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[Kirche von unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

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Die Aufgebsynode Mai 2000

von Dietrich Kuessner

Die Landessynode hat sich selber aufgegeben. Es läuft nichts mehr, die Dinge werden nicht mehr auf den Tisch und auf den Punkt gebracht, die Resignation, was zu bewegen, ist groß. Stagnation allüberall. Viel Zeitverschwendung, viel Leerlauf, viel Belauern, das einzige Reformgesetz, die zeitliche Begrenzung der Ämter der juristischen Oberlandeskirchenräte, wurde auf die Novembersynode verschoben. Es waren nicht mehr genug Synodale für ein verfassungsänderndes Gesetz da.

Wer die Tagesordnung durchlas, wusste genau, dass gehetzt werden musste. Allein der Bericht der Kirchenregierung mit den 240 Seiten starken Anlagen über die Situation unserer Landeskirche und deren Diskussion hätte bei gründlicher Beratung wenigstens einen halben Tag eingenommen. Es stand jedoch vor allem das Thema „Ehrenamtliche und Hauptamtliche„ für eineinhalb Tage zur Beratung und Gruppenarbeit zur Verfügung. Und dann noch andere wichtige Gesetze: die zeitliche Begrenzung kirchenleitender Ämter, die Brüdernkirche, eine Änderung des Kirchensteuergesetzes und vieles anderes. Der Synodenpräsident hatte daher in der Kirchenregierung die Idee geäußert, den Bericht der Kirchenregierung auf einer gesonderten Sitzung der Landessynode vorzulegen. Die Idee wurde verworfen: dann käme überhaupt keiner mehr. Der Gemeindeausschuß hatte schon vor einem Jahr in einem Brief vom 18.6.1999 an den Präsidenten der Landessynode die fehlende Diskussion nach den Referaten beklagt. Die Weitergabe von Gruppenergebnissen als Synodalpapiere an die Gemeinden sei unter diesen Umständen unangebracht. Alles in den Wind gesprochen und geschrieben. Die Katastrophe kam sehenden Auges.

Der Präsident gab eingangs bekannt, dass acht Synodale die ganze Tagung über fehlen würden, andere „nur„einzelne Tage. Wir sind insgesamt 57 Synodale. Wenn ca 12 täglich fehlen, zeigt das die Wertschätzung der Synodalarbeit durch die Synodalen selbst an.

Das Grußwort des leitenden Bischofs der VELKD Knuth war besonders langatmig und langweilig. Er informierte uns über die Funktionen der VELKD, lobte über den grünen Klee die Braunschweiger VELKD Synodalen. Man konnte annehmen, ihm sei zu Ohren gekommen, dass der Sinn der VELKD von einem Teil der Landessynode öffentlich bezweifelt werde. Frau Biersack und Herr Fürst hatten sich deutlich in dieser Richtung früher geäußert. Sie haben recht: die VELKD leistet keine zukunftsweisende theologische Arbeit und ist ein Organisationsfossil aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die Anregungen der VELKD Generalsynode in Braunschweig zur Situation der Jugendlichen waren einfach lächerlich. Das liest sidh die Shellstudie sehr viel kompetenter. Interessanter war das Grußwort aus der provinzsächsischen Synode. Herr Runge berichtete von den Annäherungsversuchen der thüringi-

 

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schen und der provinzsächsischen Landeskirche. Das ist deshalb interessant, weil sich eine unierte und eine lutherische Landeskirche annähern. Die Kirchen in der ehem. DDR hatten ja längst die konfessionalistischen Gräben überwunden und waren nur aus Liebe zum Geld aus den BRD Kirchen nach 1990 wieder in die alten vorsintflutlichen Strukturen zurückgefallen.

