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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 126 - Mai/Juni 2009


75 Jahre Barmer Erklärung 1934 - 2009

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Da kann man mal sehen, wie alt Kirche von unten schon ist. Im Heft 5 vom Mai 1984 haben wir ausführlich über das 50. Jubiläum der Barmer Erklärung berichtet unter der Überschrift "Wie zwei Braunschweiger die Barmer Bekenntnissynode erlebten". Es folgte eine Aktualisierung der Thesen von Barmen für die Landeskirche des Jahres 1984, die auch 25 Jahre später ungebrochen gültig ist, und die daher im folgenden noch einmal wiedergegeben wird. Schon damals stellten wir einen Zusammenhang von Barmen und Asse II her (!). Wenn KvU im landeskirchlichen Archiv oder im Predigerseminar vollständig gesammelt würde, hätte der Bischof in seiner Betrachtung zum diesjährigen 75. Jubiläums darauf Bezug nehmen können. Boykott macht dumm.
Wer über die Entstehung und Entschärfung dieser Erklärung etwas wissen will, nämlich dass diese im Pfarrhaus von Flechtorf mit Christoph und Anne Brinckmeier entstanden ist, der kann darüber in meinem Buch "Ein Dorfpfarrer an der Grenze erinnert sich - ein Kapitel praktische Theologie und zugleich ein Beitrag zum Leben in der Braunschweiger Landeskirche 1963-1999" S. 383 ff Näheres nachlesen.


Barmer Bekenntnissynode 1934-1984
Anlässlich des 50. Jahrestages der Barmer Erklärung wendet sich die "Friedensinitiative in der Braunschweiger Landeskirche" an die Mitglieder der Braunschweiger Landeskirche. Die Barmer Erklärung ist für viele Gruppen Anlass, ihre unterschiedlichen kirchlichen und politischen Standpunkte darzustellen und zu begrüßen und mit der Tradition der Kirche zu verbinden.

Uns erinnert die Erklärung von Barmen

*Dass Jesus Christus das einzige Wort Gottes ist, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben,

*dass es keine Bereiche unseres Lebens gibt, in denen wir nicht Jesus Christus, sondern anderen Herren zu eigen wären,

*dass die Kirche die Ordnung einer Bruderschaft hat oder gar keine,

*dass in der Kirche keiner herrschen, sondern alle dienen sollen,

*dass der Staat die Sorge für Recht und Frieden hat.

Die Barmer Erklärung erinnert uns daran, zu bekennen und zu verwerfen, zu loben und nicht zu lästern, Gott zu ehren und nicht zu verachten. Inmitten einer Welt, die vom Untergang bedroht ist, ist es uns als Christen aufgegeben, Widerstandsbewegung zu sein, und dieses gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch zu verdeutlichen.

So ermutigt uns die Barmer Erklärung heute dazu, jede stillschweigende Duldung des Waffendienstes an Massenvernichtungsmitteln durch Gemeindeglieder, Synoden oder Kirchenleitung zu verwerfen. Wir können heute durch Waffendienst Gott auf keine Weise mehr dienen. Mit jeder christlichen Begründung des Waffendienstes geben wir in unserer Gesellschaft anderen Herren Raum statt Christus allein.

Die Barmer Erklärung ermutigt uns heute dazu, der weiteren Zerstörung unserer Umwelt als Folge der Vergötterung des unbegrenzten Wachstums zu widerstehen und dafür Opfer zu bringen. So werfen z.B. das Kraftwerk Buschhaus bei Esbeck, die Deponie Asse II bei Remlingen und der Schacht Konrad in Salzgitter ernste Fragen für den Bereich unserer Landeskirche auf. In Jesus Christus allein sagt uns Gott die fortwährende Schöpfung und Erhaltung des Lebens und die Befreiung des Menschen zu.

Die Barmer Erklärung ermutigt uns dazu, in der Kirche Bruderschaft zu suchen und darin allein die geistliche Ordnung für das Leben der Gemeinde und für unser persönliches Leben zu finden. Die Versuchung, mit Zentralismus und Dirigismus in der Kirche und über die Gemeinden zu herrschen, anstatt sich in gegenseitigem geschwisterlichem Dienst zu üben, ist in unserer Braunschweigischen Landeskirche groß und bedrückend.

