Kirche von unten: Home - Archiv - Geschichte - Vorträge, Beiträge - Cyty - Glaube

[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 126 - Mai/Juni 2009


Eure Rede sei: Ja ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Übel

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Eine evangelische niedersächsische Kirche ist meines Erachtens in absehbaren Zeit eine vernünftige Idee und unausweichlich. Dafür spricht die schrumpfende Mitgliederzahl und die absehbaren Mindereinnahmen Eine Reduzierung von bürokratischer Verwaltung durch Zusammenführung finde ich sinnvoll. Das Kunststück besteht darin, Zusammenführung und Föderalisierung der Gemeinden zu verbinden.

Dieser Plan ist ein alter Hut. Schon 1932 planten die lutherischen Kirchen Hannover, Braunschweig, sogar Mecklenburg eine lutherische Kirche in Niedersachsen. Niedersachsen ist ein uralter, durch Geschichte, Brauchtum und Sprache gemeinsamer Raum, der sich deutlich von anderen Nachbarräumen absetzt. Dann planten natürlich die Deutschen Christen 1933 sowas. Als der Hildesheimer Landessuperintendent Heintze 1965 hier Bischof wurde, begegnete ihm flugs der Verdacht, er würde Braunschweig an Hannover ausliefern. Die Bildung der Konföderation war ganz klar auf die Bildung einer niedersächsischen Landeskirche ausgerichtet.

Aber die Konföderation funktionierte nicht. Vor allem die Föderationssynode fühlte sich nur als Vollstrecker längst gefasster Beschlüsse und war an der Beschlussfassung wenig beteiligt.
Schon der Synodale und Vechelder Propst Schliephak schlug daher vor, die Konföderationssynode aufzuheben.

Das Nichtfunktionieren hat mehrere Gründe:
* es gab kein Interesse der einen Kirche an den Vorgängen der anderen Kirche. X mal habe ich vorgeschlagen, wenigstens einen/zwei Synodale zur Hannoverschen Synode zu schicken und nicht nur Grußworte auszutauschen, sondern sich informieren zu lassen. Gegenseitiges Desinteresse. Wenn das nicht beendet wird, haben Fusionsideen wenig Boden.
* Der andere Grund: die Chemie zwischen den Leitungen stimmte selten. OLKRätin Sichelschmidt und Präsident Vietinghoff hatten sehr viel Reibungsverluste. Zwischen Heintze und Lilje, aber auch Heintze und Lohse kam es kaum über ein kühl-brüderliches Verhältnis hinaus. Wie mag es zwischen Käßmann und Weber stehen?
* Hannover ist Sitz der Landesregierung und die Hannoversche Landeskirche immer besser informiert. Da fehlt es an innerbischöflichem Austausch.
* Die Belastungen der Pfarrerinnen und Pfarrer müsste vorher auf ein gemeinsames Niveau angehoben werden. In Hannover versorgt ein Pfarrer 3.000 Gemeindemitglieder, in Braunschweig 1.500.
* Die Pfarrervereine sollten eng zusammenarbeiten. Tatsächlich aber werden in Hannover und Braunschweig die Pfarrervereine möglichst von den Entscheidungen ausgebootet, auch nicht ausreichend konsultiert. Dann bleibt die Basis für eine gemeinsame Landeskirche zu schmal.
* Ganz wichtiger Punkt sind die vorhandenen Finanzen und Reserven. Wenn die Finanzdezernenten die Bildung nicht fördern und Verzahnungen vornehmen, hat die Bildung einer Landeskirche keinen Sinn. Welche Absprachen gab es schon?
Das sind alles Dinge, die man ohne große Mühe mit einem gewissen Zeitanlauf bewältigen kann.

Am 22. März berichtete die EZ über einen solchen Plan unter der Überschrift "Anstoß zu einer Kirche in Niedersachsen" ( S. 1) und "Bischof Weber: aus fünf mach' eine Kirche" (S. 12). Titel unter dem Bild: "Bischof Friedrich Weber stellte in der Konföderationssynode die Pläne für eine Niedersächsische Kirche vor"( S. 12). Die BZ wollte eine Serie über die Fusionspläne hier und anderswo bringen.

Der Landesbischof hat im Braunschweigischen einen eigenen Verfassungsrang. Er kann ohne die Kirchenregierung, die Synode, das Landeskirchenamt zu fragen, eine solche Anregung eben als Bischof in die Diskussion werfen. Das hat Weber getan und dann in seiner anderen Funktion als Vorsitzender der Konföderation einen entsprechenden Vorschlag vor der Konföderationssynode vorgetragen. Dort ist er überwiegend positiv aufgenommen worden, es sollte im Herbst ein Ausschuss gebildet werden.

Die Landessynoden von Oldenburg, Schaumburg Lippe und Braunschweig haben aber in ihren Maisynoden den Vorschlag abgewiesen. Na und? Das ist bei einem solchen Vorschlag und wie er vorgebracht wurde, normal. Heintze hat z.B. seinen Vorschlag auf zeitliche Begrenzung der Amtszeit dreimal eingebracht, weil er immer wieder abgelehnt wurde. Hannover hatte zugestimmt. Das ist doch schon was.

