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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 127 - Oktober 2009
Sonderteil "Die Wiedervereinigung im Spiegel von Kirche von Unten"
Texte von November 1989 - November 1990


Erklärung von Christen aus beiden deutschen Staaten

von einem ökumenischem Initiativkreis
April 1990
(Download als pdf hier)

Bischöfe und Beauftragte der EKD und des BEK haben in der „Loccumer Erklärung” Gedanken zur „besonderen Gemeinschaft” der evangelischen Kirchen in beiden deutschen Staaten geäußert und eine Willenserklärung für eine „organisatorisch angemessene Gestalt” dieser Gemeinschaft „in einer Kirche” abgegeben. In der römisch-katholischen Bischofskonferenz sind ähnliche Stimmen laut geworden. Diese Erklärung hat neben offizieller Zustimmung verbreitete Irritation und Kritik ausgelöst. Diese bezieht sich sowohl auf das Zustandekommen wie auf den Inhalt. Wir wollen einen Anstoß geben zu der notwendigen Meinungsbildung in unseren Kirchen und der gesellschaftlichen Öffentlichkeit und legen daher die folgenden Thesen zur Diskussion und zur Zustimmung vor.
1. Durch ihre besondere Gemeinschaft haben die Evangelischen Kirchen die Verantwortung für die Zusammengehörigkeit der Deutschen in der Zeit der politischen Trennung wahrgenommen: Jetzt muß sich diese besondere Gemeinschaft umgekehrt bewähren im stellvertretenden Aushalten der noch bestehenden Trennungen um des Zusammenwachsens Europas in Frieden und Gerechtigkeit willen
2. Unsere Kirchen haben nach dem 2. Weltkrieg die ökumenische Zusammengehörigkeit mit anderen Kirchen in dem einen Volk Gottes dankbar neu erfahren. Mit den Delegierten aller europäischen Kirchen haben wir bei der Europäischen Ökumenischen Versammlung in Basel erklärt, daß gegenüber dieser Gemeinschaft alle anderen Loyalitäten zweitrangig sind (Schlußdokument Paragraph 77).
In den vor uns liegenden Entscheidungen zur deutschen Frage muß sich zeigen, ob wir bereit sind, aus diesem Bekenntnis die praktischen Konsequenzen für eine europäische Friedensordnung, für wirtschaftliche Gerechtigkeit und unser Zusammenleben mit ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern zu ziehen.
3. Die Gefahr wächst, daß wir im Zuge der Vereinigung der beiden deutschen Staaten noch einmal, wie nach dem letzten Weltkrieg, die eigene Geschichte verdrängen und uns keinerlei Raum für die notwendige Trauerarbeit lassen. Umso weniger dürfen die Kirchen, die nach dem Krieg die Ansätze zu einer bekennenden Kirche in nationalsozialistischer Zeit schon einmal weitgehend vergessen hatten, jetzt die Lernerfahrung der „Kirche in der sozialistischen Gesellschaft” verleugnen, um zur vermeintlichen „Normalität” zurückzukehren.
4. Wir müssen der irreführenden Alternative von Kapitalismus und Sozialismus widerstehen, die das deutsch-deutsche Gespräch immer stärker beherrscht. Im konziliaren Prozeß für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung ist unübersehbar geworden, daß beide Systeme nicht in der Lage waren, die Frage des Überlebens der Menschheit und der Erde zu beantworten. Die Kirchen haben den biblischen Auftrag, Anwalt der geopferten Menschen und Mitgeschöpfe zu sein. Das Aufbrechen der verkrusteten deutschen Situation eröffnet unseren Kirchen und unseren Gesellschaften die Chance zu einer gemeinsamen Umkehr.
In diesem Punkt sehen wir die besondere Verantwortung, die den Kirchen in der gegenwärtigen deutschen Situation zukommt. Wir bitten alle, besonders aber die mit uns im konziliaren Prozeß verbundenen Gemeinden und Gruppen, diese Orientierungspunkte zu prüfen, ihre Zustimmung durch Unterschrift zu bekunden und sie in die Beratungen ihrer Synoden, sowie in die öffentliche Diskussion einzubringen.

Für einen ökumenischen Initiativkreis
Ulrich Duchrow, Heidelberg
Heino Falcice, Erfrut
Joachim Garstecki, Berlin
Konrad Raiser, Witten




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