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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 105, September 2002 2006, Seite 48-50
(Download als pdf hier)


SIND FUSSBALLER DIE WAHREN GÖTTER? oder: EKG GOES WERBUNG

von Kurt Dockhorn

Seit März dieses Jahres läuft eine 1,5 Millionen Euro teure "Kampagne 2002", auch "Image-Kampagne" genannte Aktion der EKD, in der ein halbes Jahr lang insgesamt 6 Plakatmotive präsentiert werden. Bundesweit, kleine Ausführung für Schaukästen, großformatig auf öffentlichen Klebeflächen. Fragen wie: Was ist Glück?, Woran denken Sie bei Ostern?, Wohin wollen Sie eigentlich? oder eben die in der Überschrift genannte werden, auf blauem, den Himmel assoziierenden Untergrund, aufgeschlossen durch jeweils vier Antwortmöglichkeiten in der Art von multiple-choice-Aufgaben. Bei "Was ist Glück" beispielsweise hat man die Wahl zwischen: 1. eine Gehaltserhöhung, 2. wieder mal bei Oma Erdbeerkuchen essen, 3. Gesundheit, 4. ein Ticket für die Fußball-WM. Bei der Fußballerfrage werden angeboten: 1. Ja, 2. Nein, 3. Vielleicht, 4. Weiß nicht.

Darüber nun, so die Intention der Veranstalter, sollen Menschen untereinander und mit der Kirche ins Gespräch kommen, und epd konnte am 28. März eine erste zufriedene Bilanz aus der EKD-Zentrale melden, indem sich "rund 1720 Menschen bis Ostern an der Internet-Umfrage beteiligt" hätten. Der Hamburger Medienexperte Bernd-Jürgen Martini, maßgeblicher Berater der EKD bei der Entwicklung der Kampagne, fordert den Einsatz moderner Werbemethoden, um die Menschen zu erreichen, die EKD müsse aber dabei "auf dem Boden des evangelischen Markenkerns" bleiben (epd 13.3.). Chrismon 03/02 zitiert Martini so: "Die Betrachter werden mit Neugier zur Kenntnis nehmen: Kirche hat eine wichtige Grundbotschaft, passend selbst für die Spaßgeneration". Sowohl Martini wie auch Ulrich Fischer, der Badische Landesbischof und vehementer Verfechter der Kampagne (siehe publikforum 05/02), verweisen auf das eigentliche Motiv der Kirche, sich der beschriebenen Werbemethode zu bedienen: Es geht darum, sich in einem Überangebot von Sinnanbietern zu behaupten (Martini), die Kirche als Ort bewußt zu machen, wo nach tiefem Lebenssinn gefragt wird (Fischer). Bzw. wo Antworten vorhanden sind, die aber nicht verraten werden, wenn ich den EKD-Pressesprecher Thomas Krüger (Frankfurter Rundschau 11.3.) richtig verstehe. Der stellt in seinem Kommentar zu der auf den Plakaten wiederkehrenden Aufforderung: "Lassen Sie uns gemeinsam Antworten finden", als "protestantisches Profil" fest: "Wir haben natürlich Antworten, aber wir wollen keine fertigen Antworten geben". Der Werbefachmann Kreativdirektor Hendrick Melle feiert das wiederum als das moderne (oder postmoderne?) Aushalten der Ambivalenz. So werden Verlegenheiten zu Tugenden.

Doch die Aktionseinheit von Werbeprofis und EKD-Strategen bleibt nicht ohne störende Einsprüche. So kritisiert der Kirchenmarketingsexperte Günter A. Menne vom Kölner Stadtkirchen-Verband das mangelnde Profil der Kampagne und spricht von "Scherzfragen auf himmelblauen Plakaten". In der Tat kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß die EKD das Publikum, das sie mit ihren Fragen und den angebotenen Antwortmöglichkeiten erreichen möchte, unterschätzt.

So doof sind die Leute nicht, daß sie etwa die Fußballerfrage mit Ja beantworten würden. Aber indem die EKD so in den leeren Raum hineinfragt, verdeckt sie, wonach zu fragen sie sich nicht traut - was ebenso deutlich wird bei der Frage nach dem Wert des Menschen: nämlich nach dem Götzendienst namens Kapitalismus, in dem wir leben. (Menne zitiert in epd vom 13.3.) Der Vorsitzende des Reformierten Bundes Peter Bukowski hat das "Fragend-Unverbindliche" der Aktion eine "Selbstbanalisierung" der Kirche und ein Verstecken des eigenen Profils genannt (epd 27.2.). Immerhin unterstellt Bukowski in seiner Kritik wohlwollend, daß die Kirche ihr Profil noch kennte. Das aber ist ein Irrtum.

Was bleibt noch zu bemerken? Eine Kirche ohne Profil (schwer vorstellbar, die Katholische Kirche könnte 1,5 Millionen Euro für so viel Fragwürdigkeit ausgeben, oder?) versucht es mit einem teuren Gang ins Netz, was doppelt zu verstehen ist, denn sie geht ins Netz der Werbewirtschaft, indem sie ihre eigene Sprache aufgibt und andere vom "Boden des evangelischen Markenkerns" schwatzen läßt.

Wetten, daß uns nach Ablauf der Kampagne in der Auswertung das Ganze als Erfolg verkauft wird anhand von Zahlen der im Internet Anklickenden? Aber wieviel Gemeindeaufbau, Gemeinschaft Stiftendes wird dabei passiert sein? Die Kirche, die sich auf diese Weise ins Internet begibt, kommt darin um. Und mit Sicherheit wird sie auf diese Weise nicht punkten gegen die beinharte Konkurrenz der "Sinnanbieter".




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