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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 129 - März 2010


Blümchen - ja; Heiligsprechung bitte etwas später
Zum Abschied von OLKR Dr. Fischer als Finanzdezernent

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

KvU wünscht Dr. Robert Fischer ein langes, gesundes, glückliches, gelingendes Leben nach dem 65.Lebensjahr. Stolat, stolat, pflegen die Polen bei solchem Anlass zu singen. Nämlich: Hundert, hundert Jahre soll er alt werden. Das ist kein Scherz, unsere Wünsche sind herzlich und aufrichtig.

Er hat KvU immer bekommen, aber nie was gespendet. Als ich ihn kürzlich mal darauf ansprach, meinte er: er läse es dann lieber nicht. Aber er hat uns gelesen, sogar öffentlich. Das konnten alle während einer Synodalsitzung sehen. Da lag KvU öfters aus. Es gibt ein Foto davon. Er schrieb uns auch Leserbrief(e), wenn er stinksauer war und meinte, wir verdrehten mal wieder alles und verstünden nichts.

Robert Fischer wurde im Befreiungsjahr 1945 geboren. "Am 6. April 1945 wurde ich als Sohn des Pfarrers Erich Fischer und seiner Ehefrau Gisela, geb. König in Gierenderhöhe/ Kreis Neuwied geboren", heißt es im ersten Lebenslauf. Als es soweit war, standen schon die Engländer am Rhein und ein englischer Arzt habe ihn "geholt", nämlich der Mutter bei der Entbindung geholfen, erzählte er. Das hätte ein Befreiungstheologe werden können, denn sein Vater, der Pfarrer, gehörte der rheinischen Bekennenden Kirche an. Und die war bekanntlich tapfer. "Nach dem Besuch der Volksschule in Eitorf/Sieg und Bonn und des staatlich-humanistischen Beethoven-Gymnasiums in Bonn erhielt ich am 23. Februar 1965 das Reifezeugnis." Es ist also die glanzvolle Bonner Adenauerzeit, die den Pennäler Robert prägte. Der Vater war Pfarrer an der Bonner Kreuzkirche, dann an der Apostelkirche, und im Pfarrhaus kehrten die Glanzlichter, Prof. Hans Joachim Iwand, Helmut Gollwitzer und Walter Kreck ein, die an der dortigen Uni Systematische Theologie lehrten und ihre Spuren im Fleisch des angebräunten antikommunistischen Christenstaates hinterließen. Sie saßen auch unter der Kanzel von Vater Fischer.
"An den Universitäten Bonn, München und Würzburg studierte ich Rechtswissenschaft." Er hätte bei der Vorliebe für die Juristerei und eingedenk des Geburtsjahres ein "Befreiungsjurist" werden können wie etwa Fritz Bauer im benachbarten Frankfurt, der damals als Generalstaatsanwalt die Auschwitzprozesse leitete. Aber die sind sehr selten. Bei den diesjährigen Berliner Filmfestspielen lief ein sehenswerter Dokumentarfilm "Fritz Bauer - ein Tod auf Raten". In Würzburg bestand Fischer 1972 die erste juristische Staatsprüfung und promovierte über das Verhältnis der zehn Gebote zu den Grundrechten, und wie beides zusammenpasst und sich zwischen beiden eine gewisse Affinität entwickelt habe? Fischer handelte