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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 127 - Oktober 2009


Die Finanzlage der Landeskirche

Kurzvortrag vor der Propsteisynode Goslar am 1.10.2009

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Der Anlass
Mit ermüdender Regelmäßigkeit wird zur Sommerzeit und vor einer synodalen Haushaltsdebatte behauptet, der Landeskirche ermangele es an Geld. EZ 9. Dezember 1984 S. 1: „Zuvor“, nämlich vor der Verabschiedung des Haushaltes, „hatte der Finanzreferent im Wolfenbüttler Landeskirchenamt, Dr. Robert Fischer, darauf hingewiesen, dass künftig mit erheblichen Mindereinnahmen zu rechnen sei.“ Und S. 5 „Finanzielle Lage ernst aber nicht hoffnungslos“. Entsprechend die BZ 3.12.1984: „In Sorge um die Zukunft der Kirche“. EZ 9. Dezember 1990: „Wir können unsere Rücklagen nicht einfach aufessen,“ hatte der Finanzreferent des Landeskirchenamtes, Oberlandeskirchenrat Dr. Robert Fischer, noch während eines Pressegespräches am Freitag gewarnt. „Es geht nicht, immer nur mehr aufzusatteln. Der Esel, der immer neue Lasten tragen solle, wird zusammenbrechen“.
Zu gleicher Zeit veröffentlicht die evangelikale Gruppe Braunschweig der Ev. Notgemeinschaft Prof. Gerhard Schön im andern Zusammenhang das Flugblatt Nr. 6 unter der Überschrift „Kirche in Not“.
Im Februar 1997 stünde die Landeskirche infolge der Einführung der Steuerreform vor Verlusten in Milliarden Höhe, was zu einem „katastrophalen Szenario“ führe, berichtete Dr. Fischer vor der Propsteisynode Seesen (epd Meldung in EZ). Tatsächlich bestand das katastrophale szenario in einer Mindereinnahme von 4 Millionen, denen insgesamt 116 Millionen Mehreinnahmen in den Jahren 1989-1993 gegenüberstanden.

Es liegt in dieser Linie, dass nun in diesem Sommer wieder einmal über die kirchlichen Finanzen berichtet wurde unter der Überschrift „Kirche in Not“. Es wird die Angst verbreitet, es langt in Zukunft nicht.
Wenig später hat der Landesbischof in einem weiteren Gespräch mit der BZ allerdings erklärt, die Landeskirche wäre, finanziell gesehen, „gut gepolstert“.

Grundsätzlich gehört, wie alles in der Kirche, auch das Geld unter das Evangelium. Wenn es nicht auf dem Boden des Evangelium fest steht, bekommt es Beine, macht sich selbständig und gerät unter das Gesetz. Näher hin: unter das Gesetz der Angst; am meisten einer doppelten Angst: der Angst, die Öffentlichkeit könnte den Eindruck haben, die Kirche habe zu viel Geld und der Angst, die Kirchenvorstände könnte nicht haushälterisch mit dem Geld umgehen.

„Gut gepolstert“
„Gut gepolstert“ kann dreierlei bedeuten: 1) die Landeskirche und die Kirchengemeinden haben keine Schulden. In den Haushalten befinden sich nicht hohe Zinsbeträge zum Schuldenabbau. Wir müssen den Staat nicht um hohe Kredite bitten. Gut gepolstert 2.) darum, weil der landeskirchliche Haushalt nicht die ganze Last der Altersversorgung ihrer früheren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen muss wie z.B. der Bundeshaushalt. Gut gepolstert 3.) auch deshalb, weil in der Kirche keine sinnlosen und dem Evangelium widersprechenden Spitzengehälter wie in der freien Wirtschaft gezahlt werden, sondern diese sich im Rahmen des Öffentlichen Dienstes bewegen.

Die Entwicklung der Landeskirchensteuer
Das deutlichste Kennzeichen für die Lage der Landeskirche sind die Kirchensteuern, denn sie machen immer noch 2/3 des landeskirchlichen Haushaltes aus. Was haben die Gemeindemitglieder unserer Kirchengemeinden durch ihre Arbeit an Kirchensteuern aufgebracht und durch ihre Kirchenmitgliedschaft gezahlt?

