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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 95, April 2000, Seite 28-30
(Download als pdf hier)


KIRCHE UND KOHL: ABSOLUTION OHNE REUE

von Kurt Dockhorn

Die EKD möchte "den Aufklärern Respekt zollen" (Frankfurter Rundschau 31.1.00). In ihrer Erklärung zum Spendenskandal der CDU und der dadurch ausgelösten Krise des Parteienstaates spricht sie davon, daß Gesetze "durchbrochen", nicht etwa gebrochen wurden. Gewarnt wird vor einer "kollektiven Pauschalisierung man will also dem System CDU, dem seinem Selbstverständnis nach naturgegebenen Sachwalter des Staates, nicht zu nahe treten, ihm ja nicht weh tun. Den "Aufklärern" wird Respekt bekundet, "sie bezeugen damit den Vorrang der Treue zum Gemeinwesen vor der Loyalität zur Partei". Wenn man bei diesem Satz nicht Naivität und Dummheit unterstellen will, bleibt nur die Interpretation, daß die EKD ihre Loyalität zur CDU über die "Treue zum Gemeinwesen" stellt. Sicherlich wird sich die CDU über solche Reinwaschung durch die obersten Seelsorger der Nation freuen, wenn denn der Partei mit dem C etwas an der Kirche läge. Unbedrängt erteilt die Kirche Persilscheine, an Herrn Koch zum Beispiel, den "brutalstmöglichen Aufklärer", dem offenbar das Lügen selbst zum Mittel der Aufklärung geworden ist. Oder an Herrn Schäuble, der ungeachtet aller Dubiosität seiner Beiträge in der Sache am 23. Februar in der Marktkirche zu Hannover ausgerechnet über das Thema "Protestantismus und politische Kultur" referieren durfte, wo er mit seiner Frage ins Publikum hinein: "Ist jemand in dieser schönen Kirche, der noch nie gelogen hat?" die Solidarität des "Wir sind doch allzumal Sünder" einforderte, ohne daß Bischöfin Käsmann, die die Veranstaltung moderierte, ihn in den staatspolitischen Kontext zurückgeholt hätte. Es ist wohl nicht gemeint, sondern nur so daher geplappert,

wenn die EKD-Erklärung "genaues Hinsehen, kritisches und präzises Unterscheiden" anmahnt. Ferner singt die Erklärung das Hohelied auf die Demokratie, was immer das in diesem Lande ist, die allein in der Lage sei, politisches Fehlverhalten aufzudecken und zu bewältigen. Keine Silbe darüber, daß der sogenannte Skandal erst durch Bekanntwerden zum Skandal wird, ansonsten aber system-immanent business as usual ist. Schließlich darf das christliche Menschenbild nicht unzitiert bleiben. Ist es doch ganz nahe an der Demokratie dran, denn beide wissen, daß "Menschen in politischen Ämtern Versuchungen ausgesetzt sind". Abgesehen von der Voreiligkeit und Peinlichkeit dieses Hirtenwortes zum Alltag hierzulande, es zeigt sich wieder einmal: Was immer die Kirche öffentlich aufgreift, es dokumentiert aufs neue ihre Unerheblichkeit. Das Anliegen dieser Erklärung ist die Schonung der CDU, ihr Geist reflektiert die Unterwerfung der Kirche unter den Parteienstaat - sie lebt ja ganz gut von und mit ihm - und die einzige Hoffnung gegen das System, die Zivilgesellschaft, bleibt ein Fremdwort in dem Text. Publik Forum (4/2000) konstatiert bei der Deutschen Bischofskonferenz, den evangelischen Landesbischöfen und der Theologieprofessorenzunft beider Konfessionen gezielte "Leisetreterei" und nennt als Grund: "Kohl hätschelte die hohen Kirchenmänner. Nun, da sich zeigt, daß das System Kohl auf Rechtsbruch baute, schweigen die wortgewaltigen Kirchenführer - dröhnend".

Wie eine Ehrenrettung der Kirche wirkt da die Stellungnahme des Oldenburger Landesbischofs Krug (dpa-Meldung vom 17.2.00). Er sprach von der "Dummheit beim Pokern zwischen Aufklärung und Verschleierung" und von der "Frechheit beim scheibchenweisen Zugeben von kalkuliertem Versagen".

Ein Blick auf unsere Region schließlich bestätigt, daß die Landeskirche zwischen Harz und Heide - wegen der bekannten intimen Verflechtung von CDU und Kirche? - das große Schweigen im Walde übt. Gibt es ein Wort der Kirchenleitung oder des Landesbischofs? Fehlanzeige. Gibt es in der Stadt Braunschweig ein Wort zur Sache von der Personalunion Armin Kraft? Doch, es gibt, und zwar ein Meisterwort, wie wir es kennen und lieben, in dem geredet wird, ohne etwas zu sagen. Der Propst hat in der Neuen Braunschweiger vom 20.2.00 Kohls Unwort des Jahres, das "Ehrenwort" aufgegriffen - mit einem Exkurs ins Bildungsbürgertum: Thukydides wird zitiert, Plato darf nicht fehlen, ebenso wenig Abraham a Santa Clara (Krafts "theologischer Kollege", hoho, sicherlich wegen der Wortgewalt!), und bei Oswald Spengler (nein, nein, keine Angst, der CDU-Skandal ist noch müht der Untergang des Abendlandes) ist immer noch nicht Schluß mit den gebildeten Zitaten. Exemplarisch, wie hier klassisches Bildungsgut zum Thema Ehre eingesetzt wird, um scheinbar eine Begriffsklärung herbeizuführen, in Wirklichkeit aber abzulenken von dem Ungeheuerlichen, daß angebliche Demokraten jederzeit übergesetzliches Handeln für sich in Anspruch nehmen und das normal und in Ordnung finden




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