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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 130 - Juni 2010


Mikadospiel-Über den Wolken
Weber Benedictum benedicat

von Herbert Erchinger
(Download als pdf hier)

Es ist gut und fair, dass unser Bischof Weber sich nicht am allgemeinen und wohlfeilen Papst- Bashing beteiligt.. Als Catholica- Beauftragter der lutherischen Kirchen zur Behutsamkeit verpflichtet, soll er kein Porzellan zerschlagen in den sensiblen Fragen oekumenscher Zusammenarbeit, sondern Brücken des Gesprächs und des Vertrauens bauen. Trotzdem fällt die übermäßig diplomatische Sprache seiner Bilanz des fünfjährigen Pontifikats Benedikts XVI auf.

Man muss schon zwischen den Zeilen lesen, um Kritik heraus zu hören: Gekonnt diplomatisch ist das sprachlich scheinbar positive Benennen eigentlich negativer Tatbestände: Bei den augenblicklich zunehmend verhärteten theologischen Positionen Benedikts im oekumenischen Dialog spricht Weber feinzüngig von Berechenbarkeit. Chapeau! Die beklagenswerte Tatsache, dass Rom sich von den Kirchen der Reformation schroff abgrenzt, wird positiv so beschrieben: Benedikt sei seiner traditionalistisch-konservativen Grundhaltung über die Jahre treu geblieben.Treue ist doch eine Tugend oder?. Die sture Unbeugsamkeit Benedikts benennt Weber als in ihrer Klarheit und Konsequenz sogar faszinierend, ein Begriff, der ja ein befremdetetes Kopfschütteln nicht ganz ausschließt. Faszinierend ist tatsächlich manches, was uns trotzdem stört. Die freundliche Bemerkung, schon als Konzilstheologe und Kardinal habe Ratzinger erstaunliche Impulse zur Oekumene gegeben, finde ich nun wieder erstaunlich. Weber formuliert durchgängig wie ein Mikadospieler, der mit Samtpfötchen vermeidet, dass ja nichts einstürzt. Aber so bewegungslos verschachtelt wie ein Mikadospiel stelle ich mir die Oekumene eigentlich nicht vor.

Es fällt auf, dass die katholische Laienorganisation „Wir sind Kirche“ und auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken viel deutlicher und mutiger in ihrer Kritik am Papst auftreten. Manchmal wünsche ich mir, dass wir als Protestanten denen mehr beispringen würden. Aber natürlich gilt auch: Jeder kehre vor seiner Tür.

Doch dass die kritischen Katholiken heute oft protestantischer und reformationsbeflissener sind als lutherische Bischöfe, gibt mir doch zu denken.

Und wo ist die Befreiungstheologie Lateinamerikas geblieben? Das kostbare Erbe von Camillo Torres, Ernesto Cardenal, Dom Helder Camara und Leonardo Boff, das die Oekumene so unendlich bereichert hat? Benedikt bzw schon Ratzinger hat das alles brutal abgewürgt, schon als Präfekt der Glaubenskongregation. Zur Strafe breiten sich nun in Lateinamerika massenhaft pfingtlerische protestantische Sekten aus. Ich sage das ohne Schadenfreude. Da waren mir doch die katholischen Freiheitstheologen wesentlich lieber.

Natürlich sollten wir auch nicht mit Schadenfreude auf den massenhaften sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche reagieren. Aber es wäre im ureigensten Interesse der katholischen Kirche, über eine Lockerung des Zwangszölibats nachzudenken. Doch da müssen sie selbst drauf kommen.Und insofern hat Bischof Weber sicher recht: Es dient nicht dem oekumenischen Geist, sich gegenseitig in die wunden Punkte zu stechen. Es ist besser, mit Verständnis die Schwierigkeiten der anderen Seite zu verstehen und gleichzeitig die eigene Überzeugung selbstbewusst zu vertreten . Dazu gehört dann aber auch, Kontroversen offen zu benennen und nicht nur diplomatisch zu beschönigen und weich zu spülen.




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