2001: 70.001.088,76 €
2002: 67.028.906,04 €
2003: 65.728.925,96 €
2004: 56.848.020,18 €
2005: 52.720.733,88 €
2006: 54.581.825,41 €
2007: 52.000.000,00 € (erwartet)
2007: 59.329.376,82 €
2008: 56.000.000,00 € (erwartet)
2009: 60.000.000,00 € (erwartet)

Das ist sehr viel Geld, das nur von einem Drittel aller Kirchenmitglieder erbracht wird, denn das andere 2/3 der Kirchenmitglieder ist aus Alters- oder sozialen Gründen (zu jung – zu alt, mittellos) von der Landeskirchensteuer befreit.
Es ist sogar so, dass unserer Kirchengemeindemitglieder mehr Kirchensteuern gezahlt haben, als die Kirche von ihr erwartet hat. 2007 hatte die Landeskirche 52 Millionen erwartet, gezahlt haben unsere Kirchengemeindemitglieder 59 Millionen. Erwartet wurden für das vergangene Jahr 56 Millionen. Auch diese Zahl wird weit überschritten. Weil unserer Gemeindemitglieder mehr gezahlt haben, haben sie auch die Erwartungen der Landeskirche geweckt. Für dieses Jahr 2009 erwartet die Landeskirche nach ihrem Haushaltsplan 60 Millionen Euro, und diese Zahl wird wohl wiederum überschritten.
Die Lage ist also zur Zeit besser als erwartet dank unserer Kirchengemeindemitglieder.

Der eine Grund für die sinkenden Kirchensteuern: fallende Mitgliederzahlen
Bei näherem Hinsehen sind allerdings die Einnahmen stark gefallen. Von 70.001.088,76 € im Jahr 2001 auf 52.720.733,88 € im Jahr 2005. Dafür gibt es zwei Gründe. Der eine ist bekannt: die Mitgliederzahl wird unaufhaltsam geringer.
Die Mitgliederzahl der Landeskirche ist zur Zeit auf einen Stand gesunken, den wir ca 1890 hatten. Nämlich unter 400.000 Mitglieder, genau 397.000 Mitglieder. Es kursieren auch andere, höhere Zahlen. Das ist nicht gut. Wenn ein wissbegieriges Gemeindemitglied Sie fragt, wie viel Leute denn eigentlich zu Ihrer Kirchengemeinde gehören, dann hört er: in Gr. Elbe 1.1789; in Haverlah 1.043 Mitglieder, in Liebenburg 1.519 usf. Wenn ich frage, wie viele gehören zur Landeskirche, bekomme ich zwei verschiedene Angaben: einmal 410.000 – so noch auf der Homepage der Landeskirche; die andere realistischere: 397.000. Das ist ein Unterschied von 17.000 Mitgliedern. So kann es allerdings auch dem Pfarrer, der Pfarrerin ergehen, wenn sie auf die Mitgliedermeldungen aus dem zentralen MEWISprogramm hören. Die Angaben differieren manchmal von einem Tag zum andern um 100 Mitglieder. Keine Werbung für Zentralisierung und kein Ersatz für die schöne alte Gemeindehandkartei.
In den letzten 13 Jahren hat die Landeskirche 80.000 Mitglieder verloren, nämlich von 477.895 (1996) auf 397.000 Mitglieder (2009). Auch die Zahl der Taufen, Trauungen und Beerdigungen ist zurückgegangen.

Der andere Grund: innerkirchliche Neuberechnung bei der Verteilung
Das ist aber nur ein Grund für den Rückgang der Kirchensteuern, denn in den 70er und 80er Jahren haben wir die Erfahrung gemacht, dass trotz eines Mitgliederrückganges die Landeskirchensteuern gestiegen sind. Der andere, m.E. tragende Grund ist folgender:
Die Kirchensteuern, die von den Finanzämtern erhoben werden, kommen in Niedersachsen in einen Topf, aus dem dann die fünf Landeskirchen Niedersachsens: Hannover, Oldenburg, Braunschweig, Schaumburg-Lippe und die reformierte Kirche ihren passenden Anteil je nach Mitgliederzahl erhalten. Es kursierten jahrzehntelang unterschiedliche Mitgliederzahlen. Wird die höhere Mitgliederzahl angenommen, bekommt Braunschweig mehr, wird die niedrigere angenommen, entsprechend weniger. Wenn Sie Finanzreferent gewesen wären, hätten Sie wohl auch bei der Verteilung jeweils die höhere Zahl angegeben. So war es bis zum Jahr 2000, als Braunschweig etwas mehr als 12 % aus dem Topf bekam. Inzwischen haben die anderen Landeskirchen gemerkt, dass die Mitgliederzahlen nicht der Wirklichkeit entsprachen, und der Anteil wurde langsam von 12 % aus dem Topf auf jetzt 10 % gesenkt. Das waren einige Millionen € weniger. Dass die Landeskirchensteuern seit dem Jahr 2000 gesunken sind, hat also nicht nur mit der Mitgliederzahl und der Konjunkturlage zu tun, sondern auch mit der Senkung des Anteils aus dem großen Finanztopf. Seit drei Jahren ist der Prozentsatz von 10 % gleich geblieben.