Wir danken den Vätern der Bekennenden Kirche für ihr wegweisendes Wort von Barmen und stimmen dem zu, was Hans Asmussen am ersten Jahrestag der Wiederkehr der Barmer Erklärung 1935 geschrieben hat:

"Die Kirche empfängt alle ihre Gestalt aus dem geschehenden Wort Gottes. Was aus anderen Quellen fließt, ist das Unwesentliche an ihr, vielleicht sogar der Todeskeim, der ihre Kräfte vernichtet. Ämter, welche die Kirche zu vergeben hat, sind Ämter in der Kraft des Wortes oder sie sind aufgeblähte Schemen. Behörden, welche für die Kirche arbeiten und ihren Apparat leiten, dienen dem Wort oder sind Verräterzentralen, Organe der Welt, welche in ihrem Dienst darüber wachen, dass die Kirche schön harmlos bleibt."


Diese Erklärung wurde von 97 kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, darunter Theologie Studierende, Vikarinnen und Vikare, Pfarrer und Pfarrerinnen, Mitgliedern von mehreren Kirchenvorständen unterschrieben. Dann legten wir diese Erklärung auch der Friedensinitiative vor, die sie sich leicht überarbeitet zu eigen machte. Die EZ weigerte sich damals, den Text als Anzeige abzudrucken. Der Text würde die Leser "verwirren". Das Allgemeine Deutsche Sonntagsblatt in Hamburg hingegen druckte den Text als Anzeige am 5. August 1984 mit dem blamablen Zusatz der Druckverweigerung ab.
Diese Anzeige geben wir hier noch einmal wieder. Sie stammt aus Heft 6 von KvU November 1984 S. 7. Manche werden die Namen noch einmal studieren und ob sie dabei sind.

Nun zur Abhandlung des Landesbischofs "Kirche zwischen Staat und Bekenntnis 75 Jahre Barmer Theologische Erklärung", erschienen in der leider unnummerierten Reihe, 31 Seiten. Weber schildert die Vorgeschichte (S. 4) nämlich die Entstehung von Deutschen Christen und dem Pfarrernotbund 1933, die Aufgabe, Weg und Ertrag der Bekenntnissynode (S. 7-12), dann die sechs Thesen (S. 13-19), die er jeweils mit Fragen beendet. (Wer bestimmt, was Irrlehre ist? Gibt es heute gottlose Bindungen in dieser Welt? Was ist aus der Kirche Jesu Christi als Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern geworden? u.a.) und stellt vier kritische Anfragen aus heutiger Sicht, nämlich ob die Thesen im Gefolge der Barthschen Theologie nicht zu eng auf die Offenbarung Gottes in Jesus Christus bezogen sind. Weber weist diese Anfrage zurück. Es ist m.E. ein innertheologischer Streit. Offenbart sich Gott nicht doch auch in Natur und Geschichte? fragen wir heute wieder. Die Barmer Erklärung weist diese Meinung schroff zurück. Wer vor dieser Schroffheit zurückscheut, landet dann doch wieder bei Sedan 1871, Hitler 1933 und der Wiedervereinigung von 1989 als besonderen Stationen der Offenbarung Gottes. Danke schön.
Die zweite kritische Anfrage stammt von Pinchas Lapide, der eben diesen engen Christusbezug als Ausschluss des Judentums vom Heil kritisiert. Weber meint, dass es sich im Nachhinein als verhängnisvoll herausgestellt habe, dass die Barmer Erklärung nicht die wesentliche Verbundenheit mit dem Judentum wenigstens angedeutet habe. Das war damals einfach nicht im Blick. Aber den Antisemitismus der Deutschen Christen hätten tatsächlich die Barmer scharf kritisieren können. Die dritte Anfrage bezieht sich auf das Staatsverständnis der Barmer Erklärung. Der Bezug zur These 1 von der Alleinherrschaft Jesu wäre nicht klar genug herausgestellt. Schließlich die alte Frage: ist Barmen ein Bekenntnis oder "nur" eine Erklärung, wie vor allem die Erlanger Lutheraner meinten. Das sind alles nur Andeutungen, die Appetit machen sollen, die Schrift in den Pfarrkonventen zu behandeln.




Barmen liturgisch verorten: Würde die Barmer Synode und ihre Thesen einen fest liturgischen Ort im Kirchenjahr haben, wären die Gottesdienstmacher gezwungen, sich mit ihnen zu beschäftigen, sie womöglich als Väterlesung einzuführen. Dazu würde sich monatsmäßig und inhaltlich das Himmelfahrtsfest bestens empfehlen, das ja von Christus dem Herren aller Herren redet.

Christusbekenntnis 50 Jahre Barmen




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu126/barmen.htm, Stand: Mai 2009, dk