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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 127 - Oktober 2009


Oberlandeskirchenrat Dr. Konrad Bluhm

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Konrad Bluhm war Schöninger. Ganz und gar. Zwar kein Gebürtiger, aber seit dem 8. Lebensjahr. Seine Eltern waren dorthin gezogen. Dort verlebte er Jugend und Schulzeit und hatte in die Familie des Schöninger Industrieunternehmens Theodor Hey eingeheiratet. In der Stadtkirche St. Vincenz war die Trauung. Bluhm blieb sein Leben lang Schöningen verbunden und blieb Kleinstädter mit allen Schönheiten und Grenzen dieser Umschreibung. Schöningen gehört, abgesehen von Braunschweig, zu den wenigen „attraktiven“ Städten, die unsere Landeskirche zu bieten hat. Er lebte mit seiner Familie im Gemeindebezirk von St. Lorenz, und dort regierte der bewegliche und politisch eher links engagierte Pastor Dr. Dr. Menzel. In dessen Kirchenvorstand trat Bluhm ein.
Menzel war Schlesier, Bluhm Schöninger, das ergänzte sich offenbar. Menzel gründete im nur sprichwörtlich „roten“ Schöningen mit seinem hohen Anteil an Arbeitern bei den Braunschweiger Kohlenbergwerken das „Arbeiterwerk St. Lorenz“, wo in lebhaften Versammlungen die soziale Frage, später die Ostverträge diskutiert wurde. Bluhm gehörte, wenn man so will, zum besseren Teil Schöningens, in die Villen der Landwirtdynastien und der verbliebenen Industrie. Auch das ergänzte sich.
Bluhm wurde von der Propsteisynode in die Landssynode gewählt. Auch sein Gemeindepfarrer Menzel war in der Landessynode und zwar Vorsitzender des Gemeindeausschusses. Dort sorgte Menzel für Wirbel und Reform der Landeskirche.
Mit 38 Jahren wurde Bluhm 1953 von der Landessynode in die Kirchenregierung gewählt. Er war der Jüngste neben Bischof Erdmann und dem Goslarer Propst Rauls, die fast 20 Jahre älter waren, wie auch der immer aufbrausende OLKR Dr.Breust, und dem Landwirt Buhbe aus Schöppenstedt.
1957 wurde Bluhm Landeskirchenrat. Er wechselte also für die nächsten Jahrzehnte nach Wolfenbüttel, in die nächste Kleinstadt. Dort verwaltete er unter OLKR Dr. Lerche die Gemeindefinanzen, das sog. Referat IV b. Als Lerche überraschend Weihnachten 1962 starb, wurde Bluhm dessen Nachfolger und ständiges weltliches Mitglied der Kirchenregierung.
Zusammen mit Bluhm war der sieben Jahre jüngere Jürgen Kaulitz 1957 Landeskirchenrat und 1965 als Nachfolger von Breust juristischer Oberlandeskirchenrat geworden. Bluhm und Kaulitz waren dann in den 60er und 70er Jahren das juristische Rückgrat der Landeskirche für sehr viele Jahre. Neben beide kam als neuer Landesbischof Dr. Gerhard Heintze, dessen Reformwillen sie unterstützten, dessen Kirchenpolitik sie jedoch zunehmen als linkslastig empfanden und bei gleichbleibender dienstlicher Loyalität auf Distanz gingen. Erdmann lag beiden mehr.
Dr. Bluhm verwaltete die Finanzen der Landeskirche in Zeiten der Fülle. Nur als Anhalt: 1967 liefen 19,7 Millionen an Kirchensteuern ein, 1980 92 Millionen. Haushaltsvolumen: 1967 24 Millionen, 1981 104 Millionen DM. Das war eine große Aufgabe und die Zeit, in der die Haushaltspläne noch im Amtsblatt abgedruckt wurden. Das änderte sich später.
Als finanzielle Großtat Bluhms kann man die Anlage einer Pensionskasse ansehen, so dass heute der Haushalt durch die steigenden Pensionslasten längst nicht so belastet wird wie etwa bei Vater Staat.
Als Unsitte schon zu Bluhms Zeiten sehe ich die Anlage des Ausgleichsstockes, an sich in der guten Absicht errichtet, finanzschwächeren Gemeinden aufzuhelfen. In den Ausgleichsstock liefen immerhin damals 7 % der Kirchensteuereinnahmen, die nun insgesamt den Gemeinde entzogen wurden. Tatsächlich förderte der Ausgleichsstock nur die Abhängigkeit der Kirchengemeinden vom „großen Topf“ und die ungesunde Mentalität, dass das Landeskirchenamt irgendwie schon aushelfen werde. Richtiger wäre es gewesen, die Selbständigkeit der Kirchengemeinden zu stärken und ihnen zu bedeuten, dass sie mit ihren Mitteln auskommen müssen.
Aber man merkte Bluhm an, dass er aus der Kirchengemeinde kam und die Gemeinden im Blick behielt. Und das war angenehm.
Bluhm ging 1981 mit 66 Jahren in den Ruhestand. Auf dem Abschiedsfoto sieht man ihn, die Kollegen um Haupteslänge überragend. Wenn Bluhm einen Raum betrat, war er wegen seiner Körperlänge nicht mehr zu übersehen und präsent. „Der Lange“ mit dem breiten Hut auf den großen Ohren, so ist er in Schöningen in freundlicher Erinnerung.
Aber er hatte auch seine Grenzen. Was in sein bürgerliches Weltbild nicht passte, blieb ihm zuwider.
Die Mischung schwul, links und fromm war ihm natürlich eklig und mied er. Als sich die Gelegenheit bot, zusammen mit einigen größeren Landwirten mich aus der Offleber Gemeinde zu hieven, versuchte er es disziplinarisch jedoch vergeblich. Zum letzten Mal begegneten wir uns anläßlich der Bischof Heintze Ausstellung in der Andreaskirche. Ich hatte Aufsicht und begrüßte ihn freundlich: „Wie schön, dass Sie gekommen sind!“. Er erwiderte: „Wer weiß“ und huschte zu den letzten Bildern, um zu sehen, ob auch der unappetitliche Abschied von Bischof Heintze dokumentiert sei. Aber diese Grenzen der m.E. typisch braunschweigischen Bürgerlichkeit schmälern nicht seine großen Verdienste um die Landeskirche. Bei seiner Beerdigung wurde sang die Gemeinde zum Schluss die 7. Strophe von „Christus ist mein Leben“, in der alten, schöneren EKG Fassung: „An dir lass gleich den Reben/ mich bleiben allezeit/ und ewig bei dir leben/ in Himmelswonn und –freud.“ Möge sich die Hoffnung der Gemeinde an ihm erfüllen.




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu127/bluhm.htm, Stand: Oktober 2009, dk