Der landeskirchliche Haushalt
Aus diesem Landeskirchentopf der Kirchensteuer erhält das Landeskirchenamt 65 %, weil es auch die Pfarrergehälter auszahlt, und die Kirchengemeinden 31% direkt und 4 % indirekt als Zuschüsse. In anderen Landeskirchen z.B. der sog. altpreußischen Union Rheinland, Westfalen u.a. ist es umgekehrt: da erhalten die Kirchengemeinden den Löwenanteil und unterhalten mit ihren Beiträgen die Kirchenbehörde. Es ist sinnvoll, wenn jede neue Synode dieses Verhältnis überprüft. Bisher sind alle Anträge, dieses Verhältnis 65: 35 zugunsten der Kirchengemeinden zu verändern, abgelehnt worden.
Bei der laufenden Propsteireform sind ja bedauerlicherweise die Kosten für die Zusammenlegung nicht ausgewiesen worden. Aber es wäre zu überlegen, ob man nicht die Propsteihaushalte und Propsteirücklagen auf die Kirchengemeinden verteilt, und die Ausgaben einer Propstei durch Beiträge aus den Kirchengemeinden bestreitet. Das würde der Absicht entgegenkommen, dass Propsteien keine
Verwaltungseinheiten mehr sind, sondern sich vorrangig in mehrere Seelsorgebezirke gliedern sollten. Wir hätten dann ein Mischsystem wie es in den unierten und in den lutherischen Kirchen üblich ist. Es gäbe jedenfalls sehr viel mehr Mitverantwortung der Kirchengemeinden für einen Propsteihaushalt.

Die Ausgaben dieser 65 % der Landeskirchensteuern werden im landeskirchlichen Haushalt ausgewiesen. Weil die Kirchensteuer gesunken ist, ist auch der Umfang des landeskirchlichen Haushaltes verändert.
Der landeskirchliche Haushalt hat einen Umfang von rund 100.000.000 €.
Das Haushaltsvolumen betrug:
2001: 101.678.280,58 €
2002: 103.495.273,16 €
2003: 108.488.655,10 €
2004: 97.255.493, 16 €
2005: 94.114.761,34 €
2006: 92.279.762,30 €
2007: 95.950.298,73 €
Ansatz für 2009: 101.176.400 €

Die größten Posten sind die Personalkosten.
Die Pfarrer- und Pfarrerinnengehälter nur in den Kirchengemeinden. (Haushaltsstelle 0510.4210 S. 12) betrugen
2003: 13.904.277,68 €
2004: 14.033.286,69 €
2005: 13.721.831,92 €
2006: 13.516.769,30 €
2007: 13.540.841,82 €
Das bedeutet eine Einsparung von 500.000 € gleich sechseinhalb Pfarrstellen. Dazu kommen Beiträge zur Versorgungskasse (Pensionskasse) und Beihilfen von ca 7 Millionen € für ca 180 Ruheständler. (Haushaltsstelle 0510.4310 S.12) Zu sorgen hat die Landeskirche- -außerhalb des Haushaltsplanes - auch für das Auskommen von 190 Pfarrwitwen.
Dazu kommen die Summen für zahlreiche übergemeindlichen Pfarrämter, wie Telefonseelsorge, Ehe- und Familienberatung, für Fortbildung, Seelsorge in der Feuerwehr, Altenseelsorge in der Grotjahnstiftung und am Augustinum, Polizeiseelsorge, Klinik und Hospizarbeit, Ev. Zeitung, Blankenburg Kirche am Markt und zahlreiche andere, die ständig überprüft werden und von denen einige in den letzten Jahren gestrichen worden sind, z.B. der Dienst in der Arbeitswelt. Im Landeskirchenamt arbeiten 39 Beamten/Beamtinnen und 82 weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für zusammen 4,5 Millionen €, was gemessen am Gesamthaushalt m.E. keineswegs zu viel ist.

