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[Kirche von unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Die Landeskirche und Schacht Konrad

Kläglicher Rückzug

von Kurt Dockhorn

Am 8. Juli hatte der Sprecher der Landeskirche Michael Strauss die fragwürdige Ehre, Presse und Öffentlichkeit von einem einstimmigen Beschluss der Kirchenregierung zu unterrichten: Die Landeskirche zieht ihre vorsorglich zur Fristwahrung gegen die Genehmigung von Schacht Konrad eingereichte Klage ersatzlos zurück-. Das war nun nach der Vorgeschichte, die begann mit dem glücklosen Auftritt von Landesbischof Dr. Weber mit Herren von der Betreiberseite des geplanten Endlagers sehr bald nach seinem Dienstantritt und endete mit einem negativen Votum der im Grunde befasssungsunwilligen Umweltkammer, keine große Überraschung mehr. Aber die Begründung, die Strauss vorzutragen hatte, ließ dann doch aufhorchen: die ethischen und schöpfungstheologischen Bedenken der Kirche würden "in einem Verwaltungsgerichtsverfahren aller Voraussicht nach keine Berücksichtigung finden.". Und in dieser Einschätzung der Lage finde man es "unredlich" (vielleicht auch "unsittlich"?), landeskirchliche Grundstücke "als Vehikel für die Klage" zu benutzen, also zu missbrauchen.

Halten wir fest: Bedenken sind da, und zwar "ethische und schöpfungstheologische". Also, wie denn nun? Sind das Bagatellgründe? Könnte Kirche etwas Schwererwiegendes vorbringen im Feld öffentlicher Auseinandersetzung? Auf jeden Fall scheint es sich im theologischen Verständnis der Landeskirche um etwas Hehres, Erhabenes zu handeln, das man auf keinen Fall mit irdischen Gegebenheiten, mit so etwas Banalem wie Grundstücken, über die man verfügt, in Verbindung bringen darf. Das Materielle als Missbrauch von thik und schjöpfungstheologie, das nenne ich fürwahr eine Mreisterleistung in sophistischem Doketismus. Das Landeskirchenamt als theologischer Trendsetter. Wir vermerken es mit Genugtuung.

Wenn man mitbedenkt, dass eine in atomrechtlichen Verfahren sehr bewanderte Anwältin, uf deren Beratung die Landeskirche schon zu einem frühen Zeitpunkt verzichtete, genau diese nun von der Landeskirche aus aussichtslos verworfene Argumentationslinie dringend empfohlen hat, bleibt eigentlich nur eine Schlussfolgerung übrig: Die Landeskirche hat nicht gewollt, und sie hat ein Argument gesucht, mit dem sie in der Öffentlichkeit ihr Nicht-Wollen als Nicht-Können verkauft. So viel a propos zum Gebrauch des Wörtchens "unredlich" in der Erklärung der Landeskirche.

Muss man noch anführen, von welcher Qualität die Argumentation derer ist, die der Landeskirche zu ihrem Rückzug gratulieren? Da nimmt ein Leserbriefschreiber eine Woche nach der Entscheidung der Landeskirche für die Einlagerung von Atommüll in Schacht Konrad die Ethik derjenigen in Anspruch, die nicht "ins Abseits gestellt" werden wollen, weil sie "den bei uns produzierten Atommüll nicht entweder einfach irgendwo in Fässern herumstehen lassen oder in anderen Ländern ärmeren Mitmenschen gegen ein paar Euro vor die Haustür kippen" wollen. Solche Einlassung zeigt, dass die Landeskirche Beifall bekommt von Leuten, an denen die jahrzehntelange Diskussion über die Endlagerproblematik spurlos vorübergegangen ist. Entfremdung der Kritischen, Anbindung der Naiven als Church Growth Strategy!? Viel Vergnügen dabei! Das dreifache Versagen der Landeskirche als Synode, Umweltkammer und Kirchenregierung lässt fragen, ob sonst irgendwo doch noch ein orientierende Lichtlein angezündet wird - etwa in den Synoden der betroffenen Kirchenkreise Lebenstedt, Salzgitter-Bad, Vechelde, Braunschweig, Wolfenbüttel? Oder gedenkt sich die Kirche, in all ihren Gliederungen sang- und klanglos aus einer der brisantesten gesellschaftlichen Konfliktfelder der Braunschweiger Region abzumelden? Etwa nach dem Motto: Was dem Dr. Hoffmann in Braunschweig recht ist, kann dem Dr. Weber in Wolfenbüttel nur billig sein? Schließlich: Wenn Grundstücke nicht für Schöpfungstheologie missbraucht werden sollen, sollte man dann nicht auch gleich in einem Aufwasch den Missbrauch der Kanzeln für die Verkündigung des Evangeliums beenden? Erde und das auf ihr wachsende Holz, aus denen Kanzeln geschnitzt werden, haben in ethischen und schöpfungstheologischen Überlegungen nichts zu suchen.

Genug der Ironie. Der Verzicht der Kirche auf die schöpfungstheologische Wortmeldung in Sachen Atompolitik fällt zusammen mit einer dramatischen Veränderung in der atompolitischen Großwetterlage: Erstens, es wird sich ja von Hannover nach Wolfenbüttel herumgesprochen haben, ist die neue CDU-FDP Landesregierung geradezu geil auf zwei Atommüllendlager in Niedersachsen; sie will beides, Konrad und Gorleben, und zwar möglichst schnell. Sie will, durchaus zur großen Zufriedenheit der AKW-Betreiber, das Ende der Endlager- und Standortdiskussion, und das, nota bene, angesicht von zwei in unserer Region bereits existierenden Atommüll-Altlasten Morsleben und Asse. Die alte überwund geglaubte Beherrschbarkeitsideologie ist wieder an der Macht, und die Kirche schweigt dazu.

Zweitens ist die weitere Förderung der Gewinnung von Energie aus der Kernspaltung auf Europa-Ebene soeben in Verfassungsrang erhoben worden. - mit Billigung der deutschen Bundesregierung, die doch angeblich seit dem "Atomkonsens" aus der Nutzung der Atomenergie aussteigen will.

Das eine ist so gravierend wie das andere und beides zusammen ergibt den Sinn, dass politisch die Weichen nicht länger in Richtung "Ausstieg" aus dem Verhängnis Atomenergiegewinnung gestellt sind. Das Gegenteil ist der Fall.

Danke, liebe Landeskirche, dass du dich just in diesem Augenblick aus der Auseinandersetzung verabschiedet hast.


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