Aber es wurden Befürchtungen laut. Die Mitarbeiterschaft des Wolfenbüttler Landeskirchenamtes äußerte schriftlich ihre Bedenken in einem Offenen Brief mit Namensnennung an die Landessynode. Er ist hier wiedergegeben. Dass der Brief namentlich unterzeichnet ist, finde ich ausgesprochen nobel. Er zeigt aber auch das Ausmaß der Befürchtungen, die mit dem Vorschlag des Bischofs verbunden sind. Spricht das gegen den Vorschlag? Keineswegs. Es spricht allerdings gegen die Kommunikation innerhalb der Behörde. Die Argumente des Bischofs sind nicht so doof, dass sie nicht in einem oder mehren Gesprächen zu vermitteln wären. Es fehlt in der Behörde ganz offensichtlich an einem inneren Einverständnis für Zuhören und Vermitteln.

Das Rückgrat des Landeskirchenamtes ist bekanntlich die mittlere Ebene. Das sind gegenwärtig: Heinze, Moser, Schnelle, Siedentopf. Wie wichtig diese sind, kann man an den Namen der Vorgänger veranschaulichen, die alle nach langer Dienstzeit mit viel Anerkennung in den Ruhestand gegangen sind und in der Landeskirche einen guten Namen haben: Mühe, Rohde, Dube, xxxxxx. Die Kommunikation dieses Rückgrates ist für das Zusammenleben und Funktionieren der Behörde sehr viel wichtiger als die langatmigen Kollegiumssitzungen. Herr Heinze ist seit Wochen krank. Vor vielen Jahren wurde OLKR Becker krank an der Landeskirche unter Bischof Müller. Wir wünschen Herrn Heinze, dass er bald wieder genesen und seinen wichtigen Dienst aufnehmen kann. Was diese vier (Rückgrat) gemeinsam sagen und schreiben, bedeutet das höchste Alarmstufe. Wird das überhört, treten Schäden auf.
Es gab auch andere Gegenstimmen.

Anstatt seinen Vorschlag standhaft in der Konföderationssynode und Landessynode vorzutragen, schwächte Bischof Weber seinen ursprünglichen Vorschlag von mal zu mal ab. Die Kirchenregierung wollte dem Bischof Brücken zum Rückzug bauen, und befürwortete einerseits seinen Vorschlag, lehnte ihn aber zugleich ab. Es war ein schwerer Fehler, dass Bischof Weber sich den Antrag der Kirchenregierung zu eigen machte und ausdrücklich erklärte, so hätte er es von Anfang an gemeint.
Die Zeitungsüberschriften in der eigenen Kirchenpresse, aber auch in der BZ waren anders, und man muss dem Bischof schon zumuten, dass er sich vor der Presse so ausquetschen kann, dass diese schreibt, wie er es meint. Im übrigen muss man der Presse immer mehr erzählen, als sie schreiben darf. Ich habe in Offleben jahrzehntelang mit der Presse die besten Erfahrungen gemacht, weil ich ein vertrauensvolles Verhältnis zur BZ in Gestalt von Reinhard Wagner als Redakteur hatte, der heute noch bei der BZ tätig ist. Er wusste von mir immer mehr als er schrieb. Dass BZ-Redakteur Duin die Darstellung des Landesbischofs nach der Synode als "Missverständnis" kommentiert, ist ja noch schonend harmlos, obwohl Bischof Weber begreiflicherweise wütend reagierte und der Presse ungerechtfertigterweise die Schuld für die Misere zuschob.

Die Einhelligkeit der Synode hat mich überrascht und manche Argumente waren ja geradezu haarsträubend. Da versteigt sich mein guter Bekannter Harald Welge zur Behauptung, Niedersachsen wäre ein Erfindung der britische Besatzungsmacht und überhaupt kein Bezugspunkt für eine Reform der Kirche. Ich nehme an, man hat Welge vorher was in den Kaffee getan, was ihm nicht bekommen ist. Natürlich ist Niedersachsen ein landschaftlich, politisch, geschichtlich, mentalitätsmäßig selbständiges Gebilde. Seit Jahrzehnten gibt es eine Geschichte und auch Kirchengeschichte Niedersachsens. So ein dussliges Argument macht sich ganz gut im Redefluss in einer Debatte, aber dass z.B. Peter Albrecht als Historiker nicht aufgestanden ist, und diesen Unsinn zurückgewiesen hat, tja, so was zeigt dann auch die Kommunikation innerhalb der Synode an und wie ernst man ihre Argumente nehmen sollte. Die des Bischofs für den Versuch einer niedersächsischen Kirche sind jedenfalls besser.

Nun fühlt sich Hannover natürlich gegen das Schienenbein getreten. Wenn die Synode so lustvoll gegen die Brüste der Nachbarbischöfin pinkelt, kann sie nicht erstaunt sein, dass diese zunächst mal alle gemeinsamen Pläne absagt und auf stur schaltet. Die Scherben wurden beim ersten Treffen der Bischöfe am 18. Mai in Hannover bewundert. Bis zum Herbst wird sich alles etwas beruhigt haben, und dann kann an eine Überdachung der fünf Landeskirchen bei gleichzeitiger Stärkung der Gemeinden immer noch herangegangen werden.

Zur Zeit besteht bei keiner Landeskirche finanzieller Druck. Sie können also auf Augenhöhe verhandeln. Das ist eine bessere Ausgangsbasis, als wenn die finanziellen und personellen Reserven erschöpft sind.

Wenn das Kunststück, Überdachung und föderale Gemeindestrukturen miteinander zu verbinden, anvisiert wird, lohnt sich ein neuer Versuch.




[Zurück] [Glaube] [Helfen]
Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu126/fusionsverhandlungen.htm, Stand: Mai 2009, dk