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[Kirche von Unten]

Alternatives aus der/ für die
Braunschweiger Landeskirche

Kirche von Unten Nr. 132 - Dezember 2010


Bericht des Vorsitzenden zur Mitgliederversammlung
des Braunschweigischen Pfarrerinnen- und Pfarrervereins e.V.
am 15. November 2010

von Martin Senftleben
(Download als pdf hier)

Liebe Mitglieder,

Nun geht es wohl doch ans Eingemachte. Der Haushalt muss bis 2012 wieder ausgeglichen sein, die Vorschläge der Arbeitsgruppe reichen aber nicht weit genug. Wo wird gekürzt werden? Alle Arbeitsbereiche unserer Landeskirche stehen zur Prüfung an, und es wird nach den zu setzenden Prioritäten gefragt.
Endlich, könnte man sagen. Denn an vielen Stellen gibt es Doppelstrukturen, und bei Manchem fragt man sich, ob wir als relativ kleine Kirche eine so große Aufgabe wirklich auch noch schultern müssen.
Der Denkprozess ist im Gang und wird hoffentlich zu guten Ergebnissen führen. Wir wollen dem nicht im Wege stehen, haben aber natürlich auch etwas zu dem Prozess zu sagen und beizutragen.

Doch zunächst die Vereinsinterna:


Vorstand

Im vorigen Jahr schon wurde der Vorstand erweitert, indem wir die Pfarrerin im Probedienst Christina Sindermann berufen haben. Sie repräsentiert die jüngere Pfarrerschaft und erhöht zugleich den Frauenanteil im Vorstand, was uns angesichts der Entwicklung in der Pfarrerschaft wichtig ist. Wir freuen uns, dass sie die Berufung angenommen hat, und ich bitte um Entschuldigung, dass ich davon nicht schon in der letzten Mitgliederversammlung berichtet habe.
Der Vorstand muss zum 1.1.2012 neu gewählt werden, d.h. in der nächsten Mitgliederversammlung werden die Wahlen durchgeführt. Ich bitte schon jetzt um Nominierungen von Kandidat(inn)en, wobei wir besonderen Wert darauf legen, dass jüngere Kolleg(inn)en vorgeschlagen werden. Man kann sich auch selbst nominieren; wenn man nicht sich selbst vorschlägt, sollte natürlich das Einverständnis der genannten Person zur Kandidatur vorliegen.


Emerititagung

Die Emerititagung vom 1.-3. November zu Philipp Melanchthon war mit 45 Gästen wieder ein guter Erfolg, diesmal im Kloster Drübeck. Das Ambiente hat den Emeriti sehr gut gefallen, so dass die nächste Tagung auch wieder dort stattfinden wird. Wir haben im Vergleich zum Vorjahr auch geringfügig sparen können, müssen aber dennoch als veranstaltender Verein die Tagung mit 2536,70 Euro bezuschussen. Die Landeskirche hat in ihrem Haushalt für dieses Jahr nur 200 Euro eingestellt. Wir haben gegen dieses deutliche Zeichen der Geringschätzung sowohl der Emeriti als auch der Arbeit des BPPV protestiert, ob der Protest erfolgreich war, wird sich zeigen. Immerhin hat das Theologische Zentrum die Hälfte des Referentenhonorars, das sind 250,- €, übernommen. Ein herzliches Dankeschön geht an Br. Kühner, der seit einigen Jahren die Emerititagungen organisiert.


Kalender und Verzeichnis

Auch dieses Jahr haben wir das Verzeichnis herausgegeben. Leider haben sich einige Fehler eingeschlichen, die wir für die nächste Ausgabe berücksichtigen werden. Es ist eine enorme Arbeit, das Verzeichnis auf dem Laufenden zu halten. Wir sind dazu auf die Hilfe der Mitglieder angewiesen. Wann immer Änderungen bekannt werden, sollten diese direkt an uns übermittelt werden. An dieser Stelle sei Hagen Rautmann für seine Arbeit in diesem Bereich herzlich gedankt.
Der Versand erfolgte etwas früher als im Vorjahr, vielleicht gelingt es uns im nächsten Jahr noch früher.
Dabei ist manchen sicher die Farbe aufgefallen. Auch wenn die Farben der früheren Ausgaben nicht immer schön waren, so halfen sie doch, sofort zu erkennen, welches Jahr in dem Kalender zu finden ist. Damit ist nun offensichtlich Schluss: das sogenannte „Corporate Design“ gebietet eine stetige Verwendung der gleichen Farben.


