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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 132 - Dezember 2010


Aus der Landeskirche

zusammengestellt von Dietrich Kuessner
(Download als pdf hier)

Von Personen

* Ilona Sourell gehört zu den bekannteren diensthabenden Frauen in der Landeskirche. Sie sitzt Wand an Wand mit dem epd für die Evangelische Zeitung in der Dreizimmerchenwohnung in der Gliesmaroderstraße Nummero 22 und managt dort seit 20 Jahren solo die Redaktion für die Journaille der Landeskirche. Ein Traumjob einerseits, in gehöriger räumlicher, gesundheitsschonender Distanz zur Kirchenbehörde, zur Propstei, zum Verlag, also sehr selbständig, ohne Personendruck von oben, aber in gutem Einvernehmen mit Herrn Laube (epd) und Frau Munderich (für beide). Andrerseits unter Zeitdruck, denn Woche für Woche muss was redigiert und geschrieben werden, um am Ende sich die Beschwerde anzuhören, dass die EZ mal wieder nicht gebracht hat, was diese oder jener ihr zugeschickt hat. Woche für Woche, das kann auch ganz schön stressig werden. Zumal es keine Streicheleinheiten von oben gibt.
Am 22. Oktober wurde Frau Sourell 63 Jahre und geht zum Jahresende in den Ruhestand. Gehörig begossen im Journalistenkreis. Sie ist Berlinerin, dort aufgewachsen, in den 40er, 50er und 60er Jahren zur Schule und Uni gegangen (Germanistik und Publizistik), dort blieben über die dortigen Eltern und Schwiegereltern auch ihre Wurzeln. 5 Jahre freie Mitarbeiterin bei der BZ, 5 Jahre beim Westermannverlag, dann nach Pause zum Kindergroßziehen seit dem 1.5.1990 beim der EZ, als Nachfolgerin von Herrn Guhde. Zwanzig Jahre EZ Geschichte ist eine lange Zeit, nur Herdieckerhoff war noch so lange für das damalige Braunschweigische Volksblatt tätig. Der Titel wechselte zu Der SONNTAG, dann Evangelische Zeitung, zum Schluss mit den Nordelbiern zusammen. Die Fessel war die Subvention der Landeskirche, die nach Stil und Textauswahl Grenzen setzte. Als Frau Sourell kam, gab es schon Kirche von Unten, unsubventioniert, mit Nachrichten, die in der EZ aus Loyalität nicht erscheinen konnten. Es gibt auch ein Leben neben der Kirche, sonst würden wir Frau Sourell bitten: schreiben Sie doch mal im nächsten Jahr was Flottes, Freches in KvU. Wir wünschen Ihr einen abwechslungsreichen weiteren Lebensabschnitt mit Mann und erwachsenen Kindern, und Berlin ist ja immer wieder interessant. Adieu!

* Eine zukunftsträchtige Entscheidung traf die Propsteisynode Schöppenstedt. Sie wählte die amtierende Pröpstin Bernhild Merz für weitere 12 Jahre. Da eine Kooperation mit der Propstei Wolfenbüttel geplant ist und der Wolfenbüttler Propst 6o Jahre alt geworden ist, wurde also zugleich die künftige Pröpstin auch für den Bereich Wolfenbüttel gewählt.

