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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 123 - Mai 2008


Gottesdienst am 06. April 2008 um 10.30 Uhr in der Petrikirche zu Braunschweig anlässlich des 40jährigen Jubiläums der Frauenordination in der Braunschweigischen Landeskirche

mit Predigt von Frau Pfarrerin Gertrud Böttger-Bolte, Schöningen
(Download als pdf hier)

Predigt Hebräer 13, 20-21

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,
in der Braunschweiger Zeitung stand am Freitag, den 4.April ein Hinweis und ein kurzer Artikel unseres Landesbischofs; aus dem zu entnehmen war, dass 40 Jahre zuvor, am 4. April 1968 die ersten sechs Frauen in unserer Landeskirche in der Katharinenkirche in Braunschweig ordiniert worden sind. Die Petrigemeinde hier in Braunschweig hat gemeint, dieses Jubiläum sollte in einem besonderen Gottesdienst gefeiert werden.
Manch einer könnte meinen: ist das wirklich ein besonderer Anlass? Pastorinnen sind doch heutzutage genauso selbstverständlich wie Ärztinnen, Lehrerinnen, Wissenschaftlerinnen. Wenn der Prozentsatz gegenüber den Männern nicht stimmt, hat das meistenteils andere Gründe und ist nicht einfach nur geschlechtsbedingt.
Dass das in der Kirche im Hinblick auf die Pastorinnenfrage nicht unbedingt so ist, lässt sich schon daran ablesen, dass bereits einen Tag nach dem kurzen Hinweis auf das Ordinationsjubiläum der Frauen zwei Leserbriefe in der Zeitung standen, die deutlich machten, dass es mit der Frauenordination doch etwas anders steht.
Und wenn Sie sich mit der theologischen Situation hier am Ort ein wenig auskennen, dann brauchen Sie nur über die Straße zu schauen zur Nachbarkirche hin und Sie wüssten, dass man sich dort für die Petrigemeinde doch lieber einer männlichen, einen richtigen Pastor wünschte.
Sollen wir Pastorinnen der ersten Stunde vielleicht doch noch stolz sein darauf, dass wir immer noch so bedeutend sind, dass man uns gratuliert zu einem Anlass, der für unsere männlichen Kollegen in gleicher Weise bestimmend war, aber keinerlei Beachtung erfährt?
Oder ganz anders gefragt: sind Pastorinnen noch heute außergewöhnlich und heraus gehoben?
Wir wollen versuchen, uns von dem heutigen Predigttext eine Antwort auf diese Fragen geben zu lassen.

Im Hebräerbrief heißt es im 13. Kapitel in den Versen 20 und 21:
Der Gott des Friedens,
der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus,
von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes,
der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen,
und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus,
welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.


Zunächst können wir feststellen, dass mit diesen Worten die letzten Ermahnungen eines Abschiedbriefes zusammengefasst werden in einen Segenswunsch, der so etwas ist wie ein Versäumnis, das in feierliche Worte gekleidet ist und eine Verpflichtung enthält für Alle, die sich dem Verfasser verbunden fühlen.
Zwei Worte fallen dabei zunächst ins Auge, auch gerade im Kampf um die Frauenordination. Da ist zunächst das Wort Frieden: durch den Gott des Friedens sollen wir tüchtig gemacht werden in allem Gute, zu tun seinen Willen.

In den heißen Auseinandersetzungen um die Frauenordination, in der die Kirchenspaltung bedrohlich nahe war, hatte das Wort Frieden nur einen unbedeutenden Platz.

Und es war nicht der Gott des Friedens, sondern der Gott der theologischen Interpretationen, der Gott der kämpferischen Auseinandersetzungen, oftmals auch der Gott der Rechthaberei und des Machtkampfes, der oftmals das Wort Frieden überschattete.
Und wenn wir dem Bibelwort des heutigen Sonntages entsprechen wollen, dann sollten wir zunächst einmal das Wort FRIEDEN ganz groß schreiben, damit uns der Weg geebnet wird, Gottes Willen zu tun und wir tüchtig gemacht werden in allem Guten. Wir sollten demütig ihm, dem Gott des Friedens die Ohren und die herzen öffnen, damit er in uns schaffen kann, was vor ihm gefällig ist.

Es gibt ein zweites Wort in unserem Bibelabschnitt, das bedeutsam ist auch für unser Gedenken an das 40jährige Ordinationsjubiläum der Frauen. Das ist das Wort: HIRTE.
Dieses Wort steht im Zusammenhang mit den Lesungen, Liedern und dem Psalm des heutigen Tages, der im Zeichen dieses Sonntags steht, dem 2. Sonntag nach Ostern, dem Sonntag des guten Hirten.
Das Bild vom Hirten ist uns ein vertrautes Bild, das uns bekannt ist aus dem 23. Psalm: „der Herr ist mein Hirte“ und in vielfältiger Weise in der Bibel, später in Bildern, Gedichten und Liedern wiederkehrt.
Und das steht ja nun einmal fest: das Bild vom Hirten ist ein männliches Bild. Daran ändert auch das Gottesdienstprogramm mit der „guten Hirtin“ nichts.
„Eine Frau im Hirtenamt wäre ein Widerspruch zu der im AT und NT gelehrten Schöpfungsordnung Gottes“ so heißt es in einem Schreiben an die Mitglieder der Landessynode im Jahre 1957, als die Debatte – die Stellung der theologisch gebildeten Frau – ein sehr heiß umstrittenes und umkämpftes Thema war.
Das Bild vom Hirten ist ein sehr aussagekräftiges Bild. Es zeugt von Macht über die Feinde, von Fürsorge und Hingabe, von Opferbereitschaft und Führungsqualität. Wenn Sie den alttestamentlichen Text des heutigen Tages im Buche Hesekiel 34 im Zusammenhang lesen, werden Sie entdecken, wie genau und liebevoll Gott der große Hirte in allen Zügen seines Wesens beschrieben wird.
Dass dieser gute Hirte seinen Nachfolgern und Dienern ihres Amtes die Ehre verlieh, sich nun auch Hirte nennen zu dürfen, wie es beispielsweise im Buche Jeremia, ausdrücklich aber im NT z.B. im Epheserbrief ausgesagt ist, was nicht nur Auszeichnung, nicht nur Anerkennung ihrer Tätigkeit, sondern einfach ein Gnadengeschenk.