Mitgliederentwicklung

Im Jahr des Berichtszeitraums sind, wie vorhin schon genannt, acht Mitglieder verstorben:

  • Ute Herrmann
  • Hartmut Padel
  • Adolf Nebel
  • Rolf May
  • Friedrich Wagnitz
  • Eberhard Borrmann
  • Hans-Joachim Berger
  • Werner Borchert
Dazu kommen zwei Austritte, einer davon aus Gesundheitsgründen, die zum Jahresende wirksam werden. Als neue Mitglieder können wir drei Personen begrüßen.
Die Mitgliederzahl beläuft sich zur Zeit auf 299, davon sind 201 im aktiven Dienst, 98 Emeriti.
Bitte werben Sie für den BPPV. Es lohnt sich, Mitglied im BPPV zu sein. Nicht nur, dass wir uns stark machen für die Belange unseres Berufsstandes. Monatlich gibt es das Deutsche Pfarrerblatt mit lesenswerten Artikeln, Predigthilfen und manchen Informationen aus der kirchlichen Landschaft, die vor allem für uns interessant sind. Dazu wird der Pfarramtskalender an die Mitglieder kostenlos abgegeben. Alles zusammen kostet, wenn man es sich ohne die Mitgliedschaft bestellt, deutlich mehr als der Mitgliedsbeitrag. Dazu können über die Lutherische Hilfskasse die Mitglieder finanzielle Hilfe in Anspruch nehmen in verschiedenen Situationen. Die Zuschüsse zur Emerititagung wurden bereits erwähnt – Mitglieder bezahlen einen deutlich niedrigeren Teilnehmerbeitrag als Nicht-Mitglieder. Auch für den Besuch des Deutschen Pfarrerinnen- und Pfarrertages zahlt der BPPV auf Antrag einen Zuschuss in Höhe von 50 Euro.


Braunschweigischer Pfarrerinnen- und Pfarrertag (BPPT)

Im Jahr 2009 war der BPPT unter dem Thema „Zukunft der Kirche – Ende der Gemeinde?“ mit 40 Personen nicht so gut besucht wie im Vorjahr, der prozentuale Anteil der aktiven Pfarrer/innen war mit fast 70% allerdings ähnlich hoch.
In diesem Jahr findet kein BPPT statt, da es immer wieder Klagen gab, der November sei im Blick auf die Arbeitshäufung in dieser Zeit ein denkbar ungünstiger Monat. So haben wir den BPPT in eine andere Jahreszeit verlegt, die hoffentlich nicht so belastet ist. Er wird am 28. Februar 2011 stattfinden.


Unsere Landeskirche – aus unserer Sicht

Der Reformprozess ist in vollem Gang, die Synode wird über einen Vorschlag der sogenannten Gruppe 2012 beraten, der eine Einsparung von rund 3,5 Millionen Euro nach sich ziehen wird – rd. 50% der Zielvorgabe. Bis 2012 soll der Haushalt wieder ausgeglichen sein – ohne Rücklagenentnahme. Aber wo kann man sparen?
Zunächst soll der Finanzausgleich vereinfacht werden. Wo hier das Einsparpotenzial liegt, ist zwar nicht ganz klar, aber das wird sich vielleicht noch zeigen.
Dann soll die Zusammenlegung von Gemeinden gefördert werden, um Kontinuität im Bereich der Pfarrstellen zu gewährleisten.
Im Landeskirchenamt sollen die Stellen um 20% reduziert werden, indem Doppelstrukturen abgebaut werden.
Auch die Gemeindepfarrstellen sollen bis 2020 um rd. 40 reduziert werden. Es ist natürlich fraglich, was konkret gemeint ist. Geht es um die Zahl der Pfarrer/innen, dann wird dieses Ziel sicher erreicht: Bis Ende 2019 gehen 60 Pfarrer/innen in den Ruhestand. Dass in den Jahren mehr als 20 neue Pfarrer/innen eingestellt werden, ist eher unwahrscheinlich, weil bei einem derzeitigen Studierendenstand von 46 und einer errechneten Aussteigerquote von über 50% nicht mehr Studierende zur Verfügung stehen.
Die Schwankungen beim Eintritt ins Vikariat verbieten eine weitere Beschränkung der Zahl der zu übernehmenden Vikare/Vikarinnen. Beispiel: In diesem Jahr ist nur ein Vikar in den Probedienst übernommen worden. Für das zweite Examen stehen in diesem und im nächsten Jahr vier Kandidat(inn)en zur Verfügung. In diesem Jahr ist aber nur eine Studentin in das Vikariat aufgenommen worden, so dass in vier Jahren maximal 10 Personen in den Pfarrdienst übernommen werden können, wobei auch fraglich ist, ob tatsächlich alle das zweite Examen gut genug bestehen.
Der Vorschlag sieht allerdings vor, das Vikariat auch für Bewerber/innen aus anderen Landeskirchen zu öffnen, um dem zu erwartenden massiven Pfarrerschwund durch Pensionierungen ab 2020 (bis 2030 gehen fast 160 Pfarrer/innen in den Ruhestand) zu begegnen.
Rein rechnerisch gehen lt. Pfarrstellenbewertungsplan jährlich rd. 2-3 Pfarrstellen durch Gemeindegliederverlust verloren. Wenn man dies in Korrelation zur Reduzierung der Zahl von Pfarrer(inne)n stellt, erkennt man schnell, dass diese Entwicklung nur durch Vergrößerung der Zahl der Gemeindeglieder pro Pfarrstelle aufgefangen werden kann.
Allerdings ist an dieser Stelle auch zu bedenken, dass natürlich ein Teil der in Ruhestand gehenden Pfarrer/innen in übergemeindlichen Diensten tätig sind. Auch diese Stellen sollen weiter reduziert werden entsprechend der Reduzierung der Pfarrstellen, sofern sie nicht refinanziert werden. Der Vorschlag sieht eine Reduzierung bis 2020 um 14 übergemeindliche Pfarrstellen vor, d.h. es gäbe dann 2020 nur noch 41,5 solcher Pfarrstellen.
Auch die Diakon(inn)enstellen sollen reduziert werden auf ein Verhältnis 6:1 zu den Pfarrstellen (d.h.: 33 Stellen). Es soll ein sofortiger Einstellungsstopp erfolgen.
Weitere Einsparungen sind am Diakonischen Werk, beim Theologischen Zentrum mit Pastoralkolleg, ARPM und der Fachberatung Kindertagesstätten, der Evangelischen Familienbildung sowie der Frauenhilfe vorgesehen.
Inwieweit die Synode diese Vorschläge aufnimmt oder verändert, werden wir wohl bald erfahren.