Noch vor dem Abendbrot wurde von Frau Dr. Sichelschmidt der Gesetzentwurf „zur zeitlichen Begrenzung kirchenleitender Ämter„ eingebracht. Das Gesetz sieht vor, dass nichtgewählte theologische Oberlandeskirchenräte ins Pfarramt zurückgehen und nicht wieder gewählte juristische Oberlandeskirchenräte in den Ruhestand versetzt werden. Der Finanzausschuss hatte sich das durchgerechnet und für vertretbar gehalten. Der Entwurf hatte alle zuständigen Gremien passiert. Es konnte eigentlich nichts Unvorhergesehenes mehr passieren und es passierte doch. Frau Oberlandeskirchenrätin Dr. Sichelschmidt versah nämlich die Einbringung mit einer deutlich ablehnenden, persönlichen Wertung. Durch das Gesetz würde eine OLKRStelle nicht attraktiver, eine Kontrolle durch die Landessynode sei mit diesem Gesetz nicht gegeben und „Was ist eigentlich mit dem Amtsverständnis los?„ Das war nun starker toback. Sehr starker sogar. Die Aufgabe der Rechtsreferentin ist die Einbringung. Persönliche Wertungen kann sie in der Debatte einbringen aber nie und nimmer im Zusammenhang mit der Einbringung. Das war nicht nur ein Stilbruch und hätte vom Synodenpräsidenten sofort unterbunden werden müssen. Der aber war selber gegen diesen Gesetzesentwurf. Es bestärkte also seine eigene Position. Aus meiner Sicht ein klarer Bruch der Geschäftsordnung. Der gerade frisch pensionierte Oberkreisdirektor von Wolfenbüttel Dr. Koneffke, der von Gesetzeeinbringen eine Ahnung, schäumte. Aber er sagte es nicht öffentlich, sondern ließ den Dampf in der lobby beim Kaffeetrinken ab. Das Gesetz wurde in 1. Lesung mit sehr großer Mehrheit angenommen. Zwei Gegenstimmen: die von Eckels und von Karius, zwei Enthaltungen, darunter von Propst Schinke. Die Aussichten für die 2. und 3. Lesung am Sonnabend wurden als kippelig eingeschätzt.

Aus meiner Sicht hat der Gesetzesentwurf den erheblichen Schönheitsfehler, daß er das Bischofsamt ausdrücklich von der Regelung ausnimmt. Das ist sehr sehr schade. Hier wäre ein Wink vom Landesbischof vielleicht hilfreich gewesen. Schon Bischof Heintze hatte sich von 30 Jahren immer wieder für die zeitliche Begrenzung auch des Bischofsamtes stark gemacht. Leider vergeblich. Jetzt wäre es einen neuen Versuch wert gewesen. Aber der Zeitpunkt ist verpaßt. Es ist die Frage, wie die Novembersynode entscheiden wird, und wie, wenn der Entwurf abgelehnt wird, sich das auf die Willensbildung der Synode, wenigstens das Amt der theologischen Oberlandeskirchenräte zu begrenzen, auswirken wird. Die Befürchtung ist nicht unberechtigtr, daß das Landeskirchenamt mit voller Kraft gegen dieses Reformgesetz steuert.

Nach dem Abendbrot: top 6.1 „Einbringung des Lage- und Tätigkeitsberichtes. Berichterstatter: Landesbischof Krause.„ Ich hatte Herrn Radke, den Protokollführer, gefragt, ob wir die schriftliche Ausfertigung des Berichtes wie-

 

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der erst hinterher kriegen oder doch schon lieber vorher. Dann kann man mitlesen und besser in die Debatte einsteigen. Wir bekamen nichts, weder vorher noch hinterher. Es gab keinen schriftlichen Bericht der Kirchenregierung, den der Bischof vortragen konnte. Das war nun nicht nur ein historischer Einschnitt seit den letzten 55 Jahren, sondern ich empfand ihn als einen die Synode gezielt beleidigenden und herabsetzenden Vorgang. Über die Gründe konnte man nur spekulieren: interessiert den Bischof nicht mehr die Landeskirche? Brennt ihm nichts mehr im Hinblick auf unsere Landeskirche auf den Nägeln? Fühlt er sich nicht genügend angenomen und verstanden? Oder ist ihm die Landessynode zu kritisch? Fest steht: sowas hat es bisher nicht gegeben! Aber keiner regte sich auf. Das fanden alle ganz normal. Die Synode bestand nicht auf ihrem Recht, einen ordentlichen, fleißígen Bericht der Kirchenregierung zu bekommen. Der Bischof hätte ihn ohne weiteres am nächsten Tag nachliefern können. Es interessierte die Synodalen auch nicht mehr. Diese Interesselosigkeit ist die Folge der völligen Kontaktlosigkeit.

