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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 118/119, Mai 2006, Seite 3-4
(Download als pdf hier)


Andacht zu Beginn des 2. Sitzungstages der Braunschweiger Landessynode
in der Kapelle des Landeskirchenamtes am 18. März 2006

von Sybille Mattfeldt-Kloth

Für kunstsinnige Menschen ist das Jahre 2006 ein anstrengendes Jahr. Es gilt zahlreiche Jubiläen, Geburts- und Todestage zu feiern – und dabei sind Mozart und Heine nur die Spitze des Eisberges.
Von der breiten Öffentlichkeit eher unbemerkt haben Kunstinteressierte des 20. Todestages vom Joseph Beuys gedacht. Als Beuys vor 20 Jahren starb, gab es kritische Stimmen, die bezweifelten, dass sein Werk ohne ihn Bestand haben würde. Aber, siehe da, die Arbeiten haben sich in der Kunstszene selbständig behauptet, gerade ohne das Dauergerede ihres Urhebers.
Das Werk provoziert und polarisiert wie eh und je. Im Museum „Hamburger Bahnhof“ in Berlin wird anlässlich des Todestages eine größere Ausstellung gezeigt, die die gleichen Reaktionen wie vor 20 Jahren hervorruft. Ich konnte einen Mann in mittleren Jahren beobachten, der geradezu hysterisch lachend zwischen den Arbeiten hin- und hersprang, um seinen Unmut zu bekunden. Und ich freute mich und dachte, es funktioniert also immer noch.

Beuys war übrigens Christ. Nicht so wie wir im institutionellen Sinn, aber er wusste um das Geheimnis des Glaubens. Der Lebenssaft Blut spielt in seinen Arbeiten eine ebenso große Rolle, wie auch immer das Kreuzzeichen, das scheinbar auseinanderklaffende Teile zusammenhält. Daran ändert auch nichts, dass Beuys sich als Schamane empfand. Er war geprägt von der bodenständigen Frömmigkeit seiner Niederrheinischen Heimat, die er ganz ursprünglich ohne theologische Verbiegung verarbeitete.

Ich denken manchmal, solche Menschen sind „näher dran“ – näher dran am Geheimnis des Glaubens., als wir, die wir als Juristen oder Theologen oder ansonsten kirchlich vorgebildet, den Glauben in enge Schemata pressen oder verärgert reagieren, wenn jemand anderer Auffassung ist oder gar provoziert bis hin zum ‚Polarisieren. Kirche soll hübsch friedlich sein und alle sich freuen. Das kann den Glauben verschütten und Kirche arm machen.

Ein bisschen mehr ursprüngliche Leidenschaft, auch wenn dabei mal Verletzungen entstehen können, wünsche ich uns, damit wir aus unserer strukturellen Deckung heraustreten und „näher dran“ sein können.
Lassen Sie uns zum Abschluß ein Lied singen., was nicht im Gesangbuch steht, weil es auch polarisiert hat. Die Einen sagten: „Gottes Liebe ist wie Gras und Ufer“, da kann man gleich sagen, wie Kraut und Rüben. Die andern sagten: „hübsche Melodie und der Text lässt in die Weite sehen und Geborgenheit erahnen.“ Kurzum – es steht nicht im Gesangbuch und daher nehmen wir den Zettel.
Für unsere heutige Tagung wünsche ich uns Kraft und Leidenschaft, auch wenn das nicht immer einfach auszuhalten ist.




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