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[Kirche von unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von unten Nr. 117, März 2006, Seite 60-63
(Download als pdf hier)


Aus der Landeskirche

zusammengestellt von Dietrich Kuessner

* Rückblick auf Advent. Es gibt von einer erfreulichen Neuerung im Kirchenjahr zu berichten, die Nachahmung in anderen Kirchengemeinden verdient. Die Adventszeit gewinnt an Gewicht und Profil. Seit einiger Zeit schon gibt es die Rundgänge um die frühe Abendzeit, in der sich Dorfmitglieder vor einem Haus treffen, dort ein geschmücktes Haus vorfinden, eine Geschichte hören, Lieder singen und dann noch bei Glühwein oder heißem Tee zusammensind. Seit etlichen Jahren ist das schon Praxis in der Gemeinde Volkmarode, angeleiert von Pfarrerin Koch. Das hat sich in etlichen anderen Gemeinden ebenfalls eingebürgert. Neu sind auch Adventsandachten, die an einem Wochentag in der Kirche angeboten werden, wie in Haverlah. In der Marktkirche von Goslar fanden vom 12.-23.12. um 17.00 tägliche Lichtandachten zum Advent statt, die erstaunlich gut besucht waren.
Daneben werden einmal wöchentlich musikalische Andachten angeboten. Wie gesagt: Nachahmung erwünscht.

* Kirchenmitgliederzahlen
Die Kirchenmitgliederzahlen der Landeskirche gehen weiter stark zurück. Ein Vergleich zeigt das Tempo der Entwicklung:
2000: 438.026 Mitglieder;
2001: 432.401;
2002: 427.144;
2003: 417.577;
2004: 415.678;
2005: 410.000 Kirchenmitglieder
Zwischen den Jahren 2002 und 2003 erfolgte ein historisch einzigartiger Einbruch von fast 10.000 Mitgliedern, die der Landeskirche verloren gingen, ein Einbruch, den es seit 1945 nicht gegeben hat. Dies kann u.a. mit der Besteuerung jener Ehepartner zusammenhängen, deren Partner aus der Kirche ausgetreten sind und die daher von der Kirchensteuer befreit waren, nunmehr zur Kirchensteuer herangezogen wurden und durch Austritt sich der Zahlung entzogen haben. Wer fragt in der Landessynode nach weiteren Gründen? Demgegenüber fällt die erhebliche Verringerung der Verlustzahl zwischen 2003 und 2004 auf, auf die der Pressesprecher in der BZ aufmerksam gemacht hat.
Die Anzahl der Taufen betrug 2004: 3.837, die Anzahl der Bestattungen 5.330; diese Differenz ist ein weiterer Grund für die Abnahme der Kirchenmitgliederzahlen. Über die Zuzüge und Abmeldungen in andere Gegenden ist noch nichts bekannt.
Diese sinkenden Mitgliederzahlen besagen noch nicht alles über
sinkende Zahl der Kirchensteuerzahler. Da kommt entscheidend noch der demografische Faktor hinzu, auf den der Landesbischof hingewiesen hat. Die Gruppe der immer älter Werdenden vermehrt zugleich die Anzahl derer, die aus der Kirchensteuer herausfallen, aber von einer Ortskirchensteuer erfaßt werden könnten, die leichtsinnigerweise von der Kirchenbehörde vernachlässigt worden ist. Bisher galt die Faustregel, daß ein Drittel der Kirchenmitglieder auch die Landeskirchensteuer zahlt. Hinzu kommen die wechselnden Zahlen der Arbeitslosen. Wenn sich z.B. die Zahl der arbeitslosen Jugendlichen unter 20 Jahren in der Region im Dezember 2005 auf 1.305 verdoppelt, sind das 650 Kirchensteuerzahler weniger, angenommen, sie sind überhaupt in der Kirche.
Es müßte jedenfalls überprüft werden, ob die angenommene Prozentzahl auf Grund der demografischen Veränderung und anderer Faktoren noch stimmt. Möglicherweise bewegt sich die Prozentzahl von bisher angenommenen 33% auf 30% oder auf unter 30% zu. Wer fragt in der Landesynode nach?

