fischer, Propst von Helmstedt trug zum weißen Talar eine rote Stola angesagt zu "hohen Kirchenfesten", auch andere Brüder trugen Weißes, vor allem aber die Amtsschwestern verunsicherten mit gewagten Kragen ( glatt, Gehäkeltes, spitz und rund geschnitten ) das erwartete Bild, was sogar dem katholischen Generalstaatsanwalt im Kirchenschiff auffiel, der dann während des ouverturelangen Einzugs sachdienliche Antwort vom synodenvertrauten juristischen Kollegen erhielt. Es gab auch Komisches: Beffchen und Stola. "Weiß wäre phantastisch", hatte jemand aus dem Referat 22 aufgeschnappt, und damit waren die Schleusen geöffnet für den Textilpluralismus. Also: bunter Dom und bunte Kirche. Anders als in der Marienkirche bei der Einiührung des Berliner Bischofs blieben hier die Domtüren geöffnet. Man hörte den Krach des Verkehrs, schreiende Kinder, das war gut. Einladende Kirche. Nicht ( auch nicht fürs Fernsehen ) sich abschließende Kirche. Ein erster freundlicher Wink. Offene Kirche.

Als der alternde sonny boy unter den lutherischen Bischöfen, Horst Hirschler, in seiner Einführungsrede sich kirchengeschichtsvergleichend durchaus zutreffend zur Braunschweiger Kirchenlage äußerte, verglichen mit der Zeit vor 130 Jahren befände sich die Braunschweiger Landeskirche in einer "mittleren Erweckung", freundliches Lachen. Lachende Kirche.

Von den Altbischöfen sah man Harms, Oldenburg, Wilckens, Lübeck, Lohse, Hannover, Hanselmann,München, Hempel, Dresden, Kruse, Berlin, Heubach, Bückeburg, Heldt, Bielefeldt. Zum ersten Mal gab es im Dom langen Beifall, als OLKR Becker den Braunschweiger Altbischof Gerhard Heintze begrüßte, der mit seiner Frau aus Stuttgart gekommen war. Es waren die Kollegen des sich verabschiedenden Bischofs Prof. Dr. Müller. Aus dem Kreis der Kollegen des neuen Braunschweiger Bischofs waren u.a. außer Hirschler gekommen Bischöfin Jepsen, Hamburg, Kohlwaage, Lübeck, Natho, Anhalt, Renz, Eisenach, Kress, Dresden, für die Nachbarkirche Provinz-

 

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sachsen Pröpstin Mücks aus Halberstadt und für die EKD der Ratsvorsitzende Engelhardt, Karlsruhe. Aus diesem Kreis jedoch ragten sichtlich heraus der indische Bischof Gnanabaranam Johnson, Direktor Rajaratnam aus Madras und aus der japanischen Partnerschaftskirche der Vizepräsident und Pfarrer in Hiroshima Ben Mori samt einer Reihe japanischer Pfarrer hervor.Der unscheinbarste und vielleicht einflußreichste aus der Ökumene war der ehemalige Generalsekretär des Südafrikanischen Kirchenrates Wolfram Kistner, Bure von Herkunft und doch im schwarzen Kirchenrat Generalsekratär, Mitverfasser des Kairosdokumentes, dem vielleicht bedeutendsten Bekenntnis in unserem Jahrhundert nach der Barmer Erklärung von 1934. Also: außer offener und schmunzelnder auch prominente Domkirche. Dazu gehörten natürlich auch vieles andere Prominente: Wie fühlt man sich, Frau Parlamentspräsidentin Süßmuth nach zwei Stunden Gottesdienst zum Wagen begleiten zu dürfen? Na also! Sowas entschädigt für manche Enttäuschung. Die Frauen vom Vorstand des Kirchentagspräsidiums Annemarie Schönherr und Erika Reihlein und die neue Generalsekretärin Margot Käßmann gehörten neben den Männnern v. Hentig und Ernst Benda zum Kirchentagsaufgebot, das dem Bischof zum Abschied ein Fahrrad geschenkt hatte, und wir empfehlen die Radstrecke Braunschweig - Wolfenbüttel an der Oker entlang über Melverode, jedenfalls so lange der neue Bischof zum Übergang noch im Predigerseminar wohnen muß. Benda hatte bei seinem kurzen Grußwort die Lacher auf seiner Seite, als er dem Kirchentag etwas von der Ordnung der Kirche und der Landeskirche etwas von der Unordnung des Kirchentages wünschte. Wohlan!

Ansonsten war die Idee, die Grußworte im Dom sprechen zu lassen, ausgesprochen unglücklich. Man verstand im Dom hinten nichts und vorne auch nichts. "Liegt das an meinen alten Ohren?", fragte Heintze seinen Nachbarn in der ersten Reihe. Er konnte beruhigt sein, auch OLKR Grefe verstand in derselben Reihe nur wenig. Das lag an der Undiszipliniertheit der Redner am Mikrophon. Engelhardt, BöttgerBolte, Müller und auch Weihbischof Machens - da kam was an und rüber. Es lag bei uns hinten auch an den Lautsprechern, die sinnigerweise auf der Erde lagen und den Laut an das

 

