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Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

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EKD-Theologie: Evangelikale Übernahme

Kurt Dockhorn

Im April dieses Jahres hat die EKD einen Text veröffentlicht mit dem Titel: "Das Evanagelium unter die Leute bringen - Zum missionarischen Dienst der Kirche in unserem Land".

Dieser Text stellt die theologische Abdankung der größten protestantischen Kirchenorganisation hierzulande dar. Schon das Vorwort von Valentin Schmidt. dem Präsidenten des Kirchenamtes, macht deutlich, zu wessen Gunsten diese Abdankung geschieht: "Evangelisation ist ein Jubelruf... ein Weckruf.... auch ein Alarmruf", heißt es da munter posaunend in schönstem Evangelikalendeutsch. Toleranz wird desavouiert, die Verkündigung ist wichtiger als soziales Engagement und das Thematisieren von ethischem Versagen der Kirchen (S.7). Es scheint den Verfassern unbekannt zu sein, daß Verhalten und Strukturen eine härtere Predigt als die sog. Wortverkündigung bedeuten. Mt . 28 wird ohne jede exegetische Reflexion (Es handelt sich eben nicht um einen MissionsBEFEHL) als "invarianter Auftrag" vorangestellt. Geradezu pervers finde ich, ausgerechnet Barmen heranzuziehen als Argumentationshilfe für einen evangelikalen Vorstoß aus der Mitte der EKD heraus.

Der Kontext, in den hinein Mission und Evangelisation (beide Begriffe werden übrigens ständig unterscheidungslos gebraucht) geschehen sollen, wird äußerst unzulänglich beschrieben als "außerkirchliche Religiosität". Gesellschaftliche Analyse? Fehlanzeiqe. Unsere Präqung durch Konsum und Mammon? Nie von gehört? Scheint für das Projekt "Pro Christ 2000" (Parzany ist einer der Autoren), das nunmehr offenbar ein offizielles EKD-Projekt geworden ist, irrelevant zu sein.

 

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Man fragt sich, was eigentlich fehlt in dieser überaus reich privilegierten Kirche mit ihrer fortwährenden Präsenz, nicht nur an jedem Ort, sondern auch in sämtlichen Medien. Ist das alles noch nicht genug an missionarischer Chance? Die Antwort gibt der Text selber (S.36) und sie ist fundamentalistisch: In den Medien präsent zu sein, muß "in Richtung auf eine evangelistische Medienverkündiqung_profiliert werden". Ja, ist denn die EKD von allen guten Geistern verlassen, wenn sie solchen evangelikalen Blödsinn sich zu eigen macht? Und steckt sie etwa dankbar für alle Pfarrerinnen und Pfarrer im ganzen Lande diese schallende Ohrfeige einer radikalen Minderheit ein, daß von den Kanzeln nicht werbend qenug geprediqt werde und die ganze "normale" Gemeindearbeit ungenügend, weil nicht auf "Bekehrung" zielend, sei?

Auch anthropologisch ist der Text eine Katastrophe und eine Frechheit obendrein, indem er gegen alle Erfahrung der Kirchen- und Geistesgeschichte das Gelingen von Mündigkeit am Vorhandensein eines theistischen Gottes festmachem will. Der schlimme Dualismus von Johannes 8 (S. 14) ist dienlich zur Behauptung, daß alle Menschen ihr Leben verfehlen, die nichts mit dem dort festgeschriebenen Wahrheitsbegriff anfangen können.

"Der Mangel an Perspektiven ist ein Mangel an Hoffnung. Die Antwort des Glaubens darauf ist die Botschaft von der Vergebunq der Sünden'' (S.14). Die Damen und Herren glaubensgewissen Autoren möchten doch solche Sätze bitte einmal, wenn sie sich denn trauen, mit von den Konzernen in die Massenarbeitslosigkeit abgeschobenen Menschen diskutieren und zusehen, wo sie dann mit ihren Gewiß- oder Gewußtheiten bleiben.

Daß im Gegensatz zu "vielerlei Heilslehren" nur Jesus Christus, "weil er eine Person ist". Bezugspunkt sein kann, wird deklariert und vor-

 

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geschrieben und bleibt so ohne jede Kraft des Einleuchtenden (15). Diese Art theologischer Binnensprache ist derartig kontraproduktiv für einen nach außen wirkenden Anspruch, daß man sich fragt, ob etwa die Gemeindehelferin und der Diakon die nötige Umsetzung besser leisten können - sie arbeiten ja schließlich an der Basis - als die studierten Theologen.

Weiter nicht verwunderlich ist, daß ein solcher Text in naiver Übernahme des Neuen Testaments Apokalyptik und Naherwartung zur theologischen Voraussetzung macht, also alles das, was nun hinreichend durch zweitausend Jahre Christentumsgeschichte widerlegt ist. Das alles wird in bewährter Rolle rückwärts locker übersprungen, sodaß dann von der Dringlichkeit, "daß niemand die Rettunq verpaßt", gesprochen werden kann(18f).

Ich wüßte gern, wie die EKD an besonnenen Leuten wie Noack, Jepsen, Käßmann, Kock vorbei soviel evangelikale Besoffenheit an die kirchliche und nichtkirchliche Öffentlichkeit weiterreichen konnte. Oder geschah das, was eigentlich nur Kopfschütteln auslösen kann, mit deren Billigung, weil unsere führenden Leute beschlossen hätten, daß die Kirche nur noch evangelikal vor ihrer Auflösung bewahrt werden kann? Ganz von der Hand zu weisen wäre eine solche Tendenz nicht, auch in andern Bereichen sprechen Anzeichen dafür. So will der neue EKD-Rundfunkbeauftragte Bernd Merz "den Glauben offensiver in die Gesellschaft hinein senden" (Frankfurter Rundschau 28.8.01). Das scheint auf der Linie der neuesten EKD-Äusserung zur Mission zu liegen. Diese stellt einen theologisch verheerenden Rückfall dar gegenüber der "Kundgebung" der EKD-Synode zur Mission vom November 1999. Auch der dort vorgetragene Missionsbegriff wird sich so nicht halten lassen, aber immerhin war die Synode mit dem Papier noch diskussionsfähig. Das Kirchenamt hat auf diese Diskussionsfähigkeit mit ihrer Stellungnahme vom April dieses Jahres ohne Not verzichtet. Das Papier ist ein Armutszeugnis für unsere Kirche und eine theologische Pleite besonderer Klasse.


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