* Der Landesbischof wies in einem Vortrag in der Braunschweiger Kirchengemeinde am Schwarzen Berge auf die bedrohliche Situation in den Dörfern hin. Dazu noch folgende Besonderheit: in den Dörfer des früher grenznahen Bereiches verändert sich die Religionsstruktur der Bevölkerung durch den Zuzug von Konfessionslosen aus „Dunkeldeutschland“, richtiger aus den ostelbischen Ländern. Beispiel die Gemeinden Büddenstedt, Propstei Helmstedt: von 3.231 Einwohnern sind 1.8110 evangelisch, 426 katholisch und 995 konfessionslos. Im Ortsteil Offleben sind von 1.045 Bewohnern 616 evangelisch, 173 katholisch, aber 355 konfessionslos. Die Konfessionslosen sind keineswegs solche, die aus irgendwelchem Ärger über die Kirchengemeinden ausgetreten sind, sondern rekrutieren sich in ihrer Mehrheit eben aus Zuzügen aus Sachen-Anhalt. Dieser Trend müßte für die vielen anderen „Grenzdörfer“ einmal analysiert werden.
Bisher galten die Kirchengemeinde als die lokale Bastion, die nach dem Auszug der örtlichen Schule, der kommunalen Ortsverwaltung, der Zweigstelle der Nord LB und der Post, immer wichtiger wurden für die Identität des Dorfes. Nachdem nun den Kirchengemeinden die Kompetenz für die Lösung im Konfliktfall bei Taufen, Konfirmationen und Trauungen durch die neue Lebensordnung weggenommen worden ist und nun auch die Kirchenkassen aus den Dörfern verschwinden sollen, was eine ganz erhebliche Verminderung der Lebensqualität auf dem flachen Lande bedeutet, setzt sich die vom Bischof zu Recht bedauerte Verödung und Gefährdung der braunschweiger Dörfer durch die Zentralsucht der eigenen Kirchenbehörde fort.

* Von den Sparmaßnahmen ist das Predigerseminar ausgenommen. Die Kirchenregierung beschloß im November, beide hauptamtlichen Stellen für weitere sechs Jahre zu verlängern. Als die Landeskirche mehr Geld und mehr Vikare hatte, wurde das Predigerseminar von einem Direktor geleitet. In Zeiten von weniger Geld, weniger Vikaren und ringsum allgemeiner Stellenstreichung wird das Predigerseminar ausgenommen. Der Beschluß ist mit dem Zusatz versehen, daß die Frage einer Zusammenlegung mit dem Hannoverschen Seminar damit nicht erledigt ist.

* Fällige Verkleinerung der Landessynode
Alles schrumpft: das Landeskirchenamt, das Kollegium, die Stunden der Pfarramtssekretärinnen am meisten, die Zahl der Gemeindemitglieder, nur die Anzahl der Synodalen bleibt unveränderlich. Das ist unverständlich. Als in der Landeskirche 700.000 Mitglieder vorhanden waren, bestand die Landessynode aus 36 Mitgliedern, dann 39 Mitgliedern, ab 1952 dann 48 Synodale, ab 1970 dann 54 Synodale, heute 57 Synodale. Eine Rückkehr auf 48 Synodale wäre für die Arbeit kein Verlust, eher Straffung. Die Ausschüsse könnten ohne Schaden auf 6 Mitglieder verkleinert werden. Der Antrag kann nicht vom Bischof und auch nicht vom Landeskirchenamt ausgehen, aber die synodalen Mitglieder der Kirchenregierung könnten die Sache zusammen mit dem Präsidium der Synode in Angriff nehmen, eine Besprechung dringender Frage könnte das Thema anwärmen. Die Synode tritt in ihr letztes Drittel. Das wäre genau die richtige Zeit, in der vorletzten Sitzung dieser Periode die Kuh vom Eis zu bringen.

* Am Todestag der früheren Braunschweiger Domorganstin Ellinor von der Heyde Dorn fand am 16. Februar eine von Prof. Uwe Gronostay, Berlin entworfene und an der Orgel dargebotene Orgelvesper mit Werken alter Meister (Pachelbel, Buxtehude, Krebs) und dem geistlichen Aufbau einer Vesper entsprechende Choralvorspiele von J.S.Bach (Allein zu dir, Herr Jesu Christ, Nun bitten wir den Heilgen Geist, Erbarm dich mein, o Herre Gott, Vor deinen Thron tret ich hiermit und Vaterunser im Himmelreich) statt. Die Stühle waren umgesetzt, daß ein Seitenblick zur Orgel und zur Kanzel, von wo Pfarrerin Kühnbaum-Schmidt die Choraltexte las, möglich war. Die Gemeinde im gut gefüllten Dom erlebte eine sich dem Feuielleton entziehende Stunde von Muße und Kult.

