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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 128 - Dezember 2009


Ansprache am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit
in der Bartholomäuskirchezu Blankenburg/Harz am 2.Oktober 2009

von Landesbischof Prof. Dr. Friedrich Weber
(Download als pdf hier)

Sehr verehrter Herr Bürgermeister Noll,
meine sehr verehrten Damen und Herrn,

dass ich heute hier - als Braunschweiger Landesbischof - am Vorabend des Tages der Deutschen Einheit spreche, ist Wunder und Selbstverständlichkeit zugleich, ist trotz mancher Mühen und begründeter Sorgen, ein Gottesgeschenk. Es ist aber auch Ausweis einer Geschichte, in der es immer wieder darauf ankam, den Moment zu erspüren, festzuhalten oder loszulassen. Und das gilt bis jetzt.

Ich schaue zunächst auf das Geschick der Blankenburger Kirchengemeinden.
Es hat 40 Jahre gedauert, bis am 1. Januar 1992 die Blankenburger Gemeinden wieder in die Braunschweigische Landeskirche zurückkehrten. Gleiches gilt auch für die Kirchengemeinden der Pfarrbezirke Calvörde und Uthmöden.

Bis zum Abschluss, des Militärseelsorgevertrag 1957 war die Teilnahme von Blankenburgern am braunschweigischen, kirchlichen Leben problemlos. Von da an erschwert, kam sie mit der Schließung der innerdeutschen Grenze 1961 fast völlig zum Erliegen. Nichtsdestotrotz blieb die Propstei bis 1973 Bestandteil der Landeskirche.
Das sind immerhin 12 Jahre versuchter Identitätsbewahrung und widerständiges Festhalten an dem einen Deutschland und der einen evangelischen Kirche in Deutschland. Alljährlich beten Menschen aus Ost und West am 3. Oktober in Marienbornein Schuldbekenntnis, in dem sie aussprechen, nicht genug gehofft und vertraut zu haben, sich zu leicht in die Unabänderlichkeit der Deutschen Teilung gefügt zu haben. Hier in Blankenburg ist lange dagegen an geglaubt und gelebt worden, bis es schließlich erzwungenermaßen zur Ausgliederung kam.

Nach einem wechselvollen Weg, kam es schließlich zur Freigabe der Propstei Blankenburg zur Integration in die Kirchenprovinz Sachsen. Im Blick auf die neue Lage hieß es in Blankenburg: "Befreit von alten historischen Bindungen, die sich auch als Fessel erwiesen hatten" hoffen die Blankenburger Christen nun auf einen Neuanfang, der in eine neue Heimatkirche führen wird. (Engelkind, 84) Die gibt es allerdings seit Anfang dieses Jahres nur noch in der größeren Einheit der EKM."
Ob Resignation oder Einsicht in die Verhältnisse, hier wurden Erfahrungen gemacht, die heute wertvoll sind, denn auch jetzt haben wir äußere Bedingungen anzuerkennen und uns vom Wunschdenken freizumachen und dabei das Beste der Gemeinden zu suchen. Hier liegt ein Schatz, den es zu heben gilt! Dass sich die Dinge schließlich mit dem Scheitern der DDR doch noch dorthin entwickeln würden, womit niemand mehr gerechnet hat, erfüllt uns heute mit Dank.

Erinnern wir uns: Wie haben wir uns bis 1989 von der Macht der Mauern und Zäune beeindrucken lassen, so sehr, dass in meiner Vorstellungskraft das, was wir seit Jahren an selbstverständlicher Gemeinschaft - gerade in den Kirchen - erleben, kaum Raum hatte.

Ich erinnere mich an meine Schülerzeit. Ein Klassenausflug in die Rhön. Unser Lehrer führte uns an die Zonengrenze und nun sahen wir westdeutschen Jugendlichen die Realität. Sie war so überzeugend, dass wir es aufgaben, die Namen der Städte und Flüsse jenseits von Draht und Mauer noch zu lernen. SBZ, sowjetisch besetzte Zone, ein unbekannter Raum.