Die Gründe können aber auch ganz woanders liegen, nämlich bei der Landessynode selbst. Ich habe es ja selber erlebt, wie unpräpariert die Landessynodalen auf diesen Tagesordnungspunkt reagiert haben. Sie hatten jeweils die oft über 100 Seiten langen Anlagen zum Tätigkeitsbericht erhalten und hätten sich auf spezielle Punkte vorbereiten können. Was passierte? Die meisten hatten die Anlagen gar nicht gelesen. Oft genug hatte ich in den vergangnenen Jahren die Seiten zitiert und gebeten, die Synodalen mögen den umfangreichen Bericht doch wenigstens aufschlagen! Diesmal tat es keiner. Keiner und Keine!

Die ganze Schreibarbeit der Werke und Referate war also für die Katz. Ein ungeheurer Energieverschleiß und Kraftaufwand für nichs! Das sollten sie sich nicht noch mal bieten lassen.

Wie oft hatte ich gebeten, die Debatte über den Bericht und seine Anlagen sollte ordentlich strukturiert werden. Erst sollten die Auschußvorsitzenden die Gelegenheit erhalten, dann die Vorsitzenden der Arbeitsgruppen also Propst Hartig, Rektor Bengsch und Prof. Dr. Neander, dann wir das Fußvolk. Alles in den Wind: unpräparieret und wie stumme Hunde. Die Synode am Ende. Hier hätte ein interessiertes und engagiertes Moderieren des Präsidiums im Hintergrund vielleicht Abhilfe schaffen können, aber es war nichts.

Um diesem schäbigen und erbärmlichen Zustand ein Ende zu bereiten, war schon vor zwei Jahren die Idee entstanden, mit einem Podiumsgespräch gewisse Schwerpunkte zu setzen. So war es auch dieses Mal geplant. Als Schwerpunkte wurden vorgetragen: die Personalsituation, die Jugendarbeit, die Ost-Westproblematik (eigentlich sollte die Propsteireform aus der sicht der Pröpste dran sein), die charismatischen Gemeinden. Das war als Fortschritt für faule Synodale gedacht. Nun wurden sie außer den umfangreichen Anlagen mit statements abgefüttert und durften Fragen stellen oder sich zusammenhängend äußern. Das entband jedoch die Kirchenregierung nicht, sich zu den anderen Problemfeldern unserer Landeskirche zu äußern.

 

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Der Bischof also trat an Rednerpult, tat mit einer unangemessenen großzügigen Bemerkung die Schieflage in der Diakonie ab (nach auffällig dicker Umarmung im Foyer im Sinne von „o big brother Berner„) und verwies auf die Kurzberichte der Referenten, sagte es und verschwand.

Was wäre für einen interessierten, reformfreudigen Landesbischof wohl außerdem zu sagen gewesen: der ökumenische Befund in unserer eigenen Landeskirche, Landeskirche und Expo, der erste Bericht in diesem Jahrhundert – also: Perspektiven, Nachbarschaft mit Hannover, warum sehen wir Frau Bischöfin Käßman nicht in unserer Landeskirche (auch wieder Kommunkationsstörungen?), der letzte Bericht in dieser Legislaturperiode, die Veränderungen im „Stab„ des Bischofs: Rammler geht ans Predigerseminar, also vielleicht doch Würdigung seiner fleißigen Tätigkeit. Von Rammler stammen zwei umfangreiche schriftliche Vorlagen, die letzte wurde m.E. überhaupt nicht beachtet. Der Pressesprecher, Pfarrer Kuchmetzki, geht auch, das ist nun schon der zweite in der Amtszeit dieses Bischofs. Etwas auffällig und erklärungsbedürftig. Der Frage des Judentums in unserer Landeskirche ist ein Ausstellung und sind viele Vorträge in der Brüdernkirche gewidmet. Die Landeskirchenkasse beteiligt sich daran mit popligen 1.000,--DM. Nach dem Vortrag von Prof. Wengst meldete sich Pfr.i.R. Adloff, Wolfenbüttel in der Diskussion über die Frage, wie wir das Verhältnis Kirche/Judentum in unserer eignen Verfsssung zum Ausdruck bringen könnten, mit einer betrüblichen Nachricht: er habe in dieser Sache vergeblich an das Landeskirchenamt und dann noch einmal an den Landesbischof geschrieben, ohne Antwort von ihm erhalten zu haben. Das ist kein Einzelfall. Wo sind die Zeiten hin, wo Bischof Dibelius, ebenfalls ein in der Ökumene vielbeschäftigter Mann, jeden an ihn gerichteten Brief noch am Abend desselben Tages beantwortet hatte? Daß der Bischof an ihn gerichtete Briefe zur Beantwortung negiert oder delegiert, verletzt die Regeln des einfachen Anstandes.

