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[Kirche von unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

November 2000 Nr. 99

Inhaltsverzeichnis

Winfried Karius Andacht zum Ende des Kirchenjahres Röm 14,7-9 zum Synodenbeginn in der Magdalenenkapelle

Dietrich Kuessner Die zweite Reformsynode

Arbeitskreis “Ekklesia und Synagoga”

Hans W. Schünemann Grußwort zur Einführung von Propst Helmut Liersch in Goslar 2.7.00


Leben wir, so leben wir dem Herrn. Sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden, dass er über Tote und Lebende Herr sei.” (Römer 14,7-9)

Von den letzten Dingen kündet diese Kirchenjahreszeit, in der wir uns versammelt haben, um unsere Leitungs- und Lenkungsaufgaben nach Maßgabe unserer Kirchenverfassung als Synode zu erfüllen.

Haushalt 2001 heißt das Hauptgeschäft dieser Tage. Das sind nicht die letzten Dinge – das ist Tagesgeschäft der eilenden Zeit: Jahr für Jahr den Rahmen abzustecken für das, was geschehen muß – soll - kann.

Tod und Ewigkeit – Gericht in der Wiederkunft Christi – Auferstehung und ewiges Leben – so lauten die Symbole unserer Glaubenssprache – fürwahr eine mehr und mehr unverständliche – oder wollen wir sagen: eine ungeliebte Sprache für die Kinder dieser Welt?

Denen – und damit uns – türmen sich gegenwärtige Fragen des Augenblicks – des Lebens in all seiner Vielfalt und Problemträchtigkeit.

Und doch – das ist die nach uns greifende Wahrheit - wir erleben das immer endlich – vergänglich – flüchtig. Welches die letzten Dinge unseres individuellen Lebens sein werden, wissen wir nicht, weder du noch ich. Und darum geben wir beständig der Frage Raum: Was ist unser Leben – wie leben wir – wem leben wir?

Unser keiner lebt sich selber – das ist im vergehenden Äon dieser Welt die Glaubenserkenntnis, die eingewickelt ist in die apokalyptischen Gemälde. Traum - oder Selbstüberhebung – oder auch depressive Verzweiflung eines Lebens sich selber – damit also entweder Ekel im “ alles ist eitel” oder Trug in vermeintlicher Autonomie des Menschen wird durch den Glauben überwunden, wie Paulus es uns vorbuchstabiert hat – gefasst in den vergänglichen lieblichen Klang der Lutherübersetzung: Unser keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber. Denn darum ist Christus gestorben und auferstanden, dass er über Lebende und Tote Herr sei. Diese Wahrheit wird sich offenbaren, wenn der Herr kommt – ja diese Wahrheit befestigt der Heilige Geist in unserem Herzen, auch wenn wir im Seufzen der Kreatur der endgültigen Erlösung immer nur entgegen harren.

Vermutet der Zweifel des menschlichen Herzens in dieser Botschaft die Fessel, die Negierung der Unabhängigkeit menschlichen Strebens und argwöhnt er deshalb die Knechtschaft, die uns zu tun befehle, was wir eigentlich nicht wollen, so erlebt der getröstete Glaube in aller Anfechtung in diesen Worten die Freiheit des Christenmenschen: Leben wir, so leben wir dem Herrn. Darin sollst du gewiß sein, dass du deinem Herrn lebst, du mit deinen Möglichkeiten, mit deinem Gewissen, den Glauben bekennen, zu gestalten, verbindlich zu vermitteln. In dieser deiner Gewissenslage bist du unabhängig von dem Urteil der Welt. Ja gerade das ist dein dem Herrn leben, dass du ihm Verantwortung schuldest – und nicht der Glaubensnorm des andern.

Das ist die paulinische Antwort auf das Problem der sogenannten “Schwachen” und Starken” im Glauben. Ihr lebt und sterbt dem Herrn. Im Lichte der Offenbarung seiner unverhüllten Herrlichkeit wird an den Tag kommen, ob dein Gewissen vom Glauben an ihn getragen war oder nicht.

Liebe Synodale, Glauben nötigt zu Entscheidungen in unserem Handeln. Und eben darum sind wir hier – unter die Zeit getan und Kirche zu verantworten. Und dabei ist immer wieder zu ringen um den Weg, um die Alternativen, um die Erkenntis dessen, was nützt und frommt. Brüder und Schwestern im Herrn dürfen ringen und streiten, aber sie dürfen nicht richten: Unser keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn. Du aber, was richtest du deinen Bruder?

Mit dieser Mahnung wird der Horizont der Beerdigungströstlichkeit gesprengt, wird dieses güldene Bibelwort zur Wegweisung im christlichen Alltag, der den letzten Dingen entgegeneilt.

Gott stärke in uns allen unsere Glaubensgewißheit, die sich in Freiheit der Verantwortung vor dem Herrn allein bewährt. Amen.

Winfried Karius, Pfarrer in Wenzen


Die zweite Reformsynode

Die Braunschweiger Landessynode 16.-18.11.00 in Wolfenbüttel

ein Bericht von Dietrich Kuessner

Es gibt in der Geschichte unserer Landeskirche mehrere Reformsynoden. Da waren z.B. jene Ende der 60/70iger Jahre, in denen die Verfassung und die Kirchengemeindeordnung überarbeitet wurden. Ihnen ging eine anhaltende Befragung der Gemeinde voran. Dann gab es jene Reformwelle von 1995: wieder Befragungen in den Gemeinden und an die 190 Antworten aus allen Ecken und Gremien unserer Landeskirche. Diese Reformwelle brach am Widerstand des Landeskirchenamtes oder an unüberbrückbar unterschiedlichen Ansätzen, wohin eine Reform zielen sollte, auseinander und verebbte. Auf leisen Sohlen wurden auf der ersten Novembersynode des neuen Jahrtausends zwei Reformen verabschiedet, in denen mit jahrhundertealten Traditionen unserer braunschweiger Landeskirche gebrochen wurde. Aber ich berichte der Reihe nach.

1. Tag Donnerstag der 16.11.00

Die Landessynode tagte in der drittletzten Woche des Kirchenjahres. Mit einer gedanklich wie sprachlich angenehm präzisen, kirchenjahrgemäßen Andacht von Pfr. Karius (Wenzen) (siehe Anfang dieser Nummer) und dem neuen Lied mit der anglikanischen Schmalzmelodie EG 154 “Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt” hatte die Tagung einen geistlich starken Auftakt. Sowas brauchten wir aber auch, denn die Tagesordnung war so voll, dass der ursprünglich gar nicht vorgesehene Donnerstag dazugenommen werden musste, und es standen uns brisante strukturmäßige und theologische Verhandlungspunkte bevor.

Personalien

Für die verstorbene Synodale Frau Pfr. Berg wurde Frau Pfr. Klages (Wichern BS) als neues Synodalmitglied verpflichtet und in den Rechtsausschuß und den Fortbildungsausschuß gewählt;

für den ins Landeskirchenamt übergewechselten Pfr. Rüdiger Becker wurde der erst am Donnerstag von der Propsteisynode Vorsfelde gegen Pfarrer Maic Zielke (Grafhorst) mit 24:15 Stimmen gewählte Propst Blümel (Vorsfelde) am Sonnabend verpflichtet, und in den Rechtsausschuß und Ältesten- und Nominierungsausschuß gewählt, fuhr allerdings bald wieder weg wegen eines im hohen Alter von 81 Jahren verstorbenen früheren Synodalen Helmut Schönstedt. Schönstedt gehörte noch der Landessynode bis 1995 an. Er war Stadtoberamtsrat in Vorsfelde und brachte seine kommunalen Erfahrungen viele Jahre in die Arbeit des Rechnungsprüfungsausschusses ein. Ich habe ihn wegen seiner offenen, kantigen und musischen Arbeit – er war eine Stütze des Vorsfelder Männergesangvereines und Verfasser einer Chronik desselben, die er mir schenkte – geschätzt. Er pflegte zu sagen, dass ein einzige Synodentag die Gnesungserfolge einer dreiwöchigen Kur zunichte machen könnte. “Möge ihm die (Spargel- und Kartoffel) Erde leicht werden”, die er so geliebt hat. Pfr. Zielke indes gratulieren wir für das respektable Wahlergebnis.

Pfr. Römer (BS Weststadt) wurde ohne Gegenkandidat ins Präsidium der Landessynode gewählt.

Überrascht wurde ich von der Nachricht des bereits im Sommer verstorbenen 63 Jahre alten, langjährigen Mitarbeiters im Synodalbüro Landeskirchenoberamtsrat Ortwin Böhning. Böhning gehörte in die Reihe der Urgesteine im zweiten Glied des Landeskirchenamtes wie Frau Maedge und Frau Langer, Herr Rohde, Mühe, Weitemeyer – diese Namen stehen für mich für einen bestimmten Stil im Landeskirchenamt und eine Verwurzelung in den Kirchengemeinden der Landeskirche.

Es ist sehr schade, dass die von Bischof Krause begonnene Anregung, der verstorbenen Mitglieder in der Fürbitte der vielen Andachten während der Synodaltagung zu gedenken, versandet ist.

Während der Landessynode wurde bekannt, dass bereits nach einem Jahr der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes Scheunemann wieder aus dem Dienst der Landeskirche ausscheidet. Er war erst kürzlich als Nachfolger von Herrn Heinz gewählt worden, der ins Referat I als "Staatssekretär" von Frau OLKR Müller gewechselt war. Scheunemann geht in das Oberrechnungsprüfungsamt der EKD. Die ihm offenbar bei der Bewerbung in Aussicht gestellten Möglichkeiten sieht er nicht erfüllt und dampft ab. Es gab auch Spannungen mit OLKR Dr. Fischer.

Nun wird überlegt, das Rechungsprüfungsamt (RPA) ganz abzuschaffen und, wie es andere Landeskirchen auch tun, die Rechnungsprüfung ganz der EKD zu überlassen. Daher soll von einer sofortigen Ausschreibung der Stelle abgesehen werden.

Dr. Voss berichtete den Landessynodalen, dass seit vier Wochen der früherer OLKR Henje Becker im Krankenhaus liegt. Er wünscht keinen Besuch, freut sich aber über Grüße. Wir schließen uns den herzlichen Genesungswünschen an.

Keine erneute Debatte über Brüdern

An die Synodalen war der Wunsch von Herrn Borek herangetragen worden, noch mal über die Gestaltung der Brüdernkirche zu diskutieren. Ich hätte eine nochmalige Abstimmung für richtig gehalten, weil bei der Abstimmung in der vorangegangenen Tagung die Zahl der Synodalen doch schon ziemlich reduziert war. Bei der ganz überwiegenden Mehrheit der Synodalen herrschte aber bereits im Vorfeld kein Appetit mehr auf einen erneute Debatte, man wollte sich irgendwie auch nicht einem “Druck von außen” beugen, hatte aber den Synodenpräses gebeten, zum Stand der Diskussion eine Erklärung abzugeben. Eckels beschrieb die Stationen der Diskussion und es wären keine neuen Tatsachen aufgetreten, die eine erneute Grundsatzdiskussion nötig machten. Der Synodenpräses erwähnte nicht, daß zur Zeit in Brüdern nicht wie im Baubüro geplant gearbeitet werden kann, weil die Gemeinde die Herausgabe des Kirchenschlüssels solange verweigert, bis alle rechtlichen Dinge zweifelsfrei geklärt sind. Soweit ist es durch Verhandlungsungeschick seitens des Landeskirchenamtes noch nicht.