dabei die großen Themen der Theologie ziemlich bündig ab: Luthers Freiheitsverständnis: zweieinhalb Seiten, Prädestination und Freiheit: dito; Gogartens Säkularisierungsbegriff: eine Seite (S.116), aber mit der bemerkenswerten Einsicht, man dürfe nicht die Säkularisierung durch eine erneute "Verchristlichung" der Welt rückgängig machen wollen, sondern "in den jeweiligen Gesellschaftsordnungen das Liebesgebot Christi erfüllen und sich einfügen lassen in die Christusordnung" (S. 116). Spuren von Iwand und Gollwitzer? Schade, schade, das Robert Fischer diese Einsicht nicht etwa im Hinblick auf die Verhältnisse der evangelischen Kirche in der DDR durchexerzierte, sondern kopfüber behauptete: "In d i e s e m Sinne können wir Jesus Christus als "Vorkämpfer für die Menschenrechte" bezeichnen (S. 116). Fazit: "Zwischen der christlichen Lehre und dem Rechtsstaat westlicher Prägung.. besteht eine nicht unbegründete Affinität" (S. 120).
Na, ich weiß nicht so recht. Gottfried Orth, der Theologe bei uns an der Uni BS, hat vor einiger Zeit das Gegenteil behauptet. Historisch gesehen hat sich die evangelische Kirche mit den Errungenschaften der Französischen Revolution, mit der Demokratie, den Menschenrechten sehr sehr spät angefreundet, nämlich erst nach 1945. Aber Huber z.B. hat diese These kürzlich ebenfalls vertreten und der Berliner Republik einen "christlichen" Wurzelboden bescheinigt. Hier interessiert: diese These gibt eine Grundhaltung Fischers wieder: die christlichen Grundlagen des Staates dürfen nicht erschüttert werden. Wer daran rüttelt, wie seiner Meinung nach später Grüne, Linke, Liberale, Demonstranten, Schwule, Lesben müssen gestellt und bekämpft werden.
Fischer arbeitete im Düsseldorfer Landwirtschaftsministerium und Wissenschaftsministerium unter Rau, kam von dort nach Dortmund zur Zentralen Vergabestelle für Studienplätze und 1977 als Landeskirchenrat in das Landeskirchenamt nach Düsseldorf. Dort blieb er nur gut drei Jahre.
Fischer betrat den Boden unserer Landeskirche in jungen Jahren. Kurz vor seinem 36. Geburtstag, am 1.4.1981 trat er sein Amt an. Seine Mitbewerber bei der Wahl einige Monate vorher waren alle älter, aber auch noch verhältnismäßig jung, Ende 40. Die Landessynode entschied sich für den Jüngsten und gegen Landeskirchenrat Klaus Dahling aus dem eigenen Hause, dem Landeskirchenamt, und gegen den Vorsitzenden der Stadtbraunschweiger Propsteisynode Dr. Eberhard Brandes, der leitender Regierungsdirektor war. Man wollte das Experiment, und nun hatte man den Salat. Man muss nicht das Schicksal in den Sternen suchen, was es zu bedeuten hatte, dass beide Mitkandidaten nur wenig später im Jahre 1982 am selben Tag, dem 25. Mai 1982, ums Leben kamen, Brandes, der gerade in die Landessynode gewählt worden war, am Herzinfarkt. Dahling bei einem Jagdunglück. Für Brandes kam dann Dr. Bosse in die Landessynode.