Ich bin dankbar, dass in all diesen Zeiten der Trennung Christen in Ost und West zueinander standen, dass Begegnungen in West-Berlin möglich waren und dass wir typischen westdeutschen Nachkriegskinder dann durch erste Reisen zu Begegnungen mit unseren kirchlichen Partnern und Partnerinnen in die DDR fanden.
Es ist noch nicht lange her: Es kam der Einigungsvertrag über die "Herstellung der "Deutschen Einheit", das "Zwei plus vier Abkommen" zwischen den beiden deutschen Staaten und den Alliierten und dann der 3. Oktober 1990, der Tag der Wiedervereinigung Deutschlands. All dies ist nicht ohne das Friedenzeugnis, die nicht gebrochene Hoffnungskraft, die sich aus dem Glauben an den die Freiheit seiner Menschen wollenden Gott, gespeist wurde, möglich geworden.

Wir erinnern uns an das Friedenszeugnis der evangelischen Kirchen in der DDR, die schon 1965 in einer Handreichung für die Bausoldaten das "Nein" zum militärischen Dienst als das "deutlichere Zeugnis" beschrieben haben. 1982 kam es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Staat und Kirche, zwischen Mitgliedern der Jungen Gemeinde und den Sicherheitskräften. Das Symbol "Schwerter zu Pflugscharen" wurde aus den Veranstaltungen der Friedendekade 1981 in die Öffentlichkeit gebracht.

Ja, es war so, wie es ehemalige Kirchenpräsident Helge Klassohn vor der Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts.2005 ausführte: "Es ist meine feste Überzeugung, dass insbesondere das glaubwürdige Bekennen von jungen Christinnen und Christen in der Friedensfrage in der damaligen DDR ihr konsequentes Eintreten für Gewaltlosigkeit und Verständigung in den ja nicht ungefährlichen Zeiten des Herbstes 1989 ihre Früchte getragen hat. Die Friedensgebete in den Kirchen mit ihren Bekenntnissen zur Wahrheit, zum Frieden im Lande und mit den Nachbarn und der Ruf "Keine Gewalt" bei den anschließenden Demonstrationen auf den Straßen waren so überzeugend und von wirklicher Friedfertigkeit im konkreten Handeln begleitet, dass der Staats- und Sicherheitsapparat einfach keine Gelegenheit fand, sich provoziert zu sehen und die Besonnenen in seinen Reihen genug Raum hatten, um für Verständigung und gegen den Einsatz der Waffen einzutreten. Davor stand aber ein über 30jähriges Bemühen insbesondere in den evangelischen Kirchengemeinden um ein biblisch begründetes Verständnis von Frieden, das sich der staatlichen Friedenspropaganda nicht anpasste …"

Wie sah die Lebenswirklichkeit junger Menschen, die sich zu ihrer Kirche hielten, aus? 1985 erst ist ein altes Manuskript Uwe Johnsons, das dieser 1953 verfasst hat, posthum unter dem Titel "Ingrid Babendererde" erschienen. Es schildert die Verwicklungen, in die Schüler einer Abiturklasse mit der Freien Deutschen Jugend und anderen Parteiorganisationen geraten. Sie haben Probleme mit dem "neuen Lehrstoff", mit "der Dialektik und dem Klassenkampf, mit den neuen, nun allein vorherrschenden Lehrmeinungen des historische Materialismus" (253) Am Ende verlassen sie vor der Reifeprüfung Stadt und Land und flüchten nach West-Berlin. Sie waren Glieder der Jungen Gemeinde. Nicht alle konnten oder wollten fliehen. Aber wie der Schulalltag eines Kindes in der DDR aussah, schildert ein vor zwei Jahren abgefasster Bericht, der mir im Original vorliegt:

"Man stelle sich ein Schulkind in der DDR vor. Das Schuljahr beginnt am 1. September mit dem Appell zum Weltfriedenstag, dem viele folgen werden. Die Klassenkameraden im Pionierlook (weiße Bluse, blauer Rock/Hose) und blaues (Jungpioniere) oder rotes (Thälmannpioniere) Halstuch. Wer keins hatte, weil er nicht dabei war, kam wenigstens in weiß und blau - aber das waren wenige... Einer pro Klasse, manchmal zwei. Wie sollte man sich da sortieren - who is who? Wenn nicht grad jemand aus dem evangelischen Kindergarten bei war, neben den man sich hätte setzen oder stellen können - wo hätte ich meinesgleichen finden sollen? Im Unterricht outete man sich nicht, sondern suchte Nischen - wie hätte man auch sonst zum Abitur kommen wollen? Die wenigen, die das nicht taten, hatten eh nix zu verlieren, weil ihre Eltern bekanntermaßen bei der Kirche arbeiteten oder waren so fromm, dass es halsbrecherisch war.
Schule war ideologisch. Es wurden "Mohr und die Raben von London" gelesen und "Hämmer, die das Eisen schmieden" gesungen. Im Sport ging es über Eskaladierwände und wurde mit Handgranatenimitaten Weitwurf geübt, in Mathe Raketenlaufbahnen berechnet, in Geschichte der Spartacusaufstand und anschließend die Geschichte der Arbeiterklasse durchgenommen und hatte man ein SCOUT - Etui oder Levis dann hielten sich der Neid der Mitschüler und die Häme der Lehrer die Waage.
Obwohl, es gab auch unter den Lehrern andere - es brauchte nur lange, sie zu erkennen...
- dann konnte man sie zerbrechen sehen: weil sie Kinder aus christlichen Elternhäusern ausgrenzen sollten, weil man ihnen wegen der Ausreiseanträge zusetzte, weil sie selbst nicht glaubten, was sie sagten...
Jedenfalls: Wir lernten, dass es Gott nicht gibt - sonst hätten die Kosmonauten ihn ja getroffen, dass Weihnachten wegen der dunkelsten Nacht am Jahresende gefeiert wird, dass Großgrundbesitzer in Niedersachsen riesige Ländereien besitzen und Proletenkinder im Ruhrpott schlechte Luft haben, dass es im Westen keine Entnazifizierung gegeben hat und dass die Sowjetunion der große gute Bruder ist...
Die Schere im Kopf hat man schnell eingeübt: anders reden als denken, Schießübungen in der Zivilverteidigung und Schwerter zu Pflugscharen am Wochenende, kommunistische Doktrin hier, Christenlehre da. Erstaunlich, wer da erschien - hätte man nicht gedacht, dass die dazugehören... es brauchte ja immerhin ein bisschen Mut an der Schule vorbei, in die Kirche zu gehen, denn es gab Hänselei und Spott und manches Elternteil wurde auf Arbeit befragt, was die Kinder da denn machen??
Christenlehre war spartanisch. Biblische Geschichten erzählen, Lieder singen, Bibelstellen suchen. Vorn in der Kinderbibel ging es los - bis zum Konfirmandenunterricht war man durch.
Aber hier wusste man, wer wer ist.
Später Konfirmandenunterricht und die Frage Konfirmation oder Jugendweihe, Außenseiterbiographie oder Kompromissversuch - wie viel Mut haben deine Eltern oder meine, wie viel riskieren sie oder soll man in diesem System versuchen, soweit wie möglich zu kommen und es dann von innen ändern.

Und dann Junge Gemeinde, Jugendgottesdienst. Man begann sich auch außerhalb kirchlicher Räume zu erkennen, kleidete sich anders und nutzte den Schutz der Kirche für Themen, die sonst total tabu waren: Waldsterben, französischer Existentialismus, Hölderlin... fuhr auf Freizeiten und ging gemeinsam zum Jugendgottesdienst - tapfer an den Stasileuten vorbei - und durfte dafür nicht auf die Penne oder auf die Uni... - oder wurde von der Stasi angeworben oder ging ganz banal einem Leben nach, dass man nie gewollt hat und einem Beruf, der einen nie interessiert hat."

Auch das gilt es nicht zu vergessen, genauso wenig wie dramatische Fluchtgeschichten, die in Bautzen oder anderen Gefängnissen endetet, die Menschen das Leben kosteten, Zwangsadoptionen und Bespitzelung. Wir sollten es nicht vergessen in Zeiten, die zu Gleichmacherei neigen oder schlechtes Fernsehen aus wirklicher Geschichte machen.