Mein Versuch, über die Haushaltsdebatte nochmal Brüdern ins Gespräch zu bringen, wurde von der Synode nicht aufgenommen: ich halte das Brüdernprojekt mit 2,1 Millionen für nicht solide finanziert, zumal die Folgekosten und die sog, Refinanzierung über ein Arzt- und Notariatsvermietung in den Räumen des früheren Archivs in einer mittelfristigen Finanzplanung noch gar nicht ermittelt sind. Eine Erschließung der Bibliothek ist auch nur über die Vergabe von Wissenschaftsstipendien möglich. Kurz: nicht bis zu Ende ausgebrütet.

Zeitliche Begrenzung des Amtes eines Oberlandeskirchenrates

Die Frage der zeitliche Begrenzung der “Oberratsstellen” war bereits in der 1. und 2. Lesung in den vorangegangenen Tagungen ausdiskutiert. Die Mehrheiten waren nicht berauschend, in der ersten Lesung sogar sehr knapp. Wir mussten damals die Redezeit künstlich durch ausgedehnte Redebeiträge verlängern, um alle zustimmungsbereiten, aber momentan abwesenden Synodale herbeizuschleppen. Die Sache war erschwert, weil OLKR Dr. Sichelschmidt, die bei ihrer Bewerbung 1998 Zustimmung signalisiert hatte, eine deutliche ablehnende Haltung jedoch bei der Einbringung des Antrages erkennen ließ: das Amt werde nunmehr unattraktiv. Auch der durchaus stimmenbildende Synodenpräses Eckels war gegen diese Projekt. Dieses Mal war eine Mehrheit am Donnerstag zweifelhaft, weil sich 10 Synodale für den ersten Tag entschuldigt hatten. Wir waren nur 43 Leutchen. Die verfasssungsändernde Mehrheit betrug 38 Stimmen. Da brauchten nur einige sich der Stimme enthalten und zwei dagegen zu sein, und die Sache war gescheitert, wiederum an einer Zufallsminderheit. Mit 40 für, einer Enthaltung und einer Gegenstimme (Karius, Wenzen) stimmte die Landessynode jedoch der Verfassungsänderung und anschließend dem Kirchengesetz zu. Das ist ein ganz großer Reformschritt nach vorne.

Die Landessynode hatte einen großen historischen Tag, den die Mehrheit ohne Beifall hinter sich brachte. Das von Bischof Heintze 1970 immer wieder initiierte Vorhaben war jetzt endlich geglückt. Leider ist nicht auch das Bischofsamt zeitlich begrenzt worden. Kein Jubel, kein Triumph, aber eine abgrundtiefe Genugtuung bei denen, die seit Jahren an diesem Vorhaben gearbeitet hatten. Es war ein Reformvorhaben nicht aus den Reihen des Landeskirchenamtes sondern aus dem Plenum der Synode. Damit ist jenes besonders bei Lutheranern jahrhundertelang gepflegte, konservative Amtsverständnis wesentlich berührt, wonach geistliche Ämter aus einer höheren Ordnung Gottes herstammen und für die Ewigkeit vergeben werden, also lebenslang oder wenigstens bis 65 Jahre. Der Beschluß der Landessynode ist ein scharfer Schnitt in die lutherische Ordnungstheologie, die im vorigen Jahrhundert so viel Schaden in der Kirche angerichtet hat (Amt, Staat und Ehe als Ordnung Gottes). Das Amt eines Oberlandeskirchenrates ist nunmehr ein zeitlich befristeter Auftrag in der Dienstgemeinschaft der Kirche. Wiederwahl ist möglich. Es gibt also ein einziges Amt des Wortes in der Kirche, das sich je nach unterschiedlichen Diensten unterschiedlich entfaltet: das entfaltete Amtsverständnis. Unter dieser Prämisse war bereits Frau Pfr. Müller zur Oberlandeskirchenrätin gewählt worden. Nach der Wende von Frau OLKR Dr. Sichelschmidt war bei den Synodalen (Lobbygetratsche) die Frage, ob Frau OLKR Müller diese Entscheidung akzeptieren wird.

Berichte von der EKD Synode

Traditionell werden an den Anfang der Sachberatungen die Berichte aus anderen Gremien gestellt. Da die EKD Synode in Braunschweig getagt hatte, standen die Berichte darüber im Vordergrund. Viele hatten im Fernsehen den Gottesdienst im Braunschweiger Dom miterlebt, der ein mit der Predigt vom Landesbischof und der Verlesung des Evangeliums durch den kath. Bischofs Hohmeyer von der Kanzel demonstratives, auf Gleichberechtigung als Kirchen hinsteuerndes Nebeneinander dokumentierte. Das EKD Mitglied Eckels berichtete mehr von der Atmosphäre der Synode und zitierte ausführlich aus dem unterhaltsamen, pfiffigen, geschichtsträchtigen Vortrag von OLKR Kollmar am Abend der gastgebenden Landeskirche, wobei mich ausgesprochen freute, dass Kollmar meine in der Pöhlmannfestschrift unter dem Titel “Kurzer Abriß der Geschichte der Braunschweigischen Landeskirche” 1996 veröffentlichte Wertung weitgehend übernahm.

Einige Kostproben aus dem Vortrag von Kollmar, die Eckels allerdings nicht zitierte:

“Till Eulenspiegel – wenn auch in Mölln begraben – geboren ist er in Kneitlingen bei Schöppenstedt. Der Hof neben der dortigen Kirche existiert noch. Liebe Nordelbier! Ohne Kneitlingen gäbe es die Eulenspiegelstadt Mölln nicht. Diesen Narren lassen wir uns nicht nehmen! Das Pendeln zwischen Hof und Narr gehört ein wenig zu unserer Charakteristik. Wo wir Mitarbeiter des LKA jeweils eingeordnet werden, hängt davon ab, wie die Gemeinden unsere Entscheidungen interpretieren.”

(Anmerkung der Redaktion: Dieser Satz ließe sich auch blendend umdrehen: “Wo wir Mitarbeiter an der Basis eingeordnet werden, hängt davon ab, wie das Landeskirchenamt unsere Entscheidungen in den Kirchengemeinden interpretieren”, gell?)

noch ne Kostprobe

“Wir haben alles, was eine Landeskirche zu einer arbeitsfähigen Kirche macht: Über 400 Gemeinden, mit ca. 350 PfarrerInnen und etwa 2.500 Mitarbeiterinnen. Man kennt sich eben, manchmal auch zu gut. Das hat einen Vorteil. Es gibt wenig Sachkonflikte und inhaltliche Auseinandersetzungen in unserer Landeskirche. Statt dessen haben wir fast nur Personalkonflikte”.

(Empfehlung der Redaktion: man möge im LKA sorgfältiger auf die hinter angeblichen Personalproblemen steckenden Sachprobleme achten.)

letzte Kostprobe: (die von Eckels zitierte)

“Im Braunschweiger Land verstand man schon immer etwas von der Rechtfertigungslehre und von dem falschen theologischen Ansatz des Ablasses. Unser Landesbischof als Präsident des LWB hat am Reformationstag 1999 mit seiner Unterschrift den Weg gewiesen, wie katholische und lutherische Kirche sich über dieses Thema verständigen können. Direkter und schneller haben die Braunschweiger im Jahre 1518 diesen Problem lösen wollen. Den Ablaß haben sie bekämpft, indem sie kurzerhand Tetzel, den berühmten Ablasshändler, umbrachten (1518). Ein Edelmann aus Küblingen/Schöppenstedt war das, der zuvor – so clever sind wir eben – bei Herrn Tetzel noch einen Ablaß auf eine erst eben geplante Mordtat erworben hatte. Der Ort ist bekannt und mit einem wuchtigen Gedenkstein ausgestattet: der Tetzelstein bei Königslutter. Heute beliebte Ausflugsstätte und gerne für evangelische Gottesdienste im Grünen aufgesucht. Kaffee und Kuchen gibt’s erst nach dem Gottesdienst. Ob wir allerdings unsere katholischen Geschwister gewinnen können, künftig dort ökumenische Gottesdienste zu feiern, weiß ich nicht. Auch Herrn Ratzinger sollte man in diesen Tagen nicht unbedingt diese Gegend für einen Besuch empfehlen.”

(Frage: Warum nicht? Antwort der Redaktion: “Der Edelmänner sind noch so viele”, und wenn die schon ausgestorben wären: Kirche von Unten, kürzlich kirchenamtlich als “gefürchtet” eingestuft, raschelt im Busche. Hinwiederum: Wir haben immer noch ein tapferes Dominikanerkloster, das für Sauberkeit in den ökumenischen Beziehungen sorgt!)

Das EKD Mitglied Hempel berichtete von der Diskussion anhand des Schwerpunktthemas der EKD “Gemeinsam auf dem Wege” über das Verhältnis “Juden-Christen”, den Ratsbericht und das Verhältnis zur kath. Kirche nach Dominus Jesus. Um Missverständnisse auszuräumen, dass die Erklärung zum Verhältnis Juden-Christen als eine Parteinahme im gegenwärtigen NahOstKonflikt zu Gunsten des Staates Israel bedeuten könnte, wurde ein Brief an den Propst von Jerusalem geschickt, der besonders auch auf das Schicksal der palästinensischen Christen hinwies.

Die äußeren Bedingungen der EKD Synode waren ja ideal: Unterbringung im Merkuri Hotel am Bahnhof, Tagungsräume in der Stadthalle am Bahnhof, rasche An- und Abreise gewährleistet. Ich hatte den Eindruck einer Ghettokirche, die vom Leben der Stadt und von der Wirklichkeit der Welt ziemlich entfernt war: eine Tagungs- und Entschließungskirche, für die sich die Welt nicht mehr interessiert. Man muß sich fragen, ob dies nicht auch teilweise für die Landessynode gilt. Immerhin bekam, wer wollte, die Synodentexte zur Weiterarbeit, was mir nützlich ist.

Weil es sachlich dazugehörte äußerte sich der Landesbischof auf Wunsch der Synodalen zur Ratzingererklärung, das war der top 9:

“Anmerkung des Landesbischofs zum Stand der ökumenischen Beziehungen zur römisch-katholischen Kirche nach der Vatikan-Erklärung “Dominus Jesus”. Der Landesbischof interpretierte die Diskussion um diese Erklärung als eine typisch deutsche Aufgeregtheit und die Erklärung selber als eine vor allem innerkatholische Angelegenheit. Eine Aussprache zu diesen Anmerkungen war nicht vorgesehen. Es hätte nahegelegen, die fünf synodalen “Abweichler” bei der Zustimmung zum Rechtfertigungskompromiß nach ihrer Einschätzung oder nach ihren Anmerkungen zur weiteren Entwicklung seit Augsburg zu fragen. Dazu bestand weder im Präsidium der Landessynode noch beim Landeskirchenamt ein besonderes Interesse. So bleiben einige Fragen in der Luft hängen, z.B. solche: Macht die katholische Kirche einen Unterschied zwischen der Rechtfertigung des Sünders und der Rechtfertigung des Gottlosen? Etwa in der Richtung: die erstere ja, die zweite nein? Ist es richtig, dass katholischerseits die Rechtfertigung nur nach dem rite gespendeten Sakrament der Beichte wirksam wird, es also nur eine eigentlich rechtfertigende Kirche gibt? Und schließlich: konterkariert nicht die im katholischen Seelenalltag längst geübte Miterlöserschaft Marias das solus christus?

Auch die Begründungsschiene des Landesbischofs ist nicht unproblematisch. Mit dem Argument “innerkatholische Angelegenheit” können alle unfehlbar verkündeten Exkathedralentscheidungen des Papstes als “innerkatholisch” abgetan und aus der Diskussion mit der protestantischen Kirche herausgehalten werden. Mein persönlicher Eindruck: Viel Dialogbedarf – wenig Dialogbereitschaft.