Waren da nicht Kirchenvorstandswahlen? Also ein aufmunterndes Wort zu diesen neuen kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch als persönlichen Auftakt für das Tagungsthema „Haupt –und Ehrenamtliche in der Kirche„. Ein freundliches Wort an die Kirchenmusikerinen und Kirchenmusikern anläßlich des Bachjahres und ein Hinweis auf die gerade für viel Hundertausende DM Kirchensteuergelder eingeweihte große Orgel in der Stiftskirche Gandersheim, und wäre nicht auch, wenn der Bischof schon keine Bischofsbriefe schreibt, ein Dank an die Pfarrer und Pfarrerinnenschaft angebracht? Aber so entsteht der Eindruck: mir dankt keiner, ich danke auch keinem. Selten hat unsere Landeskirche so verkrampft und provinziell gewirkt wie zur Zeit. Und zu bedenken ist auch: Der Bischof ist bereits im 61. Lebensjahr. Er hat die Gemeinden immer noch nicht durchbesucht. Die Normalsituation einer Gemeinde ohne den außerordentlichen Aufwand einer festlichen Situation ist kaum noch im Blick. Der Bischof hat sich auch geweigert, aus seiner Arbeit im Referat 01 wie die anderen Referate zu berichtern. Also: welche Erfahrungen liegen aus den Visitationen der letzten zwei Jahre vor? Was wird in dem

 

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Pröpstekonvent besprochen und weitergeführt? Warum hat die Theologische Kammer so lange nicht mehr getagt? Sie ist das Ziehkind des Bischofs. Viele Sachen wurden von ihm angestoßen, ich nenne nur die Reform des Mitgliedschaftsrechtes (Stichwort „Schnuppermitgliedschaft„), wenig wird konsequent zu Ende geführt. So entzieht sich natürlich auch der Bischof selber einer kritischen Durchsicht seiner Tätigkeit.

Es folgten an diesem Abend nun die Berichte von Frau OLKR Müller, der nach diesem Bericht wiedergegeben ist, von der Sozialpädagogin Richter über die Jugendarbeit, von Propst Beyer über Ost-West und über die Charismatiker von Herrn Pfr. Hahn, nach diesem Bericht abgedruckt. Dann wurde sehr dosiert: zunächst Verständnisfragen, dann Sachbeiträge, diskutiert. Es blieb stockend. Einige Nachfragen von Pfr. Jordens Hoeke zur Personalsituation, sowie Kraft und Bengsch zu den Charismatikern. Die Synode leidet in der Regel nicht unter Besucherandrang. Dieses Mal aber waren z.B. Mütter von ihren charismatisch angehauchten und verwirrten Familienmitgliedern unter den Zuhörern und wünschten sich eine klärende Aussprache. Auch die Kreisgeschäftsführer des Diakonischen Werkes waren angerückt in Erwartung einer Debatte über die Menschenführung ihres Chefs. Aber: der Abend war weit vorgerückt: also keine Generalaussprache, obwohl nun doch einige Synodale die Anlagen durchgearbeitet hatten und ihre Beobachtungen hätten mitteilen wollen und können, aber um halb elf nachts? und im übrigen hatte der Präsident schon eingangs gemahnt, angesichts der gedrängten Tagungsfolge möglichst kurze, konzentrierte Redebeiträge abzuliefern. Die Erinnerung an den verstorbenen Propst Schliephak verband er mit einer unverhohlenen Schelte für langes und unnötiges Reden. Sowas sei bei Schliephak nie vorgekommen. Auch des während der Sitzung verstorbenen, höchst umstrittenen ehemaligen Propstes und Synodalen Erich Warmers wurde vom Präsidenten gedacht und der feine Unterschied zwischen ordinierten Haupt- und nichtordinierten Ehrenamtlichen gezogen: War nicht kürzlich auch der Synodale Wermke, wie Warmers auf der Rechten zu finden, gestorben, oder der Synodale Prof. Herbert Reich, wie Schliephak Mitbegründer vom AK 70? Und was ist aus der genialen Idee des Bischofs geworden, der Verstorbenen im Fürbittgebet des Eingangsgottesdienstes zu gedenken?

