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[Kirche von unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

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IN DER SACHE KUESSNER DISZIPLINARURTEIL JETZT RECHTSKRÄFTIG

Kurt Dockhorn

Im November 2000 hat der Senat der VELKD das Urteil der Disziplinarkammer der Konföderation vom 11.11.1999 gegen unseren Freund Dietrich Küssner bestätigt. Damit sind weitere Rechtsmittel gegen seine Bestrafung - die Kürzung seiner Ruhestandsbezüge um ein Zehntel über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht mehr möglich.

Zur Erinnerung: Nach dem Bundestagswahlkampf 1998 wurde Küssner vorläufig seines Dienstes enthoben, weil ihm vorgeworfen wurde, im Wahlkampf ein pornographisches Plakat verwendet

zu haben. Im Nachgang wurden vom Landeskirchenamt eine ganze Reihe von Küssnersätzen in der KIRCHE von UNTEN inkriminiert. Alles zusammengepackt ergab eine dreigeteilte Bestrafung: die vorläufige Dienstenthebung, die Aberkennung des Mandats als Landessynodaler, die finanzielle Disziplinierung. Der zweite Punkt, die Aberkennung des Synodenmandats, mußte als rechtswidrig zurückgenommen werden.

Beide Verfahren, das vor der Kammer und das vor dem Senat, weisen eine Reihe von Merkwürdigkeiten auf, sodaß man wohl die Vermutung wagen darf, daß das von der Kammer gesprochene und vom Senat bestätigte Urteil in einem rechtsstaatlichen Verfahren keine Aussicht auf Bestand hätte.

Nennen wir einige Punkte:

  • Es herrscht Konfusion hinsichtlich des Endes der vorläufigen Dienstenthebung. Die Kirchenvorstände von Offleben und Rheinsdorf hatten, durchaus plausibel, festgestellt, daß es doch wohl nicht angehen könne, daß Küssner zwar als Synodaler wieder eingesetzt sei, aber als Pfarrer seiner Gemeinde weiter abgesetzt bleibe. Sie erklärten als Verfassungsorgan der Landeskirche daraufhin die vorläufige Dienstenthebung für beendet.

 

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Ein Mitglied der Kirchenregierung nannte Küssner gegenüber als seine Rechtsauffassung, daß mit dem Tag seiner Pensionierung, dem 1.6.99, die Suspendierung beendet sei. Auch das klingt plausibel. In der Senatsverhandlung, also eineinhalb Jahre später, blieb die Version unwidersprochen, Küssner sei immer noch des Dienstes enthoben.

  • Sehr verwunderlich ist, daß auch der Senat sich die Bewertung einer vom Landeskirchenamt zusammengestellten Zitatensammlung aus Kirche von Unten als "beleidigend" zu eigen gemacht hat. So sei die ironische Bezeichnung einer früheren Pressesprecherin im LKA als "Klein Erne von der Alster" eine Beleidigung. Eine Kritik Küssners am Papst war beleidigend (und die Ökumene belastend. Inzwischen findet ja selbst der Landesbischof mit seiner Absage an die Teilnahme an der Gebetswoche für die Einheit der Christen unter der Leitung des Papstes ganz andere Dinge als ökumenebelastend), und den Bischof eine beleidigte Leberwurst zu nennen, war beleidigend. Also, im Verfahren Nov. 2000 eine ausführliche Erörterung von Texten aus der Kirche von Unten als eines Pfarrers unwürdig und als Dienstvergehen, und zwar auf dem Hintergrund, daß sich das LKA zwei Jahre zuvor bereiterklärt hatte, die beanstandeten Zitate mit einer Enschuldigung Küssners als erledigt anzusehen.
  • Der Aufhänger des ganzen Verfahrens gegen Küssner war ja ein selbstgefertigtes Plakat gewesen, auf dem zwei Männer beim Liebesspiel in angeblich pornographischer Manier dargestellt waren. Seinerzeit war der Staatsanwalt wegen dieses Plakats ermittelnd tätig geworden - mit dem schon erwähnten Ergebnis. Mir fällt außer "Rachegelüste" kein Deutungsmuster ein, das verständlich machen könnte, warum sich das LKA dieser Verfahrenseinstellung nicht anzuschließen vermochte, sondern partout auf eine empfindliche finanzielle Bestrafung hinauswollte: im übrigen dürfte der Vorwurf des

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    Pornographischen nicht aufrechtzuerhalten sein, wenn man bedenkt, daß die Vorlage zu Küssners selbstgebasteltem Schwulenplakat einer Aidsbroschüre entnommen war.

  • Ein seelsorgerlicher, keinesfalls in eine juristische Auseiandersetzung gehörender kritischer Brief vom ehemaligen Landesbischof Heintze, der Küssner 1979 brüderlich ermahnt hatte, wurde ins Verfahren gegen Küssner einbezogen, ein für Küssner eintretender Heintze-Brief aus der Zeit der Dienstenthebung hingegen blieb ungewürdigt.
  • Die Würdigung des gesamten dienstlichen Verhaltens hätte in ein abwägendes Verfahren von Anfang an hinein gehört. Es unterblieb. Ein schwerer Verfahrensfehler, der beispielsweise 1975 in Kurhessen dazu geführt hatte, daß in einem Kammerurteil eine bereits verfügte Disziplinarstrafe heruntergestuft wurde, weil die Strafverfügung des dortigen LKA nicht hatte erkennen lassen, inwieweit das gesamte dienstliche und außerdienstliche Verhalten des Beschuldigten gewürdigt worden war (Rechtssprechungssammlungen der EKD).
  • Das Landeskirchenamt selber hat sich hinsichtlich der Durchführung der Dienstenthebung sehr inkonsequent verhalten, was in der regionalen Presse auf diesen Nenner gebracht wurde: "Landeskirche bleibt bei Dienstenthebung, aber dienstliche Handlungen möglich". Ja, was denn nun, bitteschön? Durfte er nun, was er getan hat, oder durfte er nicht?
  • Dr. Johnsen, Küssners juristischer Beistand im Verfahren, hat die schwerwiegenden Mängel im Ermittlungsverfahren 1998-99 aufgelistet. Der Senat ließ sich davon nicht beeindrucken.
  • Genug der Beispiele. Wohin man greift in der Sache Landeskirchenamt gegen Küssner, immer faßt man in dieselbe klebrige, unstrukturierte Masse eines Amtsgebarens, das genau so über den selbstgegebenen Gesetzen erhaben ist wie Altkanzler Kohl über dem Parteiengesetz.

     

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    Festzuhalten bleibt: in der Kirche waltet Rechtsunsicherheit, Verfahrensfehler haben für das Amt keine Folgen. Und wer die Institution, die ihn nährt, angreift, obgleich er ihr Jahrzehnte lang gedient hat (was kein Widerspruch ist), muß gewärtig sein, noch in den Ruhestand hinein von ihr verfolgt zu werden. Übrigens und ganz nebenbei: In der Sache Küssner hat auch die Kirche von Unten am Pranger des Landeskirchenamtes gestanden. Offenbar kann auch die Anwendung von Humor in der Kirche straffällig werden lassen. Schade.


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