* Hans Christian Knüppel, im Mai 52 Jahre alt geworden, ist im November an Krebs verstorben und wurde unter großer Anteilnahme der aktiven Pfarrerschaft, die im Talar zum Trauergottesdienst in der Martinikirche erschienen war, am 6. November begraben. Sein Vater Hans Albert war von Kreiensen aus Propst von Gandersheim gewesen und verstarb auch im Dienst 67jährig. Hans Christian Knüppel war seit 1991 Pfarrer in Sickte, seit 1998 mit seiner Frau in der Heidberger Thomaskirche, seit 2003 Leiter des Pastoralkollegs und der Fortbildung und als solcher die rechte theologische Hand von Frau OLKRÄtin Müller gewesen. Die Fortbildung ist dem Referat 10 unterstellt. Als Leiter der Fortbildung bot er zusammen mit Lothar Mischke Kurse in Südtirol an, die sich vor allem mit der Leitung der Gemeinde befassten. Besonders intensiv war seine Begleitung der Konfirmandenferienseminare, was sich auch in der Gestaltung des Trauergottesdienstes niederschlug. In der Septembernummer des Pfarrerblattes erschien eine Abhandlung von ihm über die viel diskutierte Qualitätsentwicklung im Bereich von Gottesdienst und Predigt unter dem etwas verwirrenden Titel „Wahre Schönheit kommt von innen“. (S. 471 ff). Der Titel ist kritisch gemeint. Qualität von Gottesdienst und Predigt kann eben nicht, so Knüppel (wie Huber und seine Nachbeter dauernd meinten) „gemessen“ und dann bewertet und entsprechend weiterentwickelt werden, sondern sie hängt von der Haltung und inneren Einstellung des Predigers ab, von seinem /ihren „sensiblen Gespür für Personen und Situationen.“ Daher legt Knüppel nahe, auf den Begriff „Qualitätsentwicklung besser zu verzichten. Am Ende stellt Knüppel einen wichtigen /(man könnte fast sagen typisch braunschweigisch problematischen) Zusammenhang zwischen Lernbereitschaft und Organisationskultur her. Er fragt: „Ist diese aufbauend, solidarisch, Vertrauen schaffend oder wird sie durch Konkurrenz, Misstrauen und Angst bestimmt? Geschieht hier Feedback in Gegenseitigkeit oder ist es ein Herrschaftsakt der einen über die andern?“

* Am 14. Dezember wird Jürgen Brzoska 60 Jahre. Er ist seit 1994 Pfarrer in Frellstedt, Wolsdorf und wird im, Januar aus Gesundheitsgründen in den vorzeitigen Ruhestand gehen. Er war vorher im Predigerseminar tätig und davor in Salzgitter-Nikolai. Ich fand es schade, dass die Landeskirche seine beträchtliche theologische Kompetenz so wenig abrufen konnte. Brzoska ist Arno Schmidt-Fan und verfügt über einen unterhaltsamen, trockenen Witz.

* Schöningen geht schwierigen Zeiten entgegen, denn Sebastian Fitzke, erst seit zwei Jahren an der St. Vincenzkirche, geht weg und hat sich um eine Pfarrstelle in Salzgitter-Lebenstedt beworben. Vincenz ist eine wunderschöne Predigtkirche, hat eine berühmte Orgel, und der Organist Leidler veranstaltet im November repräsentative, sehr gut auch von außerhalb besuchte Orgelkonzerte mit einem zuverlässigen Sponsorenkreis. Der Alterszuschnitt der städtischen Bevölkerung ist sehr hoch. Altenarbeit also wäre angesagt, aber in Konkurrenz mit anderen Gruppen (AWO, Feuerwehr u.a.) die sich ebenfalls der Altenarbeit widmen. Aber die Zusammenarbeit zwischen Pfarrer und Kirchenvorstand funktionierte nicht, und der Nachbarpfarrer Peter Hennig von St. Lorenz, 63 Jahre, verlässt Schöningen ebenfalls, allerdings in den Ruhestand. Lorenz und Vincenz haben zusammen 4.300 Gemeindemitglieder. Der Lorenznachbarpfarrer Giesecke in Hoiersdorf nimmt 2011 ein Sabbathjahr. Da entsteht ein Loch.
Wie es auch schon längere Zeit in Helmstedt entstanden ist. Marienberg, Michaelis (zusammen 3.000 Gemeindemitglieder) vakant und mit einer ulkigen Quartiersregelung (drei halbe Stellen) nicht zu stopfen. Die Gemeindemitglieder brauchen vor Ort eine Bezugsperson, was nicht unbedingt eine Pastorin, ein Pfarrer sein muss. Der Propst Detlef Gottwald lässt die Pfarrerschaf in Ruhe, was angenehm wirkt, aber es gehen auch wenige Impulse von ihm aus. Nach Marienberg geht zum 1. Januar die Pfarrerin auf Probe Lene Stark, bisher Timmerlah, ihr Mann füllt eine Lücke in der krankheitsgeschüttelten Propstei Vorsfelde, jeweils eine ganze Stelle.