Warum kam Fischer aus dem Landeskirchenamt der grossen rheinischen Kirche ins Braunschweigische? Klar, der Aufstieg lockte. Vielleicht waren auch beide froh: die Rheinländer; dass sie ihn los waren und die Braunschweiger, dass sie eine Frohnatur bekamen. Vielleicht. Ein anderer Grund für seine Wahl: in der rheinischen Landeskirche laufen die Finanzuhren anders als bei uns. Da liegt die ganze Finanzmacht bei den Kirchengemeinden, und die Kirchenbehörde wird von den Gemeinden subventioniert. Hier im Braunschweigischen liegt alle Finanzmacht bei der Kirchenbehörde, und die Kirchengemeinden bekommen nur Geld aus dem großen Topf, wenn sie sich nicht selber finanzieren können. Das war zwar eine Fiktion. Nur ein, zwei Gemeinden hatten so viel Grundbesitz, wie z. B. Lichtenberge, dass sie auf die Kirchensteuer verzichten konnten. Alle anderen hingen am Tropf der Behörde. Das mochte Dr. Fischer auch gereizt haben: die geballte Finanzmacht in der Behörde.

Zuallererst guckte der frisch gebackene Finanzdezernent in die Töpfe, die Finanztöpfer, und die waren seiner Meinung nach leer. Es gab tatsächlich keine nahrhaften Rücklagen im landeskirchlichen Haushalt. Hatte sein Vorgänger, Dr. Konrad Bluhm, geschlampt? Keineswegs! Er hatte einen Teil der Rücklagen in die Pensionskasse gesteckt, wie andere Landeskirchen auch, gut angelegt, eine weise Entscheidung, die den landeskirchlichen Haushalt in ganz erheblichem Maße entlastete, und Dr. Bluhm, der Kirchenvorsteher der St. Lorenzgemeinde in Schöningen gewesen war, kam aus der Gemeinde und wünschte finanzstarke Kirchengemeinden. Gewiss, es gab noch einen Reptilienfonds, den sog. Ausgleichsstock, aber dessen Höhe wechselte. Das war keine echte Rücklage. Das sollte sich nun schlagartig ändern. Aber wie?

Da war es für ihn ein echter Glücksfall, dass es 1982 eine neue Landessynode und einen neuen Finanzausschuss gab. Das Personal des Finanzausschusses, mit dem Fischer anfangs zusammenarbeiten musste, wechselte zum größeren Teil. Von den elf Mitgliedern waren sieben neu, auch der Vorsitzende. Dietrich Fürst, der den früheren Stadtkämmerer Körner abgelöst hatte, war Generalbevollmächtigter bei der Norddeutschen Landesbank, wo die Landeskirche einen großen Teil ihrer Gelder geparkt hatte, also Bänker. Aber er hatte die Nase durchaus im kirchlichen Milieu: von seiner Großmutter religiös sozialisiert, wie er uns bei einem Informationsgottesdienst in Offleben launig erzählte, und ein Sohn aus erster Ehe war Braunschweiger Pfarrer geworden, heute in der Wicherngemeinde in Braunschweig.
Der Finanzausschuss, weil größtenteils mit der Materie nicht vertraut, ging zu Beginn erstmal einen Tag lang in Klausur. Ob schon bei dieser Klausur oder erst etwas später: der Plan stand fest: wir bauen uns einen Julius-Turm, (so genannt nach den Finanzreserven der Adenauerregierung zu Zeiten des Finanzministers Fritz Schäffer), also hohe Rücklagen. Die Töpfe sollten gefüllt werden. Die Methode war dazu denkbar einfach: das Geld, das eigentlich nach dem Verteilerschlüssel in die Kirchengemeinden geleitet werden sollte, wurde in landeskirchliche Töpfe geleitet, denn den Kirchenvorständen war nach Fischer sowieso nicht zu trauen. Mit einem einfachen Trick: man schätzte die Kirchensteuereinnahmen sehr sehr niedrig ein, bediente nach diesem niedrigen Schlüssel die Haushalte der Kirchengemeinden und was dann tatsächlich an Kirchensteuern einlief, sozusagen der Überschuss, landete in Rücklagen oder im sog. Ausgleichsstock. Das sah tabellarisch so aus:

Entwicklung der Landeskirchensteuer 1979 – 1989

 Jahr

Geschätzt

Ist

1979

63.340.000

64.207.519,81

1980

86.000.000.

88.100.375,46

1981

89.500.000

86.608.261,87

1982

89.500.000

93.413.588,81

1983

89.500.000

94.144.264,23

1984

89.500.000

96.249.835,80

1985

91.290.000

100.250.331,67

1986

93.572.200.

