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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 129 - März 2010


Aus der Landeskirche

von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

* Beim Landeskirchenamt liegt eine Dienstaufsichtsbeschwerde vom Oberbürgermeister Hoffmann gegen Pastor Dedekind. Dedekind lässt auf Kirchenvorstandsbeschluss jeden Tag um 14.45 die Glocken der Querumer Kirche läuten. Danach beginnt ein Protestmarsch um das für eine Landebahn gerodete Gelände im Querumer Horst. Ein wissenschaftlich abgestütztes Gutachten, wonach statt 2.300 "nur" 2.100 qm gerodet werden und so wertvoller Waldbestand erhalten bleiben könnte, ist von den Baumfällerbetreibern noch nicht beantwortet.

* Der Querumer Horst wäre der vierte Umweltbrennpunkt nach Schacht Konrad, Asse Wittmar und Morsleben. Es gibt einen weiteren. Bekanntermaßen machte die "Dreckschleuder Europas", das Kraftwerk Offleben, seinerzeit erheblichen Ärger. Inzwischen hat der Besitzer gewechselt. BKB gibt es nicht mehr im Helmstedter Raum. Dafür ist jetzt EON für die Müllverbrennung zuständig. Das Kraftwerk Offleben ist abgerissen. Wohin mit dem pheonolverseuchten Boden? Er soll einfach vergraben werden! Bei einer sog. Anhörung ist festgestellt worden, dass alles gesetzeskonform wäre. Im Pfarrhaus Offleben hat kürzlich eine Protestversammlung stattgefunden. Die Ortspfarrerin Naumann müsste Amtskonferenz und Propsteisynode mobilisieren. Wer die Bewahrung der Schöpfung auf seine Kirchenfahne geschrieben hat, muss da aktiv werden.

* Die Umweltprobleme müssten offensiv und themenübergreifend vom Landeskirchenamt aufgegriffen werden. Aber das Kollegium agiert inzwischen als durcheinandergackernder Hühnerhaufen, anstatt mit klarer Einstimmigkeit sich der Sache anzunehmen. Einzelaktionen des Bischofs können nur Teilerfolge erzielen. Wie die Wirtschaft die Demokratie kaputt macht, konnte man am Jahresanfang auf seinem Sparkonto besichtigen. Die Postbank gewährte 1,4 % Zinsen, die Nord LB 0,75 %. Das bedeutet die Ausplünderung der Sparer durch die Banken. Wenn die Kontoinhaber ihre Ersparnisse zurückziehen würden, könnten die Banken dicht machen. Sie können nämlich nur auf der Basis der Ersparnisse spekulieren. Es ist schon erstaunlich, was sich der Bürger gefallen lässt.

* Mit einem fulminanten, üppigen Abschiedsgottesdienst ist Pfarrer Ulrich Römer, am 25. Februar 65 geworden, am 28. Februar als Pfarrer der Emmausgemeinde in der Weststadt in den Ruhestand verabschiedet worden. Propst Hofer würdigte die Tätigkeit, OLKR Müller "entpflichtete" ihn, der Geschäftsführer des Männerwerkes der EKD war gekommen, 500 - 600 Gemeindemitglieder füllten Kirche samt Anbau, der Kirchenmusiker Vogelsänger konzertierte eine Bachkantate, wobei Römer wie immer auch mitsang, 14 Gruß- und Abschiedsworte ließen noch einmal die Breite der fast 30jährigen pfarramtlichen Tätigkeit Römers vor Ort aufleuchten, Römer predigte über die Geschichte vom Kämmerer ("Er aber zog seine Straße fröhlich"), mit einigen zeitbezogenen Bemerkungen zur Taufe (z.B. warum diese von der Kirchensteuer abhinge), viele blieben noch zum gemütlichen Essen und Austauschen. Römer war "Seiteneinsteiger", ein gelernter Lehrer, was ihm den Einstieg in die Pfarrerschaft nicht leicht machte, sein Vater war in den 60er Jahren Pfarrer in der Wicherngemeinde. Ein besonderer Schwerpunkt seiner Arbeit waren die Eltern-Kind Freizeiten im CVJM Haus in Dassel, über die er in KvU mal berichten könnte. Die BZ schrieb am Tag danach "Ein Leben für die Weststadt". Ich erlebte Römer bei seinem letzten Konfirmationsgottesdienst und wie er seine Konfirmanden mit individuellen Segensprüchen einsegnete. Er schrieb mir einige auf: "Der Gott der Liebe umfange euch und stärke euch zu gut-tuender Mitmenschlichkeit. Friede sei mit dir"; "Der Segen Gottes umhülle euch wie die wärmende Sonne und stärke euch wie der erfrischende Regen: Friede sei mit dir"; "Gott sei um euch, wenn ihr Schutz braucht, er sei unter euch und trage euch, wenn es unerträglich wird, er sei über euch als Dach des Friedens. Dieser Friede sei mit euch"; "Der Gott des Himmels und der Erde stärke euch, ein Stück Himmel auf dieser Erde zu verwirklichen. Friede sei mit euch". "Der Gott des Lichtes erhelle die dunklen Strecken eures Lebensweges und strahle durch euch auf eure Mitmenschen aus. Friede sei mit dir"; "Der Gott des Friedens gebe euch seinen Geist der Versöhnung und der Vergebung. Friede sei mit euch und durch euch." Die Kollekte war für Nadeschda, das weißrussische Tschernobylprojekt bestimmt.