Der neue Pressesprecher

Aus dem Bericht des Vorsitzenden der Kammer für Öffentlichkeitsarbeit Dompredigers Hempel war zu erfahren, dass wir ab 1. Januar als neuen Pressesprecher Herrn Michael Strauss bekommen werden, Ende 30, verheiratet, keine Kinder, fachlich hoch qualifiziert, angefangen in der regionalen, kirchlichen, westfälischen Presse, zuletzt stellv. Chefredakteur bei “Zeitzeichen”. Hempel wies darauf hin, dass es in den Chefetagen der Regionalredaktionen einen durchgreifenden Generationswechsel gegeben habe, deren Haltung man gegenüber der Institution Kirche als unbefangen und unbedarft einschätzen dürfe. Vorurteile gegenüber der Kirche, wie sie in den Köpfen älterer Redakteure gegeben habe, seien heute nicht mehr vorhanden: daher: unvoreingenommen. Andrerseits lebten sie wohl auch fröhlich und ohne Bewusstsein von Substanzverlust ohne Kirche. Es habe, so Hempel, ein starkes Interesse an der Bewerbungen gegeben und es seien interessante Bewerbungen eingegangen.

Hier zur Erinnerung die Reihe der bisherigen Pressesprecher:

Joachim Hempel (1987-1992), geht von dort an den Braunschweiger Dom,

Claudius Müller (1992-1995), geht zurück ins Pfarramt;

Anne Christiansen, erstmals kein Pfarrer sondern vom Fach, außerdem von auswärts (1996-98), geht zurück nach Nordelbien,

Bernd Kuchmetzki (1999-00), geht zurück ins Pfarramt.

Ein Presseamt im Landeskirchenamt wurde erstmals 1934 eingerichtet und war auf den damaligen Pressesprecher Strothmann, die rechte Hand von Bischof Johnsen, zugeschnitten.Es ging ein, als Strothmann Pfarrer in Ahlum wurde. Das Amt des Pressesprechers wurde dann im Landeskirchenamt von Max Wedemeyer in der Nachkriegszeit wieder aufgenommen. Strothmann wie Wedemeyer haben hektografierte, interessante Blätter in die Pfarrerschaft getragen. Daneben gab es das Br. Volksblatt. Dann wurde diese Aufgabe nach Ref. II,2 delegiert, das nun u.a. die Bezeichnung “Öffentlichkeitsarbeit” bekam.

1967 übernahm dieses Amt Friedrich Wilhelm Wandersleb und gab es

1973 an Henje Becker ab, als er ins Ref.II als Oberlandeskirchenrat wechselte. Von Becker übernahm dieses Amt

1975 Ulrich Hampel, der es bis heute innehat.

Dann verselbständigte sich dieses Aufgabe mit Gründung vom Informations und Presseamt (ips).

Der Wechsel war seit 1987 war zu häufig. Das hat auch strukturelle Gründe.

Die Erwartungen an den Pressesprecher waren zu unterschiedlich, weil nicht geklärt erschien, ob er der Pressesprecher der Landeskirche oder des Landeskirchenamtes oder des Landesbischofs ist. Das attraktivste war ohne Zweifel das Letztere. Die unterschiedlichen Erwartungen können einen ziemlich zerreißen.

Einen witzig/traurigen Blick in das Innenleben einer Pressesprecherin gestattet der verschlüsselte Beitrag von Frau Christiansen in der Festschrift zum 60. Geburtstag von Landesbischof Krause ”..und folgten dem Stern” in diesem Jahr unter der Überschrift “Ma Kapteni” S. 95 ff, indem sie ihre Anstellung und das Verhältnis zu Landesbischof Krause und OLKR Henje Becker schildert. Eine Kostprobe:

“Ich kenne einen Kapitän, der ist auf allen Weltmeeren zu Hause. Zum ersten Mal begegnete ich ihm vor vielen Jahren in einer kleinen Hafenkneipe....Ein paar Jahre vergingen, bis wir uns erneut begegneten...Er hatte inzwischen ein anderes Schiff übernommen, einen schweren Frachter, der einer bekannten Reederei gehörte. Der Frachter war schon ein wenig in die Jahre gekommen, aber gleichwohl mit seiner Ladung unentbehrlich für die Versorgung der Menschen in diesem Land. “Suchen wir uns hier doch eine Pinte,” sagte der Kapitän. Nach einer langen Nacht und etlichen Maltesern heuerte ich bei ihm an, und er nahm mich mit auf große Fahrt.

Die Mannschaft auf dem Frachter war zahlreich, ich kannte niemanden. Der erste, mit dem ich mich anfreundete, war der Smutje. In seiner Kombüse war es warm und roch gut. Er kochte schon lange Zeit für den Kapitän und hatte ihn auf vielen Fahrten begleitet. “Ma Kapteni”, nannte er ihn, seitdem sie das erste Mal zusammen an der Ostküste Afrikas gesegelt waren. Der Name gefiel mir, und im Stillen nannte ich den Kapitän fortan auch so: ma kapteni.” Im Folgenden erzählt Frau Christiansen von den Seemannsgeschichten von Kapitän Krause und wie er das Schiff im Griff hat, die Herrnhuter Losungen liest und auch mal richtig losbrüllen kann. “Meistens jedoch war der Kapitän fröhlich und gut gelaunt. Dann freute sich das ganze Schiff und oft gab es Rum für alle.”

Der Leser kann rätseln, ob sich hinter der Gestalt des Smutje Henje Becker verbirgt. Entscheidend ist die enge Anbindung der Pressesprecherin an die Führungsgestalt von Kapitän Krause. Diese enge Anbindung an das Bischofsamt wurde als eine Verengung des Pressesprecheramtes verstanden.

Eines der Probleme der Pressesprecher von außen wie von allen Leuten, die von außen in diese Gegend kommen, ist die etwas kümmerliche, spießige Atmosphäre des Braunschweiger Bürgertums mit dumpfen Sexualängsten. In andere Schichten dringt die Kirche kaum noch ein. Wer sich mit ihr völlig identifiziert, erstickt; wer sich von ihr völlig fernhält, wird isoliert; wer sich ihr entgegenstellt, wird ausgegrenzt. Nur Zwischenlösungen lassen einen am Leben; aber an welchem?

Auf den neuen Pressesprecher kommt hinzu die Zusammenstreichung des Einzelplanes 4 des landeskirchlichen Haushaltes. Er umfasst die Öffentlichkeitsarbeit der Landeskirche (Publizistik, Information, Werbung). Die Ausgaben dieses Einzelplanes sind von 1,5 Millionen DM (1997) auf 1,4 Millionen 1999 zurückgefahren worden, steigen jedoch im Planansatz für 2001 wieder auf 1,5 Millionen an. Der Etat der Informations- und Pressestelle zeigt folgende Bewegung:

der Zuschußbedarf von ips ist von 319.631,72 DM (Ergebnis 1997) auf 253.552,51 DM (Ergebnis 1999) zurückgefahren worden, aber dann leider auf 373.600,--DM (Plan 2000) und 412.900,--DM angestiegen.

Hier muß gründlich durchgeforstet werden. Ein besonderes Ärgernis ist der Zuschussbedarf für die Ev. Zeitung, der von 276.ooo,--DM (1997) auf 376.700.—DM (Planansatz 2001) gestiegen ist. Außerdem bezahlt die Landeskirche noch die Stelle einer PfarrerIn in Hannover in der Pressearbeit. In den Zeiten, wo Pfarrergehälter im Handumdrehen von 100% auf 75% gesetzt werden, wird die Pfarrerschaft empfindlicher für den Ausgabenbereich im Einzelplan 4.

Das ist für einen neuen Pressesprecher kein leichter Anfang.

Propsteireform

Die Propsteireform war das zeitlich beherrschende Thema dieser Synodaltagung. Dazu hatte die Reformkommission nach etwa 8 Sitzungen ein knappes Papier formuliert und einen Beschlussantrag an die Synode eingereicht. Sie sieht die Auflösung der Kirchenkassenführung auf Ortskirchengemeindeebene vor, die Bildung von 5 Buchungsstationen, an die die Kirchengemeinden per Zwang angeschlossen werden sollen, sowie die Auflösung der Propstei Vechelde und einige weitere Regionalkorrekturen. Bereits in die Andacht um 17.00 im LKA strömten zahlreiche Gemeindemitglieder aus der Propstei Vechelde und füllten dann die Zuhörerreihen im Sitzungssaal. Bis in den Abend wogte die Diskussion hin und her. Frau Mattfeldt-Kloth begründete ausführlich eine Beschlußvorlage. Als erster meldete Bengsch, Oker, Mitglied der Kirchenregierung, entschiedenen Widerstand gegen den Zwangsanschluß an und brachte dagegen sogar einen förmlichen Antrag ein. Als Zweiter sprach Pfr. Welge, Timmerlah und forderte in einem weiteren Antrag den ausdrücklichen Erhalt der Propstei Vechelde. Propst Schinke (Flachstöckheim) votierte aus der Sicht eines Landpfarrers gegen den Entwurf und forderte eine Kostenberechnung. Frau Cordes-Bischof, Dorfpfarrerin von vier kleinen Kirchengemeinden in der Propstei Lebenstedt, wandte sich in ihrer ersten Rede in einem originellen Beitrag ebenfalls gegen den Entwurf aber durchaus für einen freiwilligen Anschluß an eine Buchungsstelle. Der Synodale Borrmann, St. Thomas, Wolfenbüttel, berichtete von den gründlichen Überlegungen aus der Propstei Wolfenbüttel, benannte die unterschiedliche Bedeutung des Wortes Propstei (im Sinne von Service, von Seelsorgeeinheit und Regionalbegriff) und forderte eine gründliche Beratung in den Ausschüssen nach der Maisynode 2001. Mit diesem vernichtenden Meinungsbild setzte sich nunmehr der frühere Oberkreisdirektor Koneffke aus Wolfenbüttel, Mitglied der Reformkommission, auseinander. Ihm schwebte eine Angleichung von 5 Propsteien an die kommunalen Kreisgrenzen vor. Er warf den Synodalen Rückschrittsdenken vor. Als letzter sprach OLKR Dr. Fischer und begründete die Zwangseinrichtung von Kassenbuchungtsstellen mit der Budjetierung, die "Professionalität" erfordere, die in den Gemeinden nicht vorhanden wäre. Die Rede Fischers wurde von einem Zwischenruf von Pfr. Karius, Wenzen, begleitet "Das stimmt doch gar nicht."

Eine Abendandacht von Frau v. Gaetringen beendet diesen bereits spannenden ersten Tag.

2. Tag Freitag der 17.11.00

Der 2. Tag der Landessynode begann mit einem zeitraubenden Abendmahlsgottesdienst durch Landeskirchenrat Hampel, der am 31.12. aus dem Dienst ausscheidet. Danach Stärkung mit Kaffee, nochmal Lob für Hampel seitens des Synodenpräsidiums und landeskirchenrätlicher Dank und Synodenkritik seinerseits (es müssten bei der Durchsetzung von Vorhaben zu viele gefragt werden

Siebenstündige Haushaltsdebatte

bis 18.00 mit einstündiger Mittagspause und halbstündiger Kaffeepause. Es ist ein Haushalt ohne Überraschungen und Schwerpunkte. Er beträgt 189.481.900,--DM. Zum Vergleich:

Ergebnis 1997: 213.115.591,--DM;

Ergebnis 1998: 257.914.300.--DM;

Ergebnis 1999: 219.196.447,--DM

Plan 2000: 182.889.400,--DM;

Plan 2001: 188.981.900,--DM

Die Übersicht ergibt: Es gibt tatsächlich einen Rückgang im Haushaltsvolumen. Trotzdem besteht kein Anlaß zu Trübsal. Worüber nämlich nicht diskutiert wurde: der hohe Rücklagenstand:

insgesamt: 287.291.255,--DM. Plus über 50 Millionen DM in der Baupflegestiftung, die aus der Baurücklage entnommen wurde, also summa 330 Millionen Rücklagen, davon Personalrücklage: 181.171.793,--DM.