* Im Pfarrerblatt Nr. 11 hat Pfarrer Eckhard Etzold unter der Überschrift „Aus dem Dienst herausgerissen. Vom Seelsorger zum Krebspatienten“ sehr detailliert aus seiner Krankengeschichte in seiner religiösen Dimension berichtet. Es ist ein Bericht, den er im Juni d. J. schon in der NDR Kultur Reihe Glaubenssachen“ veröffentlichte.


Von Büchern

Helmut Liersch und Jürgen Dittrich, Kreisoberpfarrer des Harzer Kirchenkreises Ballenstedt haben „Gotteshäuser – aufgeschlossen für Entdeckungen“ als „Harzkirchenreise“ herausgegeben, 128 Seiten, sehr zahlreichen Abbildungen von Harzkirchen, 7,50 €, ein praktischer, informativer Reisebegleiter, mit Karte und mit Platz für Notizen aus eigenen Beobachtungen. Eine Kooperation von vier Landeskirchen, drei verschiedene Bundesländern, ein erfrischendes Beispiel gelingender Kooperation durch Initiative Einzelner.

* Unter dem Titel „Wahrzeichen – Kirchen in der Propstei Braunschweig“ ist beim „Neujahrsempfang“ der Propstei (nämlich zum neuen Kirchenjahr) am 25.11. ein neues buntes Buch über die 32 Kirchengemeinden der Propstei Braunschweig vorgestellt worden. 159 Seiten, Texte von Wolfgang Juenke, Fotos von Erwin Grüner, 12,50 € im Buchhandel. Die Anordnung der Fotos erfolgt nicht chronologisch von der Ältesten zur Jüngsten), auch nicht räumlich (von den Innenstadtkirchen zu den Vorstadtkirchen) sondern witzigerweise alphabetisch. Ulrici also hinten, Bugenhagenkirche vorne. Die Bilder sind sehr sehr edel, auf die Dauer ermüdend edel. Die Propstei Braunschweig hat heute 78.00 Gemeindemitglieder. Und die Zahl schrumpft weiter. Wer sich nun eine der vielen Kirchen ansehen will und nach einer Adresse der Gemeinde sucht, sucht vergeblich. Das vordringliche Interesse des Bandes ist die architektonische Massivität der Kirchengebäude, nicht die Kirchengemeinde, ihre Mitglieder und Mitarbeiter. Nicht jene, die für die Wahrheit zeugen und zeugen sollen. Auch nicht die Öffnungszeiten.
„Wahrzeichen“ ist der anspruchsvolle Titel. Sind die weithin bemerkbaren Kirchentürme wirklich Wahrzeichen, oder nach oben gereckte mager gewordene Arme? Es soll nicht problematisiert werden in diesem Band – na gut, aber wo denn? Etwa in der Propsteisynode? Fehlanzeige! Die tollen Innenstadtkirchen stehen in einem schreienden Gegensatz zu der Tatsache, dass es z.B. an Martini und Katharinen keine Frauenhilfen mehr gibt oder andere Frauenarbeit, anderswo vielleicht auch noch; dass die Riesenräume in keinem Verhältnis zur Gottesdienstbesucherzahl stehen, dass überhaupt Gemeindegruppen kaum vorhanden sind, dass die massiven Kirchen umgeben sind von einer mehrheitlich nicht evangelischen Bevölkerung. Ja gut, gut, das sollte nicht das Thema sein, aber wer eine solche anspruchsvolle Überschrift wählt –„Wahrzeichen“ – muss sich die Frage gefallen lassen : ist es nun die nackte Tatsache des Vorhandenseins der Kirchentürme oder der Kirchengebäude, die die „Wahrheit zeigen“?
Vielleicht kommt der Fußgänger auch der Wahrheit auf die Spur, wenn er eine der vielen früher kirchlichen Friedhöfe, die jetzt von der Stadt übernommen und hergerichtet wurden, besucht und sich dort niederlässt. Wer zur Jakobkirche fährt, kommt an solchen schönen Grünflächen, die geruhsame Stille mitten in der Stadt vermitteln, vorbei. Vielleicht gibt es dazu mal einen Extraband: „Süße Stille, sanfte Quelle heiterer Gelassenheit“.


