Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube

[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 120, Oktober 2006, ohne Seitenzahl
(Download als pdf hier)


Aspekte von Kirchenreform

von Rudolf Mercker


Oft diskutiert und sicher nötig sind Verwaltungsvereinfachungen, administrative Reformen, Zusammenfassung der schwindenden hauptamtlichen Kräfte.
Entscheidend aber dürfte eine glaubwürdige Erneuerung im Inhaltlichen sein:


dass die Botschaft klar, verständlich und überprüfbar-hilfreich nicht nur mit Worten gepredigt, sondern auch in Gemeinschaft gelebt wird. In dem Maße, wie es Gemeinden (oder andere kirchliche Gemeinschaften) schaffen, solche Erfahrungsräume für einen gemeinsam gelebten und vorfindlich kennenlernbaren und „vernehmbaren” Glauben den Menschen anzubieten, kann die Kirche wieder attraktiv werden. Sie muß selbst die Methode ihres Wachsens sein.

Wie funktioniert das?

Dazu im Folgenden Erfahrungen aus langfristiger Gemeindeaufbauarbeit, also keine theoretischen Überlegungen („man müsste..."), sondern Berichte aus der Praxis: („Das geht!")


Einstieg: Wie Interesse wecken?

Eine Gemeinde (oder kirchliche Gemeinschaft) wird dann für Außenstehende interessant, wenn diese durch die Berichte Dritter oder durch eigene Erlebnisse und Erfahrungen den Eindruck gewinnen, dass es sich für sie lohnt, da mitzumachen, dass sie davon profitieren, wenn sie sich dort engagieren.
Dieses „Positive”, was in einer Gemeinde „abgeholt” werden kann, wird in der Regel zuerst auf der Erfahrungs- und Emotionsebene - oft nur vorbewusst - wahrgenommen: es ist die verändernde Stimmung, die dort herrscht, die besondere Atmosphäre, die eigene Art, wie man miteinander umgeht. Hier kann der Interessent völlig unverbindlich „erproben”, ob das was für ihn ist, ob hier real und vorfindlich (auch soziologisch messbar) etwas anders und besser (!) ist als in der sonstigen, sich globalisierenden kapitalistischen Gesellschaft.
In dieser „Stimmung” schon muß sich inhaltlich das Christliche einer Gemeinde abbilden, also u.a. in Vertrauen, Gegenseitigkeit, Gleichberechtigung, Gewaltfreiheit (gemeinhin zusammenfassend „Liebe” genannt) - und dies in aller Deutlichkeit begründet und inspiriert in und von Jesus, dessen „Neue Welt” sich hier samenkornartig zeigt.
Wer sich – eingeladen durch solche Einstiegserlebnisse - auf Mitarbeit einlässt, erfährt mit den anderen zusammen ein befreiendes Wachstum seiner Persönlichkeit auf vielen Gebieten – was seine Motivation zur Mitarbeit verstärkt.


Theologie

Es ist auch im Sinne eines lutherisch wohlverstandenen „Solus. Christus”, wenn die oben geschilderte Situation theologisch nicht von der lutherischen Dogmatik oder anderen dogmatischen Konzepten her orientiert und „begeistert” wird, sondern in Übereinstimmung mit dem Interesse der Zeitgenossen – von dem her, was Jesus nachprüfbar selbst gelehrt und gelebt hat; eben diese Gemeinschaft der Liebe (inhaltliche Füllung siehe oben).
Hier werden viele Ergebnisse der theologischen Forschung endlich an die Gemeinde weitergegeben. Wer sich hier also engagiert, sieht sich, wenn er will, umfassend theologisch informiert und ernstgenommen. Er kann damit die Predigt des Pastors nachvollziehen und in ihren Interpretationen überprüfen.


„Liebe, und tu, was du willst“ (Augustinus) - Das „Wie“

Wenn der Geist der Gleichberechtigung, Gewaltfreiheit, Selbstbestimmung (Liebe) in einer Gemeinde wirklichkeitsverändernd zur Geltung kommen soll, bedarf es, wenn er dauerhaft und konfliktfest herrschen soll,, geeigneter Hilfsstrukturen:
Die Gemeindegruppen leiten sich selbst und planen ihre Arbeit selbst. Im „Gemeindeausschuß”, gebildet aus Delegierten der Gruppen, werden die Gruppenaktivitäten auf gemeinsame Ziele im Rahmen eines Jahresplanes koordiniert und korrigiert.
Der Kirchenvorstand hält diese „Selbstbestimmung in Gemeinschaft” nach innen offen, gibt eigene Impulse und trifft Grundsatzentscheidungen - auf Empfehlung des Gemeindeausschusses.
Auf dieser selbstbestimmten Grundlage entwickelt sich ein sehr breit gefächertes Spektrum von vielen Gemeindegruppen, das im Rahmen des Gesamtstruktur allein schon dadurch als christlich qualifiziert ist, dass es sich in dieser speziellen Weise (in Liebe) organisiert. (Liebe und tue, was du willst).
Außerdem entwickelt und unterhält die Gemeinde Initiativen, die von ihrer Zielsetzung her direkt aus dem Glauben kommen wie z.B. die Unterstützung das Landlosenbewegung in Südamerika oder die Arbeitsloseninitiative.


Gottesdienst und „Unterricht”

im Gottesdienst als dem Zentrum der Gemeinde kommen erlebnisbezogen alle neuen Elemente zusammen im Rahmen eines in sich stimmigen inhaltlichen und liturgisch-dramaturgischen Gesamtkonzeptes; Neue Liturgie, auf Jesus bezogene Theologie, Gemeindebeteiligung, konkreter Wirklichkeitsbezug, Aktion, Theater, eigene Lieder, Gospel- und Kirchenmusik.
Der ,KU" bildet mit der Jugendarbeit eine Einheit. Glaube kann wie in einem Laboratorium „erprobt” werden - durch die Gruppe der Mitarbeiter vorgelebt, um dann ev. von den
Jugendlichen übernommen zu werden.


Rolle des Pastors

Absicherung und ständige Verdeutlichung des theologischen Gesamtkurses. Koordination vieles Einzelgruppen und Initiativen. Theolog. Fachmann. Ermutiger, Motivator; Seelsorger. - Kein Leiter, Chef Entscheider.
Zugrundeliegendes Gemeinde- und Kirchenmodell ist nicht länger das (früh)katholische mit Bischof (oder Pastor..) als Spitze, sondern das paulinische bzw. Luthers Frühlehre vom Allgemeinen Priestertum aller Gläubigen..


Ergebnisse

Sehr positive Erfahrungen. Viele enorm handlungsfähige Gemeindegruppen. Gemeindewachstum über viele Jahre hinweg, was die aktiven Mitgliedsentscheidungen betrifft.


Fazit

Auch die finanziellen Zukunftsprobleme der Kirche werden nur über Rückgewinnung von Glaubwürdigkeit und Wissen darum, wie gut es ist, in christlicher Gemeinschaft zu leben, zu lösen sein.




[Zurück] [Glaube] [Helfen]
Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/kvu120/Aspekte_von_Kirchenreform.htm.htm, Stand: Oktober 2006, dk