Einsparungen
Landessynode und Landeskirchenamt haben auf die sinkenden Mitgliederzahlen mit Stellenkürzungen Stellenveränderungen und Verkäufen von Kirchengebäuden reagiert. In der Stadt Braunschweig, die zwischen 1996 und 2007 21.000 Mitglieder verloren hat, wurden an den Hauptkirchen je eine Pfarrstellen eingespart, andere heruntergesetzt. Zur Zeit sind von den 51 im Pfarramtskalender genannten Gemeindestellen wenigstens 15 halbiert oder dreiviertelt. In der Propstei Goslar, die im selben Zeitraum 6.000 Mitglieder verloren hat – von 39.578 1996 auf 33.481 – wurde ungefähr eine Pfarrstelle eingespart, 5 Pfarrstellen dreiviertelt, zwei halbiert. Auch im Stellenplan des Landeskirchenamtes sind erhebliche Personaleinsparungen vorgenommen worden.
Bei den kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurden die üblichen Prämien bei Jubiläen, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld und die automatische Weiterstufung von A 13 nach A 14 gestrichen.

In der Landeskirche stehen nun einige Pfarr- und Gemeindehäuser leer. Es wurden (abgesehen von der Propstei Braunschweig) 2006 sieben Pfarrhäuser, zwei Küsterhäuser und ein Gemeindehaus verkauft; 2008: zwei Pfarrhäuser und ein Küsterhaus; 2009 bisher drei Pfarrhäuser. Drei weitere stehen zur Zeit mit Bild im Internet zum Verkauf. In der Propstei Braunschweig sind bisher drei Pfarrhäuser und zwei Gemeindehäuser verkauft worden.
Also: die Landeskirche und die Kirchengemeinden reagieren auf die finanzielle Lage.

Die Rücklagen
Aber nicht alle Gelder des landeskirchlichen Haushaltes werden ausgegeben, einiges auch zurückgelegt. Die Rücklagen befinden sich in verschiedenen Töpfen, die da heißen (der Größe nach geordnet): Personalrücklage, Baurücklage (genau: Bauinstandsetzungsrücklage), Allgemeine Ausgleichsrücklage und Betriebsmittelrücklage. Es gibt noch andere Töpfe wie die Baupflegestiftung und den Topf der Pfarrpfründeverwaltung.
Die Gesamtsumme der Rücklagen, also in allen Töpfen, beträgt m.E. zur Zeit ca 160.000.000 €.
Ein Beispiel aus der Nähe: die Synode überlegte kürzlich, den Hessenkopf zu verkaufen oder zu sanieren. OLKR Dr. Fischer hätte ihn auch für einen Euro verkauft, um die Nachfolgekosten loszuwerden. In der Bau-Instandsetzungsrücklage befanden sich ca zehn Millionen €. Da war die Sanierung für 1,7 Millionen, so der Finanzausschussvorsitzende in der Debatte, durchaus vertretbar.

Die Baurücklage ist nicht der einzige Topf für die Bauvorhaben in der Landeskirche, dazu gehört auch die Baupflegestiftung. Sie ist noch nicht alt und darin wurde der größte Teil der sog. Baurücklage eingebracht, nämlich 50 Millionen DM. Also nur eine interne Verlagerung der Rücklagen. Inzwischen ist sie auf ca 35 Millionen € angewachsen.

Die Baupflegestiftung vergab
2003: 2.291.432,64 €;
2004: 2.168.098,65 €,
2005: 2.220.824,84 €,
2006: 1.918.952,46 €
2007: 1.915.753,67 €
Das ist einerseits erfreulich, aber ich halte diese Konstruktion für problematisch. Ich habe sie im Grundsatz seinerzeit mit beschlossen hatte, aber wir wussten damals in Ausschuss nicht, dass die Vergabe der Zinserträge der Landessynode entzogen ist. Hier bedarf es energischer Nachfragen in der Landessynode.

