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 Deine Würde ist unser MaßPredigt im Braunschweiger Dom zum Tag der Arbeit 1.Mai 06von Herbert Erchinger 
Lesung Jes 65,21 – 25
 
 Liebe Gemeinde
 Schon die Vision des Propheten Jesaja vor 2500 Jahren mißt die Zukunft der menschlichen Gesellschaft an der Würde des Menschen: Dem dient seine Utopie:
 
 Sie sollen Häuser bauen und darin wohnen
 Siesollen Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen
 Sie sollen nicht umsonst arbeiten
 Sie werden weder Bosheit noch Schaden tun
 auf meinem heiligen Berge
 
 Ich stelle fest: Wir haben heute leider Gottes Visionen und Utopien aus dem Auge verloren. Zu unserem eigenen Schaden. Wir sind dem Pragmatismus erlegen und dem Diktat der Effizienzsteigerung, des Profits, der Rendite und des Geldes.
 Die Mitgestaltung der Welt durch Arbeit gehört als Schöpfungsauftrag Gottes von Anfang an zur Würde des Menschen trotz aller Mühen und Last. Sie sollen Häuser bauen und bewohnen, Weinberge pflanzen und ihre Früchte essen. Ein Schlaraffenland ohne Arbeit hatte die Bibel nie im Sinn, weil eben Arbeit Bestandteil der Würde und des Auftrags der Menschen ist.
 Die Gefährdung dieser Würde als Maßstab der Arbeitswelt wird heute exemplarisch und alarmierend deutlich.am Beispiel der Gesundheitsdienstleistungen.
 
 Immer mehr legen Oekonomen die Schere an. Effizienzsteigerung heißt das große Zauberwort. Nicht mehr die Würde des Menschen, was er benötigt in seiner Not, ist der Maßstab, sondern die Fallpauschale. Nicht mehr nach individueller Betreuungsnotwendigkeit des einzelnen Patienten, sondern nach Diagnosegruppen wird pauschal abgerechnet. Die Blinddarmoperation muß in jedem Krankenhaus dasselbe kosten. Also möglichst schnell entlassen, kaum daß der Patient wieder laufen kann. Der Rationalisierungsdruck herrscht, nicht die Not des Einzelnen. Die Kliniken müssen sich auf das konzentrieren, was sich für sie lohnt. Das Geld bestimmt und nicht die Medizin.
 Wenn aber ein Krankenhaus nach den gleichen Effizienzkriterien wie eine Automobilfabrik Behandlungen produzieren muß, bleibt die Menschenwürde auf der Strecke.
 Diese Sparwut bekommen nicht nur die Patienten zu spüren, sondern auch das Personal, das Arbeitsverdichtung, Arbeitszeitverlängerung und Einkommenseinbußen hinzunehmen hat. So werden die Beschäftigten und die Patienten zu reinen Kostenfaktoren.
 Es wird höchste Zeit, daß wieder die Würde des Menschen unser Maßstab wird. Da ziehen Gott lob Kirchen und Gewerkschaften heute an einem Strang.
 Die Würde des Menschen ist eng daran gekoppelt, daß er nicht fremden Zwecken unterworfen wird. Ohne die Ebene der Gemeinnützigkeit, der Barmherzigkeit und der Nächstenliebe geht die Würde des Menschen verloren.
 Lassen sie uns zur Vision, zur Utopie des Propheten Jesaja zurückkehren, damit diese Würde des Menschen wieder Maßstab unseres Handelns wird.
 
 Wolf und Lamm werden dann beieinander wohnen.
 Sie werden nicht mehr Bosheit und Schaden tun
 auf meinem Heiligen Berge.
 Amen
 
 
 
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