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Gewölbe warfen. "Eine der besten irdischen Gaben, die Gott seiner Kirche in Gnaden geschenkt hat, ist das Mikrophon", hatte Hanns Lilje im Sommer 1952 im Informationsblatt für die niederdeutschen lutherischen Kirchen beim Rückblick auf die ersten Massenkundgebungen während der Lutherischen Weltbundtagung in Hannover geschrieben. Diese Gabe Gottes wurde hier leider verschmäht. Das Meiste war daher Phonsalat, was zu Ärgernissen führen könnte. Hattte Minister Wernstedt wirklich gesagt, er sei sowas wie ein Kirchenminister . Das wäre zu klären, denn der für das Kirchenrecht zuständige Oberlandeskirchenrat Niemann pflegt neuerdings laut und wiederholt ein so vorsintflutliches "Staatskirchenverständnis", das auch einen "Kirchenminister" durchaus denkbar erscheinen läßt. ( Siehe dazu den Bericht über die letzte Sitzung der Landessynode in diesem Heft). Phonsalat- Gedankensalat, es sei denn, es kam was Bekanntes, wie z. B. die biblischen Lesungen. Aber was plagte eigentlich Propst Kraft, die schöne lutherische Fassung der Nikodemuslesung in der agendarischen Abgrenzung zu verändern? Und warum überhaupt die Lesungen von Trinitatis und nicht vom kommenden Sonntag oder vom Tage? Vielleicht weil die a.t. Lesung für den l. Sonntag nach Trinitatis das Credo Israels, das Sch.ma aus 5. Mose 6,5 ff ist, und die Braunschweiger Landeskirche bereits hinter seinem Zweiten Juristen Dr. Robert Fischer theologisch hinterherzockelt, der in idea die schmutzige Frage aufwirft, ohne daß das die meisten in unserer Kirche überhaupt noch rührt "Haben wir denn etwa denselben Gott wie die Juden?" So ausgedruckt in idea!! Daß Frau Loseries in die Lesungen einbezogen war, war ein gutes und bei uns immer noch nicht überflüssiges liturgisches Signal an die Brüder von Bibel und Bekentnnis, die ja zum größten Teil in diesem Gottesdienst~ unsichtbar blieben ( Jühnke, Gozdek, Büscher, Greve, Leyrer). Daß als einzige aus der Pfarrerschaft nun auch noch eine Pastorin zu einem biblischen Segenswort gebeten war ( Böttger-Bolte, Schöningen), war ebenfalls ein wichtiger und leider noch immer nicht selbstverständlicher Hinweis auf die Aufgabe, Frauen und Männer im geistlichen Stand und Dienst zusammenzuführen.

Bischöfin Jepsen war aus diesem Grunde zur Einführung als Assistentin eingeladen worden. Ich fand es schade, daß

 

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erst ziemlich am Ende des Empfanges im Landesmuseum die Hamburger Bischöfin ihrem Kollegen Krause eine schöne, bunte Stola umlegte mit dem Hinweis, daß "mannigfaltige Gaben" auch übersetzt werden könnte mit "bunten Gaben". Schade, daß das so nebenbei geschah. Sowas hätte gut auch in den Ritus des Gottesdienstes gepaßt.

Der Dom und die Liturgie ist ein Sonderkapitel der Braunschweiger Kirchengeschichte. Aber es fällt den auswärtigen Gästen auf, wie sich jemand am Altar umdreht (cor ad altare). Dem lieben Gott ist das bestimmt piepschnurz, und der macht dafür auch kein Proseminar. Also bißchen Unordnung am Altar macht auch nichts.

Bischof Krause dankte am Schluß Chor und Orchester unter Helmut Kruse, die dem Gottesdienst mit der Bachschen Messe in F das liturgische Gerüst gaben und den Bläsern unter Siegfried Markowis, die der Begleitung einen frischswingenden Ton gaben (wobei man Intonationen wirklich so einleiten sollte, daß die Gemeinde weiß, daß sie noch nicht anfangen soll) und der ganzen Gemeinde für das Mitmachen. Ein Hauch von Kirchentag wehte durch den Dom nicht erst beim Schlußlied, "Komm, Herr, segne uns," auch "Geh aus mein Herz" ließ die Kirchenherzen höher schlagen und gab der natürlich auch unvermeidlichen Promiveranstaltung einen volkstümlichen, gemeindenahen Charakter. Zaghaft wagte sich auch mancher in die tieferen Stimmlagen, als das Glaubensbekenntnis nach russisch orthodoxer Tradition und das Kyrie nach den jeweiligen Fürbitten vierstimmig gesungen wurden: ein Vorgriff auf das neue Gesangbuch, das ja zum vierstimmigen Gesang einlädt. Da hätte man in diesem Festgottesdienst sogar etwas mutiger sein können. So war denn, auch ohne daß die Gemeinde es sang, Jesus die F reudensonne dieses zweistündigen Gottesdienstes.

Danach war noch beim Stehkonvent im Landesmuseum Gelegenheit zum small talk und shake hands und Blickkontakten. Das Kollegium von 1980 war da: die OLKR Kaulitz, Bluhm und Wandersleb. Bei solchen Gelegenheiten wird auch Geschäftliches gefördert: Wolfgang Erk vom Radiusverlag, Stuttgart bastelte weiter an dem von ihm verlegten Band "Assoziationen zu den Sprüchen Salomos", das von Christian Krause herausgegeben wird. Im Franziskussaal war für die

 

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auswärtigen Gäste noch zum Abendbrot gedeckt, das durch eine launige Rede von Gerhard Heintze gelockert wurde, der Krause nun als seinen Enkel im Bischofsamt bezeichnete, was Krause zur Replik verführte und Heintze als "Lieber Opa!" ansprach. Heintze, der bekanntermaßen einen sechsten Sinn für Datenangaben hat, wagte einen weiten Blick an das Ende der Krauseschen Bischofszeit. Krause werde am 6. Januar 2005 65 Jahre alt; wenn er wie Müller dann zum Monatsende auszuscheiden gedenke, sei das der 31. Januar, ein Montag und zwar der Montag nach Sexagesimä mit dem Wochenspruch: "Heute, so ihr seine Stimme höret, so verstocket euer Herz nicht", womit wenigstens dieses Textproblem gelöst wäre. Vielleicht ergeben sich auch noch einige dazwischen.

 


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