Die gefüllteste Rücklage ist die Personalkrücklage mit ca 70 Millionen €, aber sie ist auch jene, die am schnellsten schrumpft. Es werden dieser Rücklage seit längerem höhere Summen entnommen als sie Zinsen erbringt.
2005 wurde 4,7 Millionen Zinsen erwirtschaftet, aber 14,7 Millionen entnommen. 2006 wurden 3,5 Millionen Zinsen erwirtschaftet, aber 11,9 Millionen entnommen; 2007 wurden 3,3 Millionen Zinsen erwirtschaftet, aber 9,4 Millionen entnommen (Siehe Haushaltesplan 2009 S. 102 Haushaltsstelle 9750). Das Polster der Rücklage sank von 136 Millionen € im Jahr 2005 (errechnet bei 4,5 % Zinsen) auf 96 -105 Millionen, (bei einem Zinssatz von 3,5 % bzw 3,2% Zinsen) im Jahr 2007.

Diese Zahlen sind geschätzt, weil im Haushaltsplan der Landeskirche die Rücklagen nicht leserlich ausgewiesen werden. Man kann sie sich auf Umwegen errechnen. Aber das ist nicht im Sinne des Evangeliums, das ein Ja Ja und Nein Nein erfordert. Was dazwischen ist, ist nicht transparent, ist vom Übel. Transparenz wird von den einen als unangemessene Neugierde empfunden, anderen ist sie ein Kriterium dafür, ob die Finanzlage der Landeskirche auf dem Evangelium steht, das doch Licht, durchscheinen, bedeutet.

Vom Übel ist z.B. die jahrelange mangelnde Transparenz der Bekanntgabe der Rücklagen des Diakonischen Werkes in Riddagshausen. Die Landeskirche, d.h. die Kirchengemeinden unterstützen diese Arbeit mit mehr als zwei Millionen. Sie bezahlen außerdem die Bezüge des dortigen Pfarrers mit 80.000 €. Ein Zuschuss von zwei Millionen € sind grob gerechnet das Gehalt von 20 Pfarrern. Wer so hohe Zuschüsse verteilt wie die Landessynode, hat ein Recht, auch Klarheit über die Rücklagen zu erhalten, um z.B. zu prüfen, ob der Zuschuss in dieser Höhe noch berechtigt ist, wenn in den Kirchengemeinden allüberall gespart werden muss. Wir haben im Finanzausschuss seinerzeit völlig vergeblich um Auskunft gebeten. Da ist sie wieder: die Angst, die Öffentlichkeit könnte denken, die Kirche hat zu viel Geld. Vorgestern erhielt ich nach mehrmaligen Anfragen einen Bescheid, wonach der Zuschuss von 2 Millionen 1/3 der Gesamteinnahmen von 6,6 Millionen € und die Gewinnrücklage 4,7 Millionen € betrage. Es soll im nächsten Jahr eine Diakonie-Synode geben. Hier ist dringender Prüfungs- und gegebenenfalls Handlungsbedarf fällig.

Sind diese genannten Rücklagen zu hoch? Keineswegs. Die Kirche verfügt bei diesem Stand der Rücklagen und auch bei mehr über keine Reichtümer, aber sie ist auch nicht in Not.
In der Regel sollten die Rücklagen die Höhe von wenigstens einem Haushaltsvolumen haben (siehe Schreiben von Dr. Fischer an alle Kirchengemeinden vom 16.1.1997 S. 3: „Es war die Politik der Landeskirche, in der Landeskirche Gesamtrücklagen in Höhe eines Jahresbudgets aufzubauen“), besser von zwei betragen. Von gut gepolstert würde ich reden, wenn es mehr als 200 Millionen € sind.

Einnahmen und Ausgaben werden wie auch in den Kirchengemeinden jährlich oder alle zwei Jahre in der Landessynode behandelt. Und zwar durchaus unterschiedlich. Die eine Synode vertraut auf die Beratungen im Finanzausschuss und winkt den vorgelegten Haushaltsplan einfach durch. Das hat den Vorteil, dass sich alle anderen Synodalen in den Haushaltsplan gar nicht einlesen müssen Die andere Synode nutzt die Vorlage zu einer gründlichen Beratung und zu Nachfragen zum Stellenplan, zur Jugendkirche, zu den verschiedenen Anlagen der Rücklagen, zum Religionsunterricht, zum Predigerseminar, wie unterstützt die Landeskirche die Ökumene? Und bereitet die Diskussion in Synodalgruppen vor. So eine Diskussion kann dann mehr als einen Vormittag in Anspruch nehmen.
In der Geschichte der Landessynode kamen beide Formen vor, die erst genannte allerdings viel häufiger.