Aus der Landessynode

In der BZ war es über die Novembersynode so zu lesen: Jetzt geht’s los. Mit dem Millionensparen in der Landeskirche und mit dem Stellenstreichen. Im Jahr 2020 nur noch 170 Pfarrstellen (heute 220), die Zuschüsse zum Diakonischen Werk halbiert, ebenfalls für die Frauenhilfe. O Schreck lass nach!
Zunächst: die Nachricht in der BZ war provokant platziert. Links dreispaltig über das merkwürdige neue Buch des römischen Papstes Benedikt mit dem Porträt desselben wie er wirklich ist: verklemmt, mißtrauisch, hochgezogene Schultern, ängstlich. Gut getroffen. Die ZEIT widmete dem Bild eine ganze Seite. Daneben einspaltig die alarmierend aufgemachten Nachrichten aus der Novembersynode. Das ist Redaktionssache und Redaktionsgeschmack. Eben zwei christliche Kirchen – kann man in einem Abwasch abmachen, werden sie sich gedacht haben.

Was steht auf den 19 Seiten des Papiers unter dem Titel „Grundlage für eine synodale Beratung auf Vorschlag von Kirchenregierung und Kollegium zur zukünftigen Prioritätensetzung des Ev.-luth. Landeskirche in Braunschweig“?

* Ein Leitgedanke heißt „Dezentralisierung“. Davon ist seit 20 Jahren die Rede, Absichtserklärung der Kirchenleitung ohne durchgreifende Folgen.
So fallen denn auch hier die Widersprüche auf.
Ich nenne nur zwei Beispiele:
Einerseits Dezentralisierung - andrerseits eine Akademie als Theologisches Zentrum einzurichten, ist widersprüchlich. Wir haben 13 kleine theologische Zentren, in denen theologisch nachgedacht und umgesetzt werden könnte, nämlich die monatlichen Amtskonferenzen vor Ort. Diese sollten die theologischen Zentren sein. Dazu werden diese offenbar nicht genutzt. Sie ersticken in Verwaltungsgerangel anstatt die nächste Predigt vorzubereiten und theologisch darüber nachzudenken, warum die Füchse zwar Gruben und die Vögel unter dem Himmel Nester, aber der Menschensohn nicht hat, wo er sein Haupt hinlegt, die Landeskirche jedoch in der Nachfolge dieses Menschensohnes 390 Dorf- und Stadtkirchen vorhält, wo die Christinnen und Christen gelegentlich ihr müdes Glaubenshaupt betten.
Es wäre billiger, wenn Pröpste, Kollegiumsmitglieder, der Direktor des Predigerseminars akademische Anregungen in die Amtskonferenzen geben würden. Das ist auch der Ort der Umsetzungen und des Austausches. Die Erfahrung lehrt: die Pfarrerschaft nimmt die zentrale Akademie nicht an. Überall Beauftragte zu benennen anstatt bestehende Einrichtungen zu beleben, ist m.E. der verkehrte Weg.
Die Akademie ist ein Papiertiger und eine Kopfgeburt, die abgetrieben werden sollte. Stattdessen: das schöne ehrwürdige vielsagende einladende Wort: Predigerseminar.