103.599.643,01

1987

95.911.500

114.497.939,79

1988

98.300.200

121.206.585,91

1989

101.750.000

129.695.867,27


Was zeigt die Tabelle? Im Antrittsjahr 1981 blieben die einkommenden Kirchensteuern unter den geschätzten. Ein ganz seltener Vorgang. Ab 1982 waren Fischer/Fürst für die Steuerschätzung zuständig, nun übertrafen die einkommenden Steuern die geschätzten, zuerst geringfügig, dann aber ab 1985 enorm. Eine ehrliche Steuerschätzung hätte schon ab 1986 erheblich höher ausfallen müssen. 1987: 9 Millionen mehr, 1988 22 Millionen mehr, 1989 28 Millionen mehr. Au weia. Die Synodalen bekamen von dieser Differenz nichts mit, denn ihnen wurden Haushalte vorgelegt, die einen Vergleich nicht möglich machten. Es wurden vor allem die geschätzten, also die niedrigen Zahlen vorgelegt. Auch über die Höhe des Ausgleichsstockes wurde nichts berichtet, nicht mal im Finanzausschuss. Geheimkommando.
Überhaupt die Geheimhaltung. Die Haushalte wurden nicht mehr im Amtsblatt veröffentlicht, dann auch nicht mehr im KURIER. Die Rücklagen durften nicht bekannt gemacht werden. Das Verbleiben der von Fischer in Auftrag gegebenen Gutachten, z.B. das Buckgutachten hinsichtlich von Sparmaßnahmen in der Kirchenbehörde oder das andere zu Sparmaßnahmen der kirchlichen Dienste (Lischke Consultuing) wurden nie veröffentlicht und haben Tausende € verschlungen. Das schuf eine ungute Atmosphäre des Misstrauens.

Entwicklung des Ausgleichsstockes

Jahr

Einnahmen

Zusagen bzw, Ausgaben

1975

5.568.229,00

5.251.179,00

1977

12.550.916,00

8.858.470,00

1981

5.572.189,59

6.639.905,72

1982

8.657.499,82

6.166.682,00

1983

12.001.592,03

8.584.015,65

1984

14.143.349,33

9.532.370,34

1985

11.473.174,00

11.079,678,92

1986

16.990.121,25

16.234.935,48

1987

20.399.811,71

15.477.442,86

1988

22.929.801,37

10.932.810,33

1989

29.641.273,55

16.552.535,11


Die Einnahmen des Ausgleichstockes, waren schon einmal unter dem Vorgänger Dr. Fischers, unter OLKR Bluhm, 1977 auf 12 Millionen angestiegen. Aber seit 1986 erreichten sie eine bisher nie dagewesene Höhe.
Rechts sind die Ausgaben aus diesem Topf, die 1985 und 1986 sogar dieselbe Höhe wie die Einnahmen erreichten. Also eigentlich doch ganz o' kay? Der Ausgleichsstock hat eine schreckliche Mentalität in den Kirchengemeinden erzeugt. Die machten nämlich nicht unerhebliche Schulden und liessen die später das Landeskirchenamt aus dem Ausgleichsstock bezahlen. Wer nämlich keine Gelder anmeldete, bekam auch weniger zugewiesen. Das erzeugte eine schädliche Abhängigkeitsmentalität und verhinderte das sorgfältige verantwortliche Wirtschaften in den Gemeinden mit den zugewiesenen Mitteln. Man wirtschaftete nicht im Hinblick auf die zur Verfügung stehenden Finanzmittel, sondern schielte dabei auf den Ausgleichsstock. Das erzeugte allerdings auch ein unchristliches Machtbewusstsein des Finanzdezernenten, der Herr über den Ausgleichsstock war, und je höher der Level, umso mehr konnte er bedienen. Da gab es denn mehr Bevorzugte und weniger Beschiedene. Wer die rechte kirchenpolitische Linie von Dr. Fischer fuhr, wie z. B. Propst Hartig, erfuhr keine Nachteile.