Die Finanzen in den Kirchengemeinden
Im Finanzverhalten der Kirchengemeinden ist eine große Veränderung durch die seit 2000 eingeführte Budjetierung eingetreten. Diese sollte die Selbständigkeit der Kirchengemeinden stärken. Die Budgetierung bedeutete für viele Gemeinden eine große Umstellung. Die Gemeinden hatten sich seit Jahrzehnten angewöhnt, Zuschüsse aus dem Haushalt der Landeskirche zu beantragen. Es gab den sog. Ausgleichsstock. Im Grunde eine gute Sache, um ärmeren Gemeinden auszuhelfen. Tatsächlich förderte er das Gefühl, das Landeskirchenamt würde schon aushelfen, wenn es in der Kirchengemeinde nicht reicht. Die Budgetierung wollte diesem Antragswesen, das auch allerhand Missbrauch zu Tage förderte und die bescheidenen gegenüber den pfiffigen zurücksetzte, ein Ende machen. Ich gehöre zu denen, die jedes Zuschusswesen aus dem Landeskirchenamt für abträglich halten, weil es die Selbständigkeit der Gemeinde schwächt. Für jede Gemeindc wurde eine Summe errechnet, mit der sie selbständig und ausreichend wirtschaften konnte. Die Budjetierung, beteiligte die Kirchengemeinden an der Aufwärts – und Abwärtsbewegung der Landeskirchensteuern mit einer Verschiebung von zwei Jahren.
Die an die Gemeinden ausgeschütteten 31 % der Landeskirchensteuer brachten daher 20 Millionen im Jahr 2001 aber nur 16,8 Millionen im Jahr 2005. Das Budjet wurde fast um ein Viertel in den Jahren 2007 und 2008 gekürzt. Das war für arme Gemeinden ein harter Einschnitt, andere glichen die fehlende Summe durch neue Geldquellen und Zinserträge aus den Rücklagen aus, wieder andere wurden zu deutlichen Einsparungsmaßnahmen vor allem im Personalbereich gezwungen. Die Budjetierung hat m.E. die Kirchengemeinden munterer und ideenreicher hinsichtlich ihres Finanzverhaltens gemacht, auch verantwortungsvoller und selbstbewusster als vor 30 Jahren.
Die Gemeinden haben vor einigen Tagen erfahren, dass sie wieder mehr Mittel zur Verfügung haben als im vergangenen Jahr. Seit dem Einbruch von 2007 geht es wieder etwas aufwärts.
Budjet
2000: 0
2001: 20.736.866,08 €
2002: 19.858.079,64 € -04,66
2003: 21.040.543,14 € -05,62
2004: 18.193.405,48 € -09,57
2005: 16.872.099,63 € -11,39
2006: 17.487.323,13 € -23,34
2007: 19.020.035,14 € -28,11
2008: 17.925.850,00 € -26,40
2009 -20,00
2010 -14,22
Am spürbarsten waren die Stundenkürzungen bei den Pfarramtsekretärinnen und Küsterinnen.
Dabei ist zu bedenken, dass eine Pfarramtssekretärin bei der hohen Mobilität und Abwesenheit des Pfarrers als Stützpunkt der Gemeinde an Bedeutung gewonnen hat. Die Pfarramtssekretärin verkörpert das, was man früher die stabilitas loci nannte, also die stabile Stütze des Ortes, erreichbare Anlaufstelle für Verwaltungsfragen, Patenscheine, Gräberverkauf, Statistik und Gemeindekartei. Gut wenn sie dann und wann auch im Gottesdienst eine Lesung übernimmt. Dasselbe gilt für die Küsterfamilie eines Filialdorfes, das sich sowieso vernachlässigt fühlt, weil dort nicht das Pfarrhaus steht. Da halte ich, eine aufmerksamen Mitarbeiterpflege eingeschlossen, jeden Euro für gut angelegtes Geld,