Unsicherheit herrscht über die künftige Höhe des Rückgangs der Kirchensteuereinnahmen, die nach wie vor fast ¾ der gesamten Einnahmen ausmachen. Sicher ist jedoch, daß im Laufe der Zeit mehr Kirchensteuergelder kommen. Nach Auskunft des Bundesfinanzministeriums wächst das Kirchensteuereinkommen von 17 Milliarden im Jahre 2000 auf 20 Milliarden im Jahre 2006. Das sind 3 Milliarden mehr, allerdings auch 3 Milliarden weniger ohne Steuerreform.

Die andere Quelle sinkender Kirchensteuereinnahmen ist die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder. Sie beträgt zur Zeit 440.000 Personen. Wenn wir beim Bericht der Kirchenregierrung eine saubere Statistik vorgelegt bekommen hätten, hätten wir die Ziffern der Austritte mit Eintritten, der Todesfälle mit Taufen und der Zuzüge mit Wegzüge vergleichen und gegenrechnen können. Meine Vermutung ist: die Leute ziehen aus unserer Region weg. Daher bleibt für uns aus dem niedersächsischen Verteilertopf nicht mehr so viel übrig wie sonst. Die Hannoversche Landeskirche kriegt mehr aus dem Topf. Das ist die einschneidendste Verlustquelle. Dank von Verhandlungen von OLKR Dr. Fischer macht sich die sinkende Ziffer nur mit einer langsam absenkenden Prozentzahl von höchsten o4,% Prozent bemerkbar. Jetzt bekommen wir aus dem großen niedersächsischen Topf 11%, dann 10,6 %, auch wenn die Mitgliederzahl eine niedrigere Prozentzahl rechtfertigen würde. Wir gehen wohl wie die oldenburgische Landeskirche auf 10% aus dem großen Topf zu. Das bedeutet für die Kirchengemeinden, daß sie auf die Dauer allerdings mit einer günstigen Verzögerung von einem Jahr auch mit weniger Landeskirchensteuergeldern zu rechnen haben.

Völlig offen ist die Frage, ob eine Rentenbesteuerung auch eine Anhebung der Kirchensteuereinnahmen bedeuten würde. Dann wären wir mit einem Schlage aus dem Schneider und die zum Himmel schreiende Kirchensteuerungerechtigkeit, die die Mehrheit der Alten völlig aus dem Kirchensteuersystem heraushält, wäre beseitigt.

Eine weitere offene Frage ist, ob sich bei der Angleichung der Steuersysteme in Europa im Gefolge der Einführung des Euro der deutsche Sonderweg der Kirchensteuererhebung auf die Dauer wird halten können. Zwar gibt es Zusagen aus Brüssel, das bisherige System in Deutschland nicht anzutasten aber wielange werden diese halten?

Leider bleibt es beim Verteilerschlüssel 31:4:65. Also: 65 der eingehenden Landeskirchensteuern behält das LKA, 31 % erhalten die Gemeinden, 4 % verbleiben in einem Sondertopf, der aber auch den Gemeinden zugute kommen soll, jedoch auf Zuweisung des Landeskirchenamtes. Die nun anlaufende Budjetierung hätte es nahegelegt, den Schlüssel geringfügig um 1-2% zugunsten der Kirchengemeinden zu verändern. Aber bei der Neigung des Finanzdezernenten, den Kirchengemeinden einen professionellen Umgang mit anvertrauten Geldern prinzipiell abzusprechen, ist es verständlich, den Anteil der Kirchengemeinden klein zu halten, obwohl die Gesamtheit der Landeskirchensteuern ja aus unseren Kirchengemeinden stammt. Ich mahnte an, dass dieser Schlüssel keineswegs festgeschrieben sei, sondern darüber immer wieder neu beschlossen und diskutiert werden müsse.

Der Haushält enthält auch Risiken: der Wiederaufbau des Georgenhofes in Blankenburg ist bis zu 8 Millionen DM gänzlich unklar projektiert. Die Finanzplanung für die Brüdernkirche halte ich für geschönt und unsolide. Ungeklärt sind die laufende Unterhaltung und die sog. Refinanzierung.

Das Projekt Stadtkirchenverband und Sozialstation in Helmstedt/ Schöningen hat 3 Millionen DM zinsloses Darlehen auf 65 Jahre verschlungen, praktisch verschenktes Geld auf Kosten der Kirchensteuerzahler. Es ist also Mißtrauen in die mittelfristige Finanzplanung angebracht. Der Finanzausschußvorsitzende versprach in der nächsten Sitzung im Februar diese Frage aufzugreifen.

Bei den Pfarrgehältern, die von 24 Millionen (1997) auf 32 Millionen im Ansatz 2001 steigen, habe ich anhand der Vorgänge in der Cluskirchengemeinde, Schöningen, die brutale Umwandlung von 100% Stellen auf 75 % Stellen ohne vorheriges Einverständnis der Kirchenvorstände kritisiert, was für die Betroffenen im Handumdrehen 1000.--DM minus bedeutet. Ich habe angeregt, wenigstens im Gehaltbereich einen prozentualen gleitenden Übergang herzustellen. Die Vertreter des Landeskirchenamtes nahmen diese Bemerkungen stumm hin. Auch der Vorschlag, die hohen Zinserträge der Norddeutschen Versorgungskasse zur vorübergehenden Finanzierung von Engpässen zu benutzen, blieb unerwidert. Er sollte in den Amtskonferenzen aufgegriffen werden.

Der Finanzausschussvorsitzende nannte als besonders großes Hindernis bei einer attraktiven Darstellung der Kirche in der Öffentlichkeit anhand eines Artikels in der EZ vom 22.10. als “Das größte Problem der Kirche” die miese Stimmung innerhalb der Pfarrerschaft. Leider kam es trotz der vielen anwesenden Pfarrer zu diesem Thema zu keiner umfassenden Diskussion. Tatsächlich ist die Pflege der Pfarrerschaft sozusagen als Mitarbeiterpflege ziemlich unterentwickelt. Es ist erschreckend, dass im Haushalt eine hohe Summe zusätzlich eingesetzt worden ist, weil unerwartet viele Pfarrer frühzeitig aus dem aktiven Dienst ausscheiden, deren Wohnungen nun renoviert werden müssen. Diese fallen dann nicht mehr dem Haushalt der Landeskirche zur Last sondern der gut gefüllten Norddeutschen Kirchlichen Versorgungskasse, dessen Vorsitzender ebenfalls OLKR Dr. Fischer ist. Es ist kein gutes Aushängeschild für unsere Landeskirche, wenn immer mehr Pfarrer verärgert, verbittert oder ausgebrannt aus dem Dienst ausscheiden. Was läuft verkehrt? Eine Motiverforschung wäre dringend angebracht? Aber wer müßte daran ein Interesse haben und wer hat daran kein Interesse?

Und wenn in der Pfarrerschaft gespart wird, dann stellt sich doch die Frage ob ein fünfköpfiges Kollegium als Führungsspitze gleichgroß sein muß, wenn die Landeskirche 700.000 Kirchenmitglieder hat oder 440.000. Brauchen wir wirklich zwei Juristen? Ich schlug vor, darüber nachzudenken, die eine Juristenstelle mit einem ku Vermerk zu versehen. Eine Juristenstelle kann in eine Volkswirtstelle umgewandelt werden, wenn der Platz dafür frei wird.

Bei diesem Tagungsordnungspunkt habe ich den Landesbischof persönlich daraufhin angesprochen, daß er im Januar sein 62. Lebensjahr beginnt und gefragt, was er sich für die letzte Strecke seiner Zeit in der Landeskirche vorgenommen habe. Ich schlug ihm vor, er möge einen Landeskirchentag durchführen und die von ihm selber vorgeschlagene Reform des Mitgliedsrechtes in der Kirche weiter verfolgen. Es kam kein Echo.

Zu einer ausgedehnten Debatte kam es beim Einzelplan 2 über die Diakonie und die Spannungen um Diakon Huge in Braunschweig. Fechner, Vechelde, seinerzeit im Gespräch für den Direktorenposten, für den dann Pfr. Berner gewählt wurde, und daher mit dem Geruch des ewigen unterlegenen Gegenkandidaten behaftet, hatte einen dicken Antrag zur Überprüfung der Struktur des Diakonischen Werkes eingebracht, Berner plädierte scharf dagegen. Der Antrag bedeutet "das Ende der Diakonie". Der Antrag Berners, diesen Antrag abzulehnen, verwarf die Synode und überwies ihn an die Auschüsse. Einen Resolution gegen die Diakonie zog Fechner zurück. Ein Antrag Berners auf Beteiligung von Diakonen an Synodensitzen wurde abgelehnt. Es gibt aber ein Sachproblem, nämlich die Struktur des Diakonischen Werkes, an dem aber bereits in den dortigen Gremien gearbeitet wird und das nun auch den Synodalausschuß für Ökumene, Mission und Diakonie (Ömidi) beschäftigen wird, dessen Vorsitzender Herr Fechner ist.

Kirchenmusikergesetz

Nach Abschluß der Haushaltsberatungen kam es in der Landessynode zu einer sehr merkwürdigen, unerwartet langen Debatte über das Kirchenmusikergesetz. Das ist auffällig. Die Landessynode hatte erst vor zwei Jahren während einer Themensynode "Kirchenmusik" ein Kirchengesetz über den kirchenmusikalischen Dienst in der Landeskirche beschlossen. Änderungen an diesem neuen Gesetz bereits nach zwei Jahren wurden begründet mit arbeitsrechtlichen Bestimmungen und mit dem Sparzwang. In der Regel durchläuft ein solches Gesetz mehrere Stationen: es wird von der Kirchenregierung in einen Ausschuß gegeben, hier Rechts- und Gemeindeauschuß. Dort wird es solange beraten, bis es wieder in die Kirchenregierung zurückkommt. Dann in die Landessynode. Der normale Landessynodale kann erwarten, daß dann die kirchenpolitischen Dinge geklärt und in eine rechtlich vertretbare Form gebracht worden sind. Der Synodalpräsident Eckels sprach beim Aufruf dieses Top daher die Erwartung aus, daß es wohl schnell gehen würde. Es dauerte wieder eine Stunde. Es stellte sich heraus, daß die eigentlichen inhaltlichen Kontroversen gar nicht auf den Tisch der Synode kamen. Der Synodale Welge kritisierte die Abkoppelung der A und B Musiker von einer Orgel in einer Gemeinde. Sie sollen in Zukunft bei der Propstei eingestellt werden, die den Einsatz regeln. Aus Ersparnisgründen sollen sich mehrere Kirchengemeinden einen A oder B Kantor teilen. Frau Bohlmann Brasche kritisierte, daß es kein zustimmendes Votum des Landeskirchenmusikdirektors gegeben habe. Er habe sich wohl unter Druck gesetzt gefühlt. Sie bat, die Beschlußfassung auf den Sonnabend zu verschieben und erst noch einmal KMD Hecker zu hören. Die als redaktionelle Änderung heruntergestufte vollständige Änderung des Gesetzes bedeutet einen Eingriff in den Aufgabenbereich des Landesmusikdirektors. Das Gesetz von 1998 sieht z.B. seine Beteiligung bei der Genehmigung von Personalentscheidungen durch das Landeskirchenamt im kirchenmusikalischen Bereich vor. Das scheint weggefallen zu sein oder ist woanders formuliert. Dann hätte dies in den Begründungen stehen müssen. Was als Vereinfachung deklariert wird, könnte sich beim genauen Hinsehen als Entscheidungszuwachs des Landeskirchenamtes herausstellen, wo ja das neue Kirchengesetz auch entstanden ist. Frau Rohlfs kritisierte z.B. daß § 3,3 des alten Gesetzes verändert worden ist. Da kann auf Antrag der Kirchengemeinde der Titel "Kantor" "Kantorin" verliehen werden. Jetzt ist die Rolle der Kirchengemeinde gestrichen. Warum? Frau Dr. Sichelschmidt: "Ganz selbstverständlich könne die Gemeinde das nach wie vor machen." Tatsächlich jedoch ist ein Antragsrecht der Kirchengemeinde aus dem Gesetz entfernt. Fazit: Das Gesetz wurde in der Abendstunden angenommen. Die Ebene der Propstei ist gestärkt, die der Kirchengemeinde geschwächt. Zurück blieb ein ziemlich scheußlicher Bodensatz über die Ordnung der Geschäfte.