* Seinen 70. Geburtstag feierte am 19. Januar Ottmar Hesse, ab 1988 Propst von Goslar, Nachfolger von H.J. Kalberlah, davor Landesjugendpfarrer und dann Direktor der Landjugendakademie in Altenkirchen. Dann aus dem kirchlichen Dienst ausgestiegen und ab 2000 Oberbürgermeister von Goslar. Keine übliche kirchliche Biografie. Die Goslarer Zeitung würdigte den Anlaß am 19.1.d.J. ausgiebig. Kürzlich machte er auf Kreta Kurseelsorge und hat darüber auch einen Erlebnisbericht verfaßt. Wir wünschen gutes Gelingen im kommenden Jahrzehnt.

* Theologen sollten gegenüber Juristen vorsichtig sein. Was führen jene schon wieder im Schilde? Anders ist das bei Helmut Kramer, der am 30. März 80 Jahre alt wird und ja auch kein Kirchenjurist ist, wiewohl er in Wolfenbüttel mit anderen auf dem "Vatikan" (Herrenbreite) wohnt. Kramer gehört zu den herausragenden Juristen in der Region, der die Geschichte der Justiz im Dritten Reich in vielen Facetten aufgearbeitet, beschrieben und bis in die Ausschüsse des Bundestages die Beseitigung von Nazigesetzen erfolgreich betrieben hat. Er gehörte zu den Referenten der Reihe "Braunschweig unterm Hakenkreuz" 1980 im Städtischen Museum, und erinnerte hartnäckig an das Todesurteil Lerches gegen Erna Waszinski, betrieb dessen Revision und geriet damals mit dem Synodenpräsidenten Eckels in dessen juristischer Funktion zusammen. Ohne ihn wäre die Hinrichtungsstätte in Wolfenbüttel abgerissen worden. Zu seinen Ehren wird in Hannover am 17./18.April ein zweitägiges Symposion mit 25 Kurzreferaten zur Militärjustiz gehalten werden., Jörg Friedrich wird die laudatio halten. Wir wünschen Helmut Kramer Kraft und Ausdauer über den festlichen Tag hinaus.

* Früher als geplant geht nun OLKR Kollmar in den Ruhestand. Kollmar würde am 11. September nächsten Jahres 65. Er hat den Beginn seines Ruhestandes ein halbes Jahr auf den Februar vorgezogen. Die Wahl seines Nachfolgers erfolgt dann schon im Herbst dieses Jahres. Man überlegt sich, ob man die Stelle ausschreiben will oder Kandidaten aus dem eigenen Bereich auffordern will, aus dem Kreis der Pröpste und Pfarrer/Pfarrerinnen oder Gemeindeausschussvorsitzende oder Predigerseminar.

* Das Studentenpfarramt ist vakant. Wer die echte Lage unserer sog. Volkskirche studieren will, der werfe einen Blick auf die Gemeinde der Studierenden. Das ist ein ganz saures Pflaster und Graswurzelarbeit. Oder man organisiert eine gesellschaftspolitisch hochmotivierte Kleingruppe. Aber auch die Zeiten sind passe.

* Segnungen zum Valentinstag für Verliebte, locker oder dichter Verbundene bürgern sich langsam in der Landeskirche ein. Es wäre ja zu schön, wenn aus dem Ref. II dazu ermunternde Anregungen kämen, aber die Agendenkommission ist bereits verrottet. In Evessen hatte Pfarrerin Röber zum zweiten Mal einen Sengungsgottesdienst angeboten. In Weddel hat Pfarrer Neuenfeldt, da der Valentinstag diesmal auf einen Sonntag lag, eine Segnung in einem Familiengottesdienst angeboten. Wo noch? Bitte melden!