Es ist in diesem Zusammenhang widersprüchlich, die bisher unter Babke stehende Leitung der Akademie in das theologische Zentrum zu verlagern. Das ist Zentralisierung und nicht Dezentralisierung.
Text des Papiers: „Das Theologische Zentrum besteht fort und wird bis auf weiteres an seinem bisherigen Standort fortentwickelt und..mit dem Arbeitsbereich für Religionspädagogik zusammengeführt“(S. 16).

Immerhin kann Babke sehenswerte religionspädagogische Kongresse vorweisen, zuletzt jetzt Anfang Oktober, drei Tage auf dem Hessenkopf, 13 auswärtige Referenten aus ganz Deutschland, knapp 100 Teilnehmer aus ganz Niedersachsen, Thema: Zukunftsfähige Schule, mit dem Leitgedanken, dass sich auch der Religionsunterricht in Zukunft mit der Schule verändern wird. Babke ist 59 Jahre und wird weiterhin Kongresse im Herbst veranstalten. Da wäre eine Verlagerung in ein ominöses theologisches Zentrum nach Braunschweig eine bedeutende Verschlechterung.

Ein anderer Widerspruch besteht in der Frage der künftigen Rolle der Baupflegestiftung. Einerseits sollen Bauaufgaben an die Kirchenvorstände delegiert werden, andrerseits soll
der Vorstand der Baupflegestiftung entscheiden, ob und welche kirchlichen Gebäude abgegeben oder abgerissen werden (S. 18: „wird im Vorstand der Baupflegestiftung entschieden, welche Gebäude noch unterstützt werden sollen“). Was nun? Pflegevorstand oder Kirchenvorstand? Die Baupflegestiftung war ein leicht lenkbares und die Kirchengemeinden erpressendes Instrument in der Hand von Dr. Fischer gewesen, der die landeskirchlichen Baurücklagen in diese Stiftung verlagerte, sich selber zum Vorsitzenden dieser Stiftung machte und die Ausgaben der Synode entzog. Das ist x mal geschildert worden. Aber die Synode hat nicht mal dafür gesorgt, dass sie wenigstens die Mehrheit in dieser sog. Stiftung hat, die nichts weiter ist, als eine verdeckte Rücklage in der Hand des Ref. IV. Also keine Reform! Eine Versteinerung der bestehende miesen Verhältnisse.

Soll die Verantwortlichkeit für Kirche und Pfarrhaus in den Landgemeinden nun wirklich in die Kirchenvorstände delegiert werden? Ha ha, dann darf die Bauabteilung nicht mehr aufkreuzen, wenn der Kirchenvorstand eine Regenrinne reparieren will, und diktatorisch Aufträge an Firmen vergeben, die weit weg sind und denen sie womöglich verpflichtet sind. Jahrzehntelang wurden Kirchenuhren von begabten Handwerkern vor Ort gewartet. Dann kam ein Herr vom Baureferat, verwirrte die Ehrenamtlichen mit Gesetzen und Paragrafen und entzog ihnen die Freude an der Mitarbeit und machte alles teurer. Die schöngeistigen Vorschläge der Kirchenregierung sind dann erst etwas wert, wenn die Kirchenvorstände schwarz auf weiß ein Papier in der Hand haben, wonach das Baureferat ihnen nicht mehr dazwischenfunken kann, und das sie im Ernstfall den abgesandten „Helfern“ des Baureferat vor die Nase halten können. Es gibt sehr viele Beispiel von verprellten verantwortlichen kirchlichen Mitarbeitern, die nun keine Lust mehr haben, an ihrer Kirche mitzuarbeiten. Da ist ein Vertrauensverhältnis auch nicht mehr fix wieder herzustellen. Im ganzen Papier fehlt ein Wort der Selbstkritik.

