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Kirche von unten Nr. 117, März 2006, Seite 46-50
(Download als pdf hier)
Fest in der Tradition verankert - die Militärseelsorge0von Hartwig Hohnsbein, Pfr.i.R., Göttingen
„..Wir haben Soldaten notwendig, gläubige Soldaten. Gläubige Soldaten sind die -wertvollsten. Die setzen alles ein“1
Und die Militärseelsorge erwies sich in den nächsten Jahrzehnten dafür dankbar gegenüber dem Staat, und dabei wurde sie zu einer „Schule der Anpassung und des Unfriedens", wie der Untertitel des Buches von H.-D. Bamberg (vgl. Anm.2) es zutreffend ausdrückt. Hier erfährt man, wie die Militärseelsorge den verbrecherischen US-Krieg gegen Vietnam unterstützte ebenso wie die Atompolitik der Bundesregierung (Militärgeneraldekan von Mutius 1960: Wer die Atombombe ablehnt, kann kein Militärpfarrer werden.8) Als ein besonders angepasstes Dokument soll an das von hohen Staats- und Kirchenvertretern erstelltes Geheimpapier vom 1.April 1969 erinnert werden, in dem es, bei damals steil ansteigenden Zahlen von Kriegsdienstverweigern, um die quasi Abschaffung des GG Art.4 ging.9 'Nach diesem Skandal wurde es relativ ruhig um die Militärseelsorge; der kritische Bürger wusste inzwischen genug darüber, wofür sie da war; andere konnten das aus dem immer noch lesenswerten Buch von Günter Wallraff, „13 unerwünschte Reportagen", erfahren, wo in dem Kapitel „Töten um Gottes willen" dargestellt wird, wie, durchaus exemplarisch, der Opfertod Christi zum Soldatenvorbild wird: Ein Offizier im Naziangriffskrieg, der „bis zum letzten Blutstropfen kämpfte", vollzog ein mit dem Karfreitagsgeschehen parallelisiertes „Opfersterben"... Mit der Übernahme der DDR-Kirchen 1990 kam das Thema „Militärseelsorge" wieder verstärkt ins öffentliche Bewusstsein, zumal die Synodalen des „Bundes der ev. Kirchen in der DDR", der gerade noch selbständig agieren konnte, es abgelehnt hatten, eine mögliche Ausweitung der Militärseelsorge auf ihr Kirchengebiet zuzulassen, um „nicht dem Bundesverteidigungsministerium zu dienen", wie es damals der Pfarrer, Axel Noack, heute Bischof der Kirchenprovinz Sachsen, vollmundig erklärte.10 Nachdem in der Folgezeit die früheren DDR-Kirchen bei ihrem Nein zum Militärseelsorgevertrag von 1957 blieben (Modell A) und stattdessen ein sog. Modell B favorisierten, worin z.B. Soldatenpfarrer als Kirchenbeamte statt Bundesbeamte tätig sein sollen, also eine stärkere Trennung von Staat und Kirche usw., der Bundeskanzler hingegen „die Absicht der Bundesregierung bekräftigte, uneingeschränkt am Militärseelsorge-Vertrag in der jetzigen Fassung festzuhalten"11, wurde eine „Rahmenvereinbarung über die ev. .Seelsorge in der Bundeswehr in den neuen Bundesländern" zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der EKD ausgehandelt, die am 8.März 1996 paraphiert wurde und bis Ende 2003 befristet ist.12 Obwohl es nun hoch an der Zeit ist, über die Militärseelsorge angesichts der neuen Militärpolitik des Vertragpartners, der Bundesrepublik Deutschland. (Umwandlung der Bundeswehr in eine Angriffsarmee), nach Annahme der Neuen NATO-Strategie und ihrer Beteiligung an dem völkerrechtwidrigen Jugoslawienkrieg von 1999. dem auch die EKD zustimmte (wg. des Militärseelsorge-Vertrages?), in den Gemeinden, in den Synoden, an den theologischen Fakultäten und sonst in der Öffentlichkeit zu