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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 122, Juni 2007, Seite 39-43
(Download als pdf hier)


Seemännische Begriffe und ihre spirituelle Bedeutung

von Herbert Erchinger

Uwe Salzmann hat im Sommer mit einer Wolfenbütteler Jugendgruppe einen Zweimast-Clipper auf dem IJsselmeer gechartert. Für die obligatorischen Morgenandachten an Bord hat er mich um Anregungen gebeten. Da ich weiß, dass viele Gemeinden und Propsteien Segelfreizeiten anbieten, gebe ich meinen Entwurf auf diesem Wege weiter.
Weil ich auch gerade eine wattgängige Sunstar 18 mit allem Pott und Pann als Kimmkieler gekauft habe, bin ich besonders motiviert.

Passende Bibeltexte zum Vorlesen:
Psalm 107, 23- 31 Dank für Schutz auf hoher See
Jona 1-2 Man soll vor seiner Lebensaufgabe nicht weglaufen. Markus 4, 35-41 Jesus hilft in den Stürmen des Lebens
Apg 27 -28 Die äußerst spannende Seereise des gefangenen Apostels Paulus von Caesarea nach Rom, samt Seesturm und Schiffbruch.

Christliche Lieder zur Seefahrt:
Es kommt ein Schiff geladen (EG 8)
Dies uralte Marienlied beschreibt die Geburt des Erlösers Jesus als Ankunft eines kostbar beladenen Schiffes. Tiefsinnige Symbolik:
Schiff: Maria als Gottesmutter
Ladung: Jesu Ankunft als Erlöser
Das Segel ist die Liebe
Der heilige Geist der Mast!
Der Anker meint Hoffnung und Ankunft des Erlösers.
Der Anker haft' auf Erden, da ist das Schiff am Land.
Das Wort tut Fleisch uns werden, der Sohn ist uns gesandt.
Ja, Seefahrt ist fast wie Weihnachten.

Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt (EG 572)
Entfaltet die Symbolik der Seefahrt für Engagement und Erneuerung der Gemeinde
Eignet sich gut als Freizeitlied, da auch hier die solidarische Gemeinschaft im Sinne Jesu betont wird.

Wie mit grimmigem Unverstand (EG 592) beschreibt Gefahren und Rettung der Seefahrt auf dem Hintergrund der Sturmstillung Markus 4
Da die Melodie recht unbekannt ist, ev. einfach als Andachtstext vorlesen, vielleicht in Verbindung mit Markus 4

Der Mast dient zum Hissen der Segel, die dem Schiff Vortrieb geben. Auch wir fahren unsere
Antennen aus, um den Wind des Lebens zu spüren. Lassen wir uns nur treiben oder haben wir den Mut, auch mal gegen den Wind zu kreuzen? Wo ist der Mastkorb meiner Orientierung? Wo erkenne ich meine Ziele?

Der schon erwähnte Anker gibt einem Schiff die Möglichkeit, auch in heftig strömenden Gewässern bei Bedarf festen Grund zu finden. Es ist erstaunlich, wie gut ein Anker im Meeresgrund das Schiff hält und ein Abdriften verhindert. So ist es sehr verständlich, dass der Anker zu einem Symbol christlicher Hoffnung und Glaubensgewissheit geworden ist. „Ich habe nun den Grund gefunden, der meinen Anker ewig hält." (EG 354) Der Grund des Meeres ist unsichtbar und scheinbar unerreichbar und unheimlich. Und doch brauche ich nur den Anker ins Meer meiner Angst zu werfen und finde festen Halt. Dazu ist es aber oft nötig, dem Anker des Glaubens eine lange Leine zu lassen.
Die Besatzung muss wie die Gemeinde am gleichen Strang ziehen. Alle unterschiedlichen Aufgaben dienen dem gemeinsamen Ziel. Ohne Dreckarbeit geht es nirgends.
Der Tiefgang gibt dem Schiff Stabilität und verhindert das Kentern. Tiefgang ist auch für Menschen wichtig. Gedanken, Worte und Gefühle brauchen Tiefgang, sie müssen tief gegründet und empfunden sein.
Es gibt viel Flaches ohne Tiefgang in Schlagern, Medien, small talk und Amüsierbetrieb.
Tiefgang trotzt Sturm und Wellen. Flache Boote kentern leicht und sind ein Spielball der Wellen. Sich nicht aufs Flache locken lassen auf See und im Leben!

Der Kompass dient zur Kursbestimmung, dass man nicht im Kreise fährt, sondern zielgerichtet unterwegs ist. Der Kompass folgt unsichtbaren aber sehr realen Kräften. (Magnetismus)
Auch im Leben brauchen wir einen Kompass ethischer und moralischer Grundsätze, die unserem Leben Richtung und Ziel geben. Wichtige Kompasse sind Bibel, 10 Gebote und das Grundgesetz. Ein Kompass sind auch persönlich überzeugende Vorbilder.
Hast du einen Kompass fürs Leben? Hältst du den richtigen Kurs? Welchen Orientierungen und Vorbildern vertraue ich?