Der dritte Synodentag Sonnabend der 18.11.00

Die Propsteigrenzen bleiben erhalten

Mehr als drei Stunden diskutierte die Landessynode den ganzen Vormittag, der leider erst spät, um 9.40 - solange dauerte die pfiffige Morgenandacht von Harald Welge - begann. Nach zweistündiger Debatte mit ca 19 Redebeiträgen zur Frage, ob der gegenwärtige Bestand der Propsteien angetastet werden soll, entschied sich die Synode gegen den Beschlußvorschlag der Reformkommission, die die Beseitigung der Propstei Vechelde und die Einverleibung von Braunschweiger Randgemeinden in die Propstei Braunschweig vorsah, mit der Wahnsinnsmehrheit von allen gegen eine konsequente Stimme von Frau Mattfeldt-Kloth, der Vorsitzenden der Reformkommission, für den gegenwärtigen Bestand der Propsteien. Um den Wortlaut des Beschlusses wurde noch gerungen. Nach Vermittlung des Synodenpräses hieß es: Die Kirchenregierung möge bei den weiteren Reformüberlegungen von dem Bestehen der gegenwärtigen Propsteigrenzen ausgehen. Welge zog seinen Antrag, der sich ja nur auf die Propstei Vechelde bezogen hatte, daraufhin zurück. Der Eckelssche Vorschlag bezog alle weiteren Veränderungen mit ein. Die unmittelbare Folge dieses Beschlusses ist es, daß in allen drei Propsteien (Königslutter, Lebenstedt, Vechelde) nun Pröpste gewählt werden können. Ich bin gespannt. Drei neue aufsässige Pröpste könnten den Pröpstekonvent aufmischen, von dem ja ein Votum zu diesem ganzen Vorhaben zu erwarten gewesen wäre.

Auf der Synode wurde eine gründliche Studie "Stellenplanung, Eingeschränkte Dienstverhältnisse, Propstei- und Regionalisierungskonzepte" verteilt. Es handelt sich dabei um Arbeitsergebnisse einer Gruppe von Synodalinnen und Synodalen, Pfarrerinnen und Pfarrern. Zu ihnen gehören: Almut Broihan, Gisela Dresler, Ute Ermerling, Thomas Gunkel, Reinhold Jordens-Höke, Dorle Kaltschmidt, Elfriede Knotte, Martin Labuhn, Katharina Meyer, Josef Paßlick, Dieter Rammler. In diesem Verfasserkreis ist wohl ein Exemplar zu bekommen. Eine Beratung in den Amtskonferenzen wäre sehr zu empfehlen. Es ist sehr schade, daß die Synodalen diese Studie erst auf ihren Plätzen vorfanden. Wie sollen sie das in die Beratung einbringen? Das Papier stellt drei Zwischenergebnisse vor: Zwischenergebnis 1 “Verhaltensalternativen zur Stellenplanung”, Zwischenergebnis 2: “Dienstverhältnisse und Pfarrer-bzw Pfarrerinnenbild”, Zwischenergebnis 3 : “Propstei,Region und Kooperation”. KvU stellt dieses Papier inhaltlich in der nächsten Nummer vor.

Zentrale Kassenbuchungsstellen?

Der Antrag der Reformkommission war aufgestückelt worden, um einige Reste davon zu retten. Nun ging es um die Einrichtung von Kassen- und Buchungsstellen. OLKR Dr. Fischer hatte in seinem Expose für die Reformkommission vorgeschlagen, die Anzahl der Propsteien auf fünf zu begrenzen und in diesen verbleibenden 5 Propsteien jeweils eine Kassen- und Buchungsstelle einzurichten. Durch die Entscheidung der Landessynode, es zunächst bei den 13 Propsteien zu belassen, war eine wichtige Voraussetzung für eine totale Neuordnung gefallen.

Die Reformkommission hatte die Entwicklung von Servicestationen aus den bestehenden Kirchenverbandsämtern Goslar, Helmstedt, Wolfenbüttel und aus der Kassen- und Buchungsstelle Salzgitter-Lebenstedt für die Kirchengemeinden vorgeschlagen samt Zwangsanschluß innerhalb von ca drei Jahren. Es waren in dieser Hinsicht frühzeitige Hoffnungen bzw. Begehrlichkeiten geweckt worden. So verbreitete Propst Heinz Fischer die Meinung, dass bereits in diesem November (!) die Umwandlung des Helmstedter Stadtkirchenverbandes in eine solche Servicestation erfolgen würde. Ein schwerwiegender Irrtum.

Gegen diesen Zwangsanschluß hatte Bengsch einen Antrag eingereicht. Die Diskussion wogte zwischen den Landpfarrern Jordens-Hoeke, Bahrke, Obst, Karius, Schinke und Kuessner gegen Dr. Eckels und Dr. Bosse von Braunschweig. Eckels wurde ziemlich polemisch. Mehrfach wurde der Brief der Pfarrer Kahmann, und Kiekhöfer zitiert, den die Synodalen vorliegen hatten. Diese hatten eindringlich darauf hingewiesen, wie wichtig der Erhalt der Kirchenkassse vor Ort für die Präsenz der Kirche im Ort wäre. Die Diskussion spitzte sich auf die Schaffung einer einzigen Servicestation zu. Die Arbeitskreise "Solidarische Kirche" und AK 70 tagten gemeinsam in der Pause und einigten sich, auf jeden Fall den Zwangsanschluß zu beseitigen.

Ein weiteres, die Bewertung der Kirchengemeinde außerordentlich berührendes Problem ist die Einschätzung der natürlich verbleibenden Verwaltungsarbeit wie Rechnungen entgegennehmen, anweisen, sachlich prüfen und vieles andere mehr. Dabei ist strittig ist, wieviel Anteilspunkte bei der Gemeinde verbleiben: es gibt das Modell 20:8o, 25:75, das einhellig abgelehnt wurde. Also auf deutsch: in den Kirchengemeinde verbleibt sehr viel Arbeit und die zentralen Kassen- und Buchungsstellen kassieren das dicke Geld für die übergeordnete Kassenarbeit. Propst Schinke war wegen dieses für seine Gemeinde ungünstigen Schlüssel aus der Lebenstedter Buchungsstelle wieder ausgestiegen. Es wurde auch immer wieder darauf hingewiesen, dass die Einrichtung solcher Buchungsstellen natürlich ziemlich teuer sei und nur die Schaffung einer Doppelstruktur bedeute.

Also es war klar: eine Entscheidung bereits während dieser Synode war völlig ausgeschlossen. Frau Haller, Königslutter, beantragte daher, alle Überlegungen in die Ausschüsse zu bringen und dort mit klaren Vorgaben zur rechtlichen Fassung an das Landeskirchenamt zu delegieren. Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit leider abgelehnt. Diese Mehrheit befürchtete, dass das Reformvorhaben dann ins Jahr 2002 verschoben würde.

Dieses Projekt berührt auch entscheidend die Frage: wollen wir die Gemeinden stärken (also Dezentralisierung) oder die die Kirchengemeinden dominierende Kassenzentralen (also: Zentralisierung). Das Meinungsbild bei der Befragung der Gemeinden 1995 ging ganz klar in Richtung: Stärkung der Kirchengemeinden. Die Vorlage der Reformkommission konnte sich nicht auf den Reformwillen von 1995 berufen, obwohl sie es ständig tat.

Meiner Meinung wurde eine zentrale theologische Frage ebenfalls berührt: ist die von der Reformkommission vorgesehene weitgehende Trennung von Verwaltung und geistlichem Amt akzeptabel? Ich sehe in der geplanten Trennung von Verwaltung und geistlichem Amt einen Verstoß gegen die Verfassung unserer Landeskirche, die sich in Artikel 2 auf das Barmer Bekenntnis gründet. Die wichtigste Erkenntnis des Kirchenkampfes war der Zusammenhang von Verwaltung und geistlichem Amt, was sogar Dr. Fischer auf Anfrage ausdrücklich bestätigte. Bekanntlich begann der Kirchenkampf mit der Ablehnung des Arierparagrafen und der Verweigerung, die Kollekten abzuliefern. Auch der Kirchenkampf war ein Kampf zwischen Zentralisierung (DC) (Reichskirche, Reichsbischof, Reichssynode) und Dezentralisierung (BK Bekenntnsgemeinden). Übrigens: der Vorschlag von Koneffke, die Propsteigrenzen den Kreisgrenzen anzugleichen, hatten wir schon 1934. Damals wurden alle Kirchenräte abgesetzt und sieben Kreispfarrer eingesetzt Der braune Landeskirchentag (Vorgängerin unserer Landesssynode) hatte übrigens mit einem dreifachen Siegheil den Anschluß an die Reichskirche unter OLKR Dr. Breust vollzogen. Nach einem halbem Jahr war dieser Spuk vorbei und es wurden neue/alte Einheiten eingerichtet. Das ist übrigens die Geburtsstunde der Propsteien.

Als angeblicher Kompromiß kam folgender Beschluß zur Abstimmung:

"Die Kirchenregierung wird gebeten, bis zur Tagung der Landessynode im Mai 2001 Gesetzesvorlagen vorzulegen zur Einrichtung von "Servicestellen", die im Auftrage kirchlicher Rechtsträger (Gemeinden und Propsteien) Verwaltungsangelegenheiten erledigen. Die Frage von Anreizen, Benutzungspflicht und Befristungen soll dabei alternativ behandelt und nach Für und Wider umfassend begründet werden. Die Überlegungen der Reformkommission sollen bedacht werden." Unterzeichner: Bengsch, Voss, Fechner, Koneffkle, Fürst, Rohlfs, Kaltschmidt, Obst.

Abstimung: alle dafür; zwei Gegenstimmen (Karl Heinz Lürig, Eimen, aus der Kirchengemeinde von Karius, und Kuessner, BS), einige Enthaltungen. Allein die Unterschriften zeigen die Ansammlung des Unvereinbaren: Koneffke, war Mitglied der Reformkommission, Fürst will Service online Zentrum ohne Zwang, Bengsch auf keinen Fall per Zwang. Voss und Fechner sitzen neben Bengsch und haben so unterzeichnet.

Es werden in der Maisynode nun verschiedene Möglichkeiten vorgelegt z. B. mit Zwang, ohne Zwang, mit gleitendem Zwang. Eine oder fünf Servicestationen. Abgabe aller Verwaltungssachen oder nur der Kassensachen. Der größte Haken ist, daß die Kirchenregierung natürlich das Landeskirchenamt beauftragen muß, solche Vorlagen zu machen. Ich halte das LKA für völlig überfordert mit der Vorlage eines wirklich alternativen Entwurfes. Ich befürchte die Vorlage von zwei kaum voneinander abweichenden Modellen. Es besteht die Chance, daß der Finanzausschuß von sich aus ein Modell entwickelt.