* Im kürzlich erschienenen Jahrbuch für Landesgeschichte Bd. 90 2009 sind einige wichtige Artikel zur Braunschweiger Kirchengeschichte erschienen, auf die ich aber erst im nächsten Heft eingehen kann. Aus der Feder von Pastor Capelle, Hordorf stammt ein Aufsatz über den Kanzler v. Wendhausen und das Antipietistenedikt von 1692 S. 121 - 141; über dieses Zeit sollte von der Herzog Augustbibliothek ein Sammelband erscheinen, was aber bisher verblieben ist. Von Torsten Priem ist ein Aufsatz über die Maria- Magdalenen.-Kapelle in Braunschweig, deren skandalösen Abriss schon Juenke in seiner Darlegung über die zerstörten Kirchen angeprangert hat. (S.215-241) . Gleich danach hat Dr. Siemers seine Funde im Landeskirchlichen Archiv unter dem Gesichtspunkt des Dorfschulwesens zur Zeit Karls I. veröffentlicht unter dem Titel "Die Pfarr- und Propsteiarchive im Landeskirchlichen Archiv als Quelle für die Untersuchung des Dorfschulwesens im Herzogtum Braunschweig-Wolfenbüttel nach der Landschulordnung Herzog Karls I. von 1753." (S. 243 -254). Derlei wäre auch etwas für den leider daniederliegende Arbeitskreis Kirchengeschichte.

* Im Sommer vorigen Jahres hatte Pfarrer Adolf Nebel seinen 80. Geburtstag gefeiert. Er hatte den Aufbau der St. Thomasgemeinde in Helmstedt geleitet und war dort seit den 60er Jahren bis zu seinem Ruhestand 1992 tätig. Die kahle Betonkirche hellte er mit einem großen Wandbehang und mit Kreuzwegstationen auf. Er gründete einen Kirchenchor, sang selber mit und verliebte sich neben seiner Frau auch in die Kantorin. Eine funktionierende Dreiecksgeschichte. Theologisch stand er zunächst der Brüderngemeinde nahe, hatte ausgeprägte liturgische Neigungen, und sorgte für saubere gottesdienstliche Sitten an St. Thomas. Zur Beerdigung seines älteren Helmstedter Kollegen Kleinert erschien er im hellen Anzug, von wegen Auferstehung und korrekter österlicher Farbe. Im Ruhestand kümmerte er sich ehrenamtlich um die Lektorenausbildung der Landeskirche und brachte dort seine reichhaltige pfarramtliche Erfahrung ein, was ausgesprochen gut ankam. 2003 hatte er seinen achten Lektorenkurs mit insgesamt 116 Lektoren, wie er schrieb. Es war wohl der Streit um die Einführung des Pfarrerinnengesetz, die ihn kirchenpolitisch in die Mitte rücken ließ und in den 70er Jahren auch gesellschaftspolitische Fragen aufgreifen ließ. Wir haben zusammen mal eine Diskussionsabend zu Vietnam gemacht. 1978 veranstaltete er mit der Ev. Erwachsenenbildung ein Seminar zur Umweltproblematik mit der Folge, dass Ernst Christian Lerche, dort Gemeindemitglied und späterer Kirchenvorstandsvorsitzender die grüne Liste Umweltschutz in Helmstedt gründete. Unter der Überschrift "St. Thomas war bei Wahlen immer Spitze" verfasste Lerche zum Abschied in der EZ eine laudatio auf Nebel und hob die hohe Wahlbeteiligung an den Kirchenvorstandswahlen in Thomas hervor und die Offenheit Nebels für Kritiker, Distanzierte und Enttäuschte, seine Gabe, Fragen des Glaubens in der Sprache unserer Zeit zu beantworten, die Einrichtung von Familiengottesdiensten, Abendmahl für Konfirmanden vor der Konfirmation und mit Traubensaft, Konfirmandenunterricht schon ab 11 Jahren. Er unterrichtete an der Heimschule, wurde stellvertretender Propst, begleitete den sterbenden Propst Hobom, und war mein Vorgänger in der Landessynode. Von ihm erbte ich seinen synodalen Aktenbestand. Seine erste Gemeinde lag im Salzgitterschen, aus der er nach dem Tod der Kantorin Pohlitz, der Tochter und seiner Frau eine ehemalige Konfirmandin Gerda 1995 heiratete und mit ihr fast 15 glückliche Jahre im Ruhestand verbrachte. Nebel hatte landeskirchenweite Geschichte bei der Wahl des Nachfolgers von Bischof Heintze gemacht, bei unter anderen auch der hochkonservative Propst Hauschildt von Propst Hartig zur Wahl vorgeschlagen wurde. Die andern waren in zwei Wahlgängen abgeschlagen. Aber auch Hauschildt fehlte im dritten Wahlgang eine Stimme. Es war die Stimme Nebels, der gesagt hatte, er würde Hauschildt wählen, aber auf Konfirmandenfreizeit in den Alpen war. Wie der Herr doch die Schritte der Seinen lenkt. Nebel ist 80jährig im Dezember letzten Jahres gestorben und wurde von seinem Kollegen Horst Fehrmann aus Salzgittertagen begraben.