berate! und auch zu streiten- es geschieht nichts Dergleichen - die kirchlichen und staatlichen Repräsentanten haben offensichtlich jedes Interesse daran, die kritische Öffentlichkeit wie 1957 auszuschließen, wenn es ihnen darum geht, die Militärseelsorge so zu erhalten. wie sie seit Jahrhunderten immer gewesen ist. Soeben ist von Ines-Jacqueline Werkner eine Dissertation mit Vorschlägen für eine institutionelle Neuregelung der Militär- und Soldatenseelsorge erschienen13, die für eine „ konsequent kirchliche Eigenverantwortung und Trägerschaft" für diesen Seelsorgebereich plädiert und zusammenfasst: „Es sollte keine staatliche Refinanzierung dieses genuin kirchlichen Arbeitsfeldes erfolgen". Auch wenn man sich nicht allen Vorschlägen anschließt und eine Auseinandersetzung mit der Militärpolitik vermisst- eine Chance zur öffentlichen Diskussion liegt allemal in diesem Buch. Jedoch: Es scheint um ein Jahr zu spät zu kommen; die Entscheidungen der EKD fallen im November dieses Jahres ; und im übrigen: Die Kirche ist zu verliebt in eine staatliche Refinanzierung- vor diesem Argument dürften alle theologischen, moralischen und historischen Einwände verblassen. 0 dazu das berühmte Bild von der Unterzeichnung am 22.2.1957; abgedruckt z.B. bei: Hans Prolingheuer, Kleine Politische Kirchengeschichte, S. 130 1 Hitler zu den katholischen Bischöfen am 26.April 1933, zit. bei Wilfried Breyvogel ,Die Militärseelsorge, in: Club Voltaire IV, Jahrbuch für kritische Aufklärung, S. 313ff, hier: S. 313 2 so Bundesverteidigungsminister Fr. J. Strauß 1958, zit. nach: Hans-Dieter Bamberg, Militärseelsorge in der Bundeswehr. Schule der Anpassung und des Unfriedens. 1970, S. 268. Das Buch Bambergs bietet bis heute immer noch die beste kritische Auseinandersetzung mit der Militärseelsorge. Trotzdem oder gerade deswegen wird es in der gängigen Literatur zur Militärseelsorge völlig übergangen, z.B. auch in der gründlichsten neueren, z.T. durchaus kritischen Darstellung von Dieter Beese, Seelsorger in Uniform, das 1994 in einer Reihe des Ev. Kirchenamtes für die Bundeswehr erschien. In dem umfangreichen Literaturverzeichnis taucht hier nicht einmal der Titel auf- schon das könnte für eine Nachforschung gefährlich werden! 3 zit nach Christian Streit, Keine Kameraden, S.31 3a zu Globke z.B. Hans Friedrich, Die kalte Amnestie, Zitat hier. S. 294 4 vgl. dazu den Brief des Synodalen Helmut Gollwitzers an den Präses der EKD-Synode, von Dietze, vom 2.März 1957 in: Kirchl. Jahrbuch 1957, S,21f 5 in: „Neue Westfälische Volkszeitung" v. 12.11.1935 zit. bei Kurt Gaede, Prediger des Atomtodes, S. 86 6 zit in meinem Aufsatz Des Kriegsherrn treue Kirche, in OSSIETZKY 25/2000 7 vgl. Anm. 4 8 zit bei Bamberg, Anm. 2, S. 262 9 vgl. dazu Bamberg, Anm. 2, S.277ff 10sein Beitrag ist als Dokumentation unter dem Titel, Ja zur Militärseelsorge ist ein Blankoscheck in den Händen der Armee", in FR. 7.11.1990, abgedruckt. 11 epd-Meldung vom 10.09.1995, abgedruckt in epd-Dokumentation 14/96 S. 18, 12 die Rahmenverordnung ist abgedruckt in epd-Dokumentation 14/96,S. 1-3 13 Dr. Ines-Jacqueline Werkner: Von der Militär- und Soldatenseelsorge zur gemeinsamen Bundeswehrseelsorge, Nomos-Verlag in der Reihe Forum Innere Führung,Bd. 13, 2001. Ihre Vorschläge sind nun auch abgedruckt in epd-Dokumentation 30/2001, Meldung davon in Junge Kirche 4/01 |