Das Wort „Pastor“ bedeutet Hirte. Und dass man diesen Titel nicht wahllos verleihen, sondern an bestimmte Bedingungen knüpfen musste, wird jeder verstehen, der Gott und seine Liebe und Großmut gegenüber den Menschen dankbar empfängt. Dass die Ehre „Pastor“ zu sein, über lange Zeit hinweg den Männern vorbehalten war, lässt sich auch nach vollziehen, wenn man die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen, Moralvorstellungen und Vorgaben für Mann und Frau bedenkt.
Weniger nach vollziehbar lässt es sich, dass es im Laufe der Kämpfe um die Frauenordination mit Zugeständnissen und Zurückhaltungen eine Zeit gab, in der sich Frauen zwar „Pastorin“, nicht aber „Pfarrerin“ nennen durfte. Pfarrer sind Verwaltungsbeamte mit rechtlichen Machtbefugnissen über einen bestimmten Bereich.

Mag das nun sein, wie es will: wenn ich noch einmal jung wäre und wählen könnte Pastorin oder Pfarrerin? Ich würde die Pastorin wählen, obwohl ich gestehen muss: ich war viele Jahre auch Pfarrerin, und das hat mir oftmals viel Freude gemacht und mein Leben bereichert.
Pastor: Hirte – oder auch Pastorin oder Hirtin.
Keiner von uns wird Gott geschlechtsbezogen sehen wollen. Wer wollte Gott wohl männlich oder weiblich, somit unvollkommen einordnen. Allein der Gedanke ist absurd. Er hat uns das Hirtenamt in seinen Funktionen als Auftrag und Aufgabe hinterlassen.
Er, der Gott des Friedens. Und wir demütig, wer auch immer wir sind, und wo auch immer wir stehen, um das Hirtenamt zu übernehmen, sind zunächst nichts anderes als Empfangende, denen der Gott des Friedens begegnet.
Und dann erfahren wir die Aufgaben und Möglichkeiten, denen wir entsprechen können: uns wird zugesagt, dass wir tüchtig gemacht werden in allem Guten, dass wir seinen Willen erfüllen können und das schaffen, was vor ihm gefällig ist.
Das klingt so großartig, so unerfüllbar.
Wir kennen doch das Bild, das Hirten so anbetungswürdig macht:
Fürsorglich, vertrauenswürdig, opferbereit und....und...und.....
Sie können die Liste vervollständigen. Die Bibel biete Hilfe genug.
Das wichtigste ist aber dieses Wort:

Der Gott des Friedens,
der den großen Hirten der Schafe, unsern Herrn Jesus,
von den Toten heraufgeführt hat durch das Blut des ewigen Bundes,
der mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen,
und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus,
welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen
.

Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen




Anmerkung der Redaktion: die Initiative zu diesem Gottesdienst ging von der Petrigemeinde aus. Daraufhin lobte der Landesbischof in einem Brief an die Pfarrerinnen und Pfarrer die Initiative, zumal auf die Ankündigung des Gottesdienstes in der BZ zwei negative Leserbriefe erschienen. Bischof Weber forderte die Kritiker auf, ihre ablehnende Position zu überdenken. Es gäbe in der Landeskirche 79 Frauen und 240 Männern im pfarramtlichen Dienst. „Dass es in den zurückliegenden Jahren immer wieder mal zu einer mangelnden Gemeinschaft von Frauen und Männern im Ordinationsgeschehen kam, ist ein offenes Problem und Ärgernis.“ Daraufhin reagierte der Vorsitzende der Gruppe „Bibel und Bekenntnis“ Pfarrer Juenke mit einem Leserbrief am Vortag des Gottesdienstes, ob die Aufforderung des Bischofs der Beginn einer Disziplinierung der Minderheit in unserer Landeskirche“ wäre. Dreispaltig berichtete die BZ am 10.4., dass es nach Prof. Orth „keinerlei biblische Gründe gegen die Frauenordination“ gäbe.
Mir kam in diesem Nachhutgefecht zu wenig heraus, dass die damaligen Frauen es den Männern überlassen hatten, für die Frauenordination zu kämpfen. Die theologische Spitze der damaligen Kirchenleitung (Bischof Heintze, die OLKR Brinckmeier und Kammerer) gehörten der Bekennenden Kirche an. Die Frauenordination ist eine Frucht des Kirchenkampfes! Kue




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