Die Situation der Pfarrerinnen und Pfarrer in unserer Landeskirche

Arbeitsbelastung

Dass solche Entwicklungen nicht spurlos an der Pfarrerschaft vorübergehen, ist klar. Immer größere Unsicherheit herrscht darüber, was man tun muss und was man lassen kann. Nicht immer gelingt es, eine gute Balance zwischen Dienst und Privatleben zu halten. Die Anforderungen steigen auch dadurch, dass zunehmend von der Notwendigkeit gesprochen wird, die Qualität pfarramtlicher Arbeit müsse angehoben werden. Denn das suggeriert andererseits, dass die Arbeit der Pfarrer/innen nicht gut genug ist. Da aber Pfarrer/innen in der Regel an ihre eigene Arbeit hohe Ansprüche stellen, wollen sie diesen Makel nicht auf sich sitzen lassen und investieren daher noch mehr Zeit und Kraft in die Arbeit. Darüber geht manche Ehe in die Brüche. Und immer wieder kommt es zur Arbeitsüberlastung, zum sogenannten Burn-Out-Syndrom.


Vakanzen

Dazu trägt auch die relativ hohe Zahl der Vakanzen bei, die nicht so belastend wäre, wenn die Vakanzen gleichmäßiger über die Propsteien verteilt wären oder nur eine begrenzte Zeit andauern würden. Dem ist aber nicht so. Manche Vakanzen dauern über ein Jahr, einige sogar über zwei Jahre.
Man kann hier natürlich auch die Pfarrerschaft fragen: warum gibt es so wenig Bereitschaft, sich zu verändern und auf eine andere Pfarrstelle zu bewerben?
Auch dafür gibt es gute Gründe: Manche Vakanz steht auf der Kippe zwischen ganzer und dreiviertel Pfarrstelle. Niemand wird sich auf eine Pfarrstelle bewerben, wenn damit zu rechnen ist, dass nach wenigen Jahren die Stelle auf 75% reduziert wird, und damit, wie inzwischen üblich, die Aufforderung zum Stellenwechsel zu erwarten ist. Im Rahmen der Reformen ist die Aussicht auf einen Zusatzauftrag auf ein Minimum gesunken, so dass am Ende die Versetzung ansteht. Es gibt also keine Planungssicherheit, noch nicht einmal für die kommenden 10 Jahre.
Natürlich spielen auch äußere Faktoren eine Rolle. Für Familien mit Kindern sind Pfarrstellen im ländlichen Bereich nur eingeschränkt sinnvoll. Die zusätzlichen Kosten, die für den Schulbesuch und vielleicht auch für andere Aktivitäten im weiter entfernt gelegenen Ort aufgebracht werden müssen, belasten den eigenen Haushalt nicht unerheblich.
Nicht selten ist auch der Beruf des Ehepartners oder der Ehepartnerin ein Hinderungsgrund. Angesichts der in den letzten Jahren insgesamt deutlich zurückgegangenen Gehälter, der stark gekürzten Pensionen und auch der gesellschaftlichen Situation ist es nicht mehr möglich, zu fordern, dass die Ehepartnerin oder der Ehepartner auf eine erwerbsmäßige Tätigkeit verzichten. Oft ist aber die Nähe zum Arbeitsplatz notwendig – genauso wie im Pfarrberuf, wo die Residenzpflicht nach wie vor Bestand hat.
Auch die älteren Pfarrhäuser sind häufig in einem Zustand, der das Wohnen im Blick auf die Betriebskosten nahezu unmöglich macht.


