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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 121, Februar 2007, Seite 13 - 16
(Download als pdf hier)


Kein Blick für Gottes Einzigkeit

von Eberhard Fincke


Die BIBEL IN GERECHTER SPRACHE soll helfen, das patriarchale Denken zu überwinden, das diese alten Texte und den christlichen Glauben geprägt hat. Auch das bei den Christen traditionell antijüdische Verständnis der Bibel soll korrigiert werden. Die Übersetzung will Frauen und Juden gerecht werden. Jedoch, wie es auch sonst mit der Gleichberechtigung der Frau zugeht, unversehens werden die Frauen mit der gerechten 8Sprache lediglich einem männlich bestimmten Zusammenhang eingefügt oder, anders gesagt, der patriarchale Gott erhält ein weibliches Gewand.

Zwar läßt die BIBEL IN GERECHTER SPRACHE das Wort "Herr" weitgehend verschwinden, mit dem man herkömmlich "jhwh", den geheimnisvollen Namen Gottes, aus dem Hebräischen übersetzt, und bietet stattdessen vor allem Wörter aus der jüdischen Übersetzungstradition an, allen voran das Wort "adonaj", das nun aber im Hebräischen auch wieder "Herr" bedeutet. Die vielen Namen Gottes werden so zu einem Schleier, hinter dem das patriarchale Denken bzw. die Herrschaft Gottes unangetastet bleibt.

Geheim gehalten oder nicht ausgesprochen wird der Name Gottes in den biblischen Texten aber doch nicht, weil Gott jenseits allen Verstehens heilig wäre. Vielmehr hat man den Namen sehr realistisch deswegen nicht preisgegeben, weil sonst das patriarchale Denken auch ihn alsbald dazu benutzen würde, die herrschenden Verhältnisse zu rechtfertigen.
Aller Welt erscheint es ja bis heute selbstverständlich, dass man Gerechtigkeit, ein Ende der Gewalt, letztlich nur erzwingen kann mit Gesetz und Gewalt, d.h. durch Herrschaft, monarchisch oder demokratisch. Darum richtet sich die Hoffnung auf einen guten König bzw. auf dessen (König Davids oder Barbarossas) Wiederkehr als Messias oder auf Gott selbst, den Herrn über alle Herren.

Mit so einem "Gott" oder einer "Göttin" jedoch, die Herrschaft ausüben, will und soll Gott in der Bibel nicht verwechselt werden. Denn im Schutz von Herrschaft, unter Ausnutzung des geltenden Gesetzes, verkehrt man allseits Recht in Unrecht, bereichert man sich am Gut des Nächsten. Darum sieht Gott das Gesetz kritisch und es gilt, nicht nur eine schlechte Herrschaft zu überwinden, sondern Herrschaft überhaupt. Das macht Gott in der Bibel einzig, unterschieden von allem, was sonst "Gott" oder "Göttin" genannt wird. Das 1. Gebot schärft dies ein, ebenso das 2. Gebot mit der Absage an jedes Bild und die Warnung des 3. Gebots, den Namen Gottes zu mißbrauchen.
So lehnte man mit dem Satz "Gott ist unser König" ursprünglich jeden König, also Herrschaft ab. Patriarchales Denken versteht den Satz umgekehrt als Bestätigung des Königtums.

Kann man nun aber ohne Gesetz leben? Wie soll das gehen, Gerechtigkeit ohne Gewalt? Wie kann Herrschaft überwunden werden, da doch ohne Gesetz und Staatsgewalt gar keine Gerechtigkeit möglich erscheint? Gottes Antwort auf solche Fragen zieht sich als roter Faden oder, wie die Reformatoren sagten, als "Mitte der Schrift" durch die ganze Bibel.

Anschaulich wird diese Antwort bzw. die Einzigkeit Gottes darin, wie Gott zum Volk Israel hält, obwohl es immer wieder nach Herrschaft verlangt und ihr auf den Leim geht. Gott begleitet es durch die Wüste, damit es der Herrschaft des ägyptischen Königs entkommt, und doch will das Volk Israel einen König "wie alle anderen". Es bezahlt dafür, laufend gewarnt von den Propheten, in einer langen und bitteren Geschichte zuletzt mit Fremdherrschaft und babylonischer Gefangenschaft.
Die Zehn Gebote, eigentlich Weisungen zu einer Gerechtigkeit ohne Gewalt, macht man zum Gesetz, in Stein gemeißelt wie das Gesetz des babylonischen Königs Hammurapi, und Gott zum Gesetzgeber; denn das Bestreben, wie Babylonier, Perser, Griechen und Römer durch Gesetz und Herrschaft gesichert zu sein, ist stärker als der Glaube.

Im Neuen oder Zweiten Testament führt Jesus, ganz Jude, die Kritik des Gesetzes weiter. Im Streit um die Zehn Gebote und mit seinen Gleichnissen rückt er die Vorstellung vom Reich (von der Herrschaft) Gottes zurecht. Im Gekreuzigten schließlich entäußert sich der Messias all seiner Macht und Gewalt.
Ebenfalls ganz in jüdischer Tradition und in der Nachfolge Jesu wendet sich Paulus in zwei Briefen gegen die Orientierung am Gesetz, unterscheidet davon aber ausdrücklich die biblische Weisung der Zehn Gebote. Eine Übersetzung muß also deutlich machen, dass Paulus "Gesetz" nicht mit der biblischen "Weisung" gleichsetzt. Die BIBEL IN GERECHTER SPRACHE beachtet das bei der Übersetzung des Briefes an die Römer nicht. Sie schreibt "Weisung", wo es "Gesetz" heißen müßte.

Geht man dem nach, so stellt sich leider heraus, dass diese Bibelübersetzung an keiner Stelle darauf bedacht ist, die Kritik des Gesetzes, der Herrschaft oder des Königtums verständlich zu machen. An den einschlägigen Stellen im Buch der Richter und Samuel wie auch in den Erklärungen zu den Stichworten "Königsherrschaft", "Gesetz", "Herr", "Messias" usw. erscheint Herrschaft neutral, Gottes Herrschaft positiv und jene "Mitte der Schrift" unbekannt. Im Buch Jesaja wird adonai gar mit „die göttliche Herrschaft” übersetzt. Die biblische Einzigkeit Gottes wird dadurch verdünnt zu der Einzahl des viel beschworenen, doch wenig bedeutenden Monotheismus.

Dies mag verwundern, gehört doch der Kreis der Übersetzerinnen und Übersetzer eher dem politisch-theologisch linken Spektrum an bzw. rechnet sich der Befreiungstheologie zu. Jedoch alle sozialistische Theorie war und ist bisher darauf orientiert, die Macht im Staat zu erringen, d.h. Freiheit auf dem Wege über die Gesetzgebung zu erreichen, also auch mit Gewalt. Erst die neueste Entwicklung mit dem Zusammenbruch des sog. real-existierenden Sozialismus und dem absehbaren Konkurs aller Herrschaft über die Natur und technokratischer Lösungen wird wohl den Blick öffnen helfen für die biblische Gesetzes- und Herrschaftskritik bzw. die Einzigkeit Gottes.

Ausführlichere Darstellung zum Thema „Herrschaft” und Dekalog

Eberhard Fincke:
Die Wiederentdeckung der sozialen Intelligenz. Balance der Interessen in einer zukunftsfähigen Gesellschaft.
Radius-Verlag Stuttgart 1997

ders.:
Gesang gegen die herrschende Meinung.
Das Vaterunser – ein Fingerreim.
Radius-Verlag Stuttgart 2000

ders. im Internet:
http://bs.cyty.com/finge




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