Abendmahlsfeiern durch Lektoren im Auftrag des Kirchenvorstandes

Dieser Samstag brachte nach der zeitlichen Begrenzung der Oberlandeskirchenratsstellen einen zweiten kräftigen Reformvorstoß. Der Synodale Norbert Bengsch, Rektor an einer Schule in Oker, und langjähriger Lektor hatte beantragt, die Darreichung des Abendmahls auch den Lektoren zu gestatten und die Entscheidung darüber in die Hände des jeweiligen Ortskirchenvorstandes zu legen. Bisher durften nur Prädikanten nach Genehmigung durch den Propst eine Abendmahlsfeier halten.

Bengsch hatte eine gute Zeit erwischt: nach der Kaffeepause um 15.15 Sonnabend. Alle waren noch frisch. Nach der Begründung durch Bengsch teilte Frau Pfaue Vogt für den Gemeindeausschuß mit, dieser habe mit 9:1 für diesen Antrag gestimmt, aber sie erwähnte auch allerlei Bedenken. Der frühere Oberkreisdirektor Koneffke wies darauf hin, daß es nur Richtlinien seien, für die die Synode nicht zuständig sei. Nach mehr hinhaltenden Voten von Propst Schinke und Pfr. Karius votierte OLKR Kollmar scharf gegen den Antrag. Die Synodalen Prinzing, v. Gaetringen, Borrmann plädierten allerdings dafür, ich auch, dann griff Kollmar erneut in die Debatte und sah Ordination, Sakramentsverständnis, Amt gefährdet. Frau Biersack sah in dem Antrag dagegen "protestantisches Urgestein".

Diese Richtlinie ist tatsächlich ein beträchtlicher Eingriff in das Amtsverständnis. Er geht in die Richtung des häufiger von mir vor der Synode ausgeführten Satzes: "Alle sind ordiniert". Zur Darreichung der Sakramente bedarf es keiner Priesterweihe (sowieso nicht) aber auch keiner als Hervorhebung verstandenen Ordination, sondern eines Auftrages durch den Kirchenvorstand und einer Dienstbereitschaft des Lektors. Es wird ein theologisches Ungleichgewicht zwischen verbum invisibile und verbum visibile beseitigt. Zwischen Predigt und Abendmahl besteht kein grundsätzlicher Unterschied. Beides Male ist es Wortverkündigung, einmal unsichtbar, das andere Mal sichtbar. Das Abendmahl ist nicht "Höhepunkt des Gottesdienstes" sondern die Entfaltung des einen wirksamen Wortes in Predigt, Lied, Gebete und Essen und Trinken.

Der entscheidende passus hat folgenden Wortlaut:

"Nach besonderer Ausbildung und Zulassung kann der Lektor Abendmahlsgottesdienste halten. Die Darreichung bedarf der Beauftragung durch das Pfarramt im Benehmen mit dem Kirchenvorstand. Die Verwaltung der Sakramente bleibt dem ordinierten Pfarrer vorbehalten".

Der Synodenpräses stückelte den Antrag. Wir mußten dreimal abstimmen. Mit einer beträchtlichen Mehrheit beauftragte die Landessynode das Landeskirchenamt, eine der Grundsatzentscheidung der Landessynode entsprechende Richtlinie zu entwerfen. Nach der Abstimmung erhob sich OLKR Kollmar und erklärte sich im Gewissensnotstand. Er könne eine solche Richtlinie nicht entwerfen. Die Synode habe kein Recht, das Bekenntnis zu ändern. Die Synode erkannte den Gewissensnotstand an und bat ihn, jemand anderen mit dem Entwurf der Richtlinien zu beauftragen. Drama, Drama!

Ich erwarte einen Sturm der Entrüstung aus der "Bibel und Bekenntnis" zugehörenden Pfarrerschaft. Womöglich erklärt sich das ganze Kollegium im Gewissensnotstand und teilt uns das in der Maisynode mit. Tatsächlich bedeutet der Beschluß der Landessynode endlich die Anerkennung der geistlichen Kompetenz der nichtordinierten Mitglieder des Kirchenvorstandes und des Lektors, die vor dem Wort Gottes grundsätzlich keine andere ist als die jedes Pfarrers.

Andrerseits darf man diesen Antrag, was seine praktische Durchführung betrifft, nicht zu hoch hängen. Es wird keinen Ansturm der Lektoren darauf geben, nun ständig Abendmahslfeiern halten zu wollen. Es handelt sich hier lediglich um den rechtlichen Rahmen für Gottesdienste, die hier und da in unserer Landeskirche dankenswerterweise bereits in dieser Art durchgeführt werden.

Novellierung des Diakonatsgesetzes

Das Diakonatsgesetz von 1995 wurde novelliert und arbeitsrechtlichen Bestimmungen angepaßt. Ich halte es für falsch, daß alleinige Anstellungsträger die Propsteien sind. Die Anbindung an die Gemeinde halte ich für zwingend. Es gibt auch noch solche vertraglich an die Kirchengemeinden gebundenen Diakone. Die Anbindung an die Propsteien gibt es seit 1995. Ungeklärt blieb die Frage, ob Kirchengemeinden nicht doch Anstellungsträger sein können, nämlich dann, wenn sie bei der Budjetierung sich auf die Anstellung eines Diakons verständigen. Die klare Auskunft von Pfr. Hahn aus dem Ref II nach Rücksprache mit Herrn Dube war, das der den Vertrag abschließt, der den Diakon auch bezahlt.

Verhältnis “Christen-Juden” in die Verfassung

Es ist eine mißliche Sache, wenn wichtige theologische Fragen am Ende einer Synodaltagung behandelt werden. Die Aufnahmefähigkeit ist begrenzt. 12 Synodale hatten einen Antrag eingereicht, der folgenden Wortlaut hatte:

“Hiermit beantragen wir: Anläßlich der Ausstellung “Ekklesia und Synagoga” in der Brüdernkirche zu Braunschweig halten wir es für erforderlich, dass das Verhältnis von Christentum und Judentum in der Verfassung der Braunschweigischen Landeskirche theologisch beschrieben wird.

Wir beantragen, daß bis zum Ende dieser Sitzungsperiode der Landessynode ein Vorschlag für diese Verfassungsänderung zur Abstimmung vorgelegt wird.

Dabei können entsprechende Formulierungen der rheinischen und reformierten Kirche beachtet werden.”

Der Antrag war unterzeichnet von: Bengsch, Cordes-Bischoff, Fechner, Kaltschmidt, Hiller Gaetringen, Mahler, Neander, Lauer, Voss, Welge, Kuessner, eine unleserlich.

Die Stimmung für diesen Antrag war günstig, weil sich die EKD Synode mit diesem Thema befasst hatte. Im Gemeindeausschuß waren sogar einige Textvorschläge diskutiert worden. Dabei gab es Missverständnisse auszuräumen: mit “Volk Israel” war natürlich nicht der “Staat Israel” gemeint. Außerdem wollte man nicht in dem gegenwärtigen Konflikt Partei ergreifen. Mir ging es wesentlich um eine Besinnung auf die Grundlagen der Kirche. Und da gehörte nun die Erkenntnis, dass Jesus, Maria und die Apostel Juden gewesen waren, mit hinzu. Jahrhundertelang war diese Erkenntnis verdrängt worden. Es war bereits im Ausschuß die Frage aufgetaucht, ob dieses Verhältnis nicht in einer Erklärung statt durch eine Verfassungsänderung beschrieben werden sollte. Es gab auch in dem Arbeitskreis, der sich im Anschluß an die Ausstellung auf die Initiative von Pfr. Jürgen Naumann gebildet hatte, eine Diskussion darüber, ob man mit einem solchen Antrag nicht warten sollte, bis eine Diskussion in den Gemeinden über dieses Thema stattgefunden haben würde. Das erschien mir nicht sehr erfolgversprechend. In einer Handreichung der EKD Synode war nachzulesen, dass die Landeskirchen Hannover, Baden, Berlin-Brandenburg, Pommern, Württemberg, Sachsen, Oldenburg, Westfalen, Kurhessen-Waldeck, Bayern, Mecklenburg theologische Erklärungen zu diesem Thema abgegeben haben. Die rheinische Kirche, Pfalz, Hessen-Nassau, Lippe, Reformierte Kirche in Nordwestdeutschland hatten ihre Verfassungen, bzw. Kirchenordnungen ergänzt. Soweit die Entwicklung in den letzten 20 (!) Jahren in den anderen Landeskirchen. Nur unsere Braunschweigische Landeskirche hatte sich nicht gerührt, erklärt, verfaßt. Gab es dafür besondere Gründe?

Anstöße hatte es genug gegeben: Zum 40jährigen Gedenktag der Reichsprogromnacht war ein ganzseitiger Artikel in der EZ über die Progromnacht im Braunschweigischen aus meiner Feder veröffentlicht worden. Zum 50 jährigen Gedenktag waren in der Reihe “Arbeiten zur Geschichte der Braunschweigischen ev.-luth. Landeskirche im 19. und 20. Jahrhundert” Nr. 6 drei Vorträge von E.A., Roloff, Bernhild Vögel und mir unter dem Titel “Kristallnacht” und Antisemitismus im Braunschweiger Land” veröffentlicht worden. Die Landessynode hatte es seinerzeit 1988 abgelehnt, dass ich diesen Vortrag auch als Veranstaltung der Landessynode halten dürfte. Die Ablehnungsfront war zu groß. Daraufhin lud mich der Synodenpräsident Kutscher privat zu einem Vortrag während der Novembersynode innerhalb eines Gottesdienstes in die Katharinenkirche ein. Vizepräsident v. Bülow sprach die Gebete. Das Thema oder der Referent oder beides spalteten die Landessynode. Immerhin wurde der Vortrag im Kurier abgedruckt. Vor zwei Jahren hielt ich zum 60. Gedenktag der Reichsprogromnacht im überfüllten Rathaussaal von Wolfenbüttel auf Einladung der Stadt den Hauptvortrag “Juden, Kirche und Bischöfe in Wolfenbüttel” innerhalb der inzwischen gedruckt vorliegenden Reihe “Wolfenbüttel unterm Hakenkreuz”. Pfr. Naumann hatte meinen früheren Aufsatz

Schließlich hatte ich in der Ausstellung “Ev.luth. Landeskirche Braunschweig und der Nationalsozialismus 1983 ein Kapitel diesem Thema gewidmet, der dann in der umfassenden Dokumentation der Ausstellung veröffentlicht wurde.

Es wäre verwegen anzunehmen, dass von wenigen Ausnahmen vielleicht abgesehen, die Synodalen und das Landeskirchenamt diese Veröffentlichungen irgendwann zur Kenntnis genommen hätten. EKD weit war eine Stellungnahme von Oberlandeskirchenrat Dr. Fischer in idea Nr.18/94 zur Kenntnis gebracht worden, in der es u.a. hieß: “Haben wir wirklich mit den Juden denselben Gott?”

Meine Absicht war eine Verfassungsänderung in Absehung der Verhältnisse in Braunschweig.