Schönheitsreparaturenpauschale

Die Schönheitsreparaturenpauschale (SRP) bleibt ein Dorn im Auge. Sie erscheint ungerecht und vor allem auch ungerechtfertigt. Die Forderung, Schönheitsreparaturen auf dem im Wohnungsmarkt üblichen Weg zu regeln, wird mit Aussagen abgelehnt, die nahelegen, dass man den Pfarrer/innen nicht über den Weg traut (etwa wenn gesagt wird, man könne nicht davon ausgehen, dass Pfarrer/innen die Schönheitsreparaturen selbst ordnungsgemäß durchführen können). Außerdem ist die SRP viel zu hoch. Im Vergleich zur Hannoverschen Landeskirche zahlen wir schon seit langer Zeit 50% mehr als die Hannoveraner Pfarrer/innen.


Bild des Pfarrberufs

Wie schon erwähnt, ist das Bild des Pfarrberufs längst nicht mehr so klar, wie es noch vor wenigen Jahrzehnten war. Die Anforderungen an Pfarrer/innen sind vielfältig, und nicht immer ist die Ausbildung dafür ausreichend.
Die Synode der VELKD hat sich auf ihrer Sitzung Anfang November ausführlich mit der Frage des Pfarrerbildes beschäftigt, auch der Verband der Pfarrerinnen und Pfarrer arbeitet daran, ein Pfarrerleitbild zu erstellen. Unserer Synode wird ein Beschlussvorschlag vorgelegt werden, wonach der Pfarrerinnen- und Pfarrerausschuss ein Pfarrerbild für unsere Landeskirche entwerfen soll. Wir würden uns freuen, wenn die Synode diesen Beschluss dann auch ohne Änderung übernimmt. Der Pfarrerinnen- und Pfarrerausschuss ist bereit, diese Aufgabe zu übernehmen.


Zusammenfassung

Ein erfreuliches Signal ist es, dass seitens der Landeskirche die Pfarrerschaft über den Pfarrerinnen- und Pfarrerausschuss (PA) in den Reformprozess eingebunden wird. Dies geschieht zwar nicht auf allen Ebenen, aber soweit ich mich erinnere, gab es das vorher nur im Rahmen unverbindlicher Gespräche.
Der PA nimmt nun an einer Arbeitsgruppe teil, die sich mit Gemeindestrukturen und damit auch den Pfarrstellenstrukturen befasst. Außerdem steht die Anfrage der Synode im Raum, ein Pfarrerbild zu erstellen.

Andererseits sehen wir mit Sorge in die Zukunft. Was, wenn die Gemeindegliederzahl nicht in dem Umfang sinkt, wie es jetzt noch erwartet wird? Wie will man den Pfarrerschwund ab 2020 auffangen? Es dürfte klar sein, dass allein mit Ehrenamtlichen dies nicht gelingen kann.
Gerne vergleicht man die Zahlen zur Pfarrstellensituation in unserer Landeskirche mit denen in anderen Landeskirchen und meint folgern zu dürfen, dass es uns ja noch ganz gut gehe. Dabei werden aber eine Reihe zusätzlicher Parameter ausgeblendet, wie z.B. die Existenz einer deutlich höheren Zahl von Diakon(inn)en (Hannover) oder eine lange Geschichte der Isolation (Kirche in den neuen Bundesländern).

Es ist wichtig, dass die Finanzen stimmen, aber auch, dass die hauptamtlichen Mitarbeiter/innen nicht verheizt werden. So werden wir weiterhin den Reformprozess in unserer Landeskirche begleiten und dabei aufmerksam machen auf die Dinge, die für eine gelingende Gemeindearbeit notwendig und unaufgebbar sind.

Martin Senftleben, Vorsitzender
15.11.2010




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