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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 112, Juli 2004, Seite 44-47
(Download als pdf hier)


EU-VERFASSUNG OHNE GOTT

von Kurt Dockhorn

"Schöpfend aus den kulturellen, religiösen und humanistischen Überlieferungen Europas...", so steht es nun in der Präambel des Verfassungsentwurfs für die Europäische Union. Nichts also, zum Leidwesen der katholischen Polen, mit christlichen Wurzeln. Ebenso wenig, trotz der hartnäckigen Intervention der Kirchen, auch von Gott. War nicht unterzubringen. Gut oder schlecht? Gut so! Wessen Anliegen war der "Gottesbezug in der Verfassung" hierzulande abgesehen von den Lautsprechern der beiden großen Kirchen, die eine offensichtliche Niederlage erlitten haben? Auf einer Veranstaltung kurz vor den Wahlen zum Europa-Parlament in Braunschweig habe ich die auf dem Podium anwesenden Vertreter der Parteien danach gefragt. Wenig überraschend war die dezidiert ablehnende Haltung gegen die Nennung Gottes in der Präambel bei den kleinen Parteien FDP, PDS und Grüne. Bemerkenswert erschien mir vielmehr die Auskunft aus dem Munde der Vertreter der beiden großen Parteien CDU und SPD. Bei beiden war ein Gemurmel von Verständnis für das Anliegen der Kirchen zu vernehmen, ein wohlwollendes Gestammel, das seinen Kern, die Verlegenheit hinsichtlich des kirchlichen Begehrens, nicht verdecken konnte.

So viel also zur Tragfähigkeit der immer noch vorgetäuschten Nähe und Intimität zwischen den Volksparteien und den Volkskirchen. Aber nun nehmen wir doch einmal an, die Polen und die Kirchen wären mit ihrer Forderung "Gott in die Verfassung" in den Konventsverhandlungen zum Zuge gekommen. Was wäre theologisch die Folge? Der Verfassungsentwurf, der teils den nationalen Parlamenten, teils den Bevölkerungen zur Abstimmung vor-gelegt wird, weist zwei Merkmale auf, die beide gleichermaßen unerhört sind: zum einen wird die kapitalistische Wirtschaftsweise als Gesellschaftssystem festgeschrieben (zum Vergleich: die Verfassung der Bundesrepublik kennt solche Festlegung nicht), zum andern wird eine Verpflichtung zur kontinuierlichen Aufrüstung vorgeschrieben. Der Gott, der nach dem Wunsch der Kirchen in einer Präambel diesen Bestimmungen vorgeschaltet werden sollte, wäre also ein Gott gewesen, der den Profit und den Krieg segnet. Was ja alles nichts Neues in der Kirchengeschichte gewesen wäre, aber man kann sich schon fragen, ob die Kirchenführer von allen guten Geistern verlassen waren, als sie vereint - da hat die Ökumene ja noch mal funktioniert - für "Gott in die Verfassung" getrommelt und gepfiffen haben und es dabei versäumten, mal einen kritischen Blick in die Inhalte des Verfassungsentwurfs zu werfen. Daß das kirchliche Begehren in der Verfassungsdebatte einer alten Ideologie in neuem Gewande Vorschub geleistet hätte, ist kein Ruhmesblatt für Huber, Hohmeyer&Co. Aber daß die glanzlose Angelegenheit noch einen anderen betrüblichen Aspekt hat, nämlich den des Kulturkampfes, darauf hat der Landesbischof Anfang Juni auf der Synode in Goslar aufmerksam gemacht. Dort befand er, kaum zur Ermutigung des christlich-islamischen Dialogs: "Wir beten zu einem andern Gott". Wenn dem so ist, dann ist der von den Kirchen gewollte Gottesbezug in der EU-Verfassung u.a. auch eine Abgrenzung gegen die beitrittswillige Türkei mit ihrer fast ausschließlich islamischen Bevölkerung. Dann handelte es sich eben doch um den Versuch, Europa exklusiv als "christlichen Club" zu definieren, obwohl Bischof Huber diese Kennzeichnung durch den türkischen Premier Erdogan empört als Unterstellung zurückgewiesen hat. Die Einlassung unseres Landesbischofs zeigt in der Kulturkampfperspektive noch einmal; daß "Gott" in der EU-Verfassung kein versöhnender, sondern ein ausschließender Begriff gewesen wäre.
Gott als Kampfbegriff - Nein danke!

Seit Konstantin ist der Name Gottes als Kampfbegriff mißbraucht worden. Ein letztes Mal noch sollte er nun als Etikett für ein christliches Europa aufgeboten werden. Daß es nicht dazu gekommen ist, dafür sei den besonnenen Kräften des "säkularen" Europa Dank, die sich hier durchgesetzt haben.

Im übrigen fände ich es spannender, wenn der Bischof einmal öffentlich reflektieren würde, ob er und, sagen wir, George W. Bush zum selben Gott beten, oder, anderes Beispiel, Mel Gibson und Bischöfin Käßmann. Wendet man die Frage des einen Gottes und der verschiedenen Götter in das Innere des Christentums, wird nämlich sofort klar, daß es nicht weiterführt, sich gegenseitig seinen jeweiligen Gott um die Ohren zu hauen. Wieso sollte die Abgrenzung gegen eine andere Religion dann einen anderen Nutzen haben als die dauernd stattfindende innerhalb der eigenen christlichen Religion, nämlich den Nutzen der Selbstbestätigung gegen andere?




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