Ich begründete vor dem Plenum der Landessynode sehr kurz, regte zur Weiterarbeit eine gemeinsame Sitzung des Rechts- und Gemeindeausschusses mit einem einleitenden Vortrag von Prof. Pöhlmann an. Ich hatte in die Sitzung des Gemeindeausschusses bereits verschiedene Vorschläge für eine Verfassungsänderung mitgebracht, von denen besonders zwei bereits im Naumannschen Arbeitskreis durchdiskutiert waren. Die Veränderungen der Präambel der Verfassung sind kursiv gedruckt und lauten:

“Die ev. luth. Landeskirche in BS bekennt sich zu der einen heiligen, allgemeinen, apostolischen Kirche. Sie bezeugt mit dem Volk Israel den einen Gott, der an der Erwählung seines Volkes festhält und ist gebunden an das Evangelium von Jesus Christus wie es in der hl. Schrift Alten und Neuen Testamentes gegeben und in den Bekenntnisschriften bezeugt ist.”

oder:

“Die ev. luth. Landeskirche in BS bekennt sich zu der einen heiligen, allgemeinen, apostolischen Kirche. Sie vertraut gemeinsam mit dem Volk Israel auf die Treue Gottes und ist gebunden an das Evangelium von Jesus Christus, wie es in der hl. Schrift Alten und Neuen Testamentes gegeben und in den Bekenntnisschriften bezeugt ist.”

Mir ist völlig schleierhaft, inwiefern ein derart ruhiger, abgewogener Wortlaut nicht die Präambel unserer Verfassung zieren sollte. Aber ich spürte rasch den Widerstand nach dem Motto: das stammt von Kuessner, das kann nichts taugen. Es hatte sich bei der Formulierung des Antrages keiner zur Begründung gefunden. Als Erstunterzeichner galt ich als Antragsteller. Propst Kraft brachte leider einen sehr, die Sache retardierenden Diskussionsbeitrag. Man solle bei diesem Thema sehr vorsichtig sein. Im Pröpstekonvent habe die Rabbinerin sich außerordentlich zurückhaltend zu solchen Vorhaben geäußert. “Ich bin die Rabbbinerin von Oldenburg und Jesus ist ein Rabbiner aus Nazareth” und: “Nehmen Sie uns nicht unsere Gebete weg”. Dieses Votum hatte eine verheerende Wirkung für den Diskussionsverlauf. Er ging an der initiierten Sache auch völlig vorbei. Der Synodale Mahler wies auf die Plakette hin, die in seiner Kirchengemeinde entstanden war und auch wohl Anlaß zu einer gründlichen Debatte geliefert hätte. OLKR Kollmar verstand den Antrag als Anstoß, sich überhaupt mit diesem Thema zu beschäftigen und der Landesbischof regte die Herausnahme einer Verfassungsänderung an. Der Antrag wurde abgeändert in Richtung einer Erklärung unter Berücksichtigung des besonderen Verhältnisses von Christen und Juden in der Braunschweiger Landeskirche. Genau das wollte ich nicht, stimmte jedoch der Abänderung zu, um einer aussichtslosen Kampfabstimmung zu entgehen. Nun muß der Gemeindeausschuß zusehen, wie er weiterkommt.

Im Anschluß dieses Berichtes findet sich eine Stellungnahme des Arbeitskreises zur weiteren Überlegung.

Vorlage “Ehe, Sexualität und Partnerschaft” verschoben

Sofort nach diesem theologisch wichtigen Top kam ein anderes grundsätzliches Papier zur Sprache.

Bereits 1995 hatten 6 Synodale ein Papier in die Synode gebracht zum “Verständnis von Ehe-Partnerschaft-Sexualität”. Dort war es selig eingeschlafen und hatte nicht mehr das Licht des Plenums der Synode erblickt.

In dem Papier heißt es beispielsweise:

“3. Aber Gott führt auch aus der Ehe hinaus. Wo sich zwei Eheleute entfremdet haben und die Liebe gestorben ist, wo die Familie zum Ort von Haß und Gewalt geworden ist, suchen die Partner zu Recht einen vor Gott verantworteten Ausweg und eine Rückkehr zu neuem Vertrauen, Zuneigung und Zärtlichkeit. Die kirchliche Eheberatung macht mit guten Gründen die verfeindeten Ehepartner stark zur Trennung. Der/die Pfarrer/In können eine Segenshandlung anlässlich der Ehescheidung insbesondere im Hinblick auf die verbleibende Verantwortung für die Kinder anbieten, und die Kirche sieht nach seelsorgerlicher Beratung auch die Trauung geschiedener Ehepartner vor.”

Die Kirche bietet gerade in de Sexualethik ein unappetitlich verstaubtes Bild nach außen hin ab. Dieses Papier sollte ein Angebot an die Landesynode sein, sich gründlich mit diesem Thema zu beschäftigen. Sechs Synodale brachten es erneut vor die Synode. Es wurde im Ausschuß für Jugend und Bildung behandelt.

Wie ungewöhnlich aktuell diese Fragen sind, zeigt ein Gastkommentar von Oberlandeskirchenrat Dr. Robert Fischer im Mitteilungsblatt des Marienstiftes vom Herbst 2000 unter der Überschrift “Kann Kirche segnen, was nicht Gottes Wille ist?” Darin heißt es: “Mit Rücksicht auf die Sünde, auf die “Härte des Herzens” wird es Scheidung geben. Aber der ehebrecherische Mensch sollte wissen, das dies kein Weg in die Freiheit bedeutet, sondern Not und Gericht”.

Ganz anders haben sich die Bischöfin Käßmann und der bayrische Landesbischof Friedrich öffentlich für die Möglichkeit eines Scheidungsrituals ausgesprochen. Ein Entwurf dazu liegt der Braunschweiger Landessynode bereits seit 5 Jahren unbearbeitet und nicht in das Plenum der Landesynode weitergeleitet vor.

Mir schien zu diesem Zeitpunkt die Aufnahmebereitschaft der Synodalen für ein solches wichtiges Thema erschöpft und bat um Zurückverweisung an den Ausschuß für Jugend, wo es im Januar noch einmal behandelt werden wird.

Einrichtung einer Kammer für theologische Fragen

Bald nach Dienstantritt hatte Landesbischof Krause eine Theologische Kammer eingerichtet und dazu persönlich Leute unserer Landeskirche berufen. Sie war kein synodales Gremium. Sie tagte je wie der Bischof sie einberief.

Nunmehr beantragte Pfr. Theilemann nach dem Vorbild vieler anderer Synoden die Einrichtung einer rechtsverbindlichen Kammer für theologische Fragen, die von sich aus oder mit einem Auftrag der Synode versehen theologische Zuarbeit leisten kann. Der Antrag war komplett nach Zusammensetzung und Aufgabenverteilung durchformuliert und beschlussfertig und von 12 Synodalen unterzeichnet. Der Landesbischof schlug indes vor, beide Kammern zusammenzuführen, was m.E. überhaupt nicht geht. Ich empfand das Bestehen beider Kammern für durchaus gleich wichtig: die eine ein Beirat für die persönliche theologische Beratung des Bischofs, die andere ein der Synode und der Gesamtkirche zugeordnetes Gremium. Der Synodenpräses meinte, wir machten uns mit zwei Kammern vor der EKD lächerlich und somit wurde das Projekt trotz dringlicher theologischer Anfragen auf das nächste Jahr verschoben.

Harald Welge hatte einen Antrag eingebracht, der aufgesparten Urlaub auf ein Urlaubskonto speichert, das dann z.B. bei Stellenwechsel eingelöst werden könnte. Trotz ablehnender Stellungnahme des Rechtsauschusses wurde das Anliegen des Antrages doch noch einmal in den Geschäftsgang der Synode gegeben.

Mit einer schönen, knappen, persönlich gehaltenen Liedmeditation über das neue Kirchenlied “Ins Wasser fällt ein Stein” der Synodalin Köhler aus dem früher Provinzsächsischen, in der sie sich ausdrücklich dafür bedankte, dass die Braunschweiger Landeskirche 1990 die Blankenburger Teile bei sich aufgenommen hatte, ging die Synode nach 17.00 zu Ende.

Wir tagen so Gott will nur noch zwei Mal: Mai und November 2001.

Am Rande der Synode

Mit Besorgnis registierten einige Synodale, dass ich während der Aussprache im Plenum mit Gepolter vom Stuhl krachte und rückwärts auf den Hintern fiel. Ich hatte wohl gewippelt; dieses Mißgeschick benutzte der frische Synodenvize Römer zur Neuformulierung unseres Titel: “Kirche nach unten”. Wir bleiben, was wir seit 17 Jahren sind: KvU)


Arbeitskreis “Ecclesia und Synagoga – Christen und Juden” in Braunschweig

Anschrift: Naumann Jasperallee 50, 38102 Braunschweig

Folgende Erklärung basiert auf einer Resolution der Arbeitsgemeinschaft Juden und Christen beim Deutschen Evangelischen Kirchentag.

1. Gott ist treu. Er hat Israel zu seinem Volk erwählt und die Juden zu seinen Zeugen in der Welt gemacht. “So sollst du nun wissen, dass der HERR, dein Gott, allein Gott ist, der treue Gott, der den Bund und die Barmherzigkeit.hält..”(5. Mose 7,9). Der Apostel Paulus bekräftigt, dass ihnen “die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit und der Bund und das Gesetz und der Gottesdienst und die Verheißungen..”(Röm. 9,4).

Darum erklären wir: Jüdinnen und Juden haben es für ihr Heil nicht nötig, dass ihnen Jesus als der Messias verkündigt wird.

2. Der Bund Gottes mit seinem Volk Israel gilt uneingeschränkt. Daher ist es falsch, Jüdinnen und Juden nach ihrer Stellung zu Jesus als dem Messias zu beurteilen. Diese Einsicht öffnet Christen die Augen dafür, daß das Volk Israel bis heute auf Gottes Treue baut und seinen eigenen Weg im Bund mit Gott geht. Darin ist das jüdische Volk ein einzigartiger Zeuge Gottes vor der Welt – auch gegenüber der christlichen Kirche.

Darum widersprechen wir allen Unternehmungen von Christen, gegenüber Juden Bekehrungsversuche direkt zu betreiben oder indirekt zu unterstützen.

3. Im Laufe der Geschichte hat die Kirche – oft in der erklärten Absicht zu bekehren – zu vielen Zeiten und an vielen Orten blutige Gewalt gegen Jüdinnen und Juden verübt. Sie betrachtete sich als das “wahre Israel”, setzte sich so an Israels Stelle und erklärte das jüdische Volk als von Gott verworfen. Damit hat sie nicht nur die geistigen Voraussetzungen für Verfolgung und Ermordung mitgeschaffen. Sie hat sich auch daran beteiligt, Jüdinnen und Juden in ihren Lebensmöglichkeiten einzuschränken, sie zu verfolgen, zu vertreiben und zu ermorden.

Darum müssen Christen zur Kenntnis nehmen, dass diese Geschichte die Verkündigung des Evangeliums für viele Menschen unglaubwürdig macht.

4. Die Mission an Juden gefährdet den Dialog zwischen Juden und Christen und wird in den jüdischen Gemeinden in Deutschland als Bedrohung wahrgenommen.

Deshalb verbietet sich für Christen jeder Versuch, an Juden in missionarischer Absicht heranzutreten.

Gisela Petzold, Luidgard Camerer, Jürgen Naumann, Henrika Naumann, Elsbeth Strohm, Volker Crystalla, Jutta Mohr, Eckhard Neander, Diana Sittig, Gustav Adolf Bruns, Dietrich Kuessner, Gabriele Canstein.

Braunschweig 29.6./5.10.00

Ich bin mit dieser Erklärung und der Veröffentlichung meiner Unterschrift einverstanden

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(Unterschrift) (Wohnung)

 


Grußwort zur Einführung von Propst Helmut Liersch in Goslar (2.7.00)

von Dr. Hans W. Schünemann

Lieber Herr Liersch!