„Kirchen sollen möglichst nicht aufgegeben werden“ heißt es im Papier (S. 18). „Möglichst“ heißt, wenn die Möglichkeiten zur Unterhaltung nicht mehr aufzutreiben sind, müssen die Kirchenfenster vernagelt werden. Ist das richtig verstanden? Warum wird diese Möglichkeit in der Landessynode nicht debattiert? Und zwar unter Berücksichtigung der erfreulichen Beispiele:
Es gibt Beispiele auf den Dörfern, wo die Kirchenvorstände ihre Pfarrhäuser verkaufen, die Kirchen mit Hilfe des Baureferates verkleinern und dort den nötigen Gemeinderaum noch schaffen.
Längst fällig ist, dass in allen kleineren Kirchengemeinden bis 800 Mitgliedern Fördervereine zum Erhalt der Dorfkirchen geschaffen werden, wie es in der provinzsächsischen Landeskirche längst passiert. Nicht nur die Turmuhren sind Besitz der ganzen christlichen und nichtkirchlichen Dorfbevölkerung, sondern die ganze Kirche. Mit dieser Bewusstseinsbildung kann nicht begonnen werden, wenn es zu spät ist, sondern umgehend.
Dass Woche für Woche in diesen Dorfkirchen das Sonntagsevangelium gelesen werden sollte, haben wir vielmals gesagt. Das hat OLKR Kollmar vollkommen verschlafen, das wäre seine Aufgabe gewesen.
Eine Erfolgsgeschichte ist der Verkauf von Pfarrhäusern auf dem Lande. Das hätte in diesem Papier beschrieben werden müssen. KvU trägt nach: seit dem Jahr 2000 sind etwas über 40 Pfarrhäuser verkauft worden. Man rechnet mit durchschnittlich fünf Pfarrhäusern pro Jahr. Beispiel aus den letzten 5 Jahren. Verkauft sind die Pfarrhäuser 2006 in Ingeleben, 2007 in Berklingen, Ostharingen, Oker, Schliestedt Bienrode, Rübeland: 2008: in Kreiensen, Tettenborn, 2009: Sudmerstraße Lebenstedt, Reppner, Hedeper, Uthmöden, Hahausen; 2010: Helmstedt (Michaelis), Langelsheim, Wolfenbüttel (Frankfurterstraße.)
Zu wieviel? Zwischen 80.000 – und 250.000. Zum jeweiligen Höchstpreis. Der Erlös verbleibt teils in der von Landeskirchenamt verwalteten sog. Pfarrpfründe, teils in der Kirchengemeinde.
Es gibt Bestrebungen, den Erlös ganz den Kirchengemeinden zu überlassen und die Zinsen jeweils in den kirchengemeindlichen Haushalt zu überführen. Das ist eine sehr gute Idee! Übrigens nichts Neues. Bengsch und Karius haben dafür im Finanzausschuss immer wieder vergeblich gekämpft.
Dieser Anreiz ist übrigens auch den Braunschweiger Stadtgemeinden gemacht worden. Wenn sie ihre überflüssigen Gemeindehäuser bis 2012 aufgeben, können sie den Erlös vollständig behalten! Das wäre eine Diskussion auf der Propsteisynode wohl wert gewesen. Aber die Synodalen wussten nicht einmal, welche Gemeindehäuser betroffen waren.

In Sachen Braunschweiger Kirchen:
Will denn ein Mensch ernsthaft behaupten, dass in der Braunschweiger Innenstadt die Katharinenkirche, Andreaskirche und Petrikirche, die jeweils 300 Meter Luftlinie voneinander entfernt liegen, in Zukunft zu halten sind?
Wir haben oft vorgeschlagen, in Andreas einen Bauförderverein aufzumachen, der Gemeinde zu Gottesdiensten den Chorraum und ein Drittel des mittleren Hauptschiffes zuzuweisen – das langt auch zu Weihnachten – und in die wunderschönen breiten Seitenschiffe und das hintere Mittelschiff eine Dauerausstellung über Braunschweiger Kirchengeschichte zu installieren. Dazu müssten aber die Referate in der Behörde zusammenarbeiten. Das eine stellt den Raumbedarf für die Gottesdienste fest, das Rechtsreferat schlägt der Synode vor, die uralten überholten Sonderrrechte der Innenstadtkirchenvorstände und die sinnwidrigen Gemeindegrenzen aus der Zeit von 1930 zu ändern, das Baureferat verkürzt den Raum auf den echten Bedarf und ein Baupflegeverein (den es wohl für den Turm schon gibt) sorgt sich für eine weitere Nutzung (Vorschlag siehe oben). Die Verhältnisse sind seit Jahrzehnten untragbar. Nichts geschieht.
Und darüber wird in der Landessynode nicht diskutiert.

