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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 127 - Oktober 2009


Bitte nicht noch einmal so einen wie Huber

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Huber ist, 1942 geboren, heute 67 Jahre alt. Daher muss er sein Amt als Berliner Bischof, das er 1994 angetreten hatte, und das als Ratsvorsitzender der EKD, das er 2003 angetreten hat, abgeben. Huber hatte weder für das Bischofsamt noch für den des Ratsvorsitzenden die notwendigen Voraussetzungen, denn er kannte keine Gemeindearbeit. Er war mit 24 Jahren nach dem Theologiestudium zwei Jahre Vikar in Württemberg und ging dann mit 26 Jahren in die Wissenschaft, zuerst an die evangelische Forschungsstätte in Heidelberg, dann wurde er Professor in Marburg und Heidelberg. Er kennt weder die Lage eines Dorfpfarrers, der sich am Sonntag dem 23. Dezember auf sieben Gottesdienste in seinen drei Dörfern am Heilig Abend und den beiden Feiertagen vorbereiten muss. Er kennt keine kontinuierliche Arbeit mit einem Kirchenvorstand, der nicht die Creme der Gemeinde sondern deren Durchschnitt ist. Fortlaufende Gespräche mit alten Menschen: kennt er nicht, Überlegungen: wie können wir die Jugendarbeit aufmöbeln Fehlanzeige, nie Konfirmandenunterricht. Er kann sagen, was er will, noch so geschliffen, noch so brilliant – es ist ohne eigene Erfahrung und Erkenntnis. Alles angelesen, nie durchlebt und durchgekämpft und durchgestanden. So einer kann natürlich auch nicht die Kirche reformieren. Es langt höchstens zum Repräsentieren. Aber wen und was? Eine Kirche ohne Pfarrerschaft? Oder nur sich selber?

Noch nie war das Verhältnis eines Ratsvorsitzenden zur Gesamtpfarrerschaft so schlecht wie unter Huber. Seine gescheiterten, hochfliegenden Pläne mit den Leuchttürmen und Kompetenzzentren von 2006 sind ohne die Pfarrerschaft entworfen, und als man sich ein Jahr später in Wittenberg traf – wieder ohne die Pfarrerschaft und die Pfarrervereine. Huber hätte viel eher gehen müssen, aber er hat es überhaupt nicht gemerkt und auch nicht vermisst: den anhaltenden Kontakt zur Pfarrerschaft.

Huber will die wachsende Kirche. In seinem Eröffnungsvortrag in Kassel über die Zukunft der Kirche, die im Grunde nur eine Abschiedsveranstaltung für Huber war, aber Ergebnisse seines „Impulspapieres“ „Kirche in Freiheit“ vorlegen sollte, sagte er folgenden dämlichen Satz: „In unserer Kirche gibt es eine verbreitete Abneigung gegen die Vorstellung von wachsenden Gemeinden“. Huber sollte sich mal in jene Pfarrer und Pfarrerinnen versetzen, die zwei Monate vor einer Kirchenvorstandswahl verzweifelt nach Kandidaten suchen und wie die sich freuen, wenn sich dann doch diese und jener findet. Totfreuen! Abneigung vor einer gemeindewachsenden Situation? Jede Taufe ist ja so ein Moment wachsender Gemeinde. Wieviel Taufen mag Professor Huber gehalten haben und dann als Bischof, aber richtig mit Taufgespräch und nachgehender Seelsorge. Er weiß von dieser Freude nichts und phantasiert an der Lage vorbei.
Als er Ratsvorsitzender wurde, hatte die Evangelische Kirche in Deutschland 26 einhalb Millionen evangelische Christen. Heute sind es eineinhalb Millionen weniger. Natürlich sind diese ihm nicht anzulasten, aber er muss feststellen: es sind auch unter ihm weniger evangelische Christen als vorher.
Huber hat auch die Lage in Berlin nicht begriffen. In Berlin gibt es noch ca 24 % evangelische Christen. Alle anderen Bewohner sind katholisch, muslimisch oder gehören keiner Kirche an. Wir nennen so was „Säkularisierung“, „Verweltlichung“. Der Bischof müsste also ganz besonders über diese Säkularisierung Berlins nachdenken. Theologisch. Stattdessen rennt er dagegen an: tobt gegen die Öffnung der Geschäfte am Sonntag und klagt. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Er will einen Religionsunterricht an allen Schulen einführen, erzwingt einen Volksentscheid und bekommt eine Klatsche. Die Berliner wollen am alten Zustand nicht rütteln: keinen Religionsunterricht als ordentliches Lehrfach. Huber hat einfach die Situation völlig falsch eingeschätzt. Eben. Er kennt die Lage nicht. Dafür parliert er lieber mit Managern, Ministern und Wirtschaftsleuten.
Vor einiger Zeit erschien eine Denkschrift der EKD, in der die Verknüpfung von Kirche und Kapitalismus etwas zu deutlich ausgedrückt wurde. Dagegen erhob sich ein Kreis evangelischer Theologen und Wissenschaftler, deren Aufruf auch in KvU abgedruckt war und der zahlreiche Zustimmung erfuhr. Die Unterschriften konnten Huber weder in Berlin noch auf dem Kirchentag in Bremen überreicht werden. Er empfing seine Kritiker einfach nicht. Diese anmassende, glatte Unart hat er nicht abgelegt.

Natürlich wollte er vom Papst empfangen werden, als der sich im Medienglanz sonnte. Benedikt hatte offenbar keine große Lust. Als es dann 2007 endlich soweit war, gab es zwar ein Foto aber sonst nichts. Nichts, was das interkonfessionelle Verhältnis erwärmt hätte. Huber ereiferte sich: der Papst hätte doch bei seiner Einführung erklärt, er wolle sein Amt „ökumenisch“ gestalten. Huber musste erst lernen, was jeder Student im dogmatischen Proseminar lernt, dass, wenn ein Papst das Wort „ökumenisch“ in den Mund nimmt, etwas ganz anderes ist und bedeutet, als wenn ein evangelischer Bischof „ökumenisch“ sagt. Das war bei Honneckeur auch schon so. Wenn der von Freiheit und Demokratie sprach, war das was anderes, als wenn es Willy Brandt aussprach. Seither zeigt sich Huber vom Papst enttäuscht. Übrigens als „Ergebnis“ der Huberschen Romreise wurde veröffentlicht, beide Kirchen wollten den Dialog mit dem Islam fördern. Das hätten sie auch am Telephon besprechen können.




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu127/huber.htm, Stand: Oktober 2009, dk