Wo blieb das Geld? Es blieb natürlich auch in dem gestiegenen Gesamtvolumen des landeskirchlichen Haushaltes. Die Steigerungen sahen folgendermaßen aus:

Haushaltsvolumen 1982 –1989

Jahr

Geschätzt

IST

1982

107.210.900,00 DM

124.867.167,22 DM

1983

105.648.000,00 DM

114.969.632,38 DM

1984

106.274.400,00 DM

118.852.022,12 DM

1985

109.285.700,00 DM

128.599.568,06 DM

1986

115.208.000,00 DM

133.167.629,67 DM

1987

120.509.500,00 DM

153.978.578,91 DM

1988

122.167.800,00 DM

159.951.236,01 DM

1989

128.422.600.00 DM

169.040.561,46 DM


Bis auf die kleine Delle in den Jahren 1983/84 konnte OLKR Dr. Fischer immer aus dem Vollen schöpfen.
Die Öffentlichkeit sollte dies nicht wissen, und so waren in der Regel alle Haushaltsvorstellungen von den Trompetenstößen geringer werdender Finanzmittel begleitet. Beispiel Steuerreform 1987: Großalarm! Fürst in der EZ am 26.4.1987: "kurz vor 12" "kurz vor einem fast historischen Datum für die Kirchen" Besorgnis, Besorgnis, Besorgnis. Die tatsächliche Lage: die Kirchensteuern stiegen von 114 Millionen (1987) auf 129 Millionen (1989). Und immer so fort. Es wurde schon langweilig und schließlich unglaubwürdig.
Dass keineswegs alles im Haushalt Aufgestellte und Geplante auch ausgegeben wurde, zeigten die sog. Haushaltsreste. Sie betrugen 1986: 4 Millionen; 1987: 5 Millionen; 1988 6 Millionen und 1988 6,8 Millionen DM.

OLKR Dr. Fischer betrieb nicht nur Finanzpolitik,, sondern auch rechte Kirchenpolitik.
Dr. Robert Fischer wollte das Kirchenschiff von Anfang an nach rechts lotsen und dazu ergriff er, was bisher völlig unüblich war, in der Öffentlichkeit das Wort, und zwar bereits einige Monate nach seiner Amtseinführung. Ich schildere die erste Untat etwas ausführlicher, weil sich aus ihr alles weitere ergibt. Es betraf die Aussiedlerpolitik.

Fischer und die Aussiedlerpolitik
1981 war die Zahl der Aussiedler drastisch von 34.667 (1980) auf 52.710 gestiegen ("Mehr als je zuvor seit 1958" BZ 5.1.1982 S. 6). Im Januar 1982 hatten sich die evangelischen und katholischen Bischöfe Niedersachsens in Loccum getroffen und forderten staatliche Hilfe für Aussiedler und einigten sich, auch die seelsorgerlichen und rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit den Asylbewerbern weiter zu verfolgen (siehe EZ 31.1.1982 S. 2 ). Diese Absicht hatte die Bundesbeauftragte für Fragen ausländischer Arbeitnehmer, Lieselotte Funcke, in Braunschweig aufgegriffen, die auf Einladung des Amtes für Industrie- und Sozialarbeit, die von rührigen Helmut Stammberger geleitet wurde, im überfüllten Vortragssaal der Stadthalle für ein "verfestigtes Ausländerrecht" plädierte, eine qualifizierte Ausbildung für jugendliche Ausländer forderte und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht vor allem für die in der Bundesrepublik geborenen Ausländer anmahnte ("Lieselotte Funcke bei Braunschweiger Gespräch für verfestigtes Ausländerrecht" EZ 24.1.1982). Ebenfalls im Januar hatten die Jugendreferenten der Landeskirche in Goslar zusammen mit den Stadt- und Kreisjugendpflegern und hauptamtlichen Mitarbeitern an türkischen Jugendzentren getagt und über Modelle integrativer Arbeit diskutiert und sich für ein Wahlrecht türkischer Arbeitnehmer ausgesprochen (EZ 14.3. 1982 ). Die Braunschweiger Zeitung, damals unter der tief schwarzen Redaktionsregie von Rabbow und Hosang, räumte - was ganz ungewöhnlich war - Oberlandeskirchenrat Dr. Fischer einen dreispaltigen Artikel unter der Rubrik "Politik" in der Ausgabe zum 16.2.1982 ein. Die wachsende Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik würde als ein Bedrohung empfunden, hieß es bereits im Untertitel. Unverhüllt machte Fischer Front gegen die Loccumer Vereinbarung. "Je größer die Zahlen, desto schwieriger und absurder wird die von Politikern, Kirchenmännern und anderen Wohlmeinenden geforderte Integration, was auch immer darunter verstanden werden mag" Fischer forderte Abkürzung des Asylverfahrens mit dem unausgesprochenen Ziel einer raschen Abschiebung, wenn die Asylbewerber keine Arbeit finden. Auch die in der Bundesrepublik seit Jahrzehnten wohnenden und integrierten "Gastarbeiter" sollten nach Fischer das Land wieder verlassen. Fischer versteckte diesen Meinung unter den larmoyaten Satz, "wenn Gäste immer bleiben wollen, wird man auch im privaten Bereich etwas unmutig." Die Abwehrhaltung der Bevölkerung sei "ganz natürlich". Fischer sah bei Fortführung der gegenwärtigen Integrationspolitik der sozialliberalen Regierung einen sich ausbreitenden "Rassenhaß", und zwar "als ein Ergebnis eines sich ins Gegenteil verkehrenden humanen und verfassungstreuen Denkens".