Nachtrag: es soll in Braunschweig ein Drittel an Gemeindehäusern eingespart werden, (das ist nur eine Zielvorstellung der Behörde) gleichzeitig wird mit hohem Aufwand der Franziskussaal bei der Brüdernkirche hergerichtet. In der Katharinengemeinde steht der sehr schöne Gemeindesaal zur Verfügung. Was nun? Einsparen und rationell benutzen, oder Prestigeobjekte (Ref. II) betreiben?

* Transparenz der Finanzen ist ein weiteres Kapitel der Reformunwilligkeit. Jahr um Jahr haben wir im Finanzausschuss gebeten, dass Dr. Fischer uns die Rücklagen aller Kirchengemeinden nennt. Er hat sie uns immer verweigert. Das aber gehört zum Gesamtüberblick dazu. Das hat es übrigens früher bereits gegeben. Aber es gehörte zur Verschleierung der Finanzen der letzten Jahrzehnte, die Rücklagen der Gemeinden nicht zu benennen. Jüngstes Beispiel aus dem Finanzausschuss: Dreimal war Dr. Stempin im FA, aber er nannte niemals die Höhe der Rücklagen, obwohl er Jahr um Jahr zwei Mille aus den Kirchensteuermitteln kassierte. Das soll sich im übernächsten Jahr ändern. Nun werden die Zuwendungen gekürzt, viel zu spät, und die Meldepflicht ist von der Synode nicht eingeführt worden. Wer Geld aus den Kirchensteuern erhält, muss seine Finanzen absolut offen legen.
Und das gilt auch für die Kirchengemeinden, auch für die Braunschweiger Kirchengemeinden. Aber darüber schwiegen sich die Propsteisynodalen auf der Novembersynode aus.

* Frauenhilfe: Große Aufregung gab es, dass der Frauenhilfe der bisher sehr erhebliche Zuschuss gekürzt werden wird. Das ist längst fällig. Der Sündenfall der Frauenhilfe war, dass sie sich überhaupt unter die Fittiche der Kirchenbehörde begeben hat. Das war 19365/36 was ganz anderes, und hatte sich m.W. in der Nachkriegszeit auch wieder gelöst. Noch in den 60er Jahren holte sich die Frauenhilfe ein oder zwei Vertrauenspfarrer, das langte aber auch. Eine extra Pfarrstelle bei der Frauenhilfe einzurichten, war völlig daneben. Die Frauenhilfe sollte lernen, wieder ganz aus sich heraus zu arbeiten, völlig unabhängig, und soll lassen, was sie finanziell nicht stemmen kann. Es gibt bereits eine Reihe von Frauenhilfen, die sich vom Landesverband abgemeldet haben, weil ihnen die Beiträge zu hoch erscheinen. Warum eine besondere Stelle für Frauenarbeit eingerichtet werden soll, ist unklar.
Die Aufregungen könnten vermieden werden, wenn
die Vorschläge gemütlich und nachhaltig mit den Betroffenen besprochen würden. Viele Aufregungen in unserer Landeskirche sind Vermittlungsprobleme. Dafür haben wir eigentlich das Kollegium.

Etwas ganz anderes ist die Stelle einer Frauenbeauftragten, die abgeschafft worden ist, zum Schaden der Landeskirche.

Noch mehr von diesem Papier? Ich weiß nicht so recht. Was man sucht, findet man nicht, was man liest, ist nicht so eindrucksvoll, teils auch verwirrend, so z.B. die Feststellung über die Selbständigkeit der Landeskirche zum Eingang. Die ist absolut undiskutabel.


