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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 110, Dezember 2003, Seite 12-14
(Download als pdf hier)


CLASH OF CIVILISATIONS:
KIRCHE AN DER SPITZE DES KAMPFES GEGEN DAS KOPFTUCH

von Kurt Dockhorn

Das nenne ich starken Tobak: In der zweiten Oktoberwoche erklärt die EKD, daß das Tragen eines Kopftuches im Unterricht "bei einer muslimischen Lehrerin Zweifel an ihrer Eignung als Beamtin" wecke. Begründung: "Beamte müssen jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung und damit auch für die Gleichstellung von Mann und Frau eintreten", so die EKD. Man reibt sich die Augen: Bisher hat sich der Staat nicht dieses schweren Geschützes der sog. FDGO in Kulturkampf um das Kopftuch in der Schule bedient. Was reitet die Kirche, wenn sie ihrerseits auf den staatlichen Abwehrkampf noch eins draufsetzt und mit der FDGO argumentiert? Es kann sich wohl nur um eine schamlose Anbiederung an den "staatlichen Partner" handeln nach dem Motto: die Kirche läßt sich von niemandem an Staatstreue überbieten.

Na, wenn wir das nötig haben, ist es weit mit uns und unserer Theologie abwärts gegangen! Will uns die Kirche sagen, daß das Kopftuch ein verfassungsfeindliches Symbol ist, genau wie das Hakenkreuz?

Aber weiter gefragt: Ist den Autoren der Presseerklärung im EKD-Kirchenamt entgangen, daß die gewählte Formulierung einen tiefen Griff in die Mottenkiste der kläglich gescheiterten Berufsverbotspraxis ("Radikalenerlaß") der Ära Brandt bedeutet? Und ist in der EKD vergessen, daß eben diese Praxis die Verkehrung des Brandtschen "Mehr Demokratie wagen" in sein Gegenteil war und Demokratieabbau in der BRD zur Folge hatte?

Drittens: Wie sorgfältig hat die EKD die sehr unterschiedlichen Selbstauskünfte von Kopftuchträgerinnen abgewogen, ehe sie diese umstandslos diffamiert als islamistische Fundamentalistinnen = Verfassungsfeindinnen? Reicht vielleicht die Phantasie nicht aus sich vorzustellen, daß das Kopftuch auch etwa ein stummer Protest sein könnte gegen die obszöne Kultur der allgegenwärtigen Vermarktung von Frauenhaut hierzulande? Oder schlicht ein modisches Accessoire?

Zu erwartende gerichtliche Auseinandersetzungen um die kommenden Ländergesetze gegen das Kopftuch im öffentlichen Dienst kommentiert die Kirche bereits jetzt vorbeugend damit, daß christliche Symbole wegen unserer besonderen Tradition natürlich nicht von einem Verbot betroffen werden dürften. Na, da kann man nur viel Spaß wünschen, wenn die Ländergesetze wegen Diskriminierung des Islam vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall kommen.

Also, hier wird mit schlechten Argumenten für eine schlechte Sache gefochten. Was treibt die Kirche? Sie sieht sich in vorderster Front in einer Abwehrschlacht des "christlichen Abendlandes" gegen Überfremdung. So wird "Gott in die europäische Verfassung" eingefordert, doch wohl im vollen Wissen darum, daß in der Geschichte von Politik und Kirche nichts derart mißbraucht worden ist wie der Name Gottes. Nebenbei würde "Gott" als Ausschlußgrund für Muslime in Europa fungieren. Ist das etwa der Zweck der Übung? So heißen die EKD-Richtlinien für den Umgang mit nichtchristlichen Religionen die "Ökumene der Religionen" einen "Irrweg". Das bedeutet in der Praxis einen Rückzug der EKD aus dem Dialog der Religionen, zumal theologisch wieder einmal die Christologie herhalten muß als Begründung für die Überlegenheit des Christentums über alle anderen Religionen. Zum Glück läßt sich das Leben nicht durch EKD-Verordnung aufhalten: der "Interkulturelle Rat in Deutschland" bildet zum Beispiel interreligiöse Teams, die öffentlich auftreten zum Abbau von Vorurteilen. Die einschlägigen Äußerungen der EKD hingegen tragen dazu bei, Vorurteile in der Gesellschaft zu verstärken. "Rätsel-Sprache im Geist angstvoller Abgrenzung" überschrieb Publik Forum 16/03 die "Theologischen Leitlinien". Ist der EKD mit diesem Pochen auf den eigenen Glaubenswahrheiten recht, was dem Vatikan mit Dominus Jesus billig war? Nicht die Suche nach dem Verbindenden hat Konjunktur, sondern die Betonung der Differenz. Zusammen mit der schwer verständlichen Aggressivität gegen das Kopftuch kommt in mir eine Angst hoch: die Angst, daß die Kirche in unsern Tagen mit dem Islam wiederholt, was sie Jahrhunderte lang mit dem Judentum betrieben hat. Eine bis heute nicht durchgehend aufgearbeitete Geschichte. Eine Geschichte der Ablehnung, des Hasses, der Verkennung und Verleumdung. Eine Geschichte des mörderischen Dualismus.




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