Nach diesem verkorksten Anfang nun der nächste ganze Tag nach einleitenden Referaten am Vormittag in Gruppen über das Ehrenamt in der Gemeinde (AG 1), der Propstei (AG 2), im Landeskirchenamt (AG 3), in den gesamtkirchlichen Diensten (AG 4) und Gruppe 5 „Hauptberufliche und Ehrenamtliche – gemeinsam unter dem Dach der Kirche„. Am Sonnabend gab es Berichte aus den Ags, die dann wieder im Ausschuß verschwinden, dort bearbeitet als Prüfaufträge ans Landeskirchenamt weitergereicht werden und dort vermodern. Der strategische Kardinalfehler vom enorm einsatzbereiten Synodalen Fechner als Vorbereiter und Einfädler ist, daß er keine Möglichkeiten zur Umsetzung der Synodalergebnisse hat. Das Landeskirchenamt hat sich in den letzten zehn Jahren als das entscheidende Hindernis auf dem Reformweg

 

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herausgestellt. Diesem Institut nun die Umsetzung von Reformvorhaben anzuvertrauen, ist vollständig sinnlos. Wo sind die Ergebnisse der Jugendsynode, der Altensynode? Ich befand mich in Gruppe drei, wo wir mal wieder auf Zettelchen die persönlichen Wehwehchen und Wünsche aufschreiben und anpinnen sollten. Das mag für eine Selbsterfahrungsgruppe an der Volkshochschule nützlich sein, in der Synodenarbeit wirkte das nicht nur auf mich allmählich lächerlich. Es verzogen sich dann auch einige. In anderen Gruppen war es ähnlich.

Einige Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen

AG 1: „Um kirchliche Präsenz flächendeckend vorhalten zu können, sollte es möglich sein, daß Ehrenamtlichen pfarramtliche Aufgaben übertragen werden„

„Wir fordern für den Bereich der Haushaltsbudjetierung verpflichtende Fortbildungen für Kirchenvorsteher und Rechnungsführer vor Ort in jeder Gemeinde durchzuführen durch Mitarbeiter des Landeskirchenamtes/ oder anderen Fachkräften aus den Kirchenverbänden.„

AG 3: „Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen erhalten in Kirchenvorständen und Synoden eine begrenzte Anzahl von Sitzen mit Stimmrecht.“

Ein Personalentwicklungskonzept für Haupt - und Ehrenamtliche soll von einer Arbeitsgruppe erstellt werden. Diese Arbeitsgruppe soll in der Novembersynode installiert werden (so ähnlich auch AG 4 und 5).

AG 4 „Die Landessynode möge prüfen, ob ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihre Tätigkeit offiziell eingeführt werden.“

„Die Landessynode möge prüfen, wie durch eine Profilierung theologischer Kompetenz bei haupt - und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Qualität kirchlicher Arbeit verbessert werden kann.“

AG 5 Zur Verbesserung der Information soll die „Wundertüte„ des Landeskirchenamtes den Vorsitzenden der Kirchenvorstände zugeschickt werden.

Der Samstag brachte dann die spannende Wahl von Propst Kraft mit hauchdünnem Vorsprung von 18:17 bei einer Enthaltung vor Jordens-Höke zum Mitglied der Kirchenregierung. Da hatte sich eine interne Minirevolte bemerkbar gemacht: Kraft war als einziger Kandidat vorgesehen. Jordens-Höke, der bereits Stellvertreter ist und es auch bleibt, kandidierte dann doch dagegen und erzielte dieses eindrucksvolle Ergebnis.