* Drei Jahre älter als Nebel war Friedrich Wagnitz, der Pommer, der allzeit Aufrechte und Gradlinige, dessen Eltern schon zu den Selbständigen Altlutheranern gehörte, und in deren Gemeinden in der DDR er nach dem Studium in Oberursel er amtierte. Er schwärmte von seiner pastoralen Tätigkeit in der altlutherische Gemeinde in Weißenfels: fromm, klein, engagiert. 80 % kamen zum Gottesdienst. Dann kehrte er in den Westen zurück und übernahm die Cremlinger Dorfgemeinde, dann für kurze unglückliche Zeit die dritte Pfarrstelle in Pauli und danach in Martin Chemnitz. Seine letzte Pfarrstelle war Hohegeiß. Im Ruhestand versorgte er den Emeritenkreis in Wolfenbüttel ("Der schwarze Cafe"), hielt Vorträge, in den Arbeiten des Archivs befindet sich von ihm eine Abhandlung über die ersten sog,. Bischöfe unserer Kirche. Er hatte ein erfrischend selbständiges Urteil, und konnte der allgemeinen Wertschätzung von Herzog Julius in der Reformationsgeschichte wenig abgewinnen. Er hatte sich Gruppe "Bibel und Bekenntnis" angeschlossen, predigte wiederholt in Martin Chemnitz aber auch in seiner Ruhestandgemeinde Broitzem. Als ich ihn kürzlich besuchte und mich über die penible Ordnung an der ausgedehnten Bücherwand mokierte, sagte er: "Bruder Kuessner, halte Ordnung, dann hält die Ordnung dich". Das war Wagnitz, wie er leib- und lebte. Sein Nachfolger in Hohegeiß, der jetzige Propst Hofer, hat ihn im Februar begraben. Wir sangen auf Wunsch von Wagnitz "Herzlieb hab ich dich o Herr," alle drei Strophen, "behüt mich Herr vor falscher Lehr" - ja das war sein Streben auch in der Gemeindearbeit, und dann das seltene "Jerusalem, du hochgebaute Stadt" (EG 150, 1-3). Die dritte Strophe beschreibt die Hoffnung des Frommen nach seinem Tod: "O Ehrenburg, nun sei gegrüßet mir, tu auf der Gnaden Pfort". Ehrenburg, dies seltene und schöne Bild, beschreibt altmodisch und erhaben das Lebensziel von Wagnitz. Möge er angekommen sein und seinen Gott loben. (Str. 6 "erfüllet wird der Sinn, der Mund mit Lob und Preis").

* Vorgestern, am 1.März starb überraschend Pfr. i.R. Eberhard Borrmann im Alter von 67 Jahre. Er war Pfarrer in Berlin, Schweden, in Petri, Braunschweig und Thomas, Wolfenbüttel. Er war ein hochbegabter Musiker. Von ihm steht ein Lied im Gesangbuch EG 596 "Ich möchte Glauben haben". Ich habe länger im Gesangbuchausschuss zusammengearbeitet, wo er immer auf modernere, verständliche Texte drängte. Die Petrigemeinde hatte zahlreiche Vorschläge zur Gesangbuchrevision eingebracht. Er spielte Orgel auch im Ruhestand. In der Landessynode gehörte er zum reformerischen Flügel. Am Freitag um 12.30 ist der Trauergottesdienst in der Thomaskirche in Wolfenbüttel.




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