Dieser Artikel unter der Überschrift "Ergebnis darf nicht Haß sein" löste einen sich über Monate hinziehenden Leserbriefstreit aus, der das Bild der Landeskirche in der Öffentlichkeit nicht förderte. Helmut Kramer, Richter am Oberlandesgericht, vermisste bei Fischer die Fähigkeit, differenziert nach komplexen politischen Zusammenhängen zu fragen (BZ 23.2.1982); Pfarrer Grosse aus Wolfsburg wurde deutlicher: mit humanem und christlichem Denken sei die Sprache Fischers nicht mehr vereinbar. Ein Christ sollte gerade ein deutliches Wort gegen alle Tendenzen sprechen, die Ausländer zu Sündenböcken in Krisenzeiten machten. (BZ 24.3.1982) Unverblümt hielt Pfarrer J.H. Wicke von der Magnikirche Fischer vor, er habe mit diesem Artikel selber den Haß gegenüber Ausländern geschürt statt ihm entgegenzutreten. (BZ 20.3.1982). Das ev. Stadtjugendpfarramt in Braunschweig hob den Gewinn an Toleranz, Menschlichkeit und Lebenserfahrung beim Zusammenleben mit Ausländern hervor (BZ. 1.3.1982). Aber OLKR Dr.Fischer fand auch manchen Zuspruch: "So wird allen geholfen", meinte der Wolfenbüttler Heinz Wenski (BZ 16.4.1982), "Keinen Haß gesät", widersprach Hans Otto Braden, Wolfsburg (BZ 27.3.1982), "Deutsches Schlaraffenland" (Ludolf Dohrmann BZ 3.3.1982).
Ein Grundgedanke von Fischers Gedankenwelt scheint hier durch: Ausländer gefährden die christlichen Grundlagen des Staates.

Der Artikel Fischers provozierte Widerspruch. Die Propsteisynode Salzgitter - Lebenstedt thematisierte in ihrer Sitzung im November 1982 die Ausländerproblematik mit Referaten und fünf Arbeitsgruppen bis tief in die Nacht. Der Ausländeranteil in Salzgitter war mit 9,9 % der Gesamtbevölkerung und mit 22 % an den Grundschulen besonders hoch. Wenn 30 Prozent überstiegen würde, sagte Helmut Kahle in der Debatte, würde die Integration schwierig. Propst Brackhahn hatte in der einleitenden Andacht das Verhalten zu den ausländischen Mitbürgern als Bewährungsfall für das Verständnis des biblischen Liebesgebotes bezeichnet. Aus Fremden müssten Partner werden. Pfarrer Karl Haufe beschrieb die vielen Formen der Fremdenliebe im Alten und Neuen Testament. "Gegenseitige Respektierung notwendig", überschrieb die EZ ihren Bericht (EZ 21.11.1982). Eine muslimische Woche veranstaltete die Kirchengemeinde Rüningen unter dem Motto "Vorurteile relativieren - Sprachlosigkeit durchbrechen" (siehe EZ 5.12.1982).
Der Artikel OLKR Dr. Fischers vom Januar 1982 hatte keine spürbare Gefolgschaft in der Ausländerarbeit der Landeskirche nach sich gezogen, aber drastisch die inhaltlichen Spannungen innerhalb eder Landeskirche und auch in der Kirchenleitung (etwa zu OLKR Henje Becker) veranschaulicht.