Erhebliches Aufsehen in der Öffentlichkeit hatte das Projekt Brüdernkirche erregt. Der Braunschweiger Geschichtsverein, eine Reihe angesehener Kunstkenner und Professoren (namentlich v. Heusinger und Roloff) hatten sich direkt an Eckels gewandt und für den Verbleib des gegenwärtigen Zustandes plädiert. Das alles schlug in der Debatte nicht durch. Propst Hartig fragte zwar nach, warum keiner von Brüdern eingeladen worden sei. Aber nur Frau Biersack plädierte und stimmte gegen das Projekt, nach dem die Brüdernkirche

 

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nun nicht nur Versammlungs - und Austellungsraum sondern auch Bibliothek werden soll. Aus meiner Sicht entstehen folgende Probleme:

a) ein finanzielles: es ist völlig unklar, was das Projekt insgesamt kosten wird: an Unterhaltungskosten, an laufenden Personalkosten. Zwei Personen müssen wenigstens zusätzlich eingestellt werden. Eine Refinanzierung durch Vermietung des ehemaligen Archivs erscheint in der Kirchenregierung kaum durchsetzbar. Die Ausstattung mit Bibliotheksinventar ist in der angegeben Summe von 1,7 Millionen nicht enthalten. Es fehlt eine solide Aufstellung aller echter entstehender Kosten. Ich gehe von alles in allem 3 Millionen DM aus.

b) ein juristisches: der Kreuzgang gehört ohne Frage nicht in dieses Projekt, sollte es aber. Der Kreuzgang ist Besitz der Brüdernkirche. Hier ziehen nicht alle an einem Strang, und das kann in der Zukunft noch viel Stress geben.

c) ein praktisches: zur Zeit leben die Vikare und Vikarinnen mitten in den Büchern. Sollen sie später immer in die Brüdernkirche laufen, um sich den nächsten Kommentar zu holen? Die Gänge werden länger. – Leider ist der alte Lierschplan, einen Durchbruch zur Wohnung des PS - Direktors zu schaffen und die Wohnung noch zusätzlich als Bibliotheksräume zu nutzen, nicht diskutiert worden ebenso wenig wie die Theilemann-idee aus früheren Zeiten, die Archivräume für die Bibliothek zu nutzen.

d) Und was ist mit der Anregung, das Vorbild der Stuttgarter Vesperkirche aufzunehmen, die in diesem Jahr vermehrten Zuspruch gefunden hat und vom Württembergischen Bischof Renz besucht und gefördert wird?

e) Schließlich: so bleiben, wie es jetzt ist, kann es auch nicht. Also eine Lösung muss her.

Die Synode wollte sich das Projekt vom Halse schaffen und stimmte einem Projekt zu, von dem sie selber nicht weiß, wie es werden soll. In der letzten Novembersynode 2001 werden wir von den ersten Nachschlägen hören

Zu den großen Vorrechten der Landessynode gehört das sog. ius liturgicum, also über Fragen des Gottesdienstes und der Liturgie zu beraten und abzustimmen. Es wurde über die Agende III abgestimmt. Wusste jemand, was das war? Keine Aussprache – „durchlaufen lassen„, nennt man das im Verwaltungsalltag der Synode. Es sind die Gottesdienstordnungen für die Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung. Sie sind in einem vieljährigen Prozeß jetzt alle abgeschlossen. Erfreulicherweise wird in der Begründung zum Kirchengesetz ausdrücklich hervorgehoben, daß innerhalb des verbindlichen agendarischen Rahmens „sehr verschiedene Gestaltungsformen von Gottesdienst unter der Verantwortung aller Beteiligter möglich sind und ermöglicht werden„. Die Beratung so eines Kirchengesetzes wäre in einer lebendigen Synode ein Anlass nach den Erfahrungen zu fragen, die mit den neuen Stücken ( Taufe und Trauung), die bereits 10 Jahre alt sind, in den

 

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Gemeinden gemacht worden sind. Entsprechende Berichte aus den Gemeinden sind nicht erwünscht.

Dann will ich mal kurz erzählen, wie sich die Tauf- und Konfirmationsagende zunächst in Offleben und bei mir weiterentwickelt hat.

Warum sollen bei der Taufe nicht auch die Eltern so einbezogen werden, dass sie Wasser über ihr Kind ausgießen unter Nennung eines Teils der trinitarischen Formel. Also etwa so: Vater gießt in einer für die Umstehenden sichtbaren Weise Wasser über den Kopf des Kindes und spricht: NN ich taufe dich im Namen des Vaters; spricht die Mutter Wasser gießend: und des Sohnes; spricht der Pfarrer/die Pfarrerin Wasser gießend: Und des Heiligen Geistes. Während die Landessynode die Agende III beschloss, habe ich mit der Familie eines früheren Konfirmanden, der nun in Berlin wohnt, in der St. Annen Kapelle in Dahlem eine solche Taufe gehalten und war überrascht, wie willig und selbstverständlich die Eltern das Recht, selber sich aktiv an dem geistlichen Amt des Taufens zu beteiligen, bereit waren. In meiner Freude erzählte ich während der Synode davon. OLKR Kollmar konnte sich sowas nur für den Fall einer Jähtaufe vorstellen. Schade.