* Positionierung der Propsteien
Vor einem Jahr erschien das Buch „Wir hörten seine Stimme – ein Jahr in der Propstei Königslutter“ 151 Seiten mit zahlreichen Bildern von Gebäuden und kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem kirchlichen Leben und je einem geistlichen Wort zum Sonntag von Pfarrerinnen und Pfarrern, Lektorinnen und Lektoren, Kantoren und Prädikantinnen. Es eignet sich zum Verschenken und ist in der 1. Auflage trotz seines nicht ganz billigen Preises (11 Euro) verkauft und hat sich finanziell selber getragen.
Dagegen sticht ein vor einigen Monaten erschienener Prospekt als Durchgang durch die Propstei Helmstedt wegen seiner viel zu kleinen Bilder, der einseitigen Beschreibung der unterschiedlichen Kirchengemeinden, vieler fehlender kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und einem leicht großsprecherischen Stil des bevorwortenden Propstes, der die Propstei im Mai verläßt, unangenehm ab. Als von der Pressestelle angekündigtes Pilotprojekt erscheint die Sache ungeeignet.
Die Propstei Goslar wird auf der Propsteisynode Anfang März eine Resolution zur Abschiebung völlig integrierter ausländischer Familien verabschieden. Anstatt diese als Muster der Integration hervorzuheben und ihnen einen niedersächsischen Orden zu verleihen, werden diese Familien von einer demokratieunwürdigen und familienfeindlichen Verhalten der christlichen Landesregierung und ihrem proforma- Petitionsausschuß bedroht. Hier müßten sich die Kirchenleitungen viel stärker engagieren und der Landesregierung auf die Pelle rücken. Insofern ist der Druck von unten, etwa durch die Propsteisynode Goslar sehr hilfreich.
Auf ein erfreuliches Echo wie auch andernorts stößt in Seesen der von den dortigen Pfarrern zentral angebotene Glaubenskurs. Dort lernt man, sich zu bekreuzigen – Weihrauch kommt später – und erhält ein Armband mit Perlen. Die goldene Perle bedeute „Gott“ und „oben“, war in der EZ zu lesen. Dahin wünschen sich nun auch die Kursteilnehmer, nach oben und ins Goldige. Die biblischen Lesungen zwischen Weihnachten und Karfreitag erzählen über Gott etwas anderes. Das Stiftungskapital der Propsteistiftung Seesen von 150.000 Euro hat 5000 Euro Zinsen abgeworfen, womit zwei Kirchengemeinden unterstützt werden.

* Mit einem Großangebot an die Kirchengemeinden in und um Braunschweig feiert die Pauligemeinde ein ganzes Jahr das 100jährige Jubiläum. Mit Berger, Drewermann, Hollenweger, Seiters, Anselm Grün kommen einige Promis, das Staatstheater liest 10 Mal aus der Bibel, Kantorei und Domchor musizieren, Kirchenmusiker H.D. Karras veranstaltet 12 Orgelkonzerte, sogar die Jazzkantine ist zwei mal engagiert, in der Festwoche vom 9.-16. Juli tritt auch Gerhard Schöne auf, der schon fest zum Profil der Pauligemeinde gehört.
KvU wünscht Zuspruch und Gespräche.

* Die Braunschweiger Zeitung (3.1.06) berichtet von einem „Streit um Handys im Klassenzimmer.“ Demnach ist es völlig normal, daß Schülerinnen und Schüler Handys mit ins Klassenzimmer nehmen. Warum bringen sie nicht gleich ein Sofas mit, um die passende Haltung beim Handytelephongespräch einzunehmen. Wie sieht es damit im Konfirmandenunterricht aus? Platzt da auch während des Unterrichtgespräches ein Klingelton „Hallo Schatzi, Schnuckiputzi, du bist süß“. Ein Pfarrrer beklagte kürzlich, die Katastrophe einer Konfifreizeit bestünde darin, daß die Fahrt in ein „Handytal“ ginge, also ohne Empfang, wie seinerzeit Dresden vom westdeutschen Fernsehempfang ausgeschlossen war.




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