Fischer und Südafrika
Fünf Jahre später: in der Evangelischen Kirche wogte eine Auseinandersetzung über die Haltung zum Apartheidstaat Südafrika. Man war sich einig, dass Apartheid Unrecht war und besonders in den Kirchen nicht geduldet werden sollte. Das sahen insbesondere die weißen lutherischen Kirche Südafrikas anders. Da sich die Verhältnisse nicht änderten, warben die Frauen in der Kirche heftig für einen Boykott südafrikanischer Produkte. Wieweit sollte man in den Sanktionen gehen? Eine Gruppe in der Kirche forderte, die westdeutschen Landeskirchen sollten ihre Verbindungen zu den Banken abbrechen, die geschäftliche Kontakte zu Südafrika unterhielten. Der Frankfurter Kirchentag 1987 war von diesem Thema beherrscht. Das Präsidium hatte seine Konten bei der Deutschen Bank gekündigt. Andere Landeskirchen sollten folgen. OLKR Dr. Fischer zeigte sich über den Kündigungsbeschluss "bekümmert". Apartheid sei damit nicht zu überwinden, prognostizierte er in der EZ am 19.4.1987. Seine Bekümmernis galt nicht den verheerenden Zuständen in Südafrika, sondern den vielen Kirchensteuer zahlenden Angestellten bei den deutschen Banken, die nun völlig verunsichert wären. Ob der Boykott nicht wenigsten ein Signal, ein Zeichen wäre. Dazu Fischer: "Mit diesen Zeichen wird die Apartheid nicht überwunden, sondern nur viel Porzellan zerschlagen".
Das Nachrichtenmagazin idea wurde das Sprachrohr für solche Stellungnahmen Fischers, die sich nun beliebig fortsetzen ließen, etwa seine Polemik gegen Synoden, die sich Exekutivgewalten anmaßten, oder gegen den Synodenbeschluss der nordelbischen Kirche hinsichtlich von Schwulen und Lesben in der Kirche (idea Spektrum Februar 1997: "Der Beschluß der nordelbischen Synode ist ein für viele Christen schlimmes Zeichen für Auflösung und Verfall"), in der aus seiner Sicht leidigen Friedensbewegung, deretwegen er sogar aus seiner Thomasgemeinde in die Trinitatisgemeinde wechselte, u.v.a.m. aber das wären nur Wiederholungen rechtslastiger Positionen. Darin ist sich Dr. Fischer treu geblieben.

Fischer versuchte seine politischen Vorstellungen in der Wolfenbüttler CDU durchzusetzen und erreichte einmal einen Listenplatz bei einer Kommunalwahl, wurde aber nicht gewählt, ein anderes Mal fiel er bereits bei der Aufstellung der Kandidaten durch.

Mit seinen zäh verfolgten anderen Vorhaben, der Reduzierung der Propsteien und der Zentralisierung der Finanzen der Kirchengemeinden ist Dr. Fischer wiederholt gescheitert, was ihm die letzten Jahre etwas vergällt hat.