Rücklagen in den Gemeinden
Wie sieht es in den Rücklagen der Kirchengemeinden aus? Sind die Kirchengemeinden gut gepolstert? Ich halte es für unbefriedigend, dass bei der Haushaltsdebatte in der Landessynode die Finanzen der Kirchengemeinden völlig aussen vor bleiben. Ich hatte mir vorgestellt, Sie alle hätten zu dieser Propsteisynodalsitzung die Haushaltspläne Ihrer Kirchengemeinde mitgebracht und berichtet, ob die Rücklagen der Kirchengemeinde auch die Höhe eines Haushaltsjahres betragen. Darüber sollten wir uns auch in aller Freiheit austauschen. Denn es ist natürlich misslich, wenn wir vom Landeskirchenamt Transparenz erwarten und untereinander diese Transparenz vermissen lassen.
Die Rücklagen aller Kirchengemeinden in der Landeskirche werden mit insgesamt 80 Millionen € plus angegeben, nämlich plus nicht angegebener Rücklagen und Stiftungen insgesamt 100 Millionen €. Diese Rücklagen sind jedoch sehr unterschiedlich verteilt. Dieses Gefälle ist auch in der Propstei Goslar bekannt, nämlich von der Finanzhöhe der Marktkirchengemeinde, Frankenberg und Stephani hinunter nach Baddeckenstedt.

Die Kirchengemeinde können ihre Rücklagen treuhänderisch von einer der drei zentralen Verwaltungsstellen (Goslar, Salzgitter, Braunschweig,) oder vom Landeskirchenamt verwalten lassen. So verwaltet die Stelle in Salzgitter- Lebenstedt 155 Kirchengemeinden aus sechs Propsteien und erwirtschaftet einen Zinssatz von gegenwärtig über 4 %. Sie verfügt nach Angaben der Verwaltungsstelle über eine Rücklage von 15 Millionen. Das ist wenig und verweist darauf, dass die Verwaltungsstelle auch ärmere Gemeinden etwa in der Propstei Schöppenstedt versorgt. Die Verwaltungsstelle Goslar verwaltet 30 Kirchengemeinden aus drei Propsteien, weil die Kirchengemeinden aus den Propsteien Gandersheim und Seesen sich meist noch selber verwalten.
Ausgesprochen üppige Rücklagen konnte sich die Propstei Braunschweig anlegen, da sie unabhängig von ihrem Vermögen 20% des Kirchensteueranteils überwiesen erhielt.
Rund 150 Kirchengemeinden haben sich noch keiner Verwaltungsstelle angeschlossen und verwalten. Bei ihnen herrscht der nicht unberechtigte Verdacht vor, dass auf die Dauer die Selbständigkeit ihrer Kirchengemeinde doch ausgehöhlt werden soll.

Die Verwaltungsstellen stehen vor dem Problem, dass ihnen das Landeskirchenamt nach der Verweigerung des Zwangsanschlusses an eine Zentralstelle durch die Synode die Personalverwaltung überträgt. Wo eine Kirchengemeinde zusammenhält und die Mitarbeiter pfleglich behandelt, geht es noch etwas abseits der Tarifordnung und nach Absprache ohne Sozialbeitrag auf dem kurzen Wege. ZGAST und TVL sind nicht überall blühende Pflanzen in den kleinen Weinbergen des Herrn, sondern eher Stachelgewächse.
Es ist viel zu wenig bewusst, dass die Kirchengemeinden eine Körperschaft öffentlichen Rechts sind mit dem Recht der Kirchensteuererhebung und dem Siegelrecht. Eine Kirchengemeinde kann also im Umkreis ihrer Verantwortung völlig selbständig im Rahmen der üblichen landeskirchlichen Gesetzgebung mit ihren Gaben und Fähigkeiten umgehen. Der gesteckte Finanzrahmen von 5000 €, in dem die Gemeinde selbständig Arbeiten vergeben kann, ist viel zu knapp bemessen. Die Kirchenvorstände sollten selber schrittweise diesen Finanzrahmen bis zu 9.000 € erweitern. Wer das Geld zusammengespart hat, kann auch darüber entscheiden.
In manchen Kirchengemeinden ist viel Sachverstand für Finanzfragen und vor allem auch für Bauangelegenheiten vorhanden. Bauaufträge, die, wenn möglich, in Ortsnähe vergeben werden, erledigen sich meist zügiger und kontrollierter. Da sollte die Bauabteilung des Landeskirchenamtes im Rahmen des Ermessensspielraumes von 5.000 - 9.000 € möglichst gar nicht befasst werden. Ein Kirchenvorstand und die Mitarbeiterschaft muss sich nur einig und verantwortungsfreudig sein.

Je größer aber die Selbständigkeit der Kirchengemeinde in finanziellen und auch gottesdienstlichen Fragen ist, umso deutlicher macht ein Kirchenvorstand, dass seine Arbeit nicht unter dem Gesetz der Angst, sondern auf dem Boden des Evangeliums getan wird, und das ist die beste Polsterung.




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