Vermischtes

* Am 27. Oktober und 10. November fand in der Königslutteraner Stiftskirche eine jedes Mal gut besuchte szenische Lesung zum Thema Adolf Quensen statt. Verfasst und inszeniert von Gilbert Holzgang, bekannt durch seine inszenierten zeitgeschichtlichen Themen zur NS Zeit, die mit großen Anklang in Braunschweig aufgeführt wurden. Diesmal also 19. Jahrhundert, aus dem gegebene Anlass, dass die Quensen-Malereien in der Stiftskirche Königslutter vom Staat in jahrelanger Arbeit aufgefrischt wurden. Nicht bloß die Stifskirche, sondern ca 150 Kirchen in der Landeskirche, der Dom in Bs, alle Stadtkirchen, x ländliche Kirchen sind von Quensen mit Heiligen, Vögeln, Pflanzen und Schablonenmalerei angefüllt worden. Die Zeit des Historismus. Hofmalerei, eng angelehnt an den Geschmack der Kaiserzeit. Es riecht nach Wilhelm II. In der Nachkriegszeit schwer verpönt, daher von der damaligen Bauabteilung übertüncht, heute wieder zu Ehren gekommen und wo es geht wieder restauriert. So sind die Zeitläufte des Schönen und Vergänglichen. Komplett und stilvoll kann man sich in diese Zeit in der Lehndorfer Kreuzkirche versetzen.

* In der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig läuft zur Zeit eine Vorlesungsreihe unter dem schönen Titel „Gastfreundschaft“. Jeden Dienstag 17.00 –19.00. 16 Referenten, meist aus dem eigenen Beritt, aber auch eine Reihe auswärtiger Gäste, die die Gastfreundschaft in Braunschweig erleben und erläutern. Themen u.a. * „Komm doch einfach vorbei“, „Über Asyl und Tischmanieren“ (am 8.2.), „Ein Kuss zwischen Aufenthaltsbefugnis und Ausreiseverbot“ (dazu könnte ich sogar was erzählen!) am 18.1., „Gastfeindschaft. Moderne Kunst in der Karikatur“ (am 1.2.). Unter den Referenten befindet sich auch Dieter Rammler (7.12.) „Die Tür steht offen, dass Herz noch mehr“, heißt sein Thema. In der nächsten Nummer vielleicht dazu mehr.

* Am 11. und 12. Februar ist im Predigerseminar ein ausgedehntes Gespräch über das dicke Geschichtsbuch „Von den Sachsen...“ mit dem Verfassern und mit weiteren Referenten geplant. Das endgültige Programm steht noch nicht fest. Vorgesehen ist es, dass Prof. Staats, der den Abschnitt über das Mittelalter bearbeitet hat, eine historische Novität vorstellt. Die gotische Bibel, der sog. Codex argenteus, der im schwedischen Uppsala aufbewahrt wird, soll die längste Zeit bis 1547 in Helmstedt aufbewahrt worden sein. Die Gründe dafür hat Staats in einem Aufsatz „Das gotische „Silberevangeliar“ von Helmstedt“ im Heft 2 des Altstadt-Kurier S. 15-19 ausgebreitet. Staats ist überhaupt für manche Überraschung gut. So zweifelt er das bisher überlieferte Geburtsdatum Luthers an und hat in der Heintzefestschrift auch die Strophenanordnung von „Ein feste Burg“ mit Gründen angezweifelt.
Man kann nur hoffen, dass die Teilnehmer gut präpariert und belesen am 11. Februar kommen und Fragen stellen. Vorgesehen ist, dass unter Leitung von Domprediger Hempel die Fragesteller ihre Anregungen und Fragen an den Geschichtsschmöker los werden.

* Die von Gabriele Canstein beschriebene Ausstellung über die Kunstschätze Afghanistans in Bonn ist bis Januar verlängert worden. Endlich mal was anderes über dieses von den Großmächten geschundene Land..




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