Fischer hat die theologischen Interessen im Alter kultiviert und ist Prädikant unserer Landeskirche geworden. Nicht up ewig. Sondern für sechs Jahre, und dann kann man verlängern lassen, wenn man die entsprechenden Fortbildungskurse besucht und nachgewiesen und vom zuständigen Propst bestätigt bekommen hat (von wegen Lehre und Wandel). Ich habe ihn in der Synode wiederholt gefragt, ob er jene Erkenntnis der Bekennenden Kirche mitgenommen hätte, sozusagen als väterliches Erbe, dass Finanzen immer auch eine geistliche Dimension haben, also unter das Wort gehören, und das Geistliche auch eine saubere rechtliche Struktur (etwa in der Gestalt der Agende) haben sollte. Er hat das immer bejaht, sich selber aber daran nicht gehalten Das wäre ein schönes Erbe für seinen Nachfolger.

Wie ging es weiter?

Entwicklung des Ausgleichsstockes 1990 – 1995

Jahr

Einnahmen

Zusagen bzw, Ausgaben

1990

28.232.767,35

19.307.698,70

1991

28.749.425,74

17.422.755,78

1992

36.779.867,21

32.462.092,47

1993

27.719.747,42

15.812.494,82

1994

35.234.280,63

26.863.347,14

1995

30.274.240,34

20.347.425,52


Der Ausgleichsstock platzte und als das erstmalig in der Landessynode zur Sprache kam, und Dr. Fischer die Nerven verlor, verschwand urplötzlich das Tonbandgerät samt Tonband und tauchte nie wieder auf. Wer konnte daran ein Interesse haben? Parallel dazu wurden die Kirchenrechnungsführerinnen auf dem Lande immer mehr abgelöst und die Finanzhoheit der Kirchengemeinden entscheidend geschwächt. Ich halte dies für den gravierendsten Fehler der gesamten Fischerzeit in der Landeskirche.

Wie man an der nächsten Tabelle sieht: die Kirchensteuern nahmen ab:

Entwicklung der Landeskirchensteuer 1990-1998

Jahr

Geschätzt

Ist

1990

104.802.500.

123.902.635,33

1991

117.378.800

136.996.383,42

1992

125.595.300

158.410.066,94

1993

145.480.000

160.682.715,66

1994

155.200.000

155.814.685,84

1995

152.096.000

154.487.664,47

1996

147.533.100

147.698.171.18

1997

144.800.000

140.574.351,71

1998

140.800.000

143.763.166.,88


Die zurückgehenden Kirchensteuern erforderten Sparmaßnahmen. Das war ein aus der Sicht Fischers geeignetes Instrument, sich von ungeliebten kirchlichen Arbeiten zu trennen, z.B. von der Frauenbeauftragten (Oldenburg hat sie gerade wieder eingeführt), dem kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt, eine besondere Dummheit in Zeiten wachsender Arbeitslosigkeit, die Gottesdienste am 1. Mai um Dom fallen nun aus,) dem hauptamtlichen Umweltbeauftragte, der Beauftragte für Friedensfragen wurde nach Hannover abgeschoben, alles Bereiche, für die allerdings Kollegialentscheidungen notwendig waren, also nicht Fischer allein anzulasten sind. Ihm aber auch.

Die bevorstehende Beweihräucherung kurz vor der Heiligsprechung in der Kirche von oben.
OLKR Dr. Fischer wird am 6. März von der Landessynode verabschiedet, dazu wird auch sein Freund Dietrich Fürst sprechen. Lob, Lob Lob, tja wir Männer, Bänker, Könner! Vergessen ist: das Geld kommt zum größten Teil aus unseren Kirchengemeinden. Am 6. April wird die Geburtstagsparty im Landeskirchenamt steigen. Am 30.4. wird ein Abschiedsgottesdienst in der Klosterkirche Riddagshausen stattfinden, auf der der amtierende Finanzausschussvorsitzende Fuhrmann reden wird. In diesem Gottesdienst wird auch sein Nachfolger Mayer in sein Amt eingeführt. An allen Orten allerseits einen gesegneten unfallfreien Verlauf.




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