Ohne eine aktuelle Seekarte nützt dir der beste Kompass nichts., da Fahrwasser, Wassertiefen und Betonnung sich häufig ändern. Viele Skipper bringen sich und ihr Schiff samt Crew in Gefahr, weil sie nach veralteten Seekarten navigieren. Und wie steht es da bei uns? Sind unsere Karten, Lebensregeln, Katechismen und Gesetze auf dem neuesten Stand? Wo müssen unsere Karten dringend berichtigt werden?
Das Ruder oder Steuer verändert mit ganz kleinen Korrekturen den Kurs des ganzen Schiffes. Ein kleines Ruder steuert ein großes Schiff. Der Rudergänger ist daher einer der wichtigsten Menschen an Bord. Er muß sich unbeirrt nach Kompass oder Landmarken (oft Kirchen!) ausrichten. Es ist wichtig im Leben, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren und einen geraden klaren Kurs zu steuern. Menschen, die in ihrem Leben Schlangenlinien fahren oder ständig ihren Kurs ändern, kann man nicht trauen. Wir brauchen geradlinige Menschen, die aber in der Lage sind, rechtzeitig gegenzusteuern, wenn ein falscher Kurs droht.
Die Tiden mit Ebbe und Flut lassen alle 12 Stunden den Wasserstand des Meeres steigen oder fallen. Mit starker Strömung läuft das Wasser auf oder ab. Wo du bei Hochwasser fahren kannst, sitzt du bei Ebbe auf dem Trocknen. Auch das Leben hat seine Gezeiten. Es gibt Hoochzeiten, wo uns alles offen steht und Zeiten der Ebbe, wo wir in jeder Hinsicht auf dem Trocknen liegen. Bei Ebbe muß man warten, bis das Wasser wiederkommt. Das ist auch im Leben so. Du musst warten lernen. Es gibt ein Auf und Ab, das du kaum beeinflussen kannst. Wichtig ist die Zuversicht, die Gewissheit, dass es bald wieder aufwärts geht.

Eine ganz große Erfindung ist die Schleuse. Sie ermöglicht es, mit dem Schiff in ein Gewässer unterschiedlichen Niveaus einzulaufen. Eine Schleusung ist immer ein großes Erlebnis und erfordert die volle Aufmerksamkeit. Dann öffnen sich die Tore und du findest dich in ganz anderen Verhältnissen wieder. So ist es auch im Leben. Du musst dich immer wieder mit voller Aufmerksamkeit auf andere Verhältnisse und andere Niveaus einstellen.

Das Meer selbst ist ein Symbol der Weite, der Unendlichkeit, ja der Ewigkeit. Du kannst es nicht austrinken, auch nicht ausschöpfen. Es ist unerschöpflich wie Gott selbst. Das Meer erregt unsere Sehnsucht, ist aber gleichzeitig ungeheuer gefährlich. Heute ist es glatt wie ein Tümpel, morgen tost es mit ungeheurer, zerstörerischer Gewalt. Das Meer nötigt uns Respekt ab, denn es ist letztlich unbeherrschbar. Es zeigt uns immer wieder unsere Winzigkeit angesichts der Naturgewalten, denen wir uns manchmal unberechtigterweise überlegen fühlen. Ein guter Seemann ist demütig und hat immer Respekt vor dem Meer. Er hütet sich vor Überheblichkeit und Selbstüberschätzung. Diese Einstellung ist wichtig für das Leben überhaupt. In vielen Sprichworten der Seefahrt wird das betont:

Herr hilf uns, das Meer ist so groß und unser Schiff ist so klein.

Gottes sind Wogen und Wind. Ruder aber und Steuer dass ihr den Hafen gewinnt, sind euer.

Ein packendes ethisches Thema der Seefahrt ist die Meuterei. Jeder Schiffsführer hat Angst davor. Sie wurde meist drakonisch mit dem Tode bestraft. Dabei waren viele Meutereien der Seefahrtsgeschichte nur zu berechtigt auf Grund von Übergriffen und schikanöser Behandlung der Besatzungen seitens der Schiffsführung. Wie lässt sich ein demokratischer Ausgleich finden zwischen der notwendigen Weisungskompetenz der Führung und den berechtigten Anliegen der Besatzung? Wo ist Mitbestimmung nötig und wo im Zweifelsfalle ein unbedingtes Machtwort des Kapitäns? Worüber kann abgestimmt werden und worüber nicht? Wann ist Verweigerung legitim?
Auch dieses Thema lässt sich lebensnah auf Kirche und Gesellschaft übertragen. Ist nicht auch bei uns häufig Aufmüpfigkeit wünschenswert und berechtigt? Hat nicht die Führung auch in der Kirche oft einen Geist der Meuterei selbst verschuldet? Braucht die Kirche überhaupt einen Kapitän? Ist Gehorsam eine christliche Tugend?




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