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Gedanken zum Epiphaniasfest
von Gerhard Hinrichs
(Download als pdf hier)
Es ist bekannt: Der 6. Januar trägt in der evangelischen Kirche den Namen „Epiphanias“, in der katholischen Kirche heißt er „Dreikönigsfest“. Freilich muss diese Bemerkung schon wieder eingeschränkt werden; denn sowohl im offiziellen katholischen Gesangbuch, dem „Gotteslob“, wie auch im alten und neuen Schott ist vom „Erscheinungsfest“ die Rede. Aber im Volksmund bleibt der 6. Januar der „Dreikönigstag“. Wer kann sich außer den Theologen auch etwas unter „Epiphaniasfest“ vorstellen; und wer weiß denn schon, was mit „Erscheinungsfest“ gemeint ist. Man frage einmal bei den Konfirmanden nach! Unter „Tag der Heiligen drei Könige“ kann jeder sich etwas vorstellen und ich beneide die katholische Kirche um die Einrichtung der „Sternsinger“, die nach dem 6. Januar von Haus zu Haus gehen, ihre Dreikönigslieder singen, ihr C+M+B mit Kreide über die Haustüren schreiben und Gaben für die 3. Welt erbitten.
Ich weiß es ja, dass bei dem Evangelisten nichts von Königen steht und die Dreizahl ist auch nicht erwähnt. Aber ich denke mir, dass diese Veränderung ihren guten theologischen Sinn hat.
Die Dreizahl – Matthäus erwähnt keine Zahl, es können zwei, es können aber auch zwanzig „Weise“ gewesen sein, hat man ja sehr frühzeitig schon aus den mitgebrachten Gaben erschlossen: Gold, Weihrauch, Myrrhe. Und dass es Könige gewesen seien, ist aus dem Introitus des Tages (Psalm 72) in die Erzählung des Matthäus hineingeraten: „Die Könige zu Tharsis und auf den Inseln werden Geschenke bringen. Die Könige aus Reicharabien und Seba werden Gaben zuführen.“ Bei der Aufstellung unserer Weihnachtskrippen in den Kirchen sind wir ja auch nicht so textgenau. Ich jedenfalls habe in einer evangelischen Weihnachtskrippe noch nie „Weise“ gesehen. Immer kommen da die drei Könige anmarschiert. Und das hat schließlich auch seinen guten Sinn: Es gab zu damaliger Zeit nur drei Erdteile: Europa, Asien und Afrika. Und auf den bildlichen Darstellungen seit dem frühen 14. Jahrhundert wird auch tatsächlich einer der drei Könige als Mohr dargestellt. Da die Könige aber ihr gesamtes Reich repräsentieren, kommt mit den Königen zugleich immer die gesamte Bevölkerung des Erdteiles, um in Jesus dem einzig wahren Messias zu huldigen. Was für eine grandiose eschatologische Perspektive: Sozusagen eine Vorwegnahme des Jüngsten Tages! Und da lassen sich dann auch die Geschenke prächtig verteilen: Natürlich bringt der reiche Kapitalisteneuropäer sein Gold. Den Asiaten kennzeichnet Weisheit und Mystik, er bringt also den Weihrauch. Und der arme Afrikaner? Er wird seit der Römerzeit bis heute versklavt und ausgebeutet. Er bringt mit der Myrrhe sein ganzes, unaussprechliches Leid.
Und das C+M+B? Natürlich ist die Umdeutung in „Christus mansionem benedicat“ aufgeklärter Quatsch. Mit den drei Buchstaben C+M+B sind natürlich die Namen der drei Könige gemeint und da spielt die Zahlensymbolik eine Rolle. Im Griechischen gibt es kein „C“, nur ein „K“ für Kaspar. Und wenn ich mir nun diese drei Buchstaben im griechischen Alphabet ansehe, steht das „B“ an zweiter, das „K“ an zehnter und das „M“ an zwölfter Stelle. Addiere ich die Zahlen kommt eben „vierundzwanzig“ heraus – und das ist die doppelte Zahl der Vollkommenheit. Sie werden eben alle, alle kommen. Noch einmal Psalm 72: Alle Könige werden ihn anbeten. Alle Heiden werden ihm dienen. Das ist nun wirklich kein Triumphalismus, das ist zitternde Hoffnung. Und sehen Sie sich die Bilder der Maler ruhig an. Da repräsentieren die Könige nicht nur die drei Erdteile, sondern auch die drei Lebensalter. Und immer kniet der Älteste, hat seine Krone abgelegt und berührt bereits mit seinen Händen die Füße des Kindes, der mittelalterliche König nimmt schon seine Krone ab, nur der jüngste König, er ist zwar auch gekommen, behält aber noch seine Krone auf und ist dem Kind mehr abgewandt als zugewandt. Ich weiß es ja, was die evangelische Kirche über die Bedeutung von Schrift und Tradition lehrt. Aber manchmal freue ich mich doch, wie die Tradition eine biblische Erzählung hilfreich ergänzt.
Wie kommt es nur, dass unsere Kirche dieses Fest so vernachlässigt hat? Der 6. Januar hatte in der alten Kirche wegen seiner Bedeutung als einziges Fest im gesamten Kirchenjahr drei Evangelien! Es wurden verlesen die Evangelien von den Weisen aus dem Morgenland, von der Taufe Jesu und von der Hochzeit zu Kana. Heute hat man die Taufe Jesu auf den ersten Sonntag nach Epiphanias und die Hochzeit zu Kana auf den zweiten Sonntag nach Epiphanias verlegt. Und da der 6. Januar in der Regel auf einen Werktag fällt, kommen die Weisen aus dem Morgenland nur in jedem siebten Jahr zu Gehör. In meinem Elternhaus spielte der 6. Januar keine Rolle. Der Weihnachtsbaum blieb bis zum 7. Januar stehen und wurde an dem Tag abgesungen, weil meine Schwester am 7. Januar Geburtstag hatte. So wurden in einem Pfarrhaus die Gewichte verteilt. Und noch schlimmer: In dem Gesangbuch für die evangelisch-lutherischen Gemeinden des Herzogtums Oldenburg, 19. Auflage von 1895, werden unter der Rubrik III.Festlieder, aufgezählt: 1. Advent 2. Weihnachten 3. Neujahr 4. Passion. Epiphanias findet nicht statt.
Ich weiß es ja nicht, in wie vielen oder besser in wie wenigen evangelischen Kirchen der Braunschweigischen Landeskirche am Donnerstag, dem 6. Januar 2011, Gottesdienste stattfinden. Ich weiß nur, dass ich damals an jedem 6. Januar, sofern dieser Tag auf einen Werktag fiel, einen Abendgottesdienst anbot und der Gemeinde manchmal sagte, jedes weltliche Fest ende in der Regel mit einem großartigen Feuerwerk. Und das Feuerwerk, das das christliche Weihnachtsfest beende, sei die Erzählung von den Weisen oder von der Anbetung der Könige.
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