Eine andere Taufe in Offleben habe ich daraufhin auch so gehalten. Die Kinder können nunmehr sagen: meine Eltern haben mich getauft. Die Eltern werden möglicherweise die Verantwortung für die Taufe noch etwas bewusster wahrnehmen, als wenn „es„ eben „nur„ der Pastor macht. Ins Sakristeibuch müsste nunmehr unter Liturgen auch die Eltern vermerkt werden. So stelle ich mir die Weiterentwicklung von Agende III nach den Möglichkeiten der einzelnen Gemeinden vor.

Etwas Ähnliches war aus der Not der sog. vorläufigen Dienstenthebung geboren. Die Eltern der Konfirmanden in Offleben bestanden auf einer Konfirmation in Offleben im April 1999 durch mich. Aber was, wenn plötzlich irgendein Kirchenleitender aufkreuzen würde und sich in die Konfirmation einmischen wollte, um zu verhindern, dass es Kuessner macht? Daraufhin entwickelten die Eltern und der Kirchenvorstand das Projekt: die Gemeinde segnet ein. Der Konfirmand, sonst zusammen mit einem seiner Mitkonfirmanden eingesegnet, trat allein vor den Altar. Alle Eltern bildeten vor dem Altar einen großen Kreis. Ein Kirchenvorsteher nannte den Namen des Konfirmanden, die Eltern traten an ihr Kind heran, nannten einen Bibelspruch und Eltern, Kirchenvorsteherinnen und Pfarrer hielten segnend die Hände über dem Konfirmanden und segneten ihn ein. „Meine Eltern haben mich eingesegnet„ können die Konfirmanden später sagen. Die Eltern sind endlich aus dem rein zuschauenden Zustand herausgeholt und sind in ihrer geistlichen Verantwortung ernstgenommen. Nun spielte in Offleben auch eine Rolle, dass ich die meisten Eltern bereits konfirmiert hatte und sie für dieses gemeinsame geistliches Handeln anders aufgeschlossen waren als vielleicht in einer mehr unpersönlichen Großstadtgemeinde. Aber immerhin : Weiterentwicklung der in Agende III gebotenen Möglichkeiten.

 

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Was ist das für ein Amtsverständnis? Jedenfalls eins, das das geistliche Amt nicht als Privatbesitz eines ordinierten Pfarrers betrachtet, sondern als einen großen Reichtum in unserer Gemeinde, der wie ein Schatz gehoben werden könnte.

Wer hat noch Lust auf: zurück zur Synode?

Von einem Höhepunkt muss nun doch berichtet werden: wir feierten am Freitag Abend einen Abendmahlsgottesdienst, der ganz allein und verantwortlich von den Lektorinnen und Lektoren gestaltet worden war. Der künftige Propst Liersch hatte dazu grünes Licht gegeben. Der stellvertretende Propst Kamann traute sich das allein nicht zu. Amtsverständnis als Barriere!!!!!! Es war in jeder Hinsicht ein großer Fortschritt, dass wir diesen Gottesdienst so gehalten haben. Das sollte sich endlich endlich rumsprechen und die Verantwortung für solche Gottesdienste sollte vom Propst auf den Kirchenvorstand verlagert werden. Wie man hört, will der Synodale Bengsch in dieser Richtung einen Antrag in die Landessynode einbringen Dazu z.B. wäre wieder das Erprobungsgestz da. Die Offleber Kirchengemeinde hat nach dem Weggang von P. Kuessner solche Abendmahlsgottesdienste durch ihre Lektorinnen immer wieder gehalten. Andere Lektoren haben sogar daran teilgenommen. Schön, dass dieses Wehen des Geistes weiterweht. Charismatisch ohne unaufgeklärten Mief und Muff.

Wir treffen uns wieder zur Haushaltssynode im November 2000. Mal sehen, was sich bis dahin alles verändert hat.


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