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Das leibliche Vaterunser
von Eberhard Fincke
Mit dem Vaterunser hat es eine besondere Bewandtnis. Es ist intensiv körperlich erfahrbar, so dass man seinen Sinn wirklich spüren kann. Dabei setzt man den Atem ein und die Finger. Allerdings bedarf es einer Vorübung, um den erfahrbaren Atem zu erlernen. Ilse Middendorf hat ihn in ihrer Atemlehre beschrieben (Der erfahrbare Atem, Paderborn 1995). Man kann auch vom unwillkürlichen Atem sprechen oder von der Passivatmung.
Jeder weiß sofort, was gemeint ist, hebt man probeweise schnell einen Arm und achtet während dieser Bewegung auf seinen Atem. Unwillkürlich atmet man ein. Um dieses Einatmen geht es. Das unwillkürliche Einatmen lässt sich auch provozieren, wenn man lange ausatmet und dann wartet, bis der Körper sich die „Luft holt”, weil er sie dringend braucht. Um dies auszuprobieren, kann man stehen oder sitzen. Am deutlichsten spürt man diesen Atem im Liegen. Man sollte dabei möglichst alles geschehen lassen, nichts beabsichtigen oder gar pressen.
Nun kommen die Finger ins Spiel. Im Stehen, Sitzen oder Liegen legt man die Handflächen wie zum Gebet zusammen. Die Fingerspitzen berühren einander. Lässt man nun in der oben beschriebenen Weise den Atem kommen und drückt dabei leicht nur die Daumen aufeinander, so kann man spüren, wie sich das Luftholen in einem bestimmten Raum des Körpers ereignet.
Wiederholt man die Übung und drückt diesmal die Zeigefinger, holt sich der Körper die Luft deutlich in einem etwas anderen Raum. Wieder andere Räume sind es beim Mittelfinger, beim Ringfinger und beim kleinen Finger.
Welcher Raum sich jeweils bei einem Finger öffnet, wird hier nicht direkt mitgeteilt. Leser und Leserinnen sollen nicht beeinflusst werden, sondern sich an ihre eigene Erfahrung halten. Mit etwas Aufmerksamkeit und Übung bekommt man die Atemräume ins Gefühl. (Wer die eigene Erfahrung vergewissern möchte, kann die Lösung bei mir anfordern - Adresse im Impressum. Oder in dem genannten Buch, Seite 139 ff. nachschauen).
Nach diesen Vorübungen kann man nun das Vaterunser einführen. Beim Ausatmen spricht man laut oder in Gedanken langsam bei jedem Finger einen Satz des Vaterunsers, vielleicht zweimal oder dreimal, um ganz auszuatmen und dann dem Einatmen des Körpers nachzuspüren.
Bei den Daumen beginnend, geht man von Satz zu Satz weiter bis zum kleinen Finger und dann wieder zurück bis zum Daumen.
Vaterunser im Himmel |
Daumen |
Freiheit |
Geheiligt werde dein Name |
Zeigefinger |
Wahrheit |
Dein Reich komme, |
Mittelfinger |
Gerechtigkeit |
dein Wille geschehe wie im
Himmel, so auf Erden |
Ringfinger |
Liebe |
Unser täglich Brot gib uns
heute |
Kleiner Finger |
Leben |
und vergib uns unsere
Schuld, |
Ringfinger |
Liebe |
Wie auch wir vergeben
unseren Schuldigern |
Mittelfinger |
Gerechtigkeit |
und führe uns nicht in
Versuchung, |
Zeigefinger |
Wahrheit |
sondern
erlöse uns von dem Bösen. |
Daumen |
Freiheit |
Es ist wichtig, sich bei jedem Satz Zeit zu lassen für das Ausatmen und Einatmen. So wird jede Bitte in ihren Raum aufgenommen. Noch intensiver kann sie empfunden und in ihrem Sinn vertieft werden, nimmt man das Wissen mit hinein, demzufolge die Finger und ihre Atemräume den fünf menschlichen Grundbedürfnissen zugehören, der Freiheit, Wahrheit, Gerechtigkeit, Liebe und Leben.
Anmerkung:
Der gewohnte Schluss des Vaterunsers ist nicht original und passt darum nicht in den Ablauf eines Fingerreims. Ausführliche Erläuterungen in meinem Buch „Gesang gegen die herrschende Meinung. Das Vaterunser - ein Fingerreim”, Stuttgart 2000.
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