So kam 1989 die unblutige und friedliche Revolution - nur wenige haben noch mit ihr gerechnet. Wie sollte es nun weitergehen? Ich schaue wieder auf Blankenburg.
In Blankenburg stellte bereits am 23. Mai 1990 Pfr. Stiller in einem Schreiben an die blankenburgischen Kirchengemeinden die Frage: "Was hindert uns eigentlich, die Chance zu nutzen?" Im Herbst kam es zum Entscheid der Gemeinden, in die braunschweigische Landeskirche zurückzukehren. Am 1. Januar 1992 trat das "Kirchengesetz über die Wiedereingliederung der Kirchengemeinden in der ehemaligen Propstei Blankenburg in die evangelisch-lutherische Landeskirche in Braunschweig" in Kraft.

Engelking schließt seine Darstellung des kurzen Abrisses der Geschichte der Propstei Blankenburg mit der Feststellung: "Die 'Wanderschaft zwischen den Fronten, Systemen und Landeskirchen', ist für die Blankenburger … schon gar nicht mit der Eingliederung in die Kirchenprovinz Sachsen zu Ende gegangen, aber auch (noch) nicht mit der 1992 erfolgten Rückkehr nach Braunschweig. Wie in ganz Deutschland sind die unterschiedlichen ost-westlichen (kirchlichen) Erfahrungswelten auch im Bereich der Propstei Blankenburg noch virulent und beherrschen den Alltag. Alle hieraus verbliebenen (gegenseitigen) Verletzungen, Missverständnisse und Schwierigkeiten werden aber ausheilen und überwunden werden. Neue Wege mit neuen Gemeinsamkeiten können und werden sich für die Zukunft eröffnen, wenn alle Beteiligten ihren Beitrag leisten. Hierfür allerdings genießt die Propstei Blankenburg jetzt wieder die Zugehörigkeit und den Rückhalt ihrer alten Landeskirche." (96)

Das Bekennen damals ist uns Mahnung und Verpflichtung, danach zu fragen, "was unser Herr heute von uns getan haben will." Und dieses aktuelle Bekennen wird uns auch herausführen aus dem besorgten Starren auf eine vermutete mühsame Zukunft, die schon jetzt zu Lähmungen und Ängsten führt und uns in ewigen und nicht endenden Diskussionen um Strukturen die Kräfte raubt.
Das Beharren auf dem christlichen Menschenbild und das Wissen darum, wird uns helfen, aktuelle Verschiebungen, die die Würde des Menschen verletzen, wahrzunehmen und ihnen zu entgegnen. Es braucht gelebte Nachfolge in dieser Welt, denn wenn Christen und Christinnen sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen, wenn sie nicht mehr bereit sind, im politischen Gemeinwesen Verantwortung zu übernehmen, dann wächst die Gefahr, dass radikale Parteien und Ideologen mit ihren Ideen Raum gewinnen. Das hatten wir in Ost und West, das hatten wir gemeinsam und das brauchen wir nicht mehr.

Gerade für uns Deutsche ist das 20. Jahrhundert mit seiner Geschichte untrennbar verbunden mit der Frage nach der Schuld: Im Höhen- und Überlegenheitsrausch des Nationalismus und Rassismus wurde ein Krieg begonnen und der Genozid am jüdischen Volk geplant und in die Tat umgesetzt. Die Teilung Deutschlands mit dem Verlust der Gebiete im Osten war Ausdruck des politischen Willens der Siegermächte, um ein Wiederaufleben des Nationalismus mit seinen Folgen in unserem Land im Keim zu ersticken. Um so dankbarer haben wir nach 50 Jahren Teilung die Wiedervereinigung Deutschland im Einvernehmen mit den Siegermächten gestalten können, im Wissen um die darin enthaltene Verpflichtung und Verantwortung für den weiteren Aufbau eines friedlichen Europas, in dem Nationalismus und Rassismus keine Chance mehr haben dürfen.

Die Summe der Erfahrungen des 20. Jahrhunderts hat die politische, geistige, wirtschaftliche und kulturelle Situation in Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts geprägt.
Über vielen Gräbern von Menschen aus allen Völkern hat inzwischen Versöhnung stattgefunden, und Brücken der Verständigung sind gebaut worden. Am Ende steht der Wunsch nach einem politisch geeinten und friedlichen Europa der Völker und Regionen. Mit dem Ziel der Friedenssicherung ist die entscheidende Antriebskraft der Europapolitik bis in die Generation von Helmut Kohl beschrieben. Die gelungene Einbindung Deutschlands in die europäische Verantwortung nach 1989 ist ebenfalls nur in diesem Kontext zu verstehen.

Es hat viele Veränderungen gegeben seit 1989. Vieles ist verloren gegangen, was es wert gewesen wäre, für eine gemeinsame Zukunft im vereinten Deutschland zu bewahren: Sie wissen es besser als ich. Das sollten wir auch benennen, genau so wie wir von den Zwängen und Notwendigkeiten reden müssen, die das Miteinander belasten und bestimmen. Aber hier in Blankenburg ist ein Ort, an dem das Festhalten und auch das Aufbrechen eingeübt worden sind, an dem Menschen gute Erfahrung damit haben, auf die christliche Gemeinschaft in der Landeskirche zu vertrauen.

Lassen Sie uns also weder unser Licht unter den Scheffel stellen noch vergessen, dass die Aufgabe des Zueinanderfindens in einem vereinten Deutschland, in einer gemeinsamen Landeskirche - dies alles in Freiheit, ohne Grenzen, Schießanlagen und Mauern - noch nicht erledigt ist.

Manchmal braucht es die Stille, in der wir uns auf unseren Glauben hin befragen, in der wir einen Schritt zurücktreten, um zu erkennen, was möglich ist, woraufhin wir es wagen können zu vertrauen.

Der ostdeutsche Theologe Klaus Peter Hertzsch hat in seinen Erinnerungen viele solcher Momente beschrieben. Unter anderem berichtet er von der internationalen Konferenz der diakonischen Werke im Herbst 1989 im brandenburgischen Buckow. Der Staatssekretär für Kirchenfragen Kurt Löffler war anwesend und die Atmosphäre folglich eisig. Über der anstehenden Bibelarbeit stand ein anderer Text von Wasser und Gefahr, vom Gottesvolk am Schilfmeer, das vor Angst schreit und nicht weiter weiß und Hertzsch erzählt: "Gottes Aufforderung an Mose traf uns unmittelbar: Sag meinen Kindern, dass sie weiterziehen! Das war keine Geschichte von gestern, sondern der dort sprach, sprach zu uns. ... Wir sind weitergezogen und sind trockenen Fußes am anderen Ufern angekommen und haben Erstaunliches erlebt."

Wir sind weitergezogen in den letzten 20 Jahren, haben schier vergessen, wie bedrohlich sich die politischen Systeme gegenüberstanden, wie wenig wir in Ost und West voneinander wussten, aber auch wie schmerzlich die Mauer Familien und Freundschaften zerrissen hat. All dies ist nicht mehr, nur die getrennte Geschichte unseres Landes ist noch immer nicht hinreichend vereinigt, obwohl gerade auch hier bei uns so viel dafür getan wurde. Ich denke an die Arbeit der Schreibwerkstatt im Harz, in der Menschen aufschrieben, was sie erlebt haben. Ich denke an die Partnerschaften zwischen Kirchengemeinden innerhalb derer Besuche möglich waren. Ich denke an Menschen wie den schon lange verstorbenen Berliner Bischof Kurt Scharf, der 1974 auf die Frage, wann es denn zur Wiedervereinigung kommen werde niederschrieb: "In 15 Jahren." Es gab Menschen - und eine ganze Reihe von ihnen sind heute Abend unter uns - die nicht aufgehört haben zu glauben und zu vertrauen, dass es ein Ende haben werde mit dem Bollwerk der Unmenschlichkeit quer durch unser Land. Viele dieser Menschen lebten und arbeiteten in unseren Kirchen. Und sie tragen auch heute - fast 20 Jahre danach - dazu bei, dass Glaube und Vertrauen nicht zu Schall und Rauch werden sondern als das erkennbar bleiben, worauf Verlass ist und - zumindest bin ich davon überzeugt - auch unsere Gesellschaft trotz ihrer Krisen zusammenhält.




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Impressum und Datenschutzerklärung  http://bs.cyty.com/kirche-von-unten/archiv/kvu128/blankenburg.htm, Stand: Dezember 2009, dk