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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 128 - Dezember 2009


Gedanken zur Musik in der Kirche

von Wolfgang Freytag
(Download als pdf hier)

Zu diesem Thema hatte ich mir nie Gedanken gemacht. Nun erhoffe ich mir, aufgrund von Bibelaussagen etwas Klarheit zu schaffen.

In Kapitel 4 der Genesis, in der Aufzählung von Namen, finden wir in Vers 21 den Namen "Jubal" mit dem bemerkenswerten Zusatz "von dem sind hergekommen die Geiger und Pfeifer." Danach werden weitere Sippennamen genannt, die jeweils mit Berufen verbunden sind. Zunächst scheint dies nicht bemerkenswert zu sein; jedoch werden danach an dieser Bibelstelle noch andere Sippennamen genannt, die zugleich mit Dauer-Tätigkeiten zusammen gebracht werden: z. B. das Vermögen, Häuser zu bauen und Vieh zu hüten. Uns verwundert es, dass diese Fähigkeiten Sippen zugeeignet werden - also erblich sind. Dazu gehört auch die Spezialfähigkeit, Erz zu bearbeiten oder auf Instrumenten zu musizieren. Die Sippen und Familien sind es also, die die Fertigkeiten und Künste an die nachfolgenden Generationen weiterreichen. Fragen wir weiter nach dem Ursprung solcher Gegebenheiten, dann stehen wir vor der "Ur-Väter-Generation". Sie hat diese Kenntnisse aus Gottes Schöpferhand als Gaben zum Leben zugeteilt bekommen. Auch alle Weiterungen und Zugewinne in den Kenntnissen und Fertigkeiten der "Berufe" gehen auf Gottes unmittelbare Schöpfungstätigkeit zurück: Es sind alles Gottesgaben. Unter dieser Voraussetzung wird verständlich, dass alles Überlieferte und Alte hoch- und wertgeschätzt wird. Dahingegen muss jeglichem Neuen mit Misstrauen begegnet werden. Wenn es zu Weiterungen und Zuwächsen im Wissen kommt,so hat dieses sich zu legitimieren als Gottesgabe.

Diese Sicht gilt für alle Berufe und Künste und ganz besonders für die Ausübung des Kultes. Er ist von Gott eingesetzt und dem Stamm Levi und Aaron übertragen : Die Leviten sorgen für den "Wohlklang" in den Gottesdiensten, während die Aaroniten für ihren "Wohlgeruch", dem Opferdienst, zu sorgen haben. Am Ende des täglichen "Rauchopfergottesdienstes" wendet sich der diensthabende Priester dem Volk zu und erteilt ihm mit erhobenen Händen den "aaronitischen Segen". Er wird am Morgen und am Abend von dem diensthabenden Priester erteilt ( Lu. 1,9ff ); so wird der Ertrag des jährlichen Versöhnungsfestes täglich auf das Volk gelegt.

Da die Formen des Rituellen ein für allemal festgelegt waren in Wort-, Ton- und Gestik-Abfolge, dürfen und müssen wir vermuten, dass sie einem prägenden Urereignis nachfolgen: Dieses war die Gesetzgebung am Sinai. Dort steht "...ihr sollt verkünden" das ist, sich über eine Distanz vernehmbar machen. (Ex. 19,3, und im gleichen Kapitel wird auf die Klang-Färbung der Mitteilung an Mose eingegangen. (Vers 17) "Und Mose führte das Volk aus dem Lager Gott entgegen ...(Vers 19) und der Posaune Ton ward immer stärker, Mose redete und Gott antwortete ihm laut." Im hebräischen Text steht das Wort "khl" für "laut". Das Wort beinhaltet eine Stimme mit einem lauten und im niederfrequentem Bereich ertönenden Klang, sodass in der Reichweite dieses Klanges die Gegenstände in Bewegung geraten - wie etwa bei dem Klang der Posaune ,einer Tuba oder dem Widderhorn. Der Klang dieser Instrumente erinnert an Gottes Stimme. So ist also dieselbe melodiös (siehe ihren Vergleich mit Musikinstrumenten) voller Urkraft und Stärke (sie lässt erzittern und beben) und Majestät (das Volk (ehr)fürchtet sich und verharrt in grosser Distanz). Diese Stimme ist unvergleichlich, aber sie ist doch vorprägend für den durch die Priester weiter vermittelten Segen, der psalmodierend vorgetragen wird.

Schauen wir nach Griechenland, so verbindet sich Musik mit dem Namen des Leier spielenden Gottes Apoll. Er begleitet sein Spiel mit Gesang. Seine Lieder und Weisen versetzen seine Anhänger und Bewunderer in höchstes Entzücken, während seine Feinde von den erklingenden Tönen zutiefst erschreckt wie von Pfeilen getroffen tödlich zu Boden sinken. Ich stelle mir vor, dass Apolll seine Weisen in einer strahlenden Tenorlage vorträgt. - Auch der biblische Gott lässt sich hören. er tönt und singt, aber in einer sehr tiefer~ Tonlage ; im gewaltigen, tiefen Bass-Bereich. Das können und sollen seine Priester, die an seiner Statt zu wirken haben und den Segen geben, nicht nachahmen: aber sie haben mit lauter singender Stimme den Gläubigen den Segen zu erteilen. Sie verkünden ihn im psalmodieredem Sang und erinnern damit an Gottes "Singen".

Mit diesen Überlegungen und Einsichten habe ich mir auch eine Frage beantwortet. die ich mir erstmals in meiner Studienzeit nach dem Besuch einer lutherischen Messe in der Universitätskirche in Marburg stellte. Warum werden in etlichen Landeskirchen der Segen und beim Abendmahl die Einsetzungsworte und andere biblische Texte psalmodierend gesungen ? Ist nicht das Sprechen die angemessenere Darbietungsform ? Ich meinte, dass nur subjektive und ästhetische Gründe für das liturgische Singen massgebend sein könnten. Aber die obigen Erkenntnisse zeigen mir, dass ich mich mit dem Psalmodieren bewusst in einen weiten, transsubjektiven biblischen Glaubenszusammenhang hineinstelle.

Braunschweig, den 29.Oktober 2009

[Unterschrift Wolfgang Freytag]



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