Ich begrüße sie im Namen der Propsteisynode als unseren neuen Propst. Sie übernehmen dieses Amt in einer Zeit, in der man in unserer Kirche vor lauter Klagen bisweilen die Botschaft nicht mehr hört. “Die Gefahr für die Kirche war noch nie so groß wie heute”, jammern manche Leute. Ich halte das für eine ziemlich verschlafene Ansicht. Wir haben einen so unglaublichen Schatz:

eine Botschaft, die alles übertrifft, was Weise sonst gedacht und gesagt haben mögen,

einen Schatz an Erfahrungen mit diesem Glauben, der in Hunderten von Jahren angesammelt worden ist

und einen Schatz, an Menschen, die zur Mitarbeit bereit sind, wie in keinem anderen Bereich unserer Gesellschaft.

Und – auf der anderen Seite, das wird von den Klagemäulern übersehen – finden wir bei fast allen Menschen in unserm Land ein tiefes Bedürfnis nach religiöser Vergewisserung, nach Orientierung, nach Sinn und Hoffnung. Die Kirchenmüdigkeit, die wir beobachten, heißt also keineswegs Glaubensmüdigkeit. So einfach werden wir aus der Haftung nicht entlassen.

Was man jedoch wirklich beklagen muß, ist der Umstand, dass es uns nicht besser gelingt, diesen Schatz mit dem Bedürfnis der Menschen zusammenzubringen, mit anderen Worten: eindrucksvoll zu zeigen, dass man mit diesem christlichen Glauben besser leben kann - und auch besser sterben (K.Berger) – als mit allem anderen, was auf dem Markt der Religionen angeboten wird. Und deshalb sage ich: - und nicht nur als trotzige Gegenposition zu der allfälligen Larmoyanz: Die Chancen der christlichen Kirchen sind ausgezeichnet.

Dabei ist das Propstamt – so scheint mir – eine der wichtigen Umspannstationen für die Energien, um die es geht.

Was immer sonst seine Aufgaben sein mögen – es kann wie kaum ein anderes Amt die entscheidende Nahtstelle sein:

zwischen Kirchenverwaltung und Basis,

zwischen Dogma und lebendiger Erfahrung,

zwischen stiller Frömmigkeit und zupackendem Glaubenshandeln.

Sie, lieber Bruder Liersch, haben über dies alles viel mehr nachgedacht als ich. Dennoch möchte ich Ihnen aus der Sicht des Laien Mut machen,. mit diesem Nachdenken fortzufahren und Ihnen anbieten, es gemeinsam mit uns allen in der Synode in die Tat umzusetzen. Laien sind ja nach einem Wort Schleiermachers Leute, die zur selbständigen Ausübung des Christentums in der Welt fähig sind. Und das nehmen die Goslarer Synodalen für sich in Anspruch.

Also möchte ich Ihnen ein paar Wünsche ins Handgepäck legen – Wünsche allerdings, die das Gepäck nicht schwerer, sondern leichter machen sollen.

Erstens wünsche ich Ihnen eine Gemeinde, eine Propstei, eine Kirche, die dem Leben der Menschen dient. Leben ist eines der Kernworte des neuen Testamentes: neues Leben, gelingendes Leben.

Dazu müssen wir die drängenden Fragen der Menschen noch mehr aufnehmen, eine Kirche sein, in der nicht nur theologisch richtig gepredigt wird, sondern existentiell treffend und ermutigend.

Die nicht so sehr zum Ausgang nimmt die Anmaßung der Menschen – als ihre Angst, nicht so sehr ihre Sünde oder Sucht – als ihr Suchen, nicht so sehr ihre Verlorenheit – als ihre Verluste.

Kurz eine Kirche unter

den Menschen, für

die Menschen, mit

den Menschen

Zweitens wünsche ich Ihnen eine Gemeinde, eine Propstei, eine Kirche, die nicht nur über Gott redet, sondern mehr auch mit ihm, als eine betende Kirche.

Bevor wir etwas tun und geben können, müssen wir doch etwas empfangen. Daran muss man im Zeitalter der Macher gelegentlich erinnern. Also eine hörende Kirche wünsche ich Ihnen, eine Propstei ,die in sich geht, und zwar anders als die Fußballer bei der T-Online Reklame, die dümmlich auf ihr Handy starren.

Es könnte ja durchaus sein, dass sich dabei etwas zeigt.

Viele frühere Generationen von Christen hatten hier mehr Zutrauen als wir. Allerdings waren sie auch weniger esoterisch abgelenkt, sondern schöpften aus eigenem Fundus. Ruheräume, Ruhezeiten, Ruheflächen brauchen wir, auch in unserer Propstei und in ihren Gremien.

Ich wünsche mir das, lieber Propst. Natürlich geht das nicht auf Befehl. Also nicht “Helm ab zum Gebet”. Aber vielleicht “Helmut, ab zum Gebet” und die ganze Propstei hinterher.

Nicht Rückzug meine ich damit, und deshalb

wünsche ich Ihnen drittens eine Gemeinde, eine Propstei, eine Kirche, deren Türen weit geöffnet sind.

Ein Haus mit vielen Türen von außen und innen und vielen geöffneten Fenstern von innen nach außen, einladend und mit viel niedrigeren Schwellen.

Eine herzliche Kirche. Es darf nicht wahrbleiben, was ein zeitgenössischer Dichter boshaft gesagt hat: wo Gott wohnt ist es nicht warm (Delius).

Zu einer offenen, herzlichen, warmen Kirche gehört, - wie oft ist das eigentlich schon gesagt worden? - eine Sprache, die nicht nur Eingeweihte verstehen, sondern jeder Fragende.

Eine Sprache, die sich viel liebevoller, als wir es tun, um die Hörer bemüht. Ich weiß, dass ihnen das am Herzen liegt. Und darüber freue ich mich.

Dies alles gelingt einer Kirche natürlich um so besser, je mehr sie sich offensiv öffnet für die Laien, auch für ihre aktive Mitarbeit. Nicht Maulkorb, sondern Mündigkeit ist angesagt. Ich wandle ein Wort des großen Karl Rahner ab und sage: Die Kirche der Zukunft wird eine Kirche mit vielen mitarbeitenden und mitprägenden Laien sein, oder sie wird überhaupt nicht sein.

Und das meine ich ernst, natürlich nicht als Drohung an die Profis, sondern mit einer gewissen Melancholie eines Christen, der sich seit Jahren darum müht, die Erfahrungen der Laien zu aktivieren, ihre Verwurzelung im Volk, ihre besondere Glaubwürdigkeit, wenn sie sagen “Ich bin Christ” – dies zu aktivieren und der dabei immer wieder auf eine gewisse Selbst-Gefälligkeit der Hauptamtlichen stößt. Immer noch gefallen sich nämlich viele nur selbst in dem, was sie tun. Über die offene Kirche – gut gelüftet, mit vielen Wohnungen – sollten wir in unserer Propstei noch mehr nachdenken.

Viertens wünsche ich Ihnen eine Gemeinde, eine Propstei, eine Kirche, die den Menschen Glaubenserfahrungen ermöglicht.

Viele Menschen fragen ja wirklich, auch jene, die wir mit der Bezeichnung “Kirchenferne” eher nach außen drängen, als sie nach innen zu locken. Sie fragen. Aber sie fragen nicht vornehmlich nach lernbaren Glaubensdogmen, sondern nach erlebbaren Glaubenserfahrungen. Darauf müssen wir mehr eingehen. Wir sollen noch viel mehr erzählende Kirche werden, die Bibel, die ja unter anderem ein Erzählbuch ist, nacherzählende, vom Glauben erzählende, von den Erfahrungen mit Gott erzählende Kirche.

Die Bilder der Bibel aufnehmen und sie behutsam in unsere Zeit übersetzen. Dabei sollten wir viel mehr Mut zum persönlichen Bekenntnis haben, nicht formelhaft, sondern existentiell belegt durch das, was wir selbst an Hilfe, an Ermutigung, an Heilung selbst erfahren haben.

Dazu gehört auch Sinnlichkeit, ja – horribile dictu – eine Sinnlichkeit in den Gottesdiensten, die Erfahrungen ermöglichen. Erfahrungen mit den Texten, die doch ihrerseits Erfahrungen wiedergeben, die Menschen vor zweitausend Jahren durch Jesus mit Gott gemacht haben: handgreiflich.

Ich halte es deshalb für ein gutes Omen, lieber Herr Liersch, dass Ihre Frau Imogen sich intensiv mit Bibliodrama beschäftigt hat. Deshalb gebe ich mich der Hoffnung hin, dass sich künftig in dieser Propstei noch mehr als bisher auch diese und viele andere Möglichkeiten öffnen werden, mit Gottes Wort Erfahrungen zu machen.

Fünftens und als letztes wünsche ich Ihnen, uns und der Gesellschaft eine unbequeme Kirche,

eine Kirche, die nicht die Ohren anlegt, die nicht unauffällig im Strom der Zeit mitschwimmt oder gar den Zeitgeist mit dem Geist Gottes verwechselt.

Jesus war niemals bequem.

Die Sprache sanfter Harmlosigkeit war nie seine Sache. Er lag den Mächtigen seiner Zeit so quer im Magen, dass sie ihn töteten. Ist von seiner Herausforderung gegen jede Lieblosigkeit, gegen jede Selbst-Gerechtigkeit, gegen die Gottferne der Menschen genügend zu spüren in dem, was wir Christen sagen und tun? Unsere Haltung zu vielen gesellschaftlichen und politischen Fragen ist doch viel eher durch den Satz beschrieben “Eigentlich bin ich Christ – nur komme ich selten dazu.” Aber wir sind Christen in der Gesellschaft und für die Gesellschaft. Hier müssen wir als Christen erkennbar sein, einzeln, als Gemeinde., als Propstei und als Kirche. Wir sind daher – dazu aufgerufen, Stellung zu nehmen, besonders wo es um Grundfragen geht: Leben und Schöpfung, Menschenwürde und Solidarität.

Ich wünsche mir von Ihnen, dass wir dies in unserer Propstei auch weiterhin tun. Ansätze dazu gibt es. Beifall von allen Seiten können wir dabei nicht erwarten, dürfen wir nicht einmal.

Alles in allem wünsche ich Ihnen eine be-geisterte Propstei, eine begeisternde Kirche.

Da mag auch gruppendynamisches Halli-Galli gelegentlich sein Recht haben. Und eine frische Brise unter den Talaren verschmähen wir nicht.

Vor allem aber geht es darum, dass wir uns dem Geist Gottes öffnen.

Und da er sich unter anderem in den unendlich vielen Gaben äußert, die in dieser Propstei auf Sie warten, wünsche ich Ihnen und uns, dass es Ihnen gelingt, diese Gaben zu wecken und zu bündeln.

Das kann auch in Arbeitsgruppen geschehen. Arbeitsgruppen brauchen ja nicht unbedingt das latente Infarktrisiko einer kirchlichen Einrichtung zu sein, sondern sie sind gelegentlich geistliche Herzschrittmacher.

Dies sind einige Wünsche, die mich zur Zeit besonders bewegen; es gibt viele andere. Wünsche an Sie, Wünsche für Sie und Ihre – unsere – Propstei. Betrachten Sie sie als Herausforderung, als Erinnerungsposten, als Segenswünsche.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Frau im Namen der Synode Gottes Segen für den schönen Weg,. der sich Ihnen öffnet. Gott stellt Ihre Füße auf weiten Raum.

Und Ihnen, liebe Freunde, die Helmut Liersch und seine Frau hierbei begleitet haben und denen vielleicht angesichts der vielen Herausforderungen an die Kirche etwas mulmig ist, sage ich noch folgendes: Haben Sie keine Angst, er verfügt über was man als übernatürlich bezeichnen müsste, wäre er nicht Propst. Als wir kürzlich zusammen bei Freunden munter einem trockenen französischen Wein zusprachen und die Hausfrau ihm noch ein Glas anbot, sagte er: “Nein